Expedition zum Ich – 6. Woche: Wohin gehe ich? Johannes 21,1

Expedition zum Ich – 6. Woche: Wohin gehe ich?
Johannes 21,1-7
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des
Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.
Jede Reise hat einen Anfang, aber auch irgendwann ein Ende. Wir haben schon Stimmen
von Teilnehmern der Expedition gehört. Es war eine gute Reise. Manchmal anstrengend.
Zu manchem Anstieg, Text oder Thema musste man auch mehrmals ansetzen. Aber ich
habe von keinem gehört, der den Mut verloren hätte. Wir nehmen etwas mit von dieser
Reise: Uns bleiben Bilder, Gedanken und Gespräche zurück, die uns weiterbegleiten
werden.
Jede Reise hat einen Anfang, aber irgendwann auch ein Ende. Damit hat sich auch die
letzte Expeditionswoche beschäftigt. Sie stand unter der Frage, wohin der Weg uns am
Ende der Zeit und des Lebens führt. Wohin geht die Reise?
I.
Aus den Texten dieser Woche habe ich für heute das 21. Kapitel der
Johannesoffenbarung ausgewählt. Johannes ist ein Visionär. Er schreibt für die Menschen
um ihn herum Bilder von der Ewigkeit und vom Ende der Zeit und davon, wie es einmal mit
Gott sein wird. Dabei ist er kein Schwärmer. Johannes nimmt deutlich wahr, wie das
Leben ist. Mit seinen Höhen und seinen Tiefen und seinen Herausforderungen. Nach der
Auferstehung Jesu hat die junge Bewegung der Jünger eine beispiellose
Erfolgsgeschichte hingelegt. Das Evangelium hat Kreise gezogen. Von Jerusalem nach
Antiochia und durch das Imperium bis nach Rom. Nach Afrika und Indien. Viele sind zum
Glauben an Jesus Christus gekommen. Viele hat es gepackt und nicht mehr losgelassen.
Sie haben in diesem Glauben einen Weg entdeckt, auf dem sie gut durchs Leben
kommen. Das Neue Testament, besonders die Apostelgeschichte, aber auch die Briefe,
erzählen uns viele Namen und Geschichten dieser Menschen, die fasziniert sind und
glauben und auf dem Weg des Glaubens Gott erleben. Das sind nicht nur die Apostel
Paulus, Petrus oder unser Bartholomäus auf dem Kirchenfenster. Da ist das Ehepaar
Aquilla und Priscilla, selbstständige Handwerker, Tuchweber, die aufgrund eines
Verfolgungsedikts aus Rom fliehen müssen und Paulus begegnen. Sie gehören zu den
ersten christlichen Missionaren. Da ist der Arzt Lukas, der zum neutestamentlichen
Schriftsteller wird und ein Evangelium und die Apostelgeschichte aufschreibt. Die Bibel
erzählt von der Purpurhändlerin Lydia, eine Unternehmerin, die als erste Person auf
europäischem Boden den christlichen Glauben annimmt. Es ist die Rede vom Sklaven
Onesimus, der seinem Herrn wegläuft und als Christ zurückkehrt. Im Neuen Testament
kommen viele solche Namen und Geschichten zusammen.
Das Leben als Christ ist nicht einfach. Schon bald und in unterschiedlich heftigen
Ausbrüchen werden Christen um ihres Glaubens willen verfolgt. Auch Johannes ist ein
Opfer dieser Verfolgung. Schon über achtzig Jahre alt, wird er auf die Sträflingsinsel
Patmos verbannt, die er bis zu seinem Tod nicht mehr verlässt. Dort lebt er unter
Schwerverbrechern. Johannes kennt die Wirklichkeit und die harten Seiten des Lebens
sehr genau. Die ganzen Geschichten und Namen vor Augen, besonders der Menschen
aus seiner eigenen Gemeinde in Ephesus mit ihren Schicksalen in der Verfolgung,
schreibt Johannes seine Vision auf. Mit dem Ziel die Menschen zu trösten.
Bis heute sind zumindest Teile der Johannesoffenbarung ein Trostbuch für viele
Menschen in schweren Situationen. Weil die Vision des Johannes beschreibt, dass alles
Leiden einmal überwunden sein wird. Er zeichnet ein Bild der Hoffnung von der Ewigkeit.
II.
Johannes beschreibt auch anderes. Er schreibt auch von furchtbaren Zwischenzeiten, mit
apokalyptischen Bildern, die uns eigentlich erschrecken müssen. Er deutet darin das
Schicksal der Menschen in diesem Leben. Er sagt: Das hat seinen Sinn darin, dass die
Welt euch nicht einfach hergibt. Es gibt Mächte, die kämpfen darum, Menschen von Gott
fern zu halten. Aber dieser ganze Schrecken endet in der Vision der Hoffnung. Als ob ein
Sturm ganz auf einmal zur Ruhe kommt. Wenn man für die Offenbarung eine
Vergleichsgeschichte finden müsste, dann wäre es für mich die Sturmstillung Jesu.
Obwohl Jesus im Boot ist, haben die Jünger Angst. Weil er schläft. Und sie alle Sicherheit
verlieren. Wer setzt uns diesem Sturm aus, obwohl wir den Sohn Gottes im Boot haben?
Welche Mächte greifen uns an? Das könnten viele Christen genauso fragen: Warum
stürmt es im Leben, obwohl ich doch den Sohn Gottes in meinem Lebensboot habe?
Dann wacht Jesus auf. Er befiehlt Sturm und Wellen still zu sein. Und es kehrt Ruhe ein.
Das ist die Vergleichsgeschichte zur Offenbarung. Das Leben tobt um diese Christen der
ersten Jahrzehnte und Jahrhunderte. Sich zu Jesus Christus zu bekennen ist gefährlich,
oft sogar lebensgefährlich. Da gibt es andere, die es mit den Christen böse meinen.
Johannes schreibt vom Sturm, von den Mächten, die den Menschen nicht zu Gott
kommen lassen möchten und nicht zur Ruhe kommen lassen. Aber dann schreibt er in
einem der für mich schönsten und bewegendsten Texte der Bibel, davon, wie es sein wird,
wenn einmal alles zur Ruhe kommt. Es ist seine Vision der Ewigkeit.
[Text: Johannesoffenbarung 21,1-7, Übersetzung aus dem Expeditionsbuch]
III.
Dem Sturm des Lebens setzt Johannes drei Horizonte der Hoffnung entgegen.
Der erste Horizont lautet: Hoffnung für die Welt.
Begonnen haben wir die Expedition in den ersten Kapiteln der Bibel mit den Erzählungen
von der Schöpfung der Welt. Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde, damit hat alles
begonnen. Hier heißt es jetzt: Ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde. Die
Schöpfung Gottes vollendet sich nicht in der alten Schöpfung, sondern in einer neuen Welt
unter einem neuen Himmel.
Johannes spricht in seiner Vision davon, dass Gott, der den Menschen eine erste Heimat
geschaffen hat, in der sie nie zur Ruhe gekommen sind, eine zweite, neue Heimat schafft,
in der sie zur Ruhe kommen können. Das Chaosmeer und die Chaosmächte von denen
die Schöpfungserzählung ganz am Anfang der Bibel erzählt, die Mächte, die sogar im
Garten Eden sind und dort die Menschen zum Chaos verführen und sie dazu bringen sich
gegen Gott zu wenden, die Mächte, bis zuletzt die Herrschaft über den Menschen und die
ganze Schöpfung nicht aufgeben wollen, diese Mächte werden dort nicht mehr sein. Die
ganze Schöpfung kommt zur Ruhe. Der Sturm ist gestillt. Es gibt eine Hoffnung für die
unruhige Welt.
Der zweite Horizont lautet: Hoffnung für die Gemeinschaft.
Dass der Mensch als Beziehungswesen geschaffen ist und trotzdem daran scheitert, das
haben wir auch schon in der ersten Woche in den ersten Kapiteln der Bibel gelernt.
Nachdem die Menschen an der Beziehung zu Gott gescheitert waren und den Garten
Eden verlassen haben, scheitern ihre Kinder, die beiden Brüder, Kain und Abel
aneinander. Der Streit wird handfest und der Tod hält Einzug in die Welt. Menschen
müssen voneinander flüchten, weil sie nicht mehr beieinander sein können. Denken Sie
das einmal auf jedes gescheiterte menschliche Miteinander hin durch. Auf jede
gescheiterte Freundschaft, auf jede gescheiterte Nachbarschaft, auf jede gescheiterte Ehe
oder Liebesbeziehung. Auf jedes gescheiterte Miteinander in der Familie. Am Ende sogar
auf jedes gescheiterte Miteinander unter Völkern oder in Staaten, das im Bürgerkrieg
mündet. Menschen müssen voneinander flüchten, weil sie nicht mehr beieinander sein
können. Es ist hoffnungslos.
Johannes spricht in seiner Vision von einer Stadt, die vom Himmel herabkommt. Diese
Stadt ist nicht von Menschen gegründet, sondern von Gott gestiftet. Die Rede ist von einer
großen Sozialgemeinschaft, die darauf angelegt ist, dass unterschiedlichste Menschen
darin auf unterschiedlichste Arten zusammenleben und der ganze städtische Organismus
miteinander gelingt. Wenn wir die Bürgermeister einer Großstadt, vielleicht von Stuttgart
oder sogar Berlin oder New York fragen würden, wie das menschliche Miteinander gelingt,
könnten sie darauf vermutlich keine Antwort geben. Michael Bloomberg, bis vor wenigen
Jahren Bürgermeister von New York hat einmal bildlich davon gesprochen, dass dort ein
Hund den Anderen frisst. Es ist ein Fressen und Gefressen werden im großen
menschlichen Miteinander..
Aber in der Vision des Johannes gelingt das menschliche Miteinander. Dort scheitern
Menschen nicht mehr aneinander. Menschliche Beziehungen gelingen allesamt. Weil die
Bewohner der himmlischen Stadt unmittelbar mit Gott selbst verbunden sind. Weil es
Versöhnung gibt. Es gibt eine Hoffnung für das menschliche Miteinander.
Der dritte Horizont lautet: Hoffnung für die Menschen.
Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen. Und der Tod wird nicht mehr sein, noch
Leid, noch Geschrei, noch Schmerz wird mehr sein. In der Übersetzung des
Expeditionsbuches: Das ist ein für alle mal vorbei.
Was steckt darin für eine Kraft! Was ist das für eine Hoffnung für alle Leidenden, alle
Kranken, alle Trauernden, alle, die Angst haben, für alle Armen und Hungernden, alle
Heimatlosen, alle, die in Kriege oder Streit verwickelt sind, alle die verzweifeln, alle, die
nicht weiter wissen, alle denen ihre Verhältnisse oder lebendfeindliche Mächte das Leben
schwer machen: Das alles wird eines Tages nicht mehr sein. Gott wird alle Tränen
abwischen. Es wird gut sein. Es gibt eine Hoffnung für die Menschen, weil Gott selbst
eingreift.
Drei Horizonte der Hoffnung gibt uns dieser Text mit:
- Die Schöpfung kommt zur Ruhe.
- Menschliche Beziehungen werden gelingen.
-
Gott wird alle Tränen abwischen.
IV.
Wer unterwegs ist und beim Wandern den Horizont ins Auge fasst. Der kann weitergehen,
bis er erreicht hat, was er ins Auge gefasst hat. Dahinter hat sich dann schon ein neuer
Horizont aufgetan.
Wir Christen bewegen uns hin auf den Horizont. Manches kommt uns entgegen. Manches
hinterlässt jetzt schon seine Spuren. Und manche kleinen oder großen Wunder haben im
Hier und Heute schon ihren Platz. Auf anderes müssen wir warten. Bis wir eines Tages
„drüben“ sind. Ganz bei Gott.
Aber wir haben ein Ziel vor Augen. Auf dem Weg durchs Leben und auf dem Weg durch
den Glauben haben wir eine Vision auf die wir zugehen, bis sie eines Tages Wirklichkeit
ist. Wir gehen nicht ziellos. Wir müssen keine Angst haben. Wir gehen mit Gott. Deshalb
haben wir eine gute Hoffnung.
V.
Ich bedanke mich bei Ihnen, dass Sie sich auf die vergangenen sechs Wochen
eingelassen haben. Als Leser des Begleitbuches. Oder als Teilnehmer an den
Gesprächsgruppen. Oder als Besucher eines oder mehrerer Gottesdienste. Mich haben
diese sechs Expeditionswochen auf dem Weg mit Rückenwind ein gutes Stück
vorangebracht. Ich glaube, dass ich nicht der Einzige bin, dem es so geht. Wir bleiben
weiter unterwegs. Hoffentlich miteinander. Vielleicht im Lesen, vielleicht in Gesprächen
und Gebeten, ganz bestimmt mit unseren Gottesdiensten. Mit Johannes` Vision von der
Ewigkeit, aber auch Gottes Vision von der Welt und vom Menschsein vor Augen.
Miteinander unterwegs.
Amen.