Gerinnungskonsil Management von Blutungen unter Antithrombotika B. Pötzsch und K. Madlener Übersicht Die Erhöhung des Blutungsrisikos ist eine Nebenwirkung von verschiedenen Medikamenten und Medikamentengruppen. Besonders häufig kommt es zu bedrohlichen Blutungen während einer fibrinolytischen Therapie. Hier werden Häufigkeiten bis zu 5% angegeben. Eine Behandlung mit Vitamin-K-Antagonisten mit einem INRZielbereich von 2-3 erhöht das jährliche Risiko für therapiepflichtige Blutungen um 0,3 - 0,5%. Die zur Sekundärprophylaxe von arteriellen Thromboembolien eingesetzten Thrombozytenfunktionshemmer induzieren in 2-3% der Patienten während eines Behandlungszeitraums von 1 Jahr eine therapiepflichtige Blutung. Nach einer Blutung sollte in die Entscheidungsfindung zur Fortführung der antithrombotischen Therapie eine Analyse der blutungsauslösenden Ursachen einbezogen werden, um gegebenenfalls durch eine Dosisreduktion oder ein verbessertes Monitoring das Risiko für eine erneute Blutung zu senken. Management von Blutungen Zur Beherrschung von schwerwiegenden und bedrohlichen Blutungen unter einer gerinnungshemmenden Therapie ist eine Unterbrechung der antithrombotischen Wirkung wünschenswert. Im Fall des unfraktionierten Heparins ist dies durch die Gabe von Protamin möglich. Niedermolekulare Heparine werden nicht mit der gleichen Effektivität wie unfraktioniertes Heparin durch Protamin neutralisiert. Trotzdem ist bei bedrohlichen Blutungen die Gabe von Protamin sinnvoll. In Abhängigkeit von der Art des eingesetzten niedermolekularen Heparins können etwa 30 – 70% des niedermolekularen Heparins neutralisiert werden. Das synthetische Heparin Fondaparinux kann durch Protamin nicht nennenswert neutralisiert werden. Die einzige Möglichkeit bei bedrohlichen Blutungen die Hämostasesituation zu verbessern besteht in der Gabe von FVIIa. Das gleiche gilt für bedrohliche Blutungen, die unter einer Therapie mit Danaparoid-Natrium, Hirudin, Bivalirudin, Argatroban oder den neu verfügbaren oralen direkten FXa- und Thrombinnhibitoren auftreten (siehe Tabelle 1). Eine schnelle Unterbrechung der antikoagulatorischen Wirkung der Vitamin-KAntagonisten ist durch die Gabe von PPSB möglich. Diese sollte mit der intravenösen Gabe von 10 mg Vitamin-K gekoppelt werden, da die Halbwertszeit der mit PPSB substituierten Gerinnungsfaktoren kürzer ist als die Wirkung der Vitamin-KAntagonisten. Nach dem Marktrückzug von Aprotinin steht kein Plasmininhibitor mehr zur Verfügung mit dem eine schnelle Unterbrechung der Plasminwirkung erreicht werden kann. Durch die Gabe von Tranexamsäure kann bereits gebildetes Plasmin nicht neutralisiert werden. Trotzdem ist bei einer bedrohlichen Blutung unter der Gabe von Fibrinolytika die Gabe von Tranexamsäure sinnvoll, da diese die weitere Plasminbildung hemmen kann. Treten Blutungen in Zusammenhang mit der Gabe von Thrombozytenfunktionshemmern auf, ist die Transfusion von Thrombozytenkonzentraten eine Möglichkeit die Thrombozytenfunktion zu verbessern. Bei bedrohlichen Blutungen kann zusätzlich die Gabe von rFVIIa hilfreich sein. Eine weitere Möglichkeit die Thrombozytenfunktion zu verbessern besteht in der Gabe von DDAVP. Diese Option sollte insbesondere bei weniger schwerwiegenden Blutungen genutzt werden. Tab. 1. Antidotstrategien bei medikamenteninduzierten Blutungen Medikament Antidotstrategie Unfraktioniertes Heparin Protamin Niedermolekulares Heparin Protamin (eingeschränkte Wirksamkeit) Fondaparinux ultima ratio rFVIIa Danaparoid-Natrium ultima ratio rFVIIa Hirudin Hämofiltration / ultima ratio rFVIIa Argatroban ultima ratio rFVIIa Rivaroxaban ultima ratio rFVIIa Dabigatran ultima ratio rFVIIa Vitamin-K-Antagonisten PPSB, Vitamin K Acetylsalicylsäure DDAVP, Thrombozyten Thienopyridine DDAVP, Thrombozyten Antifibrinolytika Tranexamsäure, FFP Nach Beherrschung der Akutsituation und Stabilisierung der klinischen Situation sollte die Planung der weiteren antithrombotischen Therapie mit der Überprüfung der Indikation zur Durchführung einer Behandlung mit Antithrombotika und einer Analyse der Umstände beginnen, unter denen die Blutung aufgetreten war. Bestand zum Zeitpunkt der Blutung eine Überdosierung, kann die antithrombotische Therapie in regulärer Dosierung fortgeführt werden, sofern die Ursache für die Überdosierung erkannt werden kann und entsprechende Vorsorgemaßnahmen eingeleitet werden können. War zum Blutungszeitpunkt der therapeutische Bereich nicht überschritten, ist die Blutung mit hoher Wahrscheinlichkeit Zeichen einer relativen Überdosierung. Ist eine Fortführung der antikoagulatorischen Behandlung erforderlich, sollte eine Reduktion des therapeutischen Bereichs an das individuelle Blutungsrisiko versucht werden. Hier können Surrogatmarker, wie das Fibrinfragment D-Dimer bei antikoagulierten Patienten, oder die Überprüfung der thrombozytenfunktionshemmenden Wirkung bei reduzierter Dosis eines Thrombozytenfunktionshemmers, zur Bestimmung des individuellen therapeutischen Bereichs hilfreich sein. Klinische Studien mit denen die Effektivität eines derartigen Vorgehens belegt werden kann oder Leitlinien, die ein solches Vorgehen abbilden, existieren nicht. Verantwortlich für den Inhalt der vorliegenden Seiten sind: Prof. Dr. med. Bernd Pötzsch Experimentelle Hämatologie und Transfusionsmedizin Universitätsklinik Bonn, Sigmund-Freud-Str. 25 53105 Bonn E-Mail: [email protected] Dr. med. Katharina Madlener: Hämostaseologie und Transfusionsmedizin Kerckhoff-Klinik GmbH Benekestr. 2-8 61231 Bad Nauheim E-Mail: [email protected]
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