3. Platz

Samstag, 19. September 2015
Freiburger Nachrichten
ZiG – ZeitungPrämierte
im Gymnasium
Artikel
25
Kaffeeklatsch zwischen Schokoköpfen
Bittersüss, warm und lieblich. So duftete es auf dem Schulweg vieler Studenten und Schüler im Perollesquartier über lange Zeit immer dann,
wenn der Wind aus Richtung der alten Fabrik von Chocolat Villars wehte. Ein Augenschein in der alten und der neuen Schokolodenfabrik.
FLORIAN TRUMMER
Wer an die Villars-Schokoladenfabrik denkt, dem kommen sofort auch die PerrierSchokoladenköpfe in den
Sinn, das alte Fabrikgebäude
mit dem imposanten Backstein-Kamin oder der VillarsLaden, der seine Kundschaft
bereits seit zwölf Jahren mit frischem Kaffee und süsser Schokolade beglückt. Wer das Laden- und Cafélokal im alten
Fabrikgebäude betritt, fühlt
sich, als ob das vergangene
Jahrhundert erst noch bevorstehen würde. In der Zeit zurückversetzt, fragt man sich,
ob dieser Raum an der Giessereistrasse 2 dem Autor Roald
Dahl vielleicht als Inspiration
für seinen Roman «Charlie
und die Schokoladenfabrik»
gedient haben könnte.
Spuren der Vergangenheit
Schwarze Sofas, braune
Holzstühle und ein alter Heizungskasten stechen dem Besucher als Erstes ins Auge. Das
dezente Rauschen im Hintergrund und das authentische
Klappern der Kassen sorgen
für Wohlfühlatmosphäre. Morgens trinken hier viele Studenten eine warme Schokolade,
und nachmittags tummeln sich
hier junge Mütter, verliebte
Paare oder neugierige Touristen an den Tischen oder stöbern zwischen den Regalen.
Störende Gäste kreuzten
hingegen nur sehr selten auf,
verrät die freundliche Verkäuferin. Während die Sonne
durch die Fenster auf den Parkettboden scheint, können die
in Glasvitrinen ausgestellten
Gegenstände betrachtet werden: eine alte Waage mit den
dazugehörigen Gewichten etwa. Oder uralte Feuerwehr-
Zur Prämierung
Drei Gewinner aus
über 100 Artikeln
Mehr als 100 journalistische
Artikel haben die Teilnehmer
an der ersten Ausgabe von
«Zeitung im Gymnasium» im
vergangenen Schuljahr verfasst. Dabei bewiesen die Autorinnen und Autoren viel
journalistisches Flair: In Berichten, Interviews, Reportagen und Kommentaren befassten sie sich mit ihrem
Umfeld und interessierten
sich dabei für politische, wirtschaftliche und kulturelle
Themenkreise. Einige der Autorinnen und Autoren haben
hinsichtlich Themenfindung,
sprachlicher Qualität und
journalistischer Methode ein
dermassen hochwertiges Resultat erzielt, dass sie an der
gestrigen «ZiG»-Schlussfeier
von den Freiburger Nachrichten für ihre Arbeiten ausgezeichnet wurden.
1. Platz: Corentin Frey, Dario
Broch, Silvan Manser und
Nadia Suter, «Der technische Fortschritt reicht nicht
aus» (FN vom 25. Juni).
2. Platz: Deniz Demir, Joel
Holmann und Owen Rohrbach, «Viele Unternehmen
schwören darauf» (FN vom
29. Juni).
3. Platz: Florian Trummer,
«Kaffeeklatsch zwischen
Schokoköpfen» (FN vom
22. Juni). mz
....
Originell: An der Giessereistrasse 2 betreibt Chocolat Villars Fabrikladen, Museum und Café in einem.
schläuche. Die alten Sicherheitsschuhe eines Fabrikarbeiters erzählen genauso Geschichten aus der Vergangenheit wie sieben Lampen des
Militärs, die einst Schiffen den
Weg wiesen und nun hier bestaunt werden dürfen. Im Laden steht auch eine alte Mühle, mit der heute noch immer
Kakaobohnen gemahlen werden können, wenn sie nicht
gerade restauriert wird. Die
Mühle ist umzingelt von hand-
gefertigten Schokoladehasen,
die Osterstimmung verbreiten.
Auch die an die Wand angelehnten Weidenkörbe passen
zum Bild eines mit viel Liebe
zum Detail zusammengetragenen Sammelsuriums.
Der zauberhafte Ort ist Teil
eines Planes des im Herbst 2013
zurückgetretenen Chocolat-Villars-Direktors Alexandre Sacerdoti. In einem Interview mit
RTS erklärte Sacerdoti 2012,
dass es fu
̈r Chocolat Villars, die
ihre Schokolade noch immer
traditionell und im kleinen
Rahmen herstellen würde,
nicht möglich sei, mit den Billigpreisen der Konkurrenz mitzuhalten. Also spielt Chocolat
Villars die Traditionskarte und
setzt auf ihre Einzigartigkeit. Es
wird bewusst auf Qualität statt
Quantität gesetzt. Das schlägt
sich auf die Preise nieder.
Wer sich eine warme Schoggi leistet und von der angenehmen Atmosphäre nicht zu be-
Bild Florian Trummer
tört ist, dem drängt sich vielleicht die Frage auf, wo die Villars-Produkte alle hergestellt
werden. Die Fabrik befindet
sich nämlich nicht mehr im
selben Gebäude wie der Laden: Seit Sommer 2013 produziert Chocolat Villars an der
Giessereistrasse 18.
Bitterer Beigeschmack
Stattet man der neuen Fabrik nach der Einkehr im idyllischen Café einen Besuch ab,
so fallen einem sofort die
Gegensätze auf. Während das
altehrwürdige
Backsteingebäude an ein vergangenes
Zeitalter erinnert, ist die neue
Fabrik zweifellos im 21. Jahrhundert angekommen. Direkt
neben der verkehrsreichen
Beaumontkreuzung gelegen,
kommt sie in Form eines modernen Industriegebäudes daher. Auf der Rückseite erstreckt sich das viel befahrene
Bahngleis Richtung Lausanne.
Was geblieben ist: der süsse
Schokoladengeruch.
Ein Grossteil der in der
Schweiz verarbeiteten Kakaobohnen stammt von Plantagen
in der Elfenbeinküste. Kinderarbeit ist in diesem Zusammenhang immer wieder ein
Thema. Wer sich über die Herkunft der von Chocolat Villars
verwendeten Kakaobohnen
informieren will, wird von der
Informationsstelle mit der Begründung des Zeitmangels abgewiesen. Auch um zwei bis
drei Fragen per Mail zu beantworten, fehlt die Zeit. So bleibt
als einzige verlässliche Quelle
zu diesem Thema ein Bericht
der Erklärung von Bern (EvB).
Der gemeinnu
̈tzige Verein
setzt sich seit über 40 Jahren
für gerechtere Beziehungen
zwischen der Schweiz und den
von der Globalisierung benachteiligten Länder ein. Die
EvB beurteilt die Bekämpfung
von Kinderarbeit und Armut
auf den Kakaoplantagen der
Lieferanten von Chocolat Villars als nachlässig. Gerechterweise muss man anfügen, dass
grosse Hersteller im Bericht
des gemeinnützigen Vereins
nicht besser abschneiden.
Nichtsdestotrotz ist ein Besuch des charmanten kleinen
Ladens ein lohnenswertes und
aussergewöhnliches Erlebnis.
«Das sind beste Voraussetzungen, um junge
Menschen an die Zeitung heranzuführen»
Benedikt Weibel, ehemaliger Chef der SBB und heutiger Honorarprofessor an
der Uni Bern, ist von «Zeitung im Gymnasium» begeistert. Im Interview erklärt er wieso.
MIRO ZBINDEN
Von 1993 bis 2006 war Benedikt Weibel Vorsitzender der
Geschäftsleitung der SBB und
damit CEO eines der grössten
Arbeitgeberbetriebe des Landes. Als Delegierter des Bundesrates für die Fussball-Europameisterschaft 2008 in der
Schweiz und Österreich sowie
als Präsident und Mitglied von
zahlreichen Verwaltungs- und
Stiftungsräten erhielt Benedikt
Weibel tiefen Einblick in die
Schweizer
Wirtschaftswelt.
Heute ist der 69-Jährige als
Publizist und Honorarprofessor für «Praktisches Management» an der Universität Bern
tätig und erklärt im Interview
mit den FN, weshalb ihn das
Pionierprojekt «Zeitung im
Gymnasium» anspricht.
Benedikt Weibel, welche Rolle spielen Tageszeitungen in
Ihrem Leben?
Zum Frühstück lese ich den
«Bund» und später am Tag die
«NZZ». Dazu kommen Magazine wie der «Spiegel» und
zwei Sonntagszeitungen. Ich
bin ein neugieriger Mensch,
will umfassend orientiert sein
und suche immer nach Input
für meine Vorlesungen und
Kolumnen. Ich bin immer
noch geprägt von meiner Studentenzeit. Da hätte man keine Prüfung bestanden, wenn
man nicht täglich die NZZ gelesen hätte.
nicht mehr, wie man eine Zeitung liest.
Wie sind Sie auf das medienpädagogische Projekt «Zeitung im Gymnasium» aufmerksam geworden?
An einem Morgen früh im
Regionaljournal von «SRF 1».
Da wurde über das Projekt berichtet und darüber, dass die
Schülerinnen und Schüler
ihren Freiburger Bundesrat
Alain Berset im Bundeshaus in
Bern besuchen. Der Ansatz der
Freiburger Nachrichten hat
mich überzeugt.
Können Sie sich daran erinnern, wann Sie mit der Lektüre von Tageszeitungen begonnen haben?
Schon sehr früh. Mein Vater
hat bei einem Verlagsunternehmen gearbeitet, welches
die «Solothurner Zeitung» herausgegeben hat. Ich habe dort
in meiner Jugend verschiedene Volontariate absolviert.
Wirtschaftskenner Benedikt Weibel ist von «ZiG» begeistert.
Als Universitätsprofessor für
«Praktisches Management»
an der Universität Bern treten Sie regelmässig mit jungen Menschen in Kontakt.
Welche Rückmeldungen erhalten Sie von ihnen? Lesen
Jugendliche heute überhaupt
noch Tageszeitungen oder
stellen Sie eher das Gegenteil
davon fest?
Bei meiner letzten Umfrage
unter etwa 50 Masterstudentinnen und -studenten hat ein
einziger Student auf meine
Frage, wer eine Tageszeitung
liest, seine Hand erhoben.
Bild zvg
Haben Sie denn eine Vermutung, warum das so ist?
Die jungen Menschen wachsen mit «snackable content»
auf: Emojis und Bilder ersetzen zunehmend Wörter und
Texte. Ausserdem lernen junge
Menschen heute offensichtlich
In einer Ihrer Kolumnen für
das Magazin «persönlich»,
welches sich an die Kommunikationswirtschaft richtet,
raten Sie dem Verband
Schweizer Medien sogar dazu, das Projekt flächendeckend auszulegen. Welche
Qualitäten sprechen Sie «Zeitung im Gymnasium» zu?
Das Projekt verbindet die
Themen Lesen, Nachrichten
und Schreiben miteinander.
Das sind die besten Voraussetzungen, um einen interessanten Unterricht zu gestalten
und die jungen Menschen so
an das Medium Zeitung heranzuführen.