WAS LERNENDE GLÜCKLICH MACHT

LUZERN, den 10. September 2015
No 27
CXXX. Jahrgang
Ausgabe: Deutsche Schweiz / Tessin
www.hotellerie-gastronomie.ch
Fr. 2.80
WAS LERNENDE GLÜCKLICH MACHT
ILLUSTRATION SOLANGE EHRLER
Im Grossen und Ganzen finden die Lernenden in der Gastronomie ihre Ausbildung gut.
S
eit dem Jahr 2004 befragt die Hotel & Gas­
tro Union jährlich alle Lernenden zu ihrer
Zufriedenheit mit der Ausbildung, dem Ausbild­
ner und dem Klima. Erfreulich ist der Rücklauf.
Jährlich geben rund die Hälfte aller Lehrlinge
eine Antwort. Die Umfrage ist also sicher re­
präsentativ. Erfreulich ist auch, dass die Mehr­
heit mit der Ausbildung grundsätzlich zufrieden
ist. Weniger erfreulich ist, dass doch etwa zehn
Prozent ihre Lehre oder den Ausbildner nicht
toll finden. Über alle Berufe hinweg ist rund ein
Drittel mit der Grundbildung nur mässig zufrie­
den bis sehr unzufrieden. Das ist doch ein be­
achtlicher Teil und da besteht Handlungsbedarf.
Ähnlich steht es auch ums Image. Nur 61 Pro­
zent finden das Image sehr gut oder gut. 24 Pro­
zent sagen, es sei genügend. Für elf Prozent ist
es ungenügend bis schlecht. Ebenso unerfreu­
lich ist, dass sich dieser Umstand in den letzten
elf Jahren nicht verbessert hat. Wohl am uner­
freulichsten ist, dass sehr viele Lernende nicht
in der Branche bleiben wollen. In der Umfrage
haben die Lernenden auch Verbesserungsvor­
schläge geäussert.
Urs Masshardt, Geschäftsleiter und Bil­
dungsverantwortlicher der Hotel & Gastro
Union, will sich konsequent für die Verbesse­
rung der Grundbildung und das Image der Gast­
roberufe einsetzen. Die Bildung ist einer der
Schwerpunkte der Berufsorganisation. Deshalb
ist die Union auch Mitträger der Hotel & Gastro
formation in Weggis. Masshardt ist aber auch
überzeugt, dass die gastgewerblichen Berufe
besser sind als ihr Ruf. Zudem haben Jugendli­
che in dieser Branche gute Chancen auf einen
Job im Ausland und die Aufstiegsmöglichkeiten
sind ebenfalls gross. Die Details des Lehrlings­
barometers und was Fachleute dazu sagen.
Artikel auf Seite 6
HISTORISCHE HOTELS UND RESTAURANTS
INTERVIEW
SERIE «SCHWEIZER BEIZEN»
DAS WALDHAUS SILS
ERHÄLT DEN ICOMOSJUBILÄUMSPREIS 2016
Seit bald 100 Tagen ist Kurt Imhof, ehemaliger und
langjähriger Direktor der Schweizerischen Hotel­
fachschule Luzern SHL, Privatier. Im Interview erzählt
er, wie er die Hotellerie nun mit einem Blick von aussen
sieht und welche Pläne er noch hat.
«BERUFSBILDER ATTRAKTIVER MACHEN»
GASTHOF STERNEN BEI
KLOSTER WETTINGEN
IST 750 JAHRE ALT
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TITEL
LUZERN, den 10. September 2015
HGZ No 27
LERNENDEN IST
ES IN DER KÜCHE
ZU HEISS
D
as Fleisch brutzelt in der Bratpfanne,
daneben dampft das Gemüse, das Teigwarenwasser kocht, alle Herdplatten glühen. Die drückende Hitze in der Küche
ist schier unerträglich und alle Gäste wollen
schnell und zur selben Zeit verpflegt werden.
Da kann schon mal Hektik aufkommen, rasch
fällt auch ein böses Wort. Das sollte aber nicht
die Regel sein. Doch 13 Prozent der Lernenden
bezeichnen das Arbeitsklima als ungenügend.
Wenn mehr als jeder achte Lernende mit dem
Arbeitsklima nicht zufrieden ist, dann ist das
nicht gut für die Branche.
Nicht gut ist auch, dass sich praktisch nichts
ändert. Als die Hotel & Gastro Union vor 11 Jah- haben.» Eine weitere Forderung der Union ist
ren erstmals die Lernenden zu ihrer Ausbildung auch, dass die Ausbildungszeit den Lehrmeisbefragte, kritisierten ebenfalls 13 Prozent das tern als Arbeitszeit angerechnet wird. Das sei
Arbeitsklima. Und in all den Jahren zwischen- in vielen Betrieben nicht so, weiss Masshardt.
durch veränderte sich kaum etwas. Mal war es So üben die Küchenchefs oft in der nachmitein Prozent höher, mal eines tiefer. Dasselbe täglichen Freizeit mit ihren Lernenden. Das ist
Bild auch bei allen anderen Fragen: 16 Prozent weder für den Ausbildner noch den Lehrling
sagen, dass sich der Ausbildner zu wenig Zeit wirklich lustig.
nimmt für die Ausbildung, und acht Prozent bezeichnen die Qualifikation des Ausbildners als Unzufriedene steigen aus
ungenügend. Auch diese Resultate sind prakIn einem Punkt gibt es eine leichte Verbesserung
tisch gleich wie im Jahr 2004.
Für Urs Masshardt, Geschäftsleiter und gegenüber 2004. Damals sagten nur 52 Prozent,
Bildungsverantwortlicher der Hotel & Gas- dass sie sicher oder vermutlich in der Branche
tro Union, ist das Resultat deshalb zwiespäl- bleiben. Dieses Jahr waren es 56 Prozent. «Das
tig: «Schön ist, dass die grosse Mehrheit zufrie- ist natürlich immer noch zu wenig», sagt Urs
den ist mit der Ausbildung. Schlecht ist, dass Masshardt. «Dabei bietet unsere Branche gute
sich in all den Jahren nichts verbessert hat. Wir Aufstiegschancen.» Masshardt erwähnt die
fordern deshalb auch eine bessere Bildung für Weiterbildungen, die heute weitgehend mit Geldie Ausbildner. Sie sollten die Berufsprüfung dern aus dem Landes-Gesamtarbeitsvertrag (L-
Rund 4.000 Lernende haben an der Befragung der Hotel
& Gastro Union teilgenommen. Nicht alle sind glücklich
mit der Ausbildung. Sie wünschen mehr Unterstützung.
GAV) finanziert werden. So kostet die Berufsprüfung heute Teilnehmenden, die dem L-GAV
unterstellt sind, nur noch knapp 2.000 Franken. Die Hotel & Gastro Union bezahlt übrigens
ihren Mitgliedern je nach Mitgliedsdauer bis zu
1.000 Franken an die Kosten.
Trotz der guten Weiterbildungsmöglichkeiten verlassen innerhalb von vier Jahren nach
der Lehre rund die Hälfte der Berufsleute die
Branche. Warum das so ist, zeigt ebenfalls die
Umfrage: So gefallen die Arbeitszeiten nur sechs
Prozent der Lernenden, die Umgangsformen im
Betrieb sind nur für drei Prozent ein Grund, in
der Branche zu bleiben, beim Lohn und Trinkgeld sind es gar nur zwei Prozent. Dass die Löhne
im Gastgewerbe nicht wirklich berauschend
sind, weiss auch Stefan Unternährer. Der stellvertretende Geschäftsleiter der Hotel & Gastro
Union leitet die L-GAV-Verhandlungen auf Seiten der drei Arbeitnehmerorganisationen. Er
weist aber auf einige Sachen hin. Erstens konnten die Mindestlöhne in den letzten Jahren substantiell verbessert werden. Zweitens diskutieren die Sozialpartner gerade einen neuen L-GAV.
«Wir setzen uns in diesen Verhandlungen dafür
ein, dass die Mindestlöhne 2017 angehoben werden», sagt Unternährer. Dies sei vor allem notwendig, damit die Branche einigermassen konkurrenzfähig bleibe. Denn wenn eine Branche
die Hälfte der Ausgebildeten in so kurzer Zeit
verliert, gehe viel Wissen verloren. «Die Branche ist auf gut ausgebildete Mitarbeitende angewiesen.» Ohne Fachkräfte sinke der Umsatz
und der Gewinn in einem Betrieb. «Ein marktfähiger Lohn ist also eine Win-win-Situation für
Mitarbeitende und Chefs», sagt Unternährer.
Neben dem Lohn sind die unregelmässigen Arbeitszeiten mit ein Grund, die Branche
zu verlassen. Hier hilft es schon, wenn die Arbeitspläne zwei Wochen vorher erstellt werden.
Dann kann ein Mitarbeitender oder ein Lernender die Freizeit planen. «Dank der 2.000 Stichprobenkontrollen hat sich da schon viel verbessert», weiss Stefan Unternährer. Das zeigt sich
übrigens auch in der Umfrage. Nur 14 Prozent
finden, die Arbeitszeiten müssen besser werden (bei den Restaurationslernenden sind es allerdings 33 Prozent). Viel wichtiger ist den Lernenden mehr Unterstützung (25 Prozent) sowie
das Arbeitsklima und die Umgangsformen im
Betrieb (23 Prozent). Es würde also schon viel
bringen, wenn sich der Chef nach einem Ausrutscher in der Mittagshitze später beim Lehrling
Mario Gsell
dafür entschuldigen würde.
EXPERTENMEINUNGEN
Werner Schuhmacher
wir hier von einer Minderheit. In dem Restaurationsberuf ist es eben oftmals so, dass Quereinsteiger oder beispielsweise Küchenchefs die
Ausbildung für die Restaurationslernenden
Dieses Resultat überrascht übernehmen. Dies ist zwar nett, um die Zahl
mich sehr. Ich habe jede der Ausbildungsbetriebe zu erhöhen, jedoch oftWoche 120 Lernende im Un- mals der Ausbildung nicht dienlich. Schliesslich
terricht und da sind nicht ist der Kellnerberuf absolut nicht zu unterschät30 Prozent unzufrieden. Häufig haben die Be- zen, wenn man ihn von der Pike auf erlernt. Für
rufsbildner zu wenig Zeit für die Lernenden. Die mich hat dies teilweise mit Ethik zu tun, sprich,
Einführung in die diversen Posten sollte teil- was ich gelernt habe, kann ich ausbilden.
weise besser sein. Ich bin bei meinen Lernenden
sehr am Puls und diskutiere die Probleme auch.
eidg. dipl. Küchenchef
eidg. dipl. Berufsfachschullehrer
cher wären, wenn das Arbeitsklima und die Umgangsformen besser wären oder wenn sie mehr
Unterstützung bekommen würden. Mit dem
Lehrbeginn hat die Branche nicht automatisch
gute Fachkräfte gewonnen. Diese müssen über
all die Jahre gefordert, gefördert und fair behandelt werden. Nur so haben wir auch in Zukunft hervorragende Berufsleute und somit
eine erfolgreiche Zukunft der Bäckerbranche.
Elvira Schwegler
Geschäftsführerin Berufsverband
Hotellerie-Hauswirtschaft
Markus Eugster
Sandra Bettoni-Lanz
Berufsfachschullehrerin
Restauration
Wir sprechen hier also von
etwas über einem Drittel
der Lernenden im Restaurationsbereich. Sicher, diese
Zahl ist um einiges höher als beispielsweise in
der Chemie. Wenn ich den Lernenden, welche
unzufrieden sind, so zuhöre im Unterricht, ist
die Ursache häufig auf nicht qualifizierte Berufsbildner zurückzuführen und nicht wie oft
angenommen auf die Arbeitszeiten. Selbstverständlich gibt es auch Lernende, die sich über
die Arbeitszeiten beklagen, jedoch sprechen
Präsident Schweizer Bäckerei- und
Konditorei Personal-Verband sbkpv,
Konditor-Confiseur, Hotelfachschule Zürich
Grundsätzlich ist es sehr
erfreulich, dass ein Grossteil der Lernenden mit ihren Lehrstellen sowie
ihren Ausbildnern zufrieden sind. Erstaunlicherweise können sich sogar viele vorstellen, nach der Lehre und mit genügend beruflicher Erfahrung eine höhere Berufsprüfung
oder gar eine höhere Fachprüfung zu absolvieren. Zu denken sollte einem jedoch geben, dass
die Zufriedenheit und die Motivation während
ihrer Ausbildung im Laufe der Lehrzeit abnehmen. Etliche geben sogar an, dass sie glückli-
Die Umfrage hat gezeigt,
dass 14 Prozent der Hotelfachleute mit ihrer Grundausbildung sehr zufrieden
sind und 51 Prozent zufrieden. Das ist ein erfreuliches Resultat und entspricht auch dem,
was der Verband von den Lernenden und den
Berufsbildnern hört.
Das heisst jedoch auch, dass 35 Prozent mittelmässig bis sehr unzufrieden sind. Vor allem
bei den mittelmässig zufriedenen, das sind 20
Prozent, müssen wir ansetzen. Oft ist es der Fall,
dass sich die jungen Leute etwas anderes vom
Beruf und vom Berufsleben vorstellen oder auch
nicht den optimalen Arbeitsplatz und die optimalen Berufsbildner haben. Der Berufsverband
Hotellerie Hauswirtschaft bvhh setzt sich einerseits für die Weiterbildung der Berufsbildner ein und fordert zusammen mit der Hotel &
Gastro Union, dass ein Berufsbildner im Minimum die Berufsprüfung haben muss. Andererseits bietet der bvhh Kurse für Lernende an, um
ihnen das nötige Rüstzeug zu vermitteln.
Die Grundbildung Hotelfachfrau/-mann ist
zurzeit in der Revision und der bvhh setzt sich
für ein klares Berufsbild ein, um so dafür zu sorgen, dass es keine Missverständnisse gibt. Der
bvhh empfiehlt Berufsbildnern und zukünftigen Lernenden Hotelfach, dass sie Schnuppertage im Betrieb absolvieren, um so ein Bild vom
Beruf zu bekommen, bevor sie den Lehrvertrag
unterschreiben.
Melanie Stalder
Präsidentin Berufsverband Hotel •
Aministration • Management,
Mitarbeiterin Sales & Marketing
Es ist sehr erfreulich, dass
die grosse Mehrheit der
KV-Lernenden HGT mit
der Ausbildung sehr zufrieden oder zufrieden
ist. Das zeigt, dass wir mit dieser Grundbildung
auf dem richtigen Weg sind und hoffen, dass sich
noch viele Jugendliche für diesen Ausbildungsweg entscheiden werden.
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TITEL
LUZERN, den 10. September 2015
HGZ No 27
ERGEBNISSE DES LEHRLINGSBAROMETERS 2015
IM VERGLEICH ZU 2004
Die Zeit, die sich mein Lehrbetrieb
für die Ausbildung nimmt, ist:
%
%
Gut
Genügend
Ja, selbstverständlich
Vermutlich schon
(2)
Ungenügend
Weiss noch nicht
Keine Angaben
14
16
Eher nicht
22
Nein, auf keinen Fall
25
62
61
Keine Angaben
2015
Die Qualifikation meines Ausbildners ist:
8
Das zwischenmenschliche Klima im Betrieb ist:
2
7
12
17
19
2004
1
21
71
20
76
2015
13
66
2004
67
2015
2004
Ich bleibe nach der Lehre im Gastgewerbe:
Ich beabsichtige, später eine Berufsprüfung zu absolvieren:
(2)
(2)
7 1
14
13
37
22
8 1
8
27
19
2015
17
26
7 2
21
17
18
26
19
35
2004
36
2013
2015
Keine Vergleichswerte
zum Jahr 2004
Verbesserungsvorschläge für die Grundausbildung:
25
23
26
24
33
20
27
32
%
Mehr Unterstützung
Arbeitsklima / Umgangsformen
Betriebliche
Ausbildung
Arbeitszeiten
Total
Köche
Restauration
Hauswirtschaft
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