Steuerrecht | Aufsätze Ellerbrock/Pelzer/Wolter · Erweiterung der BFH-Rechtsprechung: Verkauf unvermieteter Ferienwohnung als Geschäftsveräußerung im Ganzen Dr. Tatjana Ellerbrock, RAin/FAinStR/FAinArbR, Thomas Pelzer, RA/FAStR, und Anne Wolter, LL.B. Erweiterung der BFH-Rechtsprechung: Verkauf unvermieteter Ferienwohnung als Geschäftsveräußerung im Ganzen Mit dem Urteil des BFH vom 5.6.2014 – V R 10/13, BFH/NV 2014, 1600 (NV), wurde von der Rechtsprechung klargestellt, dass die Veräußerung einer Ferienwohnung eine Geschäftsveräußerung im Ganzen darstellt, wenn zum Vermietungsunternehmen im Wesentlichen die veräußerte Immobilie gehört, diese unter Inanspruchnahme eines Vermittlungsunternehmens an ständig wechselnde Feriengäste vermietet wurde, der 1180 Erwerber das Unternehmen vollständig übernommen hat und es seitdem nahtlos weiterführt, auch wenn die Immobilie zum Zeitpunkt der Übertragung tatsächlich nicht vermietet war. Der folgende Beitrag soll sich einerseits mit der bemerkenswerten Verfahrensgeschichte auseinandersetzen. Andererseits soll er einen Überblick über die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen insbe- Betriebs-Berater | BB 20.2015 | 11.5.2015 Aufsätze | Steuerrecht Ellerbrock/Pelzer/Wolter · Erweiterung der BFH-Rechtsprechung: Verkauf unvermieteter Ferienwohnung als Geschäftsveräußerung im Ganzen sondere des Merkmals der Übertragung von materiellen und immateriellen Bestandteilen im Sinne eines „lebensfähigen“ Unternehmens im Lichte der Rechtsprechung des EuGH und des BFH verschaffen. die Übertragung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen bzw. dessen dauerhafte Nutzungsüberlassung oder die Möglichkeit zur Unternehmensfortführung ohne großen finanziellen Aufwand12 erwähnt. I. 2. Geschäftsveräußerung im Ganzen (§ 1 Abs. 1a UStG) Im Zuge des Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes vom 21.12.1993 wurde der Begriff der Geschäftsveräußerung im Umsatzsteuergesetz in § 1 Abs. 1a UStG geregelt und ab dem 1.1.1994 als nicht mehr steuerbar behandelt. Das heißt, Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen sind umsatzsteuerlich unbeachtliche Vorgänge. Unionsrechtlich basiert die Geschäftsveräußerung im Ganzen auf Art. 19 und 29 MwStSystRL (früher Art. 5 Abs. 8, Art. 6 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie).1 Dementsprechend ist § 1 Abs. 1a UStG richtlinienkonform auszulegen.2 Danach können die Mitgliedstaaten die Übertragung des Gesamt- oder Teilvermögens, die entgeltlich oder unentgeltlich oder durch Einbringung in eine Gesellschaft erfolgt, so behandeln, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt, und den Begünstigten der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden ansehen.3 1. Unionskonforme Auslegung der Tatbestandsmerkmale einer Geschäftsveräußerung im Ganzen Nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 1a S. 2 UStG liegt eine Geschäftsveräußerung vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird; zusätzlich muss im Sinne des § 1 Abs. 1a S. 1 UStG der Erwerber Unternehmer sein. Unionsrechtlich wurde durch den EuGH folgender Rechtsgrundsatz gebildet, der vom BFH übernommen wurde:4 Eine Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG setzt die Übertragung eines Geschäftsbetriebs oder eines selbstständigen Unternehmensteils voraus, welcher in der Zusammenfassung aller übertragenen materiellen und (oder) immateriellen Bestandteile ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilde, mit dem eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit durch den Erwerber fortgeführt werden könne. Die bloße Übertragung von Gegenständen, wie den Verkauf eines Warenbestands, sei jedoch nicht im Rahmen einer Geschäftsveräußerung möglich. Der durch die Übertragung Begünstigte muss beabsichtigen, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil zu betreiben und nicht nur die betreffende Geschäftstätigkeit sofort abzuwickeln sowie gegebenenfalls den Warenbestand zu verkaufen.5 Hingegen ist nicht erforderlich, dass die wirtschaftliche Tätigkeit des Erwerbers derselben Art wie die des Übertragenden ist;6 die vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten müssen sich nur hinreichend ähneln. Eine Geschäftsveräußerung liegt auch dann vor, wenn der Erwerber den von ihm erworbenen Geschäftsbetrieb in seinem Zuschnitt ändert oder modernisiert.7 Nicht erforderlich ist, dass der Veräußerer seine unternehmerische Betätigung beendet.8 Aufgrund der unionskonformen Auslegung der Tatbestandsmerkmale der Geschäftsveräußerung im Ganzen wurden bislang einige der durch die deutschen Finanzgerichte9 aufgestellten ungeschriebenen Tatbestandsmerkmale durch den EuGH10 wieder revidiert. Beispielsweise seien hier die überholten Ausführungen des BFH11 in Bezug auf Betriebs-Berater | BB 20.2015 | 11.5.2015 Tatbestandsmerkmal: Übertragung eines „lebensfähigen“ Unternehmens, mit dem eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann Im Zuge der unionskonformen Auslegung der Tatbestandsmerkmale der Geschäftsveräußerung im Ganzen und unter Zugrundelegung der diesbezüglich durch den EuGH13 entwickelten Rechtsgrundsätze stellt sich einerseits zunehmend die Frage, ab welchem Zeitpunkt die Übertragung von materiellen und immateriellen Bestandteilen von einem – wir nennen es „lebensfähigen“ – Unternehmen oder einen Unternehmensteil im Sinne einer Geschäftsveräußerung ausgegangen werden kann, welches dem Erwerber erlaubt, eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortzuführen. Anderseits ist fraglich, ab welchen Zeitpunkt es sich lediglich um eine der Regelbesteuerung unterliegende Übertragung von einzelnen Gegenständen oder um das Ausführen von sonstigen Leistungen handelt. Insbesondere zur Übertragung von Immobilien, welche zur Ausführung von Vermietungsumsätzen genutzt werden, jedoch unter Umständen zufällig am Übertragungsstichtag leer stehen, hat sich der EuGH bislang nicht geäußert. Diesbezüglich gibt es nicht nur national besondere Abgrenzungsschwierigkeiten14 in der Auslegung dieses Tatbestandmerkmales, sondern auch, wenn man einen Blick über die deutschen Grenzen wirft, eine fehlende europaweit einheitliche Umsetzung dessen. Im Folgenden sollen neben den zur Geschäftsveräußerung im Ganzen entwickelten Grundsätzen auch die Ausführungen des EuGH bezüglich der Erlangung der Unternehmereigenschaft näher erläutert sowie die u. E. zum Teil in sich widersprüchlichen Ausführungen des BFH im Rahmen der Übertragung von zu Vermietungszwecken genutzten (leerstehenden) Immobilien dargestellt werden. 1 Sechste RL 77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage. 2 BFH, 28.10.2010 – V R 22/09, BFH/NV 2011, 854, DB 2011, 1091; BFH, 5.6.2014 – V R 10/ 13, BFH/NV 2014, 1600, DStR 2014, 1823. 3 BFH, 5.6.2014 – V R 10/13, BFH/NV 2014, 1600, DStR 2014, 1823. 4 EuGH, 27.11.2003 – C-497/01, Zita Modes, BB 2004, 479 Ls m. BB-Komm. Lohse, BeckRS 2004, 77488; BFH, 30.4.2009 – V R 4/07, BStBl. II 2009, 863, BFH/NV 2009, 1731, BB-Entscheidungsreport Demuth/Kaiser, BB 2010, 167, DStR 2009, 1804; BFH, 6.5.2010 – V R 26/ 09, BStBl. II 2010, 1114, BFH/NV 2010, 2204, BB-Entscheidungsreport Kotzbacher, BB 2010, 2942, DStR 2010, 2079. 5 EuGH, 27.11.2003 – C-497/01, Zita Modes, BB 2004, 479 Ls m. BB-Komm. Lohse, BeckRS 2004, 77488. 6 EuGH, 27.11.2003 – C-497/01, Zita Modes, BB 2004, 479 Ls m. BB-Komm. Lohse, BeckRS 2004, 77488. 7 BFH, 6.5.2010 – V R 25/09, BFH/NV 2010, 1873, BB 2010, 3066 m. BB-Komm. Behrens, BeckRS 2010, 25016409. 8 BFH, 29.8.2012 – XI R 10/12, BStBl. II 2013, 221, BFH/NV 2013, 484, DStR 2013, 250. 9 Niedersächsisches FG, 29.5.1997 – V 90/97, EFG 1998, 143 – hier wurde durch das FG in Anlehnung an die Rechtsprechung bzgl. des § 10 Abs. 3 UStG a. F. und § 75 AO festgestellt, dass alle wesentlichen Betriebsgrundlagen mitübertragen werden müssen, um die Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung zu erfüllen. 10 EuGH, 10.11.2011 – C-444/10, Christel Schriever, BeckRS 2011, 81611, DStR 2011, 2196 m. Anm. Salder/Zugmaier. 11 BFH, 15.10.1998 – V R 69/97, BStBl. II 1999, 41, BB 1999, 95 Ls; Vorinstanz: Niedersächsisches FG, 29.5.1997 – V 90/97, EFG 1998, 143. 12 BFH, 18.9.2008 – V R 21/07, BStBl. II 2009, 254, BFH/NV 2009, 319, DStRE 2009, 102; BFH, 6.5.2010 – V R 25/09, BFH/NV 2010, 1873, BB 2010, 3066 m. BB-Komm. Behrens. 13 EuGH, 10.11.2011 – C-444/10, Christel Schriever, BeckRS 2011, 81611, DStR 2011, 2196 m. Anm. Salder/Zugmaier; EuGH, 27.11.2003 – C-497/01, Zita Modes, BB 2004, 479 Ls m. BB-Komm. Lohse, BeckRS 2004, 77488. 14 BFH, 8.3.2001 – V R 24/98, BStBl. II 2003, 430, BB 2001, 870; BFH, 11.10.2007 – V R 57/ 06, BStBl. II 2008, 447, BFH/NV 2008, 509, BB 2008, 485 m. BB-Komm. Wagner; BFH, 18.9.2008 – V R 21/07, BStBl. II 2009, 254, BFH/NV 2009, 319, DStRE 2009, 102; BFH, 6.5.2010 – V R 25/09, BFH/NV 2010, 1873, BB 2010, 3066 m. BB-Komm. Behrens. 1181 Steuerrecht | Aufsätze Ellerbrock/Pelzer/Wolter · Erweiterung der BFH-Rechtsprechung: Verkauf unvermieteter Ferienwohnung als Geschäftsveräußerung im Ganzen a) EuGH-Rechtsprechung bezüglich der Übertragung von Immobilien im Rahmen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen Der EuGH hat im Rahmen der Lieferung von nicht vermieteten oder verpachteten Grundstücken soweit ersichtlich keine Rechtsgrundsätze im Sinne der Auslegung des Art. 19 MwStSystRL entwickelt. aa) Vom EuGH entwickelte Rechtsgrundsätze bzgl. Art. 19 MwStSystRL Es ergingen lediglich zwei Urteile zu Art. 19 MwStSystRL, bei denen es sich im Wesentlichen um die Übertragung eines Warenbestandes handelte. Des Weiteren widmete sich der EuGH auch der nicht ganz unerheblichen Frage, ab wann ein Unternehmen im Sinne einer Geschäftsveräußerung überhaupt vorliege, in dessen Rahmen übertragen werden kann. (1) EuGH-Urteil vom 27.11.2003, Rs. C-497/01 (Zita Modes) Im zugrunde liegenden Rechtstreit musste der EuGH über einen Sachverhalt entscheiden, in dem ein Konfektionsbekleidungsgeschäft (Zita Modes Sàrl) seinen Geschäftsbetrieb an die Parfümerie Milady verkaufte. Um welche Gegenstände es sich genau handelte, ist aus der Urteilsbegründung nicht ersichtlich; angeblich ging es um Modeaccessoires, die zu den von der Firma Milady vertriebenen Parfümeriewaren passten. Im Rahmen der ersten Entscheidung des EuGH vom 27.11.200315 stellte dieser fest, dass Art. 5 Abs. 8 der Sechsten Richtlinie (jetzt Art. 19 MwStSystRL) dahin auszulegen sei, dass die Übertragung einer Vermögensmasse für Mehrwertsteuerzwecke nicht als Lieferung von Gegenständen zu behandeln sei, soweit die übertragenen materiellen und ggf. immateriellen Bestandteile zusammengenommen ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit durch den Erwerber fortgeführt werden kann. Des Weiteren wurde in der Urteilsbegründung16 erwähnt, dass in Anbetracht des Zweckes des Art. 5 Abs. 8 der Sechsten Richtlinie der Begriff Übertragung des Gesamtvermögens nicht die bloße Übertragung von Gegenständen, wie den Verkauf eines Warenbestandes, meint. Wegen des unklaren Sachverhalts kann dem Urteil des EuGH keine endgültige Falllösung entnommen werden, sondern lediglich die genannten Grundsätze zur Auslegung des Art. 5 Abs. 8 der Sechsten Richtlinie.17 und die Geschäftsausstattung vermietet und ob es dabei auf das Vorliegen eines auf lange Dauer abgeschlossenen Mietvertrages ankomme oder ob ein auf unbestimmte Zeit laufender Mietvertrag, der kurzfristig kündbar ist, ausreiche. Der EuGH ergänzte mit seinem zweiten Urteil vom 10.11.201118 die bereits im Rahmen der EuGH-Entscheidung (Zita Modes) entwickelten Rechtsgrundsätze bezüglich der Auslegung des Art. 5 Abs. 8 der Sechsten Richtline (jetzt Art. 19 MwStSystRL) wie folgt: „Im Fall, dass für eine wirtschaftliche Tätigkeit kein besonderes Geschäftslokal oder kein Lokal mit einer für die Fortführung der wirtschaftlichen Tätigkeit notwendigen festen Ladeneinrichtung erforderlich ist, kann eine Übertragung eines Gesamtvermögens i. S. von Art. 5 Abs. 8 der Sechsten Richtlinie auch ohne Übereignung einer unbeweglichen Sache vorliegen. (…) Dazu ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die Absichten des Erwerbers im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Umstände eines Geschäftsvorgangs berücksichtigt werden können oder in bestimmten Fällen auch berücksichtigt werden müssen, sofern sie durch objektive Anhaltspunkte untermauert werden. (…) Außerdem bestätigt der Umstand, dass der Erwerber den Betrieb des Sportgeschäfts fast zwei Jahre lang fortgeführt hat, dass er nicht beabsichtigte, die betreffende Tätigkeit sofort abzuwickeln.“19 Das heißt, der EuGH bejahte im Rahmen einer Gesamtwürdigung das Vorliegen einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung. Ein auf unbestimmte Zeit abgeschlossener und kurzfristig kündbarer Mietvertrag über die Geschäftsräume ändere nichts an dieser rechtlichen Würdigung. Nach Auffassung des EuGH20 musste das Geschäftslokal in bestimmten Fällen nicht einmal mit übertragen (vermietet) werden, um eine Geschäftsveräußerung anzunehmen. Jede andere Auslegung hätte eine willkürliche Unterscheidung zwischen Übertragungen durch Veräußerer, die Eigentümer des Lokals sind, in dem sich der übertragene Geschäftsbetrieb befindet einerseits, und Übertragungen durch Veräußerer, die nur Inhaber eines Mietrechts an dem Lokal sind, andererseits zur Folge. Denn weder der Wortlaut des Art. 5 Absatz 8 RL noch sein Zweck lassen die Annahme zu, dass Letztere keine Übertragung eines Gesamtvermögens im Sinne dieser Bestimmung vornehmen könnten. Das heißt, auch nur die Übertragung eines Warenbestandes kann eine Geschäftsveräußerung im Ganzen darstellen, wenn für die Fortführung der Tätigkeit des Veräußerers durch den Erwerber nicht alle „Vermögensgegenstände“ – wie dort das Geschäftslokal – notwendig sind. (3) (2) EuGH-Urteil vom 10.11.2011, Rs. C-444/10 (Christel Schriever) Im zugrunde liegenden Rechtstreit ging es ebenfalls um die Übertragung eines Warenbestandes und das dazugehörige angemietete Geschäftslokal an den Erwerber. Die Klägerin hatte den Warenbestand und die Ladeneinrichtung eines Einzelhandelsgeschäfts an einen Erwerber verkauft, das Ladenlokal jedoch nur auf unbestimmte Zeit mit gesetzlicher Kündigungsmöglichkeit an diesen vermietet. Sie behandelte die Veräußerung als umsatzsteuerlich nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen, was das Finanzamt nicht anerkannte. Der BFH legte im Rahmen der Prüfung von § 1 Abs. 1a UStG dem EuGH die Frage vor, ob eine „Übertragung“ eines Gesamtvermögens auch dann vorliegt, wenn ein Unternehmer das in seinem Eigentum stehende Ladenlokal lediglich an den Erwerber von Warenbestand 1182 EuGH-Urteile vom 8.6.2000, Rs. C-396/98 (Grundstückgemeinschaft Schloßstraße), Rs. C-400/98 (Brigitte Breitsohl) Im Rahmen dieser Urteile21 stellte der EuGH fest, dass das Unternehmen im Sinne des Art. 4 der Sechsten Richtlinie (jetzt Art. 9 15 EuGH, 27.11.2003 – C-497/01, Zita Modes, BB 2004, 479 Ls m. BB-Komm. Lohse, BeckRS 2004, 77488. 16 EuGH, 27.11.2003 – C-497/01, Zita Modes, BB 2004, 479 Ls m. BB-Komm. Lohse, BeckRS 2004, 77488. 17 EuGH, 27.11.2003 – C-497/01, Zita Modes, BB 2004, 479 Ls m. BB-Komm. Lohse, BeckRS 2004, 77488, DStR 2003, 2220 m. Anm. FK. 18 EuGH, 10.11.2011 – C-444/10, Christel Schriever, BeckRS 2011, 81611, DStR 2011, 2196 m. Anm. Salder/Zugmaier. 19 EuGH, 10.11.2011 – C-444/10, Christel Schriever, BeckRS 2011, 81611, DStR 2011, 2196 m. Anm. Salder/Zugmaier, Rn. 27 und 38. 20 EuGH, 10.11.2011 – C-444/10, Christel Schriever, BeckRS 2011, 81611, DStR 2011, 2196 m. Anm. Salder/Zugmaier. 21 EuGH, 8.6.2000 – C-396/98, Grundstückgemeinschaft Schloßstraße GbR, EWS 2000, 362, RIW 2001, 72, BeckRS 2004, 77009, DStRE 2000, 877; EuGH, 8.6.2000 – C-400/98, FA Gos- Betriebs-Berater | BB 20.2015 | 11.5.2015 Aufsätze | Steuerrecht Ellerbrock/Pelzer/Wolter · Erweiterung der BFH-Rechtsprechung: Verkauf unvermieteter Ferienwohnung als Geschäftsveräußerung im Ganzen MwStSystRL) bereits in dem Zeitpunkt begründet wird, in dem der Unternehmer in der Absicht, eine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben, hierfür Investitionen tätigt. Schlussfolgernd22 kann man konstatieren, dass eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung vorliegen kann, auch wenn noch kein „lebendes“ Unternehmen übertragen wird, da bereits als Steuerpflichtiger (Unternehmer) handelt, wer in der Absicht, eine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben, Investitionen für die Zwecke dieser beabsichtigten Umsätze tätigt. bb) Unterschiedliche Sichtweisen in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten Aus diesen durch den EuGH entwickelten Rechtsgrundsätzen müssen nunmehr die nationalen Finanzgerichte derjenigen EU-Mitgliedstaaten, welche Art. 19 MwStSystRL ins nationale Recht umgesetzt haben, die unionskonforme Auslegung der Tatbestandsmerkale einer Geschäftsveräußerung im Ganzen bewerkstelligen, insbesondere mit Blick auf die Übertragung von zu Vermietungszwecken genutzten (leer stehenden) Immobilien. Jeder, der versucht hat, die umsatzsteuerrechtliche Zuordnung der bewegten Lieferung im Rahmen eines EU-Reihengeschäftes außerhalb eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts EU-einheitlich abzubilden, weiß, dass auch im Rahmen der Lieferung einer (leerstehenden) Immobilie, anhand der bislang durch den EuGH entwickelten Rechtsgrundsätze, es zu keinem EU-einheitlichen Ergebnis kommen kann. Der Blick über die Grenzen „Deutschlands“ offenbart eine Vielzahl an möglichen Auslegungsvarianten der einzelnen Finanzgerichte und Finanzverwaltungen bezüglich der Auslegung des vom EuGH entwickelten und oben dargestellten Tatbestandsmerkmals in Bezug auf die Übertragung von (leerstehenden) Immobilien. In Frankreich wurde soweit ersichtlich noch nicht höchstrichterlich entschieden, ob eine für Vermietungszwecke genutzte, zum Zeitpunkt der Übertragung leerstehende Immobilie im Rahmen einer nichtsteuerbaren Geschäftsveräußerung übertragen werden kann. In der französischen Steuerliteratur finden sich jedoch Beispiele, dass eine zuvor vermietete und dann leerstehende Immobilie als nicht steuerbare Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer veräußert werden kann, welcher ebenfalls beabsichtigt, die Immobilie zu vermieten.23 In Großbritannien besteht ebenfalls die Möglichkeit, ein zu Vermietungszwecken genutztes Grundstück im Rahmen einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung im Ganzen zu übertragen. Diesbezüglich sind jedoch noch weitere Anforderungen nötig, um eine Geschäftsveräußerung anzunehmen. Zum einen, ob der Veräußerer zu Umsatzsteuer im Rahmen seines Unternehmens optiert hat (ggf. ob das Gebäude älter als drei Jahre ist), zum anderen, ob der Erwerber zur Umsatzsteuer im Rahmen der Nutzung des Objektes optiert und dass der Erwerber die Option dem HM Revenue and Customs mitteilt.24 Erfolgt keine Mitteilung, soll auch keine Geschäftsveräußerung vorliegen. Österreich hat von Art. 19 MwStSystRL keinen Gebrauch gemacht, lediglich Übertragungsvorgänge nach dem Umgründungssteuergesetz gelten als nichtsteuerbare Umsätze im Sinne des österreichischen Umsatzsteuergesetzes.25 Der italienische Kassationsgerichtshof hat soweit ersichtlich vom EuGH divergierende Rechtsgrundsätze bezüglich der nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung im Ganzen mit Blick auf die Übertragung Betriebs-Berater | BB 20.2015 | 11.5.2015 einer Immobilie festgelegt. Demnach kann eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung nur dann vorliegen, wenn eine Organisation (Betrieb) aus diversen Gütern, die zur Produktion von Gütern/Leistungen entsprechend aufgestellt und organisiert sind, übertragen wird und sich die (zu übertragene) Immobilie „komplementär“ einbringt und in einem gewissen Abhängigkeitsgrad zu dieser Organisation steht. Dagegen wird die Veräußerung einer Immobilie, welche eine vorrangige Funktion zu den anderen übertragenen Gütern einnimmt und die anderen Güter auch nicht untereinander mittels einer Abhängigkeit zum Produktionsprozess stehen, lediglich als eine Immobilienveräußerung bewertet.26 In Polen wiederum geht die Finanzverwaltung grundsätzlich immer nur dann von einer nichtsteuerbaren Geschäftsveräußerung im Ganzen aus, wenn bezüglich des übertragenen (Teil-)Unternehmens auch eine (separate) Bilanz vorliegt. Der Gerichtshof in Warschau hat jedoch festgestellt, dass eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen (auch mit Blick auf die Immobilienveräußerung) auch dann angenommen werden kann, wenn keine (separate) Bilanz für das (Teil-)Unternehmen aufgestellt wurde.27 Wesentlich sei nur, dass mit dem (Teil-)Unternehmen die Fortführung des übertragenen (Teil-) Unternehmens möglich sei. cc) Vorlageentscheidungserheblichkeit – Anregung der Verfasser Aufgrund der divergierenden Ansichten innerhalb der EU müsste dem EuGH im Wege der Vorabentscheidung die Frage gestellt werden, wie Art. 19 MwStSystRL in Bezug auf die zum Zeitpunkt der Übertragung zufällig nicht vermieteten Immobilien, welche tatsächlich zur Erzielung von Umsätzen (Vermietung) genutzt werden bzw. die Absicht besteht, diese umsatzsteuerpflichtig zu nutzen (Vermietung), und der Erwerber tatsächlich die gleiche Tätigkeit fortführt, auszulegen ist. Klar ist, dass die betreffende Gemeinschaftsbestimmung (Art. 19 MwStSystRL) zwar bereits Gegenstand einer Auslegung des EuGH war, aber die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts bezüglich der Übertragung eines nicht vermieteten oder verpachteten Grundstücks, wie das einer zufällig nicht vermieteten Immobile, indes noch nicht abschließend durch den EuGH geklärt wurde. Hinsichtlich der noch nicht beantworteten Auslegungsfragen ist selbstverständlich zu bemerken, dass der richtigen Anwendung des Gemeinschaftsrechts immer die richtige Auslegung vorausgehen muss, so dass den nationalen letztinstanzlichen Gerichten in gewissem Umfang die Auslegung von Gemeinschaftsrecht in eigener Verantwortung zugesprochen wird. Es bleibt grundsätzlich allein dem nationalen Gericht überlassen zu beurteilen, ob die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt. Von der Zweifelsfreiheit oder an- 22 23 24 25 26 27 lar–Brigitte Breitsohl, EWS 2000, 413, RIW 2001, 149, BeckRS 2004, 77049, DStRE 2000, 881. So auch der BFH, 8.3.2001 – V R 24/98, BStBl. II 2003, 430, BB 2001, 870. Vgl. Abschnitt I. 2. b) aa) (1). La Semaine Juridique Notariale et Immobilière n8 37, 14 Septembre 2007, 1251, Dispense de TVA sur la cession d’un immeuble affecté à une activité de location, Bilan d’une année de pratique, Etude rédigée par: Éliane Frémeaux notaire et Michel Guichard et William Stemmer avocats Cabinet Taj. HM Revenue and Customs, Transfer of business as a going concern – HMRC Reference: Notice 700/9 (December 2012). Umsatzsteuergesetz Österreich 1994, Fassung vom 16.1.2015. Urteile des Kassationsgerichtshofes Nr. 1498 vom 2.3.1984 (in Bezug auf einen Hotelbetrieb), Nr. 3627 vom 17.4.1996 (in Bezug auf eine Vermietung eines Geschäftsbetriebes). III SA/Wa 934/07; III SA/Wa 540/08; III SA/Wa 82/08. 1183 Steuerrecht | Aufsätze Ellerbrock/Pelzer/Wolter · Erweiterung der BFH-Rechtsprechung: Verkauf unvermieteter Ferienwohnung als Geschäftsveräußerung im Ganzen ders ausgedrückt Gewissheit über die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts darf das nationale letztinstanzliche Gericht jedoch nur ausgehen, wenn es überzeugt ist, dass auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und den Gerichtshof die gleiche Gewissheit bestünde.28 Bereits unter Berücksichtigung der abweichenden Auslegung in den einzelnen Mitgliedstaaten und mit dem Erfordernis, dass sich das nationale Gericht nur „gewiss“ sein darf, wenn es davon überzeugt ist, dass auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und dem Europäischen Gerichtshof die gleiche Gewissheit bezüglich der Auslegung unter der Berücksichtigung der Eigenheiten des Gemeinschaftsrechts und der besonderen Auslegungsschwierigkeiten bestehen muss, liegt eine wesentliche Vorlageentscheidungserheblichkeit in den Fällen der Übertragung von zu Vermietungszwecken genutzter leerstehender Immobilien vor. Die Auslegungsfrage berührt zudem das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Gemeinschaftsrechts bezüglich der Auslegung des Art. 19 MwStSystRL im Rahmen der Übertragung von Immobilien, welche zum Zeitpunkt der Übertragung zwar leer stehen, jedoch die Absicht besteht, diese wie in der Vergangenheit auch künftig zu vermieten. In der Praxis ist auf dieser Basis jedem Berater zu empfehlen, die Finanzgerichte aufzufordern, solche Fragestellungen dem EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens vorzulegen. b) BFH-Rechtsprechung bezüglich der Übertragung zu Vermietungszwecken genutzter (leerstehender) Immobilien Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH führt nach Aussagen des BFH29 bei Grundstücksgeschäften die Übertragung eines vermieteten oder verpachteten Grundstücks zu einer Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG, da durch den mit dem Grundstückserwerb verbundenen Eintritt in den Miet- oder Pachtvertrag ein Vermietungsoder Verpachtungsunternehmen übernommen wird. Dementsprechend ist die Veräußerung eines Gebäudes ohne Übergang eines Mietvertrags im Regelfall keine Geschäftsveräußerung.30 Denn die Übertragung eines unvermieteten Grundstücks führt nicht zur Übertragung eines Unternehmensteils, mit dem eine selbständige Tätigkeit fortgeführt werden kann, sondern zur Übertragung eines einzelnen Vermögensgegenstandes. Fehlt es an weiteren Faktoren wie z. B. einer bestehenden Vermietung oder Verpachtung des Grundstücks, liegt daher keine Geschäftsveräußerung vor.31 Es bleibe vielmehr bei einer grundsätzlich nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfreien Grundstücksübertragung. Im Hinblick auf die nach der EuGH-Rechtsprechung erforderliche Absicht des Erwerbers, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil zu betreiben, komme es maßgeblich darauf an, ob das übertragene Vermögen die Fortsetzung einer bisher durch den Veräußerer ausgeübten Tätigkeit ermögliche.32 Dabei sei im Rahmen einer Gesamtwürdigung die Art des übertragenen Vermögens/Teilvermögens und der Grad der Übereinstimmung oder Ähnlichkeit zwischen den vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten zu berücksichtigen. aa) Widersprüchliche Rechtsprechung des BFH Im Folgenden sollen nunmehr vier Entscheidungen des BFH dargestellt werden, in denen die durch den EuGH entwickelten Rechtsgrundsätze bezüglich der Geschäftsveräußerung im Ganzen in sich 1184 teilweise widersprüchlich in Bezug auf die zum Zeitpunkt der Übertragung leerstehenden jedoch zu Vermietungszwecken dienenden Immobilien umgesetzt wurden. (1) „Lebendes“ Unternehmen Bereits mit der Entscheidung des BFH vom 8.3.200133 wurde festgestellt, dass eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung auch dann vorliegen kann, wenn noch kein „lebendes“ Unternehmen übertragen wird, d. h. der tatsächliche Betrieb des Unternehmens noch nicht aufgenommen worden ist. Zu dieser Entscheidung äußerte der BFH, dass das Unternehmen im Umsatzsteuerrecht bereits in dem Zeitpunkt begründet wird, in dem der Unternehmer in der Absicht, eine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben, hierfür Investitionen tätigt. Weiter wurde entschieden, dass eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung nicht mit der Begründung verneint werden kann, es habe mangels konkreter Vermietungsvoraussetzungen noch kein „lebendes“ Unternehmen übertragen werden können. Dies wäre wie zuvor dargestellt auch nicht mit der Rechtsprechung des EuGH34 vereinbar, der zufolge bereits als Steuerpflichtiger (Unternehmer) handelt, wer in der Absicht, eine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben, Investitionen für die Zwecke dieser beabsichtigten Umsätze tätigt. Im zugrunde liegenden Rechtstreit wollte die Veräußerin des Grundstücks ein Gebäude errichten, welches sie anschließend vermieten wollte. Das Grundstück wurde samt Gebäude weiterveräußert, bevor die Vermietungstätigkeit aufgenommen wurde. Es lagen noch keine abgeschlossenen Mietverträge vor. Der BFH hat unter Berücksichtigung der EuGH-Rechtsprechung35 eine Geschäftsveräußerung im Ganzen angenommen, da ein Unternehmen im Sinne des Umsatzsteuerrechts bereits dann vorliegt und im Rahmen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen gemäß § 1 Abs. 1a UStG übertragen werden kann, wenn dieses im Gründungsstadium noch gar keine Umsätze tätigt. Im Ergebnis führt diese Aussage des BFH doch nur zu dem einen Schluss, dass wenn bereits die Übertragung eines noch nicht „lebenden“ Unternehmens als Geschäftsveräußerung behandelt wird, ohne dass hierfür Mietverträge übergehen müssen, allein aus dem Grunde, weil der Steuerpflichtige in der Absicht handelte, eine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben, keine anderen Maßstäbe für die Übertragung eines „lebenden“ Unternehmens in Form der Übertragung einer für Vermietungszwecke dienende (leerstehende) Immobilie gelten dürfte, wenn ebenfalls die Absicht gegeben ist, eine wirtschaftliche Tätigkeit mit dieser fortzusetzen. Es wäre u. E. steuerrechtlich nicht nachvollziehbar, weshalb eine Geschäftsveräußerung einer leerstehenden Immobilie immer dann 28 EuGH, 12.4.2005 – C-495/03, BeckRS 2005, 70697. 29 Zuletzt BFH, 5.6.2014 – V R 10/13, BFH/NV 2014, 1600, DStR 2014, 1823. 30 BFH, 11.10.2007 – V R 57/06, BStBl. II 2008, 447, BFH/NV 2008, 509, BB 2008, 485 m. BBKomm. Wagner. 31 BFH, 6.5.2010 – V R 25/09, BFH/NV 2010, 1873, BB 2010, 3066 m. BB-Komm. Behrens. 32 BFH, 11.10.2007 – V R 57/06, BStBl. II 2008, 447, BFH/NV 2008, 509, BB 2008, 485 m. BBKomm. Wagner. 33 BFH, 8.3.2001 – V R 24/98, BStBl. II 2003, 430, BB 2001, 870. 34 EuGH, 8.6.2000 – C-396/98, Grundstückgemeinschaft Schloßstraße GbR, BStBl. II 2003, 446, EWS 2000, 362, RIW 2001, 72, DStRE 2000, 877; EuGH, 8.6.2000 – C-400/98, FA Goslar–Brigitte Breitsohl, EWS 2000, 413, RIW 2001, 149, BeckRS 2004, 77049, DStRE 2000, 881. Vgl. Abschnitt I. 2. a) aa) (3). 35 EuGH, 8.6.2000 – C-396/98, Grundstückgemeinschaft Schloßstraße GbR, BStBl. II 2003, 446, EWS 2000, 362, RIW 2001, 72, DStRE 2000, 877; EuGH, 8.6.2000 – C-400/98, FA Goslar–Brigitte Breitsohl, EWS 2000, 413, RIW 2001, 149, BeckRS 2004, 77049, DStRE 2000, 881. Betriebs-Berater | BB 20.2015 | 11.5.2015 Aufsätze | Steuerrecht Ellerbrock/Pelzer/Wolter · Erweiterung der BFH-Rechtsprechung: Verkauf unvermieteter Ferienwohnung als Geschäftsveräußerung im Ganzen bejaht wird, wenn dieses bis zum Übertragungszeitpunkt tatsächlich nicht für die beabsichtigten Vermietungsumsätze genutzt wurde (aus welchen Gründen auch immer – schlechte Lage, zu hoher Mietzins etc.), jedoch ein bereits genutztes Vermietungsobjekt, welches tatsächlich weiterhin als solches genutzt werden soll, jedoch aufgrund nicht beeinflussbarer Umstände (ähnlich wie die Nichtvermietung nach Fertigstellung) leer steht, keine Geschäftsveräußerung ist. Genau diesen Fall hat jedoch der BFH, wie folgt, anders entschieden. (2) Kein lebensfähiges Unternehmen(?) Im Rahmen des BFH-Urteils vom 11.10.200736 sei nach den o.g. Grundsätzen im Abschnitt I.2.b) die Veräußerung eines Gebäudes ohne Übergang eines Mietvertrages keine Geschäftsveräußerung. Die Übertragung eines unvermieteten Grundstücks führe nicht zur Übertragung eines Unternehmensteils, mit dem eine selbständige Tätigkeit fortgeführt werden kann, sondern zur Übertragung eines einzelnen Vermögensgegenstandes. Fehle es an weiteren Faktoren, wie z. B. einer bestehenden Vermietung oder Verpachtung des Grundstücks, könne kein „Geschäftsbetrieb“ angenommen werden. Es bleibe vielmehr bei einer grundsätzlich nach § 4 Nr. 9a UStG steuerfreien Grundstücksübertragung. Hier hatte die Vorinstanz37 u. E. zutreffend angenommen, dass es sich um eine Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG handelte. Im entschiedenen Fall hatte die Klägerin die Verpachtungstätigkeit des Veräußerers ohne nennenswerte zeitliche Unterbrechung fortgesetzt. Sie hatte einen Tag vor der Besitzeinweisung einen Pachtvertrag mit einer neuen Pächterin abgeschlossen. Beim Betrieb der Immobilie (Diskothek) war keine längere Pause eingetreten. Im Hinblick auf die nahtlose Fortsetzung der Verpachtungstätigkeit wurde durch das FG entschieden, dass es unerheblich sei, dass die Klägerin keinen Pachtvertrag des Veräußerers übernommen, sondern selbst einen Pachtvertrag abgeschlossen habe. Erheblich sei, ob die übertragenen Vermögensgegenstände ein hinreichendes Ganzes bilden, um die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit zu ermöglichen. Dies bedürfe einer Gesamtbewertung, bei der insbesondere die Art der übertragenen Vermögensgegenstände und der Grad der Übereinstimmung oder Ähnlichkeit zwischen den vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten zu berücksichtigen seien. Die Vorinstanz sah dies als gegeben an. Weshalb eine Geschäftsveräußerung eines leerstehenden Gebäudes immer dann bejaht wird, wenn dieses bis zum Übertragungszeitpunkt tatsächlich nicht für die beabsichtigten Vermietungsumsätze genutzt wurde38 (aus welchen Gründen auch immer – schlechte Lage, zu hoher Mietzins etc.), jedoch ein bereits genutztes Vermietungsobjekt, welches tatsächlich weiterhin als solches genutzt werden soll, jedoch ebenfalls aufgrund nicht beeinflussbarer Umstände (ähnlich wie die Nichtvermietung nach Fertigstellung) leer steht, keine Geschäftsveräußerung darstellen soll, wurde durch den BFH im Rahmen seiner Entscheidung nicht geklärt. (3) Noch nicht lebensfähiges Unternehmen(?) 39 Im Rahmen einer weiteren Entscheidung des BFH wurde festgestellt, dass die Übertragung von noch zu bebauenden Grundstücken samt bestehenden Vormietverträgen keine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen sein soll. Im zugrunde liegenden Rechtstreit war von der Veräußerin zunächst beabsichtigt, das Grundstück mit einem Gastronomiekomplex zu be- Betriebs-Berater | BB 20.2015 | 11.5.2015 bauen, zu vermieten und im eigenen Bestand zu halten. Aufgrund von persönlichen und wirtschaftlichen Gründen wurde der Entschluss gefasst, das Grundstück samt Vormietvertrag zu veräußern. Nach Auffassung des BFH bestand bei der Veräußerin im Zeitpunkt der Veräußerung kein hinreichend verfestigtes Vermietungsunternehmen, das durch den Erwerber hätte fortgeführt werden können. Die Klärung des Widerspruchs, weshalb die Übertragung eines bereits bebauten Grundstücks ohne bestehende Mietverträge als Geschäftsveräußerung behandelt wird, jedoch die Übertragung eines noch zu bebauenden Grundstücks, welches anschließend aufgrund der bestehenden Vormietverträge tatsächlich durch den Erwerber vermietet wird, keine Geschäftsveräußerung darstellen soll, konnte der BFH im Rahmen seiner Urteilsbegründung u. E. nicht abschließend abhelfen. U. E. ist eine solche Auslegung nicht mit den durch den BFH40 entwickelten Rechtgrundsätzen vereinbar, dass ein Unternehmen im Sinne des Umsatzsteuerrechts bereits dann vorliegt und im Rahmen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen gemäß § 1 Abs. 1a UStG übertragen werden kann, wenn dieses im Gründungsstadium noch gar keine Umsätze tätigt. (4) „Reanimation“ eines „lebensfähigen“ Unternehmens – Geschäftsveräußerung auch ohne Übergang bestehender Mietverträge Auch in einer weiteren Entscheidung des BFH41 wurde nunmehr wieder von den vom BFH mit Urteil vom 11.10.200742 entwickelten Grundsätzen abgewichen. Hier wurde festgestellt, dass eine nach § 1 Abs. 1a UStG nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung durch Grundstücksübertragung im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung aufgrund besonderer Umstände auch dann vorliegen kann, wenn auf den Erwerber kein bestehender Mietvertrag übergeht. Der BFH hat die für die Geschäftsveräußerung erforderliche Fortführung einer Vermietungstätigkeit auch ohne Übergang eines Mietvertrages bejaht. Er stützte seine Entscheidung darauf, dass den Vereinbarungen zwischen der dortigen Klägerin, ihrem Ehemann und der GmbH ein Gesamtplan zugrunde lag. Die Vermietung an den Ehemann stand von vornherein fest. Die Klägerin schloss im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Erwerb des Grundstücks einen auf den Zeitpunkt der Besitzübertragung des Grundstücks bezogenen Mietvertrag mit ihrem Ehemann und damit mit der Person, auf die der Geschäftsbetrieb des bisherigen Mieters übergegangen ist. Sicherlich kann man dem BFH zugutehalten, dass nicht jeder zu entscheidende Sachverhalt identisch ist und sich demnach nicht nach einem festen Schema lösen lässt. Jedoch stellt sich die Frage, warum der BFH im vorliegenden Verfahren von einem Gesamtplan ausgeht, welcher es ermöglicht, die Übertragung im Rahmen einer Geschäftsveräußerung zu vollziehen, währenddessen im Rahmen des BFH-Urteils vom 11.10.200743 kein Gesamtplan gesehen wurde. Zudem wur36 BFH, 11.10.2007 – V R 57/06, BStBl. II 2008, 447, BFH/NV 2008, 509, BB 2008, 485 m. BBKomm. Wagner. 37 FG Brandenburg, 19.9.2006 – 1 K 1998/02, EFG 2007, 66, DStRE 2007, 307. 38 BFH, 8.3.2001 – V R 24/98, BStBl. II 2003, 430, BB 2001, 870. 39 BFH, 18.9.2008 – V R 21/07, BStBl. II 2009, 254, BFH/NV 2009, 319, DStRE 2009, 102. 40 BFH, 8.3.2001 – V R 24/98, BStBl. II 2003, 430, BB 2001, 870. 41 BFH, 6.5.2010 – V R 25/09, BFH/NV 2010, 1873, BB 2010, 3066 m. BB-Komm. Behrens. 42 BFH, 11.10.2007 – V R 57/06, BStBl. II 2008, 447, BFH/NV 2008, 509, BB 2008, 485 m. BBKomm. Wagner. 43 BFH, 11.10.2007 – V R 57/06, BStBl. II 2008, 447, BFH/NV 2008, 509, BB 2008, 485 m. BBKomm. Wagner. 1185 Steuerrecht | Aufsätze Ellerbrock/Pelzer/Wolter · Erweiterung der BFH-Rechtsprechung: Verkauf unvermieteter Ferienwohnung als Geschäftsveräußerung im Ganzen de im Rahmen der Urteilsbegründung mit keiner Silbe auf das Urteil des BFH vom 11.10.2007 eingegangen. bb) Erweiterung der Rechtsprechung bezüglich der Übertragung einer zum Zeitpunkt der Übertragung leerstehenden Immobilie Nunmehr hatte der BFH eine weitere Gelegenheit eine „Einzelfall“Entscheidung in dem Verfahren V R 10/13, das mit der Entscheidung vom 5.6.201444 zum Abschluss gekommen ist, zu treffen. (1) Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg vom 25.10.2012 Die Revisionsentscheidung des BFH vom 5.6.2014 betrifft einen Streitfall aus dem Jahre 2007, der im Jahre 2012 durch das FG BerlinBrandenburg45 entschieden wurde. Der Sachverhalt ist relativ einfach: Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erwarb 2003 steuerpflichtig eine Wohnung, die sie in der Folgezeit über einen Vermittler steuerpflichtig an ständig wechselnde Feriengäste vermietete. Im Streitjahr (2007) veräußerte die Klägerin die Wohnung. Regelungen zur Umsatzsteuer enthielt der Kaufvertrag nicht. Im Zeitpunkt der Lieferung war die Ferienwohnung nicht vermietet. Die Wohnung war ohne Möbel, aber mit Einbauküche zu übergeben. Der Erwerber beauftragte mit der Suche nach Mietern denselben Vermittler, der bereits zuvor für die Klägerin tätig gewesen war. Der Beklagte und Revisionskläger (das FA) ging von einer steuerfreien Grundstückslieferung aus, die gemäß § 15a UStG zu einer Berichtigung des beim Erwerb in 2003 in Anspruch genommenen Vorsteuerabzugs geführt hatte. Das FG gab mit seinem Urteil der Klage statt. Eine Vorsteuerberichtigung sei nicht vorzunehmen, da es sich um eine Geschäftsveräußerung gehandelt habe. Es sei nicht erforderlich gewesen, dass der Erwerber den Vermittlungsvertrag unmittelbar übernommen habe. Es sei auch nicht notwendig, die Geschäftsveräußerung im Kaufvertrag zu erwähnen. Es reiche aus, dass die Absicht des Erwerbers, die Wohnung zur Fortführung eines Vermietungsunternehmens zu nutzen, durch sein tatsächliches Verhalten zum Ausdruck gekommen sei. Hiergegen wendet sich das FA mit seiner Revision, die es auf Verletzung materiellen Rechts stützte. Im Wesentlichen liege keine Geschäftsveräußerung vor, wenn eine unvermietete (Ferien-)Wohnung übertragen werde, da dies kein unternehmensfähiges Gebilde darstelle. (2) BFH-Gerichtsbescheid: Übertragung einer unvermieteten Immobilie ist keine Geschäftsveräußerung im Ganzen Die nächste Haltestelle im Revisionsverfahren war der den Beteiligten zugestellte Gerichtsbescheid des BFH vom 21.3.2014, durch den unter Aufhebung des angefochtenen Finanzgerichtsurteils der Revision stattgegeben werden sollte. Im Rahmen der Begründung dieses – nicht veröffentlichten – Gerichtsbescheids wurden die Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen im Sinne des § 1 Abs. 1a UStG herausgearbeitet und auf die für den vorliegenden Rechtstreit vergleichbare ständige Rechtsprechung des BFH46 hingewiesen.47 Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH48 schlussfolgerte der BFH für den vorliegenden Fall mit Hinweis auf das BFH-Urteil vom 11.10.2007,49 dass die Lieferung eines weder vermieteten 1186 noch verpachteten Grundstücks im Regelfall keine Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG darstellen soll. Weiter heißt es im Sinne der vom BFH zitierten Urteilsbegründung,50 dass im Hinblick auf die nach der EuGH-Rechtsprechung erforderliche Absicht des Erwerbers, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil zu betreiben, es maßgeblich darauf ankomme, ob das übertragene Vermögen die Fortsetzung einer bisher durch den Veräußerer ausgeübten Tätigkeit ermögliche. Dabei sei im Rahmen einer Gesamtwürdigung die Art des übertragenen Vermögens/Teilvermögens und der Grad der Übereinstimmung oder Ähnlichkeit zwischen den vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten zu berücksichtigen. Nach diesen Grundsätzen sei die Veräußerung eines Gebäudes ohne Übergang eines Mietvertrages keine Geschäftsveräußerung. Die Übertragung eines unvermieteten Grundstücks führe nicht zur Übertragung eines Unternehmensteils, mit dem eine selbständige Tätigkeit fortgeführt werden könne, sondern zur Übertragung eines einzelnen Vermögensgegenstandes. Fehle es an weiteren Faktoren, wie z. B. einer bestehenden Vermietung oder Verpachtung des Grundstücks, könne kein „Geschäftsbetrieb“ angenommen werden. Es bleibe im Streitfall vielmehr bei einer grundsätzlich nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfreien Grundstücksübertragung. (3) Einwendungen der Klägerin Die Klägerin und Revisionsbeklagte stellte in einem nächsten Schritt fristgerecht einen Antrag auf mündliche Verhandlung, womit der Gerichtsbescheid als nicht ergangen galt. Der V. Senat des BFH musste sich mit den von der Klägerin und Revisionsbeklagten gegen die Rechtsausführungen in dem Gerichtsbescheid erhobenen Einwendungen auseinandersetzen. Die Klägerin und Revisionsbeklagte gab zu bedenken, dass diese Auslegung des V. Senates des BFH gegen die oben erwähnten und durch den EuGH entwickelten Rechtsgrundsätze in Bezug auf die Lieferung von Warenbeständen verstoße. Im Rahmen des EuGH-Urteils Zita Modes wurde lediglich darüber entschieden, ob die Veräußerung eines Warenbestandes eine Geschäftsveräußerung im Ganzen sei. Nicht entschieden wurde darüber, ob die Veräußerung einer zum Zeitpunkt der Übertragung zu Vermietungszwecken genutzten, jedoch zu diesem Zeitpunkt geschäftsbedingt (Off-Season) leerstehenden Immobilie eine Geschäftsveräußerung darstellen könne. Des Weiteren wurde vorgetragen, dass der EuGH in dem Urteil Zita Modes für die Annahme einer Geschäftsveräußerung im Wesentlichen darauf abgestellt habe, ob der Erwerber beabsichtigt, den übertragenen Geschäftsbetrieb zu betreiben und nicht zu verkaufen. Vorliegend wurde bereits durch die Vorinstanz (FG Berlin-Brandenburg) die Feststellung getroffen, welcher sich auch der BFH im Rahmen des Ge- 44 BFH, 5.6.2014 – V R 10/13, BFH/NV 2014, 1600, DStR 2014, 1823. 45 FG Berlin-Brandenburg, 25.10.2012 – 5 K 5319/11, EFG 2013, 889, DStRE 2013, 801. 46 BFH, 11.10.2007 – V R 57/06, BStBl. II 2008, 447, BFH/NV 2008, 509, BB 2008, 485 m. BBKomm. Wagner. 47 Die Verfasser haben den Prozess begleitet und kennen deshalb den Inhalt des Gerichtsbescheides. 48 EuGH, 27.11.2003 – C-497/01, Zita Modes, BB 2004, 479 Ls m. BB-Komm. Lohse, BeckRS 2004, 77488. 49 BFH, 11.10.2007 – V R 57/06, BStBl. II 2008, 447, BFH/NV 2008, 509, BB 2008, 485 m. BBKomm. Wagner. 50 BFH, 11.10.2007 – V R 57/06, BStBl. II 2008, 447, BFH/NV 2008, 509, BB 2008, 485 m. BBKomm. Wagner. Betriebs-Berater | BB 20.2015 | 11.5.2015 Aufsätze | Steuerrecht Ellerbrock/Pelzer/Wolter · Erweiterung der BFH-Rechtsprechung: Verkauf unvermieteter Ferienwohnung als Geschäftsveräußerung im Ganzen richtsbescheides angeschlossen hatte, dass der Erwerber der Ferienwohnung die Vermietung tatsächlich fortsetzte. Darüber hinaus gab die Klägerin und Revisionsbeklagte zu bedenken, dass es sich vorliegend nicht um ein klassisches Vermietungsunternehmen (langfristige Vermietungen) handele, sondern um ein Beherbergungsunternehmen, welches kurzfristige Vermietungen im Sinne des § 4 Nr. 12 S. 2 UStG umsetzt. Zudem sei fraglich, ob die Übertragung solcher, für kurzfristige Vermietungen genutzten Immobilien im Rahmen einer Geschäftsveräußerung danach beurteilt werden könne, ob zum Zeitpunkt der Übertragung eine Vermietung vorliege. Dies erscheine sehr willkürlich, wenn, typisch für eine Ferienimmobilie, diese nicht ganzjährig an Gäste vermietet werde (Off-Season). Dies widerspreche den vom EuGH in den Rs. Zita Modes und Christel Schriever entwickelten Rechtsgrundsätzen und könne dementsprechend nicht mit diesen begründet werden. In diesem Zusammenhang wurde auch dargestellt, dass unter Anwendung der durch den V. Senat im Rahmen des Gerichtsbescheid entwickelten Rechtsgrundsätze bezüglich der Übertragung von Immobilien jedes Ferienhaus-Unternehmen nicht als Geschäftsveräußerung im Ganzen übertragen werden könne, wenn es zur Zeit der Übertragung keine Gäste beherberge. (4) Wesentliche Änderung in der Argumentation des BFH In seinem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 5.6.2014 ergangenen Urteil hat der V. Senat des BFH an dem Ergebnis des – als nicht ergangen geltenden – Gerichtsbescheids nicht mehr festgehalten und die Begründung seiner abweichenden Entscheidung gänzlich modifiziert, jedoch im Rahmen dieser lediglich kurz argumentiert, weshalb im vorliegenden Rechtstreit tatsächlich von einer Geschäftsveräußerung auszugehen sei. Entsprechend dem Klägervorbringen hat der V. Senat des BFH nunmehr in Übereinstimmung mit dem FG entschieden, dass die Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung im Streitfall erfüllt sind. Insbesondere ist vorliegend auf die Übereinstimmung der vor und nach der Lieferung ausgeübten Vermietungstätigkeit abzustellen. Zwar hat die Lieferung des Grundstücks nicht zu einem unmittelbaren Übergang eines Mietverhältnisses geführt. Dem kommt indes bei der Frage, ob die Lieferung einer zur Vermietung bestimmten Ferienwohnung zu einer Geschäftsveräußerung führt, eine geringere Bedeutung als in anderen Fällen zu. Insoweit ist die Besonderheit zu berücksichtigen, dass Ferienwohnungen nicht zur langfristigen, sondern zur wiederholten kurzfristigen Vermietung bestimmt sind, so dass aus vorübergehenden Leerständen nicht auf eine Unterbrechung oder Beendigung der Vermietungstätigkeit zu schließen ist. Das Abstellen auf eine Vermietung im Zeitpunkt der Lieferung würde mithin zu Zufallsergebnissen führen. Zudem konnte für die Annahme einer Geschäftsveräußerung auch berücksichtigt werden, dass der Erwerber der Wohnung denselben Feriengastvermittler für den Abschluss von Mietverträgen beauftragte wie die Klägerin. II. Fazit und Kritik Für die Praxis stehen folgende Aussagen des BFH im Vordergrund: – Die Geschäftsveräußerung im Rahmen von Immobilienübertragungen hängt im Wesentlichen davon ab, dass die vor und nach der Lieferung ausgeübte Vermietungstätigkeit übereinstimmt. Betriebs-Berater | BB 20.2015 | 11.5.2015 Powered by TCPDF (www.tcpdf.org) – Die Übertragung eines Mietverhältnisses ist nicht grundsätzlich Voraussetzung einer Geschäftsveräußerung im Ganzen, im Rahmen der Lieferung einer Immobilie, insbesondere dann nicht, wenn es sich bei der Übertragung von Immobilien um solche handelt, welche für die wiederholte kurzfristige Beherbergung von Fremden genutzt werden. – Aus vorübergehenden Leerständen kann nicht auf eine Unterbrechung oder Beendigung der Vermietungstätigkeit geschlossen werden. – Es bleibt offen, ob es ebenfalls in Fällen der langfristigen Vermietung zu einer Geschäftsveräußerung im Ganzen kommen kann, wenn es sich um eine Immobilienübertragung handelt, in der die Immobilie zufällig vor der Veräußerung aufgrund einer fristlosen Kündigung leer steht, jedoch bis zum Zeitpunkt der Übertragung weiterhin versucht wird, die Immobilie zu vermieten und sich im Anschluss an die Veräußerung tatsächlich ein neuer Mieter findet. Tatsächlich wurde hier eine gute Gelegenheit durch den V. Senat des BFH verpasst, gemäß Art. 267 AEUV ein Vorabentscheidungsverfahren dem EuGH bezüglich der gemeinschaftsweit einheitlichen Auslegung des Art. 19 MwStSystRL in Bezug auf die Übertragung von für Vermietungszwecke dienenden (leerstehenden) Immobilien, aus den oben genannten Gründen, vorzulegen. Zudem wurde im Rahmen der Urteilsbegründung leider nicht auf die u. E. in sich widersprüchlichen BFH-Entscheidungen eingegangen. Im Sinne des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs ist es jedoch erfreulich und auch bemerkenswert, dass der V. Senat des BFH bereit war und offen ist, von einer vormals im Rahmen seines Gerichtsbescheids getroffenen Entscheidung abzuweichen und die ergänzenden rechtlichen Erwägungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung rechtlich neu zu würdigen und letztlich eine gegenteilige Entscheidung zu treffen. Dr. Tatjana Ellerbrock ist seit 1995 als Rechtsanwältin in Berlin tätig, zunächst in einer überörtlichen Anwaltskanzlei mit wirtschaftsrechtlichen Beratungsschwerpunkt, seit 1998 als Partnerin der Rechtsanwaltsgesellschaft der RBS RoeverBroennerSusat Gruppe. Sie ist seit 2003 Fachanwältin für Steuerrecht und außerdem seit 2004 Fachanwältin für Arbeitsrecht. Thomas Pelzer, RA/FAStR, ist Senior bei RBS RoeverBroennerSusat GmbH & Co. KG in Berlin und im Bereich Steuerberatung tätig. Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist insbesondere das Umsatzsteuerrecht. Er studierte an der Freien Universität Berlin und ist seit 2009 als Rechtsanwalt zugelassen. Anne Wolter, LL.B., ist seit Februar 2014 bei RBS RoeverBroennerSusat GmbH & Co. KG in Berlin als Werkstudentin im Bereich Steuerberatung am Standort Berlin tätig. Sie studierte an der HWR Berlin Wirtschaftsrecht und schrieb ihre Bachelorarbeit zum Thema Geschäftsveräußerung im Ganzen. Seit Oktober 2014 absolviert sie den Masterstudiengang Unternehmens- und Steuerrecht an der Universität Potsdam. 1187
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