Wilfried Graf Kelman Arbeitsprogramm (ZFF/Kelman Institut) Arbeitsbericht 2015 – Vorschau 2016 Das Kelman Arbeitsprogramm orientiert sich am „Scholar-Practitioner-Modell“ und umfasst folgende Arbeitsfelder: 1. Praxis: Interaktive Konfliktbearbeitung in Konflikt- und Krisenfeldern vor Ort. Dialog, Konfliktberatung und Prozessbegleitung 2. Bildung: Capacity Development, Weiterbildung, Lehre 3. Forschung: Methodenentwicklung Interaktive Konflikttransformation 4. Wissenschaftliche Konferenzen, Veranstaltungen, Publikationen. 5. Organisationsentwicklung. Im Kern geht es darum, eine Methodologie für interaktive Konflikttransformation (ausgehend von Kelmans Harvard-Ansatz) in Konflikt- und Krisengebieten anzuwenden, in eigenständiger Praxis und Begleitforschung weiterzuentwickeln, in Österreich universitär zu verankern und international zu verbreiten. 1. Praxis: Interaktive Konfliktbearbeitung in Konflikt- und Krisenfeldern vor Ort. Dialog, Konflikt-Beratung bzw. -Prozessbegleitung 2015 wurde die Entwicklung und Begleitung von Dialogprojekten vor allem in den folgenden zwei Schwerpunktregionen fortgesetzt: 1.1. Israel-Palästina (Konflikttransformation) 1.2. Österreich/Slowenien - Alpen-Adria-Region (Umgang mit Vergangenheit). 1.3. Darüber hinaus wurden Schritte gesetzt, um weitere Dialogprojekte zu erkunden bzw. vorzubereiten: - Sri Lanka (Konfliktlösung, Umgang mit Vergangenheit) - Ukraine (Dialog der Zivilgesellschaft) - Moldau / Transnistrien (Konflikttransformation) - Kolumbien (Unterstützung des Friedensprozesses) - Österreich – Serbien (Umgang mit Vergangenheit). 1.1. Israel Palästina (Konflikttransformation) Im Dezember 2011 wurde eine bilaterale „Working Group“ mit israelischen und palästinensischen Schlüsselpersonen unter Leitung von Prof. Kelman in Wien organisiert, die bereits seit fast 10 Jahren auf einer „Track 2“-Ebene arbeitete. Die Gruppe scheiterte vorerst 2012, v.a. am Konflikt um die Frage der Anerkennung eines „jüdischen Staates“. 2013/2014 wurde begonnen, den Ansatz der Working Group zu erweitern und den Aufbau einer neuen Working Group vorzubereiten - mit neuen TeilnehmerInnen, die nicht nur als Berater von Entscheidungsträgern fungieren, sondern „upcoming leaders“ entsprechen. Die bilaterale Working Group soll in Zukunft mit inner-israelischen und inner-palästinensischen Dialoggruppen vor- und nachbereitet werden. Ein Planungs-Workshop Mitte Mai 2013 wurde zum Ausgangspunkt für die Erarbeitung eines mehrjährigen Projektvorhabens, „One Country Two States. New Approaches for an Israeli-Palestinian Peace“, das von Augustin Nicolescou, Gudrun Kramer, Ofer Zalzberg und Sami Aburoza und mir erarbeitet wurde und Ende Oktober bei der Abteilung menschliche Sicherheit im Schweizer Außenministerium eingereicht wurde. Im Schweizer Außenministerium fand man das Vorhaben interessant, konnte sich aber nicht zu einer Förderung neben der laufenden „Genfer Initiative“ entschließen. 2015 erreichten wir stattdessen eine Förderung des Schweizer Außenministeriums von 50.000 e für ein Projekt zum Konflikt um die „Holy Esplanade“, d.h. den Konflikt um den Tempelberg bzw. Haram al Sharif (50.000 e). Mittlerweile hat auch das dänische Außenministerium die Möglichkeit einer Unterstützung dieses Projekts signalisiert. Dieses Projekt zielt einerseits auf konkrete Deeskalation, andererseits auf die Erarbeitung politisch-theologischer Lösungsperspektiven. 2014/15 wurde eine arbeitsfähige Struktur aufgebaut: Koordination seitens des Kelman Instituts, ein israelisch-jüdischer und ein israelisch-palästinensischer Koordinator, ein Forum jüdischer und ein Forum palästinensischer AktivistInnen, sowie Kooperation mit Vertretern von vier religiösen Gruppen: jüdisch nationalreligiös, jüdisch ultraorthodox, palästinensisch muslimisch, palästinensisch islamistisch (aber gewaltfrei und gesprächsbereit). Die konkrete Arbeit wird im Oktober 2015 beginnen und 2016/17 fortgesetzt. 1.2. Österreich/Slowenien - Alpen-Adria-Region (Umgang mit Vergangenheit) Zu Österreich/Slowenien wurde 2015 ein mehrjähriges grenzübergreifendes Projektvorhaben fortgesetzt, das 2014 begonnen wurde, als Fortsetzung der seit 2006 begonnenen Dialog- und Buchprojekte „Kärnten neu denken“ und „Kärnten liegt am Meer“. Dieses Projekt mit dem Arbeitstitel „Envisioning the Future - Dealing with the Past. Towards a Alps-Adria-Peace Region“ wird von Jan Brousek koordiniert. Es wurde 2014 und 2015 vom BKA mit jeweils 25.000e und 20.000e finanziert. Ähnlich wie im Nahost-Projekt wird dabei ein komplexer Ansatz verfolgt. Eine bi-nationale Working Group mit 10 österreichischen und 10 slowenischen Schlüsselpersonen (später ergänzt um italienische Schlüsselpersonen) soll mit thematischen Sub-Gruppen kombiniert werden, mit uni-nationalen Sub-Gruppen innerhalb Sloweniens und Österreichs sowie innerhalb der slowenischen Volksgruppe in Kärnten. Steuerungsgruppe: Kollegen aus Lubljana (Institute for Ethnic Studies), Werner Wintersteiner (Univ. Klagenfurt), Wilfried Graf (Kelman Institut), Jürgen Pirker (Univ. Graz), Daniel Wutti (SWI) sowie 2 österreichische und 2 slowenische zivilgesellschaftliche Koordinatoren. 2014 gelang die Erarbeitung einer „Gemeinsamen Erklärung“ der Dialoggruppe zum 1. Weltkrieg und zum Kärntner Abwehrkampf. Die Erklärung wurde auch öffentlich präsentiert, erstmals bei der gemeinsamen Gedenkfeier in Völkermarkt am 9 10 2014. Bis Oktober 2015 soll eine weitere gemeinsame Erklärung zum 2. Weltkrieg erarbeitet werden. Mitte 2015 gelang auch die Einrichtung erster Sub-Gruppen. Damit wurde möglicherweise eine arbeitsfähige Struktur für die Dialoggruppe gefunden, die 2016 konsolidiert und vertieft werden muss. Im Zusammenhang dieses Dialogprojekts wurde 2015 auch ein EU-Projekt (Horizont 2020) eingereicht. Als weiterer Partner wurde dabei die EURAC Bozen gewonnen. 1.3. Erkundungen oder Vorbereitungen zu weiteren Dialogprojekte 2016/17 - Sri Lanka (Konfliktlösung, Umgang mit Vergangenheit) Die überraschende Abwahl von Präsident Rajapaksa am 8. Jänner 2015 – fünfeinhalb Jahre nach der Beendigung des Bürgerkriegs - und die ermutigenden Ergebnisse der Wahlen am 17. August 2015 geben Anlass zu neuer Hoffnung auf einen Neubeginn auch im Bereich Konfliktlösung und Versöhnung. Die Vorgängerorganisation des Kelman Instituts IICP hatte von 2002 bis 2011 ein mehrjähriges Dialogprojekt zur Unterstützung des Friedensprozesses durchgeführt. Minister Karu Jaysuriya, der dieses Projekt initiiert hatte, wurde nach dem 8. Jänner wieder Minister in der neuen Regierung und hat eine Fortsetzung eines Dialogprojekts grundsätzlich begrüßt. Und in der tamilischen Diaspora gibt es Bemühungen, an den Ergebnissen eines intra-tamilischen Dialog-Workshops vom Dezember 2009 wieder anzusetzen. - Ukraine (Dialog der Zivilgesellschaft) Im August 2015 wurde gemeinsam mit einer Initiativgruppe (Peter Steyrer u.a.) ein Aufruf zur Unterstützung eines zivilgesellschaftlichen Dialogs zwischen Konfliktparteien in der Ukraine erarbeitet. Im Herbst 2015 soll auf dieser Basis ein österreichisches Personenkomitee gegründet werden, dass auch beim Fundraising helfen soll. - Moldau / Transnistrien (Konflikttransformation) Über mehrere Monate wurde 2014/15 ein Projekt zu Moldau / Transnistrien geplant, eine Kooperation des Kelman Programms mit Crisis Management Initiative (Ahtisaari) und der Juristischen Fakultät der Univ. Graz (Jürgen Pirker). Dazu wurde eine Concept Note im BMeiA eingereicht und dazu sogar ein Gespräch mit dem Leiter der Politischen Sektion (Jan Kickert) erzielt. Bislang scheiterte allerdings das Fundraising. - Kolumbien (Unterstützung des Friedensprozesses) Im Rahmen einer gemeinsamen Veranstaltung mit der Ex-Guerilla-Kämpferin Vera Grabe (Observatorio para la paz, Bogota) 2014 in Wien wurde ein Projekt zur Unterstützung des Friedensprozesses in Kolumbien angedacht. Vera Grabe versucht derzeit in Kolumbien Möglichkeiten zu erörtern. - Österreich – Serbien (Umgang mit Vergangenheit) Wolfgang Petritsch berät die serbische Regierung derzeit bei den Beitritts-Verhandlungen mit der EU. In diese Zusammenhang gäbe es vielleicht die Möglichkeit, 2016-17 einen österreichisch-serbischen Prozess zum Umgang mit Vergangenheit anzustoßen, beginnend mit einer Veranstaltung zu den jüngsten Forschungen österreichischer HistorikerInnen zu Kriegsverbrechen im 1. Weltkrieg. 2. Bildung: Capacity Development, Weiterbildung, Lehre Capacity Development: - Beratung und Unterstützung bei der Erarbeitung eines palästinensisches TrainingsHandbuchs für die Facilitation innergesellschaftlicher Reformprozesse. Weiterbildung: Für 2016 ist die Organisation eines Weiterbildungs-Lehrgangs angedacht, den ich gemeinsam mit Linda Schönbauer vorbereite. Dabei kann an die Erfahrungen eines früheren IFF-Lehrgangs angeknüpft werden, der gemeinsam mit Evelyn Klein durchgeführt wurde. Lehre: 2015 wurde die akademische Lehrtätigkeit fortgesetzt; in Klagenfurt, Graz, Wien (mit Jan Brousek und Linda Schönbauer). 3. Forschung: Methodenentwicklung Interaktive Konflikttransformation Im Zentrum steht hier die Erarbeitung eines Handbuchs zu „Interaktiver Konfliktbearbeitung“, das unsere praxeologischen und methodischen Ansätze sowohl mit (Meta-)Theorien der Friedens- und Konfliktforschung als auch mit den Erfahrungen der zivilen Konfliktintervention (Sri Lanka, Nahost, Kärnten ...) verbindet. Einige der Publikationen 2013-2015 stellen bereits Vorarbeiten für die Entwicklung eines solchen Handbuchs dar, das 2016/17 fertiggestellt werden soll. - Grundlagen-Artikel „Friedensforschung“ für das Cluster-Handbuch (Graf, Wintersteiner) - Complexity and Human Needs. Festschrift für Otmar Höll (Graf, Kramer, Nicolescou) - Beitrag zum IFF Handbuch zu transdisziplinärer Forschung (Graf). Von besonderer Bedeutung waren 2014-2015 die zwei internationalen Konferenzen über „Conflict Transformation in Intractable Conflicts“ am Harvard Weatherhead Center for International Affairs, finanziert vom Austrian Marshall Fund mit jeweils 35.000 e und 30.000 e. Ein weiterer Zwischenschritt war 2015 die bereits erwähnte Erarbeitung eines palästinensisches Trainings-Handbuchs für die Facilitation innergesellschaftlicher Reformprozesse in Palästina. 2015 wurden aber auch in einer Reihe von bislang unentschiedenen theoretischen Fragen wichtige Erkenntnisse gewonnen, im besonderen in metatheoretischen Fragen des Zusammenhangs von Komplexitätsphilosophie, kritischem Realismus, kritischer Hermeneutik und interaktionalem Ko-Konstruktivismus. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Auseinandersetzung mit Frederic Vandenberghe, „Whats´ Critical about Critical Realism? Essays in Reconstructive Social Theory“. 4. Wissenschaftliche Konferenzen, Veranstaltungen, Publikationen 4.1. Wissenschaftliche Konferenzen 17. – 19. September 2015, Harvard University Organisation der zweiten internationalen Konferenz zu „Conflict Transformation in Intractable Conflicts“ am Harvard Weatherhead Center for International Affairs Harvard. 28. – 29. September 2015, New York Organisation einer internationalen Konferenz zu „World Order in the Twentieth Century“ in Kooperation mit Chumir Foundation und International Crisis Group. 23. – 25. Oktober 2015, Wien Mitarbeit am „Wiener Kongress 2015“, organisiert von der Chumir Foundation. 4.2. Veranstaltungen 6. – 13. Feber 2015 1-wöchiges Konflikt-Training am Institut für Gestalttherapie in Barcelona, mit Gudrun 19. – 22. Feber 2015 Beitrag für das Dürnstein Symposium 5. – 9. Juli Workshop auf der Sommerakademie Schlaining 4.3. Publikationen Bis Jänner 2016 wird ein Buch mit Texten von Herb Kelman fertiggestellt, das von Wintersteiner und mir editiert wird. Es wird in einer Routledge Buchreihe zu Konfliktforschung und Konfliktlösung erscheinen. 2016/17 ist die Editon eines Buchs zu den zwei Konferenzen zu „Conflict Transformation in Intractable Conflicts“ geplant. Persönliche Publikationsliste von W. Graf wird nachgeliefert. 5. Organisationsentwicklung 2014/15 wurden mehrere Gespräche mit Josef Marko bzw. Jürgen Pirker an der Univ. Graz geführt, um eine langfristige Kooperation zwischen Univ. Graz, Kelman Institut und ZFF aufzubauen. Konkret geplant ist ein schriftliches „Memorandum of Understanding“ für eine solche Kooperation 2016-2018. Ich fände es sehr gut, hier auch das ZFF zu integrieren. Im Zusammenhang mit den Harvard Konferenzen wird 2016 auch die Einrichtung eines internationalen Beirats des Kelman Instituts bzw. des Kelman Programms möglich sein, mit internationalen Scholar-Practioners an anderen Universitäten und Institutionen in USA, EU, Südosteuropa, Israel-Palästina, Afghanistan, Kolumbien, Sri Lanka und Kirgistan (im Besonderen Univ. Bradford, Columbia Univ., Bar Ilam Univ., Birzeit Univ., OSCE Akademie Kirgistan). 2015 gelang ein Durchbruch beim Aufbau einer Website des Kelman Instituts, die jetzt von Thomas Ernstbrunner betreut wird, in enger Kooperation mit mir. 2015 wurden eine Reihe von „Affiliates“ eingeladen, das Kelman Insttut als Plattform für Kooperationen und eigene Projekte zu nutzen (siehe Website).
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