FA H R E R A S S I S T E N Z S Y S T E M E © Carl Hanser Verlag GmbH & Co.KG, München, www.hanser-automotive.de; Nicht zur Verfügung in Intranet- u.Internet-Angeboten oder elektron. Verteilern Das zentrale FahrerassistenzSteuergerät hat unter anderem Rechenbausteine von Mobileye (EyeQ3) und Nvidia (Tegra K1) an Bord. (© Audi) Mit vereinten Kräften zum pilotierten Fahren Pilotiertes Fahren stellt hohe technische und funktionale Anforderungen an die Elektronikentwicklung. Audi antwortet darauf mit einer neuen E/E-Architektur, neuen Schnittstellen-Plattformen, virtuellen Entwicklungsmethoden und adaptiven Entwicklungsprozessen. D ie aktuell verfügbaren Fahrerassistenzfunktionen bilden eine sehr heterogene Gruppe und gehören zu verschiedenen Domänen, wie etwa der Parkassistent oder der Fernlichtassistent. Zwischen diesen Domänen besteht bisher nur ein eingeschränkter Informationsaustausch, auch die Nutzung gemeinsamer Basiskomponenten ist nur schwach ausgeprägt. Damit komplexere Assistenzfunktionen realisiert werden können, muss eine Konsolidierung auf funktionaler Ebene erfolgen und Synergien zwischen allen Applikationen müssen konsequent ausgeschöpft werden. Neue Systemarchitektur Die funktionale Konsolidierung hat aber große Auswirkungen auf die E/E-Architektur eines Fahrzeugs und wird mit den bisher üblichen, verteilten Steuergeräten, einer heterogenen Buslandschaft (zum Beispiel CAN, Flexray, MOST, LIN) sowie den Gateways zwischen den verschiedenen Subnetzwerken nicht mehr abzubilden sein. Nötig ist aus Sicht von 26 HANSER automotive 1-2 / 2016 Audi vielmehr eine zentrale Systemarchitektur, die neben der Sicht auf das Fahrzeug auch externe Innovationen berücksichtigt. Hardware-seitig hat Audi seine Hausaufgaben schon gemacht: das sogenannte zFAS (Zentrales FahrerassistenzSteuergerät) ist eine bereits seriennahe Hardwarearchitektur, in der alle Sensorinformationen für pilotiertes Fahren zusammenlaufen. Die leistungsfähigen Elektronikbausteine des zFAS verfügen über die Rechenleistung eines heutigen Mittelklasseautos und verarbeiten die Daten mit bis zu acht Milliarden Rechenprozessen pro Sekunde weiter. Während ein früher Prototyp dieser zentralen Recheneinheit im Jahr 2012 noch den kompletten Kofferraum ausfüllte, ist das Herzstück des pilotierten Fahrens heute nur noch so groß wie ein Laptop. Das zFAS wird vermutlich 2017 in Serie gehen. Analog zum ZFAS werden künftig weitere leistungsfähige Steuergeräte jeweils mehrere kleinere ECUs eines FahrzeugSubsystems (Domain) zusammenfassen. Eine modellhafte Architektur kann beispielsweise vier Domains (Antriebsma- © Carl Hanser Verlag, München FA H R E R A S S I S T E N Z S Y S T E M E © Carl Hanser Verlag GmbH & Co.KG, München, www.hanser-automotive.de; Nicht zur Verfügung in Intranet- u.Internet-Angeboten oder elektron. Verteilern nagement, Karosserie, Multimedia, pilotiertes Fahren) umfassen. Der hohe Datenverkehr zwischen den Domains überfordert allerdings die Bandbreite bisheriger Bustopologien. Als neuen Backbone zwischen den Domain-Steuergeräten setzt Audi auf das Ethernet-Protokoll mit einer Bandbreite von bis zu 1 Gbit/s. Jedoch nicht auf das bisher aus der Consumerwelt bekannte Ethernet, sondern auf eine für das Automobil ertüchtigte Variante. Hierbei handelt es sich um ein geswitchtes Netzwerk mit geschalteten Punkt-zu-Punkt-Verbindungen. Ergänzend dazu werden weiterhin CAN- und LIN-Datenbusse weniger zeit- und bandbreitenkritische Aufgaben in den Subnetzen übernehmen. Smartphone-Techniken und Mobilfunkstandards (zum Beispiel deren Datenrate und Latenzzeit) berücksichtigt. Ebenso müssen Aspekte wie Safety, Security und Privacy laufend auf aktuelle Trends hin überprüft werden. Die Interfaces zwischen den vier definierten Domänen einer Systemarchitektur sind als Plattformen mit darin ent haltenen Schnittstellenadaptern realisiert. Wichtig ist unter anderem der Hypervisor, der den Einsatz standardisierter Software (zum Beispiel AUTOSAR) ermöglicht. Dadurch ist sichergestellt, dass festgelegte und standardisierte Interfaces verwendet werden, und sich nahtlos weitere Entwicklungsschritte aufsetzen lassen. Außerdem steigert dieser Ansatz die Wiederverwendbarkeit von Softwarekomponenten und senkt so Entwicklungskosten. Ein weiterer Plattform- Die Plattform schafft Verbindung Bestandteil ist das von Audi selbst entwickelte Mobile Parallel zum wachsenden Datenverkehr im Automobil steigt Computing Framework. Es enthält Software für die Androidder Grad der Vernetzung mit externen Systemen an, etwa und Apple-Betriebssysteme und wird genutzt, um über modurch Car-to-X-Kommunikation oder die Nutzung cloud- bile Endgeräte individuelle Apps aufzuspielen. Für cloud- basierter Dienste, die beispielsweise aggregierte Flottenda- basierte Dienste steht ein Framework bereit, das die Datenten bereitstellen. Auch die Vernetzung mit Mobile Devices analyse und -verarbeitung in Echtzeit optimieren hilft. In (etwa zum Steuern automatisierter Parkvorgänge per Smart- naher Zukunft will Audi hier auch maschinenlernende Pro phone) wird immer bedeutender. Dies erfordert für die Syste- zesse implementieren, die, durch Analyse ähnlicher Fälle aus marchitektur einen ganzheitlichen Entwicklungsansatz, der der Vergangenheit, neu auftretende Probleme selbstständig unter anderem externe Elemente wie Backends, neueste lösen können. » FA H R E R A S S I S T E N Z S Y S T E M E (© Audi) Bild 2: Typisches Layout einer Soft- und Hardware- Architektur für pilotiertes Fahren. Entwicklungsmethoden und -prozesse Virtuelle Entwicklungsmethoden sind neben den Plattformen und der Systemarchitektur eine weitere wichtige Komponente in der automobilen Softwareentwicklung. Deshalb hat das Tochterunternehmen Audi Electronics Venture GmbH die Functional Engineering Platform (FEP) entwickelt, eine skalierbare Testumgebung. Sie vernetzt virtuell alle Teilsysteme bis hin zu mobilen Endgeräten und cloudbasierten Diensten und ermöglicht dadurch eine sehr frühzeitige Verifizierung und Validierung von Algorithmen, Architekturen, Steuergeräten und Hardwaremustern. Parallel dazu kann die FEP mit realen Steuergeräten und HiL-Prüfständen verknüpft werden, sodass auch Prüfstands- und Fahrzeugtests möglich sind. Die Integration von Sensormodellen, wie etwa einem Radar, und die Kopplung mit Fahrermodellen und einer Verkehrssimulation ergeben flexible Einsatzmöglichkeiten. 28 HANSER automotive 1-2 / 2016 (© Audi) © Carl Hanser Verlag GmbH & Co.KG, München, www.hanser-automotive.de; Nicht zur Verfügung in Intranet- u.Internet-Angeboten oder elektron. Verteilern Bild 1: Wichtig ist eine frühzeitige Implementierung der Entwicklungselemente schon ab der Konzeptphase. Eine einheitliche Systemarchitektur, Plattformen und eine virtuellen Entwicklung sind aber lediglich technische Voraussetzungen für softwareintensive Innovationen. Audi sieht in ihrer Einbettung in adaptive Prozesse den Schlüssel zur schnellen und nachhaltigen Entwicklung. So will die Audi Electronics Venture GmbH mit einem Projekt zur Organi sation des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses ein einheitliches, modulares Entwicklungsframework für die Embedded Softwareentwicklung bereitstellen. Es umfasst gemeinsame Tools, geeignete Entwicklungsmethoden, eine leistungsfähige Infrastruktur und stellt darüber hinaus Support-Services für die Entwickler zur Verfügung. Das Framework ist nach A utomotive SPICE Level 3 zertifiziert und kann nach Angaben von Audi an die spezifischen Rahmenbedingungen jedes Projekts angepasst werden. W (oe) Hartmut Hammer ist freier Mitarbeiter der Hanser automotive. © Carl Hanser Verlag, München
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