Eröffnung der Kapselphimose mittels Femtosekundenlaser

SCHWERPUNKT
REFRAKTIVE CHIRURGIE
Eröffnung der Kapselphimose
mittels Femtosekundenlaser
Eine im Rahmen einer Kataraktoperation entstandene Kapselphimose ist meist mit einer erheblichen Schrumpfung
des Kapselsackes verbunden und kann zur Dislokation der IOL innerhalb des Kapselsackes führen. Bisherige
Therapiemöglichkeiten beispielsweise durch radiäre Entlastungsschnitte in die Vorderkapsel mittels Nd:YAG-Laser
können dazu führen, dass die Rhexis unkontrolliert einreißt und die IOL nicht mehr sicher stabilisiert. Dr. Georg Gerten
(Köln) stellt ein neues Vorgehen dar, Kapselphimosen mit dem Femtosekundenlaser zu therapieren.
E in wichtiger Teilschritt der modernen Kataraktoperation ist die
Anlage einer möglichst zentrierten kreisrunden Öffnung in der
vorderen Linsenkapsel. Diese, meist als Rhexis ausgeführte vordere
Kapsulotomie misst idealerweise etwa 5 mm im Durchmesser. Die
Rhexis dient als Öffnung, durch die die Entfernung der getrübten Proteinkomplexe im Inneren der Lens cristallina möglich ist und danach
auch die Implantation einer Intraokularlinse (IOL) in den Kapselsack.
Postoperativ soll die vordere Kapsulotomie für eine sichere IOLPosition sorgen und eine genügend große optische Lücke zum Durchblick gewährleisten. Im Heilverlauf der IOL-Implantation fibro­siert
der Kapselsack, was bis zu einem gewissen Grade als normale Konsequenz der Kataraktoperation (Nachstar) zu sehen ist. Wenn das
hintere Kapselblatt betroffen ist und die Fibrose optisch stört, wird
die Hinterkapsel in der Regel mit einem Nd:YAG-Laser eröffnet. Bei
starker Fibroseaktivität kann sich aber auch die Kapsel insgesamt
um die IOL herum eng zusammenziehen. Dann kommt es zu einem
zunehmenden Zug auf die Zonulafasern. Ist auch das vordere Kapselblatt betroffen, kann es zu einer Schrumpfung der bei der Operation
geschaffenen Öffnung (Rhexis) des vorderen Kapselblattes kommen.
Ist die Fibrose und Schrumpfung der Rhexis stark ausgeprägt, spricht
A
man von einer Kapselphimose (Abb. 1A). Eine Kapselphimose ist
meist mit einer erheblichen Schrumpfung des Kapselsackes ins­
gesamt verbunden und kann zur Dislokation der IOL innerhalb des
Kapselsackes führen. Die IOL kann in der X/Y- und in der Z-Achse
verschoben und im Extremfall sogar deformiert werden (Michael
et al. 2010). Je nach Ausprägung und Zusammenwirken können
X/Y/Z-Verschiebungen der IOL und IOL-Verkippungen (Tilt) zu
Bildfehlern führen: Sowohl Myopisierung/Hyperopisierung sowie
Astigmatismus können die Folge sein, aber auch Bildfehler höherer
Ordnung, die mit Zernike-Polynomen wie Coma, Trefoil, Astigmatismus höherer Ordnung beschrieben werden können. Darüber hinaus
verursacht das fibrotische Gewebe Streuung und kann an der Kante
zu Beugungsphänomenen führen: optische Beeinträchtigungen wie
Blendung, Streulicht-Wahrnehmung, Halos, Doppelbilder, Bildverzerrungen und Bildunschärfe können die Folge sein. Weiterhin kann
der dauernde Zug des fibrotischen Kapselsackes auf die Zonulafasern
zu einer Lockerung der Aufhängung des Kapsel-IOL-Apparates am
Ziliar­körper führen. Dies wiederum bedingt eine Phakodonesis, die
im Extremfalle in einem kompletten Absturz des gesamten Kapsel/
IOL-Diaphragmas in den Glaskörperraum münden kann.
B
Abb. 1: Kapselphimose nach IOL-Implantation: vor femtosekundenlaserassistierter Kapsulotomie-Erweiterung (A) und einen Tag danach (B).
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Die Therapiemöglichkeiten einer solchen Vorderkapselphimose
waren bisher: Erstens die chirurgische Erweiterung der Phimose
(beispielsweise mittels Vitrektom), zweitens die chirurgische
Erweiterung der Phimose (beispielsweise mittels Kapselschere
und Pinzetten) und drittens die radiären Entlastungsschnitte in die
Vorderkapsel mittels Nd:YAG-Laser. Die ersten beiden Alternativen erfordern sehr viel chirurgisches Geschick und sind trotzdem
oft recht traumatisch (Yeh et al. 2002). Das fibrotische Gewebe
ist nicht leicht zu schneiden, ohne durch Zug und Manipulationen
erheblichen Stress auf Kapselsack und Zonula auszuüben. Ebenso
kommt es bei der manuellen Ausschneidung des vorderen Kapselblattes oft zu ungewollten Einrissen der Kapsel, die die Integrität
des Kapselsackes und damit die IOL-Stabilität gefährden.
Die dritte Lösung ist technisch einfacher, hat aber andere Nachteile
(Hayashi et al. 2014). Der Nd:YAG-Laser ist primär für eine Nachstarbehandlung, ein Eröffnen der hinteren Kapsel, gedacht. Dazu
emittiert der Nd:YAG-Laser kurze Laserpulse im Bereich einiger
Nanosekunden. Um die nötige Energiedichte im Fokus­volumen zur
Plasmabildung zu erreichen, benötigt der Nd:YAG-Laser Energien
im Bereich einiger Millijoule (mJ). Damit generiert der Laser ein
Mikroplasma, das sich ausdehnt und zu einer Gewebszer­reißung
führt. Diese Gewebszerreißung ist zur Eröffnung der Hinter­kapsel
gut geeignet, aber an der fibrotischen Vorderkapsel führt sie oft zu
unkontrolliertem Einreißen oder Zurückweichen des Rhexisrandes.
Deshalb sind die OP-Techniken mit dem Nd:YAG-Laser relativ eingeschränkt, es ist kein Ausschneiden des fibrotischen Gewebes möglich, sondern man schneidet lediglich radiär den Rhexis­rand ein.
Dies kann dazu führen, dass die Rhexis unkon­trolliert einreißt und
die IOL nicht mehr sicher stabilisiert. IOL-Disloka­tionen können
die Folge sein. Darüber hinaus entstehen durch den Nd:YAG-Laser
oftmals Schäden an der Vorderfläche der IOL: Die phimotische
Kapsel liegt der IOL direkt auf und die Energie des Nd:YAG-Lasers
muss im Vergleich zum Femtolaser, wie oben beschrieben, recht
hoch gewählt werden. Damit ist eine Beschädigung der IOL-Vorderfläche durch die entstehenden Mikroplasmen/Druckwellen des
YAG-Lasers oft unvermeidbar, wenn man die ­phimotische Vorderkapsel einschneiden will.
Die neue femtosekundenlaserassistierte Technik der Phimose­
inzision: Der Femtosekundenlaser (fs-Laser) emittiert etwa 6.000fach kürzere Pulse (etwa 600 fs) und benötigt daher nur Energien
im Bereich einiger Mikrojoule (µJ), um ein Plasma zu erzeugen
und Gewebe zu trennen. Daher ist ein fs-Laserschnitt präziser und
weitgehend ohne unkontrollierte Gewebezerreißungen möglich.
Deshalb ist mit einem solchen Laser eine neue OP-Technik möglich. Die geschrumpfte Rhexis muss nicht radiär inzidiert werden,
sondern kann zirkulär ringförmig erweitert werden. Eine runde
Rhexis wird atraumatisch wiederhergestellt – so scheint ein dauerhaft sicherer IOL-Sitz besser erreichbar (Abb. 1B).
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Abb. 2: OCT-Bild des Vorderabschnittes bei Kapselphimose nach IOL-Implantation: Geplante Femtosekundenlaserinzision (zwei vertikale Linien,
magentafarbig) der fibrotischen Kapsel (gelber Pfeil) in genügendem
Abstand zur IOL-Vorderfläche (grüner Pfeil).
Intraoperatives Vorgehen
Das intraoperative Vorgehen umfasst drei Schritte: Erstens das manuelle Lösen der Kapsel von der IOL, zweitens das Ausschneiden des
Phimose­ringes unter dem fs-Laser und drittens Entfernen des Phimoseringes. Im ersten Schritt wurde das Auge unter dem OP-Mikroskop
über Parazentesen eröffnet. Mit vorsichtiger Manipulation wurde die
fibrotische Vorderkapsel von der IOL gelöst. Hochviskoses Viskoelastikum wurde dann benutzt, um die Vorderkapsel von der IOL-Vorderfläche abzuheben und räumliche ­Distanz zwischen beiden zu schaffen.
Der Patient wurde nun unter den Femtosekundenlaser geschoben.
Die Laserbehandlung erfolgte in allen Fällen mit einem Alcon
LenSx fs-Laser. Zunächst wurde das Patientenauge in üblicher
Weise über ein Interface an den fs-Laser angedockt. Ein Ansaugen
des vorher eröffneten Auges war in jedem Fall komplika­tionsfrei
möglich. Dies ist zum einen dem neuen Soft-Interface des LenSx
geschuldet, das den Augendruck beim Ansaugen kaum erhöht. Zum
anderen haben wir zur Viskoinjektion und Trennung der Vorderkapsel von der IOL nur tunnelförmige 1,2-mm-Parazentesen benutzt, die
auch beim Ansaugen perfekt dicht blieben. Das im Lasergerät eingebaute Infrarot-OCT erfasste die Strukturen des vorderen Augenabschnittes perfekt, Kapsel und Vorderfläche der IOL konnten klar
differenziert dargestellt werden (Abb. 2). Es sollte ein Sicherheitsabstand von wenigstens 150 µm zwischen Kapsel und IOL-Vorderfläche eingehalten werden, damit der Femtosekundenlaser nicht in
die IOL schneidet. Die folgenden Laserparameter wurden eingestellt: Durchmesser der Kapsulotomie (4,4 bis 5,0 mm), Laserpuls­
energie 15µJ und der räumliche Pulsabstand (3 und 4 µm in der
Ebene beziehungswiese in der Höhe). Das fs-Lasermuster wurde in
X/Y-Richtung auf die Pupillenmitte ausgerichtet. Ziel war es, postoperativ eine zentrierte Rhexis von etwa 5-mm-Durchmesser mit
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Abb. 3: Phimoseexzision mittels Femtosekundenlaser: Das Auge ist an den
LenSx-Laser angekoppelt, die Kapsulotomie (magentafarbiger Kreis) ist auf
die Pupillenmitte zentriert und umschneidet die zentrale Fibrose der Kapsel.
atraumatischer möglich als bei rein manuellem Vorgehen mit Vitrektom oder Mikroscheren. Die durch den fs-Laser erreichte Kapsulo­
tomie beeindruckte durch die gute Zentrierung und relativ homogene
Randstruktur. Unkontrollierte Zerreißungen mit Gefahr der IOLDislokation kamen nicht vor. Das Viskoelastikum wurde abgesaugt
und die Operation mit dem Hydrieren der Parazentesen beendet.
Bei allen Patienten stabilisierte sich der IOL-Sitz innerhalb weniger
Tage. Wenn bereits bei fortgeschrittener Phimose der Visus abgefallen
war, konnte eine Steigerung um mindestens zwei Zeilen erreicht werden. Kein Patient klagte postoperativ noch über Blendbeschwerden.
Der IOL-Tilt konnte in allen Fällen in eine Region <5 Grad zurückgeführt werden. In einem Fall kam es zu einem oberflächlichen fsLasereinschnitt in die IOL-Vorderfläche. Dies hatte in der 5-mm-Zone
keine optischen Nachteile, das IOL-Material nahm nur minimalen
Schaden ohne weitere Konsequenzen. Dennoch betont diese Komplikation die Bedeutung eines genügenden Abstandes zwischen fs-Mikro­
plasma und IOL-Vorderfläche. Viskoelastische Trennung von IOL und
Kapsel, genaue Darstellung der intraokularen Strukturen im OCT und
sichere Einstellung beziehungsweise Justage des Strahlpatterns in
der Z-Achse sind dafür Voraussetzung. Daher wird die pseudophake fs-Kapsulotomie bei bereits geöffneter Hinterkapsel sehr schwierig.
Da die Technik der Therapie der pseudophaken Phimose mit dem fsLaser neu ist, sind noch keine Literaturvergleiche möglich. Jedoch
sind in Einzelfällen bereits erfolgreiche Erweiterungen von Kapsulotomien im Rahmen von Kataraktoperationen beschrieben. Die Wahl
der Laserparameter und das operative Vorgehen weichen hierbei
naturgemäß von der pseudophaken Phimosetherapie etwas ab, zeigen
aber auch sehr kontrollierte Kapsulotomien (Dick und Schultz 2014).
Schlussfolgerung und Ausblick
Abb. 4: Zum Ende der OP wird der Ring fibrotischen Gewebes entfernt, der
mit dem Femtosekundenlaser geschnitten wurde.
einer möglichst zirkulären Überlappung der IOL-Optik zu erreichen ­ (Abb. 3). Danach erfolgte die fs-Laserapplikation. In allen Fällen
konnte ein sauberer zirkulärer fs-Laserschnitt durch das fibrotische
Gewebe erreicht werden. Am Ende der Laserapplikation stellte sich
dann ein innerer Ring abgetrennten phimotischen Gewebes dar.
Nach dem Abkoppeln vom fs-Laser wurde die Operation dann wieder unter dem OP-Mikroskop beendet. Mit 23-Gauge-Mikropinzetten konnte der Phimosering von der Kapsel abgezogen werden, in
zwei Fällen waren noch fibrotische Gewebebrücken vorhanden, die
aber leicht mit Mikroscheren getrennt werden konnten. Die fibrotischen Gewebeteile wurden aus dem Auge entfernt (Abb. 4). In allen
Fällen konnte eine zentrierte Wiedereröffnung der phimotischen
Linsenkapsel erreicht werden. Dies war sehr viel vorhersagbarer und
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Die ersten Erfahrungen, Kapselphimosen mit dem Femtosekundenlaser zu therapieren, sind ermutigend. Bei der Adaptation der Technik
des Femtosekundenlasers für pseudophake Augen sind einige Besonderheiten zu beachten. Die Zahl der Patienten ist im Moment noch
zu klein, um im Vergleich mit den herkömmlichen Techniken der
Phimosetherapie (manuell, Vitrektom, YAG-Laser) statistisch signifikante Ergebnisse zu erhalten. Jedoch sind die klinischen Resultate der fs-gestützte Rhexiserweiterung so überzeugend, dass wir bei
allen Vorderkapselphimosen primär den Einsatz der Femtosekundenlasertechnik prüfen. Da der fs-Laser grundsätzlich präzisere Schnitte
ermöglicht, werden die fs-Laser den Nd:YAG-Laser auf lange Sicht
möglicherweise auch aus der Nachstartherapie verdrängen.
Literatur auf Anfrage in der Redaktion.
Dr. Georg Gerten
Ärztlicher Direktor Augenklinik am Neumarkt, Köln
E-Mail: [email protected]
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