Leseprobe Übern Garten durch die Lüfte Frühlingsgeschichten aus Schlesien 128 Seiten, 10,5 x 15,5 cm, gebunden, durchgehend farbig gestaltet, mit zahlreichen Fotos ISBN 9783746245942 Mehr Informationen finden Sie unter st-benno.de Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung von Text und Bildern, auch auszugsweise, ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen. © St. Benno Verlag GmbH, Leipzig 2016 Frischer Morgen! Frischer Morgen! Frisches Herz! Himmelwärts! Lass den Schlaf nun, lass die Sorgen! Joseph von Eichendorff Übern Garten durch die Lüfte Frühlingsgeschichten aus Schlesien Inhalt Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar. Schöpfer, Herr – Die Welt ist im Frühling gemacht 6 Besuchen Sie uns im Internet: www.st-benno.de Gern informieren wir Sie unverbindlich und aktuell auch in unserem Newsletter zum Verlagsprogramm, zu Neuerscheinungen und Aktionen. Einfach anmelden unter www.st-benno.de. Ostersegen – Der Glaube versetzt Berge 44 ISBN 978-3-7462-4594-2 © St. Benno Verlag GmbH, Leipzig Zusammenstellung: Volker Bauch, Leipzig Umschlaggestaltung: BIRQ DESIGN, Leipzig Gesamtherstellung: Kontext, Lemsel (A) Im Monat Mai – Der Schöpfer im Geschöpfe 5 106 Schöpfer, Herr Die Welt ist im Frühling gemacht Im Frühling war die Welt verneut und wiederbracht, drum sagst du recht, dass sie im Frühling ist gemacht. Angelus Silesius 6 7 Der Morgen Fliegt der erste Morgenstrahl Durch das stille Nebeltal, Rauscht erwachend Wald und Hügel: Wer da fliegen kann, nimmt Flügel! Und sein Hütlein in die Luft Wirft der Mensch vor Lust und ruft: „Hat Gesang doch auch noch Schwingen, Nun, so will ich fröhlich singen!“ Hinaus, o Mensch, weit in die Welt, Bangt dir das Herz in krankem Mut; Nichts ist so trüb in Nacht gestellt, Der Morgen leicht macht‘s wieder gut. Joseph von Eichendorff 8 9 Der Schlesier Es ist ja bekannt, dass es Rassen nicht gibt, insofern es unmöglich erscheint, den Begriff ihres Wesens durch eine ausreichende Definition gegen Verwechselung zu schützen. Und wenn auch nicht so weit gegangen zu werden braucht, jede Rasse als einen Topf zu betrachten, der, nie gereinigt, Überreste aller Mahlzeiten enthält, die je darin gekocht worden sind, so läuft einem Wanderer doch hundert Mal die Erkenntnis in die Hand, nicht nur, dass das, was wir Persönlichkeit nennen, keine aus sich geborene, durchgehende Einheit darstellt, sondern vor allem, dass Rassen und Stämme das Ergebnis eines unentwirrbar vielfähigen Durcheinanderströmens verschiedensten Blutes sind. Eine der buntesten Musterkarten stellt der Schlesier dar, ich meine in Hinsicht seiner Abstammung, und darum seiner Wesenseigenart. In manchen Gegenden der Flussniederungen treten dir schwere, massige Menschen entgegen, wortkarg, in einer gütig-plumpen Überlegenheit. Und bist du schon einmal in deinem Leben zwischen De venter und Zutphen hindurchgegangen, so meinst du, in den Schlesiern keine Schlesier, sondern Vlamen zu sehen, und 26 27 selbst ihre Sprache hat noch vieles vom Klange ihrer holländischen Heimat. Die Dörfer in den schlesischen Vorbergen zeigen in der sauberen Heiterkeit ihrer Gehöfte und Hütten und in der eigenwilligen Schönheit ihrer Anlage den ausgesprochenen Typus fränkischer Siedlungen. Denn schaut man auf der Eisenbahnfahrt um Feuchtwangen in Franken aus dem Wagen, so sieht es nicht anders aus, als kutschierte einen die Lokomotive durch die Striegauer Gegend. Das Schalkhaft-Spöttische der Bewohner, die heitere Gelenkigkeit, die sich merkwürdigerweise mit einem nie ganz besiegbaren Verstocktsein vereinigt, würden den Menschen schon vollkommen der fränkischen Art einreihen, wenn ihm nicht zum Überfluss auch noch das jähe, ihn selbst überraschende Losfahren eigen wäre. Tiefer in den Bergen sitzen wohl die Nachkommen der Thüringer, versonnen, leichtsinnig, träumerisch. Sie lachen wie durch einen Schleier und befruchten und verwirren ihren Verstand durch ein Gemüt, das unergründlich und fantastisch zugleich ist. Böhmische und mährische Einschläge verdunkeln etwas die liederfröhliche Klarheit ihres thüringischen Grundwesens. Doch damit ist die Vielfältigkeit schlesischen Wesens noch nicht erschöpft. Wie viele polnische Typen stehen ratlos und bange darin; von wie manchem wendischen Schatten 28 29 wird es beunruhigt! Aber das Seltsamste ist, dass in jedes schlesischen Einzelmenschen Eigenart sich alle diese Stämme und Rassen durcheinander zu tummeln scheinen, aus denen im Laufe der Jahrhunderte die Bevölkerung meines Heimatlandes zusammengemischt worden ist. Du selbst, Schlesier, legst dich schlafen wie ein Vlame, springst wie ein draufgängerischer Franke in den Tag, arbeitest wie ein Pole, und verlierst dich, von einem sentimentalen Tschechen oder Wenden an der Linken, von einem verträumten Thüringer an der Rechten geführt, durch den Abend in die Nacht. Der Charakter der Schlesier ist wie eine Volksversammlung, die erregt debattiert und keine Resolution fasst. Noch in jedem Entschluss und Gefühl stört diese tausendfältige Problematik den ruhigen, sicheren Ablauf, und zugleich bestimmt sie die wesentliche Eigenart des ganzen Stammes: seine Veränderungssucht, seine zähe, fast kindliche Liebe zur Scholle und sein künstlerisches Talent. In keiner Gegend Deutschlands hat die Reformation ein wilderes, bunteres Fieber von Bekenntnissen und dazu in dem eiligsten Tempo durch das Volk gejagt. Kaum ein Stamm ist dem Sektierer- und Konventikelwesen mehr zugeneigt. Man verwechselt die Bedrängnisse des inneren Zustandes in das äußere Leben hinein, glaubt sich den Frieden zu erkämpfen, wenn man eine Neuerung annimmt, und wirft sich, kaum dass man von Leidenschaftlichkeit hineingerissen worden ist, enttäuscht in die alten Verhältnisse zurück, oder stürzt sich jäh, ohne langes Besinnen, einem anderen Phantom in die Arme, das Besserung verheißt. Auch so betrachtet ist es mehr als Zufälligkeit, dass der Freiheitssturm von l8l3 gerade in 30 31 Schlesien so ergreifend und schön losbrach. Die im ersten Hinsehen paradoxe Tatsache, dass in der Brust des Schlesiers neben dieser inbrünstigen Verwandlungssucht die Schollenliebe bestehen kann, die jenen oft wie Komik berührt, der den „Usinger“ in der weiten Welt von seiner „Heemte“ reden hört, reiht sich diese bei genauer Betrachtung leicht und ungezwungen ein, wenn wir in ihr das Mittel begreifen, durch das die tausend Züge seines Innern und die auseinanderstrebenden Süchte seiner Seele eine durchsehende Gestalt bekommen. Er kann das unrastvolle Schwelgen seiner Brust nicht anders beruhigen, als dass er sich niederwirft und die Erde seiner Heimat umklammert, selbst noch von der Ferne her durch den Schmerz seiner Sehnsucht. In Wirklichkeit ist der holteische Refrain: „Suste nischt, ak heem“, nicht bloß ein humoristischer Einfall des ersten und größten Dialektdichters Schlesiens, sondern der letzte Rettungsanker 32 33 und da setzte man auch vergnügt und froh noch ein Türmchen auf das Haus, und immer müssen Bäume brüderlich das Haus umkränzen. Wie reich, singend und froh ist das ganze Land! Hans Christoph Kaergel Maienfahrt Maientag voll Glanz und Licht, Duft und Klang in allen Hecken! und die letzte Sorge bricht ihren Trotz am Wanderstecken. Berg und Wald, Tal aus und ein sing‘ ich meine schönste Weise – – möchte mir beschieden sein solch ein Tag zur letzten Reise! Karl Klings 118 119 Der Mai Als erste merken die Bäume das Wunder und recken ihm ihre Zweige zu. Er rühret sie an mit dem Zauberstabe – da brechen die schwellenden Knospen im Nu. Geschäftig vermischt er mit Gold all das Grüne und streicht den Himmel in leuchtend Blau. Dann hebt er den Taktstock zum Vogel konzerte. Der Wind wird zärtlich-verspielt und lau. 120 Die Luft ist Champagner, sie prickelt im Blute. Nachts zwinkert der Mond: „Ich bin auch dabei.“ Wer jung ist, genießt es – wer nicht, wird es wieder. Ach, wär‘s doch ein halbes Jahr wenigstens Mai! Rotraud Schöne 121 Inhaltsverzeichnis Joseph von Eichendorff: Frischer Morgen Schöpfer, Herr – Die Welt ist im Frühling gemacht Joseph von Eichendorff: Der Morgen Joseph von Eichendorff: Ahnung und Gegenwart Emil von Schoenaich-Carolath: Märzabend Joseph von Eichendorff: Morgengebet Angelus Silesius: Jetzt scheinet die Sonne Hermann Stehr: Der Schlesier Ostersegen – Der Glaube versetzt Berge Joseph von Eichendorff: Frühe Jochen Klepper: Siehe, das ist Gottes Lamm 124 2 8 10 21 22 24 26 Paul Keller: Die Gewissenserforschung Angelus Silesius: Das Äußere hilft dir nicht/ Die Ruh und Wirkung Gottes/ Das Sterben machet Leben Joseph Wittig: Ostern Joseph von Eichendorff: Ostern Wilhelm Müller: Der Glockenguss zu Breslau Im Monat Mai – Der Schöpfer im Geschöpfe Rotraud Schöne: Goldregen Hans Christoph Kaergel: Städte und Dörfer der schlesischen Heide Karl Klings: Maienfahrt Rotraud Schöne: Der Mai Joseph von Eichendorff: Der Pilger 46 48 125 52 68 70 96 98 108 110 119 120 122 Quellenverzeichnis Texte: Rotraud Schöne, „Der Mai“ und „Goldregen“, aus: Rotraud Schöne, …denn es lohnt sich zu leben. Mit Bildern von Jutta Röttger © Bergstadtverlag, Wilhelm Gottlieb Korn GmbH, Würzburg 2005 Joseph Wittig, Ostern, aus: Leben Jesu in Palästina, Schlesien und anderswo © 1926 by Eugen Salzer Verlag und Nachf., Heilbronn Fotos: Cover: © sequoya/Fotolia; S. 2: © Miroslawa Drozdowski/Fotolia; S. 6/7: © powerstock/Fotolia; S. 9: Stabkirche Wang in Brückenberg (Karpacz Górny) © LianeM/Fotolia; S. 10/11 Blick auf den Zobtenberg (Sleza/Sobótka) © CCat82/ Fotolia; S. 13 © Pixabay; S. 17 © Scisetti Alfio/ Fotolia; S. 19 © Miredi/Fotolia; S. 20 Blick auf die Minoritenkirche St. Maria in Glatz (Kłodzko) © Radoslaw Maciejewski/Fotolia; S. 22/23 © satori/Fotolia; S. 25 Friedenskirche »Zum Hei126 ligen Geist« in Jauer (Jawor) © jurewicz/Fotolia; S. 26/27 © Sergii Figurnyi/Fotolia; S. 29 Hausansicht in Bethen, Oberschlesien (Bytom) © Profotokris/Fotolia; S. 31 © Floydine/Fotolia; S. 33 Schloss Fürstenstein (Zamek Ksiaz) © LianeM/Fotolia; S. 35 Hedwig von Schlesien, Heiligenfigur in Krakau (Kraków) © rparys/Fotolia; S. 36/37 Stadtansich Posen (Poznan) © neirfy/ Fotolia; S. 42/43 © Giorgio Clementi/Fotolia; S. 44/45 Blick auf Warka © mirco251280/Fotolia; S. 46/47 © CCat82/Fotolia; S. 49 Magdalenenkirche in Breslau (Wrocław) © PHB.cz/Fotolia; S. 51 © gumbao/Fotolia; S. 52/53 Stadtansicht Südpolen© oleksajewicz/Fotolia; S. 55 © jurewicz/Fotolia; S. 57 © mihalyandrea/Fotollia; S. 61 Kreuz im Zittauer Gebirge © Pixabay; S. 65 © Vera Kuttelvaserova/Fotolia; S. 67 Kurhaus Marienbad (Wojciech) in Bad Landeck (Ladek-Zdrój) © Radoslaw Maciejewski/Fotolia; S. 69 Kloster Grüssau (Krzeszów ) in Niederschlesien© CCat82/Fotolia; S. 70/71 © Pellinni/Fotolia; S. 70/71 © jovannig/Fotolia; S. 73 Friedenskirche »Zum Heiligen Geist« in Jauer (Jawor) © jurewicz/Fotolia; S. 75 St. Elisabeth in Breslau (Wroclaw) © PHB.cz/Fotolia; S. 77 127 © Floydine/Fotolia; S. 80/81 © Pixabay; S. 83 Kloster Grüssau (Krzeszów) © anilah/Fotolia; S. 87 Glatz (Kłodzko) – Blick von der Burg in die Innenstadt © arterra/Fotolia; S. 89 © Pixabay; S. 93 Schweidnitz (Swidnica) © PHB.cz/Fotolia; S. 95 © Fotoschlick/Fotolia; S. 97 Kirche Wang in Brückenberg (Karpacz Górny) © mkos83/ Fotolia; S. 99 Blick auf den Dom zu Breslau (Wroclaw) © Andrzej Solnica/Fotolia; S. 103 © Gina Sanders/Fotolia; S. 105 Sandinsel Breslau (Wyspa Piasek Wrocław) © aniad/Fotolia; S. 106/107 © margo555/Fotolia; S. 109 © Chicco Dodi FC/Fotolia; S. 110/111 Blick auf den Dom zu Breslau © Sergii Figurnyi/Fotolia; S. 113 © Pixabay; S. 115 Jahrhunderthalle Breslau© Andrzej Rostek/Fotolia; S. 120/121: © bidaya/ Fotolia; S. 123: © Jenny Sturm/Fotolia. 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