„Die Bilder durch Bilder austreiben...“ (Meister Eckhart). Auf der Suche nach christlicher Identität. Reichenau 13.Oktober 2o14 Gotthard Fuchs, Wiesbaden „Nicht durch die Art, wie ein Mensch von Gott spricht, sondern durch die Art, wie er von irdischen Dingen spricht, kann man am besten erkennen, ob seine Seele im Feuer der Liebe zu Gott gewesen ist. Hier ist keine Verkleidung möglich.“ (Simone Weil IV 137) „Lernen wir, dass es nur eine einzige Liebe gibt: wer Gott umarmt, findet in seinen Armen das Gewicht der Welt; wer in seinem Herzen das Gewicht Gottes aufnimmt, empfängt auch das Gewicht der Welt.“ (Madeleine Delbrel) 1. „Ich bin ein sehr verschiedener Mensch“ (Therese Giese) oder: „Wohin komme ich, wenn ich zu mir komme?“ 2. Der Glaube kommt vom Hören, nicht vom Denken oder Handeln: Sich das gesagt sein lassen, was ich mir selbst nicht sagen kann - das „Wort Gottes“. Für den Glauben gilt dasselbe wie für die Liebe: Eins und eins sind drei. 3. „Unwahrscheinlicher als Jesus Christus ist nichts!“ (Botho Strauss). Christen sind Menschen, die eine Vor-Liebe haben für Jesus von Nazaret. Er ist ihr Christus (universalis), das erste und letzte Wort Gottes. .“In ihm hat er alles gesagt, und seitdem ist gleichsam verstummt“ (Johannes v. Kreuz) 4. Was in Jesus (damals) für kurze Zeit aufgeblitzt und schließlich für immer „geglückt“ ist, wird und soll für alle und jeden gelingen („Wiederkunft Christi“): die (Wieder-)Vereinigung von Gott und Mensch/Welt - „unvermischt und ungetrennt“, also unterscheidungskräftig und beziehungsstark. Dieser christlichen Hoffnung entspricht ein ganzer Lebensstil, eine Gesamtperspektive der Gottesfreundschaft. Ihr Kern ist die wohltuende Unterscheidung von Gott und Mensch bzw. Welt im Beziehungsraum göttlichen Zuvor-Kommens, seines Segens und Gutheißens (bene-dicere). 5. Daraus ergibt sich ein neuer Blick auf die Welt: Sie ist – in allem und trotz allem – sehr gut und sehr schön. Faktisch aber liegt über allem der Mehltau der Gier, der Dummheit, der Ausbeutung („Erb-Sünde“). Aber nichts kann und soll das leidenschaftliche Ja zur Welt und zur Erde schmälern, denn Gottes Schöpfertätigkeit ist ständig im Gang (fortwährende Schöpfung und Menschwerdung) und zielt auf Wiederherstellung und Vollendung „in Christus“. 6. Im Blick auf den Menschen bedeutet es, ihn als Gottes Stellvertreter unendlich zu würdigen und so groß wie möglich zu machen: „Endlich“ Mensch werden, also nicht länger Gott spielen müssen, aber sich und andere auch nicht abwerten und „fertig“ machen, sondern sich schöpferisch verausgaben im Format Christi. In dieser fortwährenden Inkarnation soll jeder Mensch Sohn/Tochter Gottes sein und werden in der Gemeinschaft aller, so dass Gott alles in allen und allem sei. 7. Im Blick auf das Geheimnis, das alle Menschen Gott nennen, offenbart sich in Jesus, dem Christus, sein wahres Gesicht: nichts als maßlose, beziehungsstarke (trinitarische) (Feindes-) Liebe, nichts als schöpferische Vollendungskraft allen Widerständen zum Trotz: „Gott will uns als Mit-liebende“, als „Mit-schaffende“ (Duns Scotus), denn er ist „alles nehmende und alles schenkende Liebe“ (K. Rahner). Er bedarf unserer nicht, aber will unserer bedürfen und so den „neuen und ewigen Bund“ realisieren. 8. Kirche steht ganz im Zeugnis und Dienst dieser universalen Gottesfreundschaft. Sie ist der “Ort, an welchem die Schöpfung (!) eintritt in das trinitarische Geschehen des Beschenktseins und Schenkens“ (Klaus Hemmerle). 9. Diese kosmotheandrische, dreieinige Weltsicht hat (heutzutage?) ihren entscheidenden Brennpunkt im Umgang mit der Gewalt und dem Leiden (auch im Unterschied zum Islam!): Gottesglaube im „Wort vom Kreuz“ wird konkret als „Gewaltanschauung“ und -verwandlung. Die Theodizeefrage nötigt zur Unterscheidung, z.B. zwischen „guter“ und „zerstörerischer“ Aggression, zwischen Unglück und Unheil. Ihr eignet eine besondere Leidsensibilität und Kom-Passion in der Haltung konfliktfähiger Gewaltfreiheit und unbedingter ergebungsbereitschaft. 10. „Die Bilder durch Bilder austreiben...: entbildet seiner selbst, eingebildet in Jesus Christus, überbildet in die Gottheit“ (Eckhart/Seuse). Denn, worum es in Wahrheit geht, lässt sich weder vor- noch herstellen. Es ist und macht fassungslos und nötigt zur Überschreitung des Bestehenden. “ Mystiker ist, wer nicht aufhören kann, zu wandern. Und wer in der Gewissheit dessen, was ihm fehlt, von jedem Ort und von jedem Objekt weiß: „Das ist es nicht““ (Michel de Certeau) 11. Christliche Identität besteht gerade darin, keine Identität zu haben und tendenziell „allen alles zu werden“ (1Kor 9,22): in Gott allein verwurzelt, frei für seine Wirklichkeit in allen und allem. Diese radikale Offenheit resultiert auch aus der Überzeugung, dass alles – und wir selbst – noch im Schwange sind, und noch nicht „heraus“ . „Wir heißen Kinder Gottes und wir sind es, aber was wir sein werden, ist noch nicht offenbart“ (1 Joh 3,2). Alles, was Welt ist, trägt Verfallsdatum und Verheißungsvermerk. 12. Künstlerisches (und soziales!) Schaffen kann also als Anteilhabe an der Schöpfungs- und Erlösungsarbeit Gottes verstanden werden, als konkreatorisches und mitkreatürliches Schaffen an Vollendung – im Verzicht auf jede Art von ErsatzLösung , als spezifischer Wille zu der genauen Ausarbeitung des wohltuenden Unterschiedes zwischen Gott und Mensch. „Wer bescheiden und ausdauernd die Geheimnisse der Wirklichkeit zu erforschen versucht, wird, auch wenn er sich dessen nicht bewußt ist, von dem Gott an der Hand geführt, der alle Wirklichkeit trägt und in ihr Eigensein einsetzt.“ (2.Kirchenkonstitution 36,2)
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