SEITE 5 Startschuss für neues Forschungsnetzwerk KINETEK will Wissenschaft und Industrie vernetzen n Im Juni fand an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig die Auftaktveranstaltung für die neugegründete Forschungsplattform „KINETEK – Netzwerk Bewegungssysteme“ statt. Mehr als 100 interessierte Teilnehmer und Teilnehmerinnen informierten sich im Rahmen eines zweistündigen Vortragsprogramms unter dem Motto „Was erwartet der Arzt – Was erwartet die Industrie von der Wissenschaft?“ über aktuelle Trends, Zielstellungen und Struktur des neuen Netzwerks. Zu den Initiatoren gehören das Universitätsklinikum Leipzig sowie das Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU. Beide Partner waren bereits 2013 mit der Etablierung des „Kunstgelenk Netzwerk Endoprothetik“ so erfolgreich, dass die gemeinsamen Forschungsanstrengungen jetzt auf weitere medizinische Fachbereiche ausgedehnt werden. Nach aktuellen Schätzungen leiden in Deutschland etwa 350 000 Patienten am Parkinson-Syndrom. Die Krankheit ist durch unkontrolliertes Zittern und Bewegungsarmut gekennzeichnet und gilt als nicht heilbar. Zusätzlich zur Behandlung mit Medikamenten wurde Anfang der 1990er-Jahre eine Art „Hirnschrittmacher“ entwickelt. Mittels Tiefen Hirnstimulation (THS) werden elektrische Impulse in die betroffenen Hirnregionen geleitet, wodurch dort Fehlimpulse und damit die Symptome der Krankheit wirkungsvoll unterdrückt werden können. Das aus therapeutischer Sicht vielversprechende Verfahren wird allerdings selten eingesetzt. Es fehlt an industriellen Partnern, die sich mit der Herstellung, dem Vertrieb und der Wartung der komplexen Technik befassen. In der Medizintechnik ist das kein Einzelfall. Lösungen für die Behandlung von Krankheiten entstehen in der Regel am Patienten, das heißt in den Kliniken beziehungsweise in Forschungseinrichtungen. Für den Transfer dieses Wissens zu den Herstellern medizintechnischer Lösungen werden geeignete Strukturen benötigt, die Mediziner, For- Die wissenschaftlichen Mitarbeiter Martin Heilemann und Stefan Schleifenbaum im Labor des Zentrums zur Erforschung der Stütz- und Bewegungsorgane (ZESBO). Fotos: Stefan Straube scher, Qualitätsprüfer, Entwickler und Vertreiber an einen Tisch holen. Die neu gegründete Forschungsplattform „KINETEK – Bewegungssysteme“ tritt als Vermittler und Innovationstreiber in diese Lücke. Derzeit 18 Partner, davon zehn aus der überregionalen Industrie sowie acht Forschungseinrichtungen und Kliniken, stellen sich der Aufgabe, wissenschaftliche Ergebnisse in Form von Therapiegeräten, Implantaten, Softwaretools oder Behandlungskonzepten in die Praxis zu bringen. Im Fokus steht das komplette Bewegungssystem des Menschen. In verschiedenen gemeinsamen Forschungsprojekten sollen so zum Beispiel Erkrankungen der Wirbelsäule mit neuen Therapiegeräten behandelt werden, die in bisher unerreichter Qualität Muskelgruppen trainieren. Weitere Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen richten sich auf computergestützte Assistenzsysteme für den OP-Saal. Komplexe Knochenfrakturen werden der- Chirurg Prof. Dr. Christoph Josten ist auf Seiten des Projektpartners UKL eine der treibenden Kräfte. zeit meist mit standardisierten OP-Konzepten behandelt. Eine computerassistierte Planung wird nur in wenigen Fällen durchgeführt. Im Netzwerk entstehen hierzu Softwarelösungen, mit deren Hilfe die Implantat-Position bestimmt wird. Auch die im Ingenieurwesen bereits weitverbreitete Finite-Elemente-Simulation soll im OP-Saal Einzug finden, und damit den Operateur bei der Vermessung und Belastungsprüfung von Osteosynthese-Material, zum Beispiel Implantaten und Platten, unterstützen. Mithilfe von Kennwerten wie der Knochenoder Bandstruktur könnten solche physikalisch korrekten Simulationen dazu beitragen, Fehler und damit Nachoperationen zu vermeiden. Das Veranstaltungsprogramm zum KINETEK-Auftakt vermittelte Einblicke in diese und weitere Forschungsprojekte. Im Anschluss hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, hinter die sonst verschlossenen Türen des gemeinsam neugegründeten biomechanischen Forschungslabors der Universitätsklinik Leipzig und des Fraunhofer IWU zu schauen. Hier wurden unter anderem Prototypen aus laufenden Forschungsprojekten demonstriert, wie Versuche zur Hüftgelenkstabilität, Oberschenkelersatzimplantate, ein modulares Hüftimplantat sowie ein Prototyp für eine OP-Software zur Messung der Beinlänge bei Hüft-Operationen. „Unsere Netzwerkaktivitäten im Bereich der Medizintechnik machen Schule: Bereits 2013 haben wir erfolgreich eine Kooperation zum Thema Kunstgelenk ins Leben gerufen und eine Reihe von Projektideen umsetzen können“, erklärt Dr. rer. med. Ronny Grunert, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer IWU und Koordinator der beiden Netzwerke. „Das war so erfolgreich, dass auch Unfall- und Neurochirurgen das Gespräch mit uns gesucht haben. Auf der Grundlage unserer Erfahrungen und Netzwerkkontakte ist es uns gelungen, eine Reihe von namhaften Experten zum komplexen Thema Bewegungssysteme zur Zusammenarbeit zu animieren – von der klinischen Anforderung bis hin zur Entwicklung und Zulassung sowie dem Vertrieb.“ ukl Epilepsie bei Kindern: Erzieher und Lehrer durch Informationen stärken Betroffene, Angehörige und Betreuer wünschen sich mehr Beratung in Form von Schulungen n Epilepsie ist für Kinder und ihre Eltern eine belastende Erkrankung. Bei einem Drittel der Epilepsiepatienten treten trotz der Verwendung von Arzneimitteln Anfälle auf. Häufig sind Notfallmedikamente erforderlich, um die Anfälle zu beenden. Wichtig ist dabei, dass diese zügig angewendet werden. Da die Kinder tagsüber im Kindergarten oder in der Schule sind, müssen auch Erzieher und Lehrer wissen, was zu tun ist. Eine interdisziplinäre Gruppe von Forschern aus dem Universitätsklinikum und der Universität Leipzig hat sich dieses Themas angenommen. Ihre Befragung von fast 1250 Erziehern und Lehrern ergab: Das nötige Grundwissen ist vorhanden. Aber besonders im Bereich der Anwendung von Notfallarzneimitteln gibt es Informationsbedarf. Ihre Bestandsaufnahme haben die Wissenschaftler aus Kinderklinik, Klinischer Pharmazie und Biologiedidaktik der Universität Leipzig jüngst in der renommierten Fachzeitschrift „Archives of Disease in Childhood“ publiziert (doi:10.1136/archdischild-2015-308306). In einem weiteren Schritt wollen sie Maßnahmen entwickeln, um die Sicherheit der Arzneimitteltherapie zu verbessern. Das Vorhaben zählt zu jenen Kooperationsprojekten, die im kürzlich in Leipzig gegründeten Zentrum für Arzneimittelsicherheit (Seite 4) gebündelt werden. In einer Befragung von fast 1250 Lehrern und Erziehern kamen wichtige Erkenntnisse zu Tage: Es wurde deutlich, dass ein Grundwissen zur Erkrankung und medikamentösen Dauerund Notfallbehandlung einer Epilepsie bei einem Großteil der Befragten vorhanden ist. „Jedoch sind das Erscheinungsbild der Erkrankung und die Anwendung der Arzneimittel in ihrer Komplexität nur wenigen Pädagogen bekannt“, sagt Thilo Bertsche, Professor für Klinische Pharmazie an der Universität Leipzig. Besonders im Bereich der Anwendung von Notfallarzneimitteln bestehen Unklarheiten. „Dabei kann deren rasche Anwendung bei einem Anfall für die Gesundheit des Kindes von nachhaltiger Bedeutung sein. Dass immer noch veraltete Notfallmaßnahmen wie das Einführen eines festen Gegenstandes zwischen die Zähne kursieren, ist ein wichtiges Indiz dafür, dass eine konstruktive Unterstützung der Pädagogen auf diesem Gebiet wichtig ist“, betont Astrid Bertsche, Oberärztin am Sozialpädiatrischen Zentrum der Universitätskinderklinik. Auch die unklare Rechtslage bei Medikamentengabe durch medizinisch nicht geschultes Personal wurde von den befragten Pädagogen als belastend empfunden. „Erfreulich war, dass die Erzieher und Lehrer eine große Bereitschaft zeigten, sich weiteres Wissen anzueignen, um epilepsiekranken Kindern zu helfen“, sagt Jörg Zabel, Professor für Biologiedidaktik. So wünschten sich mehr als 90 Prozent der Befragten zusätzliche Informationen, insbesondere im Rahmen einer Schulung. ukl | LIEBIGSTRASSE AKTUELL
© Copyright 2024 ExpyDoc