Schriftliche Kleine Anfrage und Antwort des Senats

BÜRGERSCHAFT
DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG
Drucksache
21/2881
21. Wahlperiode
22.01.16
Schriftliche Kleine Anfrage
des Abgeordneten Martin Dolzer (DIE LINKE) vom 15.01.16
und
Betr.:
Antwort des Senats
Diskriminierendes Verhalten und Mobbing gegen Jugendliche und Mitarbeiter/-innen in der Erstversorgungseinrichtung EVE A1 in der Hammerstraße 124
In der Erstversorgungseinrichtung EVE A1 werden 130 „Minderjährige Unbegleitete Flüchtlinge“ unterschiedlicher Herkunftsländer untergebracht und
versorgt.
Berichten zufolge kam es in den letzten Monaten in dieser Erstaufnahmeeinrichtung mehrfach zu Übergriffen und unverhältnismäßigen negativen Sanktionen gegen dort lebende Jugendliche sowie Mitarbeiter/-innen. Jugendliche
wurden Berichten zufolge rassistisch erniedrigt, Freizeitmöglichkeiten wurden
sabotiert und engagierte Sozialarbeiter/-innen gemobbt. Nach eigener Aussage fühlen sich die Jugendlichen, trotz einer selbstorganisierten Protestaktion, weiterhin alleingelassen. Diese Situation muss beendet, die Ursache
beseitigt werden. Es ist momentan wichtig, das verlorene Vertrauen der
betroffenen Jugendlichen in eine menschenwürdige Behandlung und Unterbringung wiederherzustellen.
Vor diesem Hintergrund frage ich den Hamburger Senat:
1.
Ist dem Senat bekannt, dass einem Kind aus Eritrea von einem Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes der Arm gebrochen wurde?
Wenn ja, wie hat der Senat daraufhin agiert?
a.
Hat der Senat Kenntnis, wie es zu diesem Vorfall kam?
b.
Wurde eine Strafanzeige gegen den Mitarbeiter des Sicherheitsdienst erstattet?
Wenn nein, was gedenkt der Senat aufgrund dieses Vorfalls zu unternehmen?
2.
Ist dem Senat bekannt, dass ein Mitarbeiter der Einrichtung Jugendliche
aus Somalia als „Tiere“ bezeichnet und die Jugendlichen dadurch
erniedrigt hat?
Wenn ja, wie hat der Senat daraufhin reagiert?
Wenn nein, was gedenkt der Senat aufgrund dieses Vorfalls zu unternehmen
3.
Wurde der Senat von der Leitung der Einrichtung über die Proteste der
Jugendlichen aus Somalia wegen der Erniedrigung informiert?
Wenn nein, wurde die zuständige Behörde informiert?
Drucksache 21/2881
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode
Wie wurde regeagiert? Wer ist verantwortlich?
4.
Ist dem Senat oder der zuständigen Behörde bekannt, dass ein Mitarbeiter der Einrichtung, der die genannten Vorfälle auf Leitungsebene vortrug, als Folge davon systematisch auf allen Ebenen (Leitung, Mitarbeiter und Security) gemobbt wurde?
Wenn ja, wie hat der Senat daraufhin reagiert?
Wenn nein, was gedenkt der Senat aufgrund dieses Vorfalls zu unternehmen?
Die Vorfälle und Vorwürfe sind der Geschäftsführung des Landesbetriebes Erziehung
und Beratung (LEB) gleichzeitig bekannt geworden. Eingehende Untersuchungen der
Geschäftsführung und der Beschwerdestelle des LEB gemäß § 13 Absatz 1 Satz 1
des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes konnten diese Vorwürfe jedoch nicht
bestätigen:
 Ein Sachverhalt, wonach es zu einem gebrochenen Arm gekommen sein soll,
konnte nicht festgestellt werden.
 Bei dem Vorwurf der Beleidigung von Betreuten handelte es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um ein sprachliches Missverständnis. Der Protest der Jugendlichen
aus Somalia, der sich hiergegen gerichtet hatte, wurde unter Einbeziehung des
Untersuchungsergebnisses der Beschwerdestelle von der verantwortlichen Einrichtungsleitung und den Betreuungskräften pädagogisch bearbeitet.
Die zuständige Behörde und der Senat waren nicht befasst.
5.
Ist dem Senat bekannt, dass ein gut funktionierendes Fussballprojekt
unter anderem mit der Begründung, dass die Einrichtung kein Hotel
wäre, unterbunden wurde?
Wenn ja, wie hat der Senat daraufhin reagiert?
Wenn nein, was gedenkt der Senat aufgrund dieses Vorfalls zu unternehmen?
Durch die Initiative eines Mitarbeiters haben mehrere Jugendliche aus der EVE A1 in
einem multikulturellen Fußballverein in Hamburg-Harburg Fußball gespielt. Diese
sportlichen Aktivitäten der Jugendlichen wurden von den Leitungskräften der Einrichtung nicht unterbunden, sondern begrüßt und unterstützt.
Mit dem Ausscheiden des betreffenden Mitarbeiters aus der EVE A1 ist diese Aktivität
leider ausgelaufen.
6.
Welche Sozialen- und Freizeitmöglichkeiten werden minderjährigen
unbegleiteten Flüchtlingen in Hamburg angeboten?
Die Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen ist darauf ausgerichtet,
den jungen Flüchtlingen eine umfassende Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu
ermöglichen. Dies geschieht über Sprachkurse, Schulbesuch, Herstellung von Kontakten zu Bezugspersonen und gegebenenfalls Institutionen wie Beratungsstellen sowie
durch ein Angebot vielfältiger Aktivitäten innerhalb der Einrichtungen, zum Beispiel in
Form von Gruppengesprächen, Kochkursen, gemeinsamem Essen, PC- und Internetangeboten sowie gemeinsamen Festen. Außerhalb der Einrichtungen gibt es zum
Beispiel gemeinsame Ausflüge zur Stadterkundung oder in Freizeitparks, Theaterprojekte in Kooperation mit Schulen, Kooperationen mit Sportvereinen und Sportstudios
und Kooperation mit der Jugendmusikschule. Darüber hinaus können die unbegleiteten Jugendlichen die Angebote der Offenen Kinder- und Jugendarbeit nutzen.
7.
2
Sind dem Senat Diskriminierungsvorwürfe und Protestaktionen aus
anderen Einrichtungen bekannt?
a.
Wenn ja, wann und durch wen wurden die Fälle gemeldet?
b.
Um wie viele einzelne Vorfälle handelte es sich?
c.
Was sind die Hintergründe dieser Vorfälle?
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode
d.
Drucksache 21/2881
Wie hat der Senat daraufhin reagiert?
Diskriminierungsfälle sind auch aus anderen Einrichtungen des LEB nicht bekannt,
Protestaktionen gab es in zwei weiteren Erstversorgungseinrichtungen.
Die Geschäftsführung des LEB wurde am 20. April 2015 über eine Protestaktion von
Jugendlichen informiert, die in der Einrichtung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge mit deviantem Verhalten am Bullerdeich untergebracht sind. Diese richtete sich
gegen die Art ihrer Unterbringung. Die Aktion wurde friedlich aufgelöst, die Polizei
gewährleistete die Sicherheit der Jugendlichen vor Ort durch straßenverkehrssichernde Maßnahmen. Im Anschluss wurden pädagogische Gespräche geführt.
Am 24. August 2015 erhielt die Geschäftsführung des LEB über eine Protestaktion
einer Gruppe syrischer Flüchtlinge aus der Erstversorgungseinrichtung Hammer Straße Kenntnis. Diese richtete sich gegen die Umstände ihrer Versorgung in der Einrichtung. Sie hatten sich aus Protest vor das Gebäude zum Schlafen gelegt. Auslöser der
Aktion waren Informationen aus der Heimat der Jugendlichen, nach denen ihre Heimatregion bombardiert wurde. Sie forderten umgehend, ihre Familien von dort nach
Deutschland zu holen. Nach der Protestaktion in der Hammer Straße wurden mit den
Jugendlichen aufklärende Gespräche geführt, in denen sie insbesondere über das
Thema Familienzusammenführung informiert wurden.
8.
Auf welche Weise will der Senat zukünftig gewährleisten, dass Mitarbeiter/-innen von Erst- und Folgeaufnahmeeinrichtungen sich für die Einhaltung der Menschenrechte in den genannten Einrichtungen einsetzen
können, ohne negativ sanktioniert zu werden?
9.
Hat der Senat ein Interesse daran, die Arbeit der Mitarbeiter/-innen von
Erst- und Folgeaufnahmeeinrichtungen qualitativ zu verbessern?
Entfällt.
Die zuständigen Behörden halten Fortbildungsangebote vor.
In Bezug auf die im Sinne dieser Anfrage einschlägigen Aufgabenbereiche siehe hierzu den Fortbildungskatalog des Zentrums für Aus- und Fortbildung (ZAF)1 sowie das
Angebot des Sozialpädagogischen Fortbildungszentrums2 der zuständigen Behörde.
Im LEB gibt es zusätzlich zu diesen Fortbildungsangeboten zielgruppenspezifische
Inhouse-Schulungen zur Stärkung der interkulturellen Kompetenz (Cultural Awareness):
 Kennenlernen der arabischen Kultur;
 Informationen für die Arbeit mit Menschen aus Afghanistan;
 Essen ist Heimat! Die afghanisch-iranische Küche & Nordafrika, Somalia und
Eritrea;
 Internationale Küche für Kinder (speziell asiatische und afrikanische Küche);
 Essen lernen in Deutschland?!;
 Islamistische Aktivitäten in Schule und Jugendhilfe; Die Lage in Hamburg und Hinweise für die pädagogische Arbeit;
 Dunkle Erinnerungen; Traumabearbeitung mit jungen Flüchtlingen;
 Ausländerrecht: Eine Einführung;
 Interkulturelle Kompetenz;
 Sensibles Dolmetschen.
1
2
http://static.hamburg.de/fhh/epaper/fortbildung_2016/ (insbesondere die Seiten 155 bis 166).
http://www.hamburg.de/contentblob/115488/data/programmheft.pdf (insbesondere die Seiten
75 bis 83).
3
Drucksache 21/2881
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode
10. In der interkulturellen Zusammenarbeit gibt es viele Herausforderungen,
in der kulturelle Unterschiede immer wieder zum Tragen kommen. Gibt
es in den Erstversorgungseinrichtungen Mediatoren/-innen/Konfliktmanager/-innen, die bei Problemen von Mitarbeitern/-innen aus unterschiedlichen Herkunftsländern oder bei Konflikten zwischen Jugendlichen beziehungsweise Flüchtlingen und Mitarbeitern/-innen hinzugezogen werden? (Bitte aufschlüsseln nach Arbeitsstunden der Mediatoren/
-innen in Einrichtungen für Minderjährige Unbegleitete Flüchtlinge und
Einrichtungen für Flüchtlinge im Allgemeinen.)
Im LEB gibt es keine Mediatorinnen oder Konfliktmanagerinnen, die explizit den
Beschäftigten in den Erstversorgungseinrichtungen zur Verfügung stehen, da die
Betreuungseinrichtungen von pädagogisch qualifizierten Führungskräften geleitet
werden, die über die erforderliche Kompetenz verfügen, bei Problemen oder Konflikten zwischen Beschäftigten oder zwischen Beschäftigten und Betreuten angemessen
zu handeln. Im Übrigen ist der Umgang mit Problemen oder Konflikten mit der zuständigen Personalvertretung in Form einer Dienstvereinbarung schriftlich fixiert worden.
Danach können im Bedarfsfall auch externe Beratungsleistungen in Anspruch
genommen werden. Außerdem besteht die Möglichkeit, sich jederzeit an die AGGBeschwerdestelle des LEB zu wenden.
Die Jugendlichen werden bei der Aufnahme mit einem Merkblatt über ihre Rechte und
darüber aufgeklärt, dass sie sich bei auftretenden Problemen an jede Betreuungskraft
oder auch direkt an die Leitung wenden können.
11. Gibt es für die Mitarbeiter/-innen von Erst- und Folgeaufnahmeeinrichtungen Schulungen bezüglich Antirassismustraining, Critical Whiteness,
Cultural Awareness, Interkulturelles Konfliktmanagement?
Wenn ja, um welche Angebote handelt es sich?
Wie werden diese Angebote angenommen?
Siehe Antwort zu 9. Die Inhouse-Schulungen werden sehr gut angenommen, in der
Regel werden alle angebotenen Teilnahmeplätze belegt.
4