(Full Article)

Züchtungskunde, 85, (5) S. 354–366, 2013, ISSN 0044-5401
© Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart
Original Article
Analyse fruchtbarkeitsassoziierter Spermaqualitätsparameter
bei Hannoveraner Warmbluthengsten
Diana Labitzke1, H. Sieme2, Gunilla Martinsson3 und O. Distl1
Zusammenfassung
Für in der künstlichen Besamung eingesetzte Hengste ist eine konstant hohe Spermaqualität von herausragender Bedeutung. Ziel dieser Studie ist es, für 30 Hengste des Niedersächsischen Landgestütes Celle Spermaqualitätsparameter anhand der täglichen Aufzeichnungen auf den Deckstationen auszuwerten und insbesondere deren Variation innerhalb
und zwischen Hengsten zu quantifizieren. Die Varianzkomponente zwischen Hengsten
war mit Ausnahme des Merkmals Libido für alle ausgewerteten Parameter signifikant.
Der relative Varianzanteil des zufälligen Effektes Hengst lag zwischen 50 und 91%. Die
Varianzkomponente Hengst innerhalb Jahr erreichte dagegen nur Anteile von drei bis
14% an der Gesamtvarianz. Die systematischen Effekte von Jahr, Jahreszeit und Station
waren für alle ausgewerteten Spermaqualitätsparameter signifikant. Aus den Analysen
der Spermaqualitätsparameter ergibt sich somit, dass die Spermaqualität vorwiegend
vom Hengst bestimmt wird und die Hengste in ihrer Spermaqualität ein konstantes Niveau
aufweisen.
Schlüsselwörter: Hengst, Künstliche Besamung, Spermaqualität, Fruchtbarkeit
Summary
Analysis of fertility-associated parameters for semen quality in Hanoverian
warmblood stallions
For stallions used in artificial insemination, a permanent high semen quality is required.
The objective of this study was to evaluate parameters for semen quality of 30 stallions
located at the Lower Saxony National State stud Celle. Daily records from the breeding
stations were used for the present study in order to quantify the variation within and
between the different stallions. The variance component among stallions had been significant for all parameters except libido. The relative proportion of variance of the random stallion effect ranged from 50 to 91%. The variance component among stallions
within breeding years only explained 3 to 14% of the total variance. The systematic effects of breeding year, season and breeding station showed significant differences for all
parameters of the analysis. We can conclude from the analysis of the semen quality param-
1
Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung, Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover,
Bünteweg 17p, 30559 Hannover, E-Mail: [email protected]
2 Reproduktionsmedizinische Einheit der Klinik für Pferde, Bünteweg 15, 30559 Hannover
3 Niedersächsisches Landgestüt Celle, Spörckenstraße 10, 29221 Celle
Spermaqualitätsparameter bei Hannoveraner Warmbluthengsten
355
eters that the semen quality is mainly determined by the stallion and that the stallions
show a constant level in their semen quality.
Keywords: Stallion, artificial insemination, sperm quality, fertility
1 Einleitung
Eine gleichbleibend hohe Spermaqualität ist für die wirtschaftliche Nutzung von Zuchthengsten in der künstlichen Besamung von hohem wirtschaftlichem und ökonomischem
Interesse. Einige Studien beschäftigten sich mit der Spermaqualität von Hengsten, jedoch
erstreckten sich die Untersuchungen nur über kurze Zeiträume, so dass die Variation der
Spermaparameter innerhalb Hengst nur unzureichend quantifiziert werden konnte. Die
Spermaqualität von Hengsten wird anhand quantitativer und qualitativer Spermaparameter beurteilt. Die quantitativen Parameter Volumen, Dichte und Gesamtspermienzahl
sowie die qualitativen Parameter Motilität und Vorwärtsbeweglichkeit werden in dieser
Arbeit auf ihre Variation, zwischen Hengsten innerhalb Jahr und innerhalb Hengst, über
den Zeitraum von fünf Jahren untersucht. Zusätzlich werden die Anzahl der Aufsprünge
bis zu einer erfolgreichen Ejakulation und der Grad der Libido der Hengste erfasst.
Hengste in der künstlichen Besamung sollten ein so gutes Spermienbildungsvermögen
haben, dass die Anforderungen an einen sehr fruchtbaren Hengst annähernd erreicht
werden. Um diese Anforderungen zu erfüllen, soll ein Hengst mindestens 600 Stuten pro
Saison erfolgreich belegen können (Sieme et al., 2005). Bei einer dieser Norm entsprechenden Spermaqualität müssten Hengste in der Decksaison Ejakulate mit je ca.15 × 109
Spermien bei einem maximalen Gesamtvolumen von 50 ml produzieren. Aus je einem
Ejakulat könnten dann pro Tag 16–36 Besamungsportionen mit je 600 Mio. Spermien
konfektioniert werden (Sieme et al., 2001). Die Spermaqualitätsparameter haben dementsprechend einen maßgeblichen Einfluss auf die Konfektionierung und damit die Anzahl der Besamungsdosen pro Ejakulat und Hengst. Die aus den Besamungen resultierende Fruchtbarkeit (Fertilität) eines Hengstes wird über die Trächtigkeitsrate nach Besamung im ersten Zyklus in der Saison oder die Trächtigkeitsrate über alle Zyklen der
Decksaison definiert. Vor diesem Hintergrund wurden Spermaparameter auf ihre Beziehung zur Fruchtbarkeit von Hengsten untersucht. So weist die Spermienmotilität nach
Vidament et al. (1999) eine signifikante Beziehung zu der Trächtigkeitsrate pro Zyklus
auf. Eine positive Korrelation zwischen der Spermienmotilität im frisch entnommenen
Ejakulat und der Fruchtbarkeit wurde von Samper et al. (1991), Andersson und Katila
(1992), Jasko et al. (1991), Zaabal und Ahmed (2010) beschrieben. Clement et al.
(1995) bezeichneten diesen Parameter als am aussagekräftigsten für die Fruchtbarkeit
eines Hengstes. Der Prozentsatz vorwärtsbeweglicher Spermien und morphologisch normaler Spermien sind die aussagekräftigsten Parameter der Spermabeurteilung hinsichtlich ihrer Beziehung zur Trächtigkeitsrate nach Besamung im ersten Zyklus und allen
Zyklen einer Decksaison (Love, 2011). Alle anderen Spermaparameter, ermittelt über ein
computergestütztes Sperma-Analyse System (CASA) erbrachten keine engeren Beziehungen zur Fruchtbarkeit der Hengste. Dowsett und Pattie (1982) fanden dagegen
keine Korrelation zwischen der Spermienmotilität und der Fruchtbarkeit von Hengsten.
Nach Voss et al. (1981) hat dieser Parameter keinen Einfluss auf die Fruchtbarkeit des
Hengstes. Die Merkmale Grad der Libido des Hengstes und Anzahl Aufsprünge bis zur
Ejakulation haben einen signifikanten Einfluss auf die qualitative und quantitative Zusammensetzung des Ejakulates. So war eine Erhöhung des Ejakulatvolumens bei einer
verringerten Spermienkonzentration und einer verringerten Anzahl vorwärtsbeweglicher Spermien im Ejakulat in einer Studie von Sieme et al. (2004) die Folge einer Er-
356
Diana Labitzke, H. Sieme, Gunilla Martinsson und O. Distl
höhung der Anzahl Aufsprünge und Verlängerung der Ejakulationslatenz. Eine tägliche,
kontinuierliche Samengewinnung wirkt sich positiv auf die Fruchtbarkeit von Hengsten
aus (Sieme et al., 2004). Qualitative Mängel des Spermas sind jedoch, wenn sie einen individuellen Schwellenwert überschreiten, nicht beliebig quantitativ kompensierbar (Waberski
et al., 1999; Amann und Hammerstedt, 2002). Ziel dieser Studie ist es, die Spermaprotokolle von 30 Hengsten des Niedersächsischen Landgestütes Celle auf systematische
Effekte zu untersuchen und die Variation der Spermaqualitätsparameter innerhalb und
zwischen Hengsten über den Untersuchungszeitraum von fünf Jahren zu analysieren.
2 Material und Methoden
2.1 Material
In der vorliegenden Analyse wurden die Spermaprotokolle von 30 Hannoveraner Hengsten des Landgestütes Celle aus den Jahren 2005–2009 (Tab. 1) ausgewertet. Über den
gesamten Untersuchungszeitraum von fünf Jahren wurden 27 der insgesamt 30 Hengste
in der künstlichen Besamung eingesetzt. Zu Beginn der Untersuchung waren sie zwischen 4 und 26 Jahre alt. Die Decksaison eines jeden Jahres wurde in die drei Abschnitte
Vor-, Haupt- und Nachsaison unterteilt. Die Vorsaison (Saison 1) erstreckt sich jeweils
vom 1.2.–28.2., die Hauptsaison (Saison 2) vom 1.3.–30.6. und die Nachsaison (Saison
3) vom 1.7.–31.7. eines jeden Jahres. Ca. 81% der Absamungen fanden in der Hauptsaison statt (Tab. 2). Die Daten enthielten für jeden Hengst die Anzahl Aufsprünge bis zu
einer erfolgreichen Ejakulation, den Grad der Libido sowie Angaben zu dem Volumen
Tab. 1. Anzahl der eingesetzten Hengste in den Jahren 2005–2009 und Anzahl Absamungen pro
Jahr
Number of the stallions in the breeding seasons 2005–2009 and the number of semen collections per year
Jahr
Anzahl Hengste
Anzahl Absamungen
2005
2006
2007
2008
2009
30
29
28
28
27
3675
3342
3005
2804
2323
Tab. 2. Anzahl der Absamungen pro Saison und saisonaler Anteil der Absamungen in %
Number of semen collections per season and their seasonal proportions in percent
Saison
1
2
3
Anzahl Absamungen (n)
Anteil Absamungen pro Saison in %
951
11805
1816
6,53
81,01
12,46
Spermaqualitätsparameter bei Hannoveraner Warmbluthengsten
357
und der Dichte, der errechneten Gesamtspermienzahl und der prozentualen Anteile der
vorwärts-, orts- und unbeweglichen Spermien im Ejakulat. Die Spermaprotokolle wurden auf zwölf verschiedenen Hengststationen in Niedersachsen erfasst. Die Anzahl der
Absamungen je Station und der prozentuale Anteil der Absamungen je Station variierten
von 54 (0,4%) bis zu 3.083 (20,4%). Ca. 53% der Absamungen erfolgten auf drei der
zwölf Stationen (Tab. 3). Der für die Auswertung erstellte Datensatz umfasste 15.149
Spermaprotokolle. Ein Spermaprotokoll entspricht hierbei einer Absamung pro Tag. Pro
Hengst und Jahr standen im Mittel 86–119 Samenprotokolle zur Verfügung. Datensätze
mit unklarer Zuordnung zu einem Hengst oder Absamdatum und nicht plausiblen Angaben zur Dichte, Gesamtspermienzahl oder Vorwärtsbeweglichkeit wurden entfernt,
sodass nach der Plausibilitätsprüfung ein Datensatz mit 15.149 Protokollen zur Auswertung zur Verfügung stand. In der Tabelle 4 werden die Rohmittelwerte der Merkmale
Libido, Aufsprünge, Volumen, Dichte, Gesamtspermienzahl, Vorwärtsmotilität, unbewegliche Spermien und Anzahl vorwärtsbeweglicher Spermien dargestellt. Da bei vereinzelten Absamungen trotz erfolgreichem Aufsprung kein Ejakulat gewonnen werden
konnte, ist der Minimalwert für die Gesamtspermienzahl Null. Bei einem Ejakulat mit
ausschließlich orts- und unbeweglichen Spermien ist der Minimalwert für die Vorwärtsbeweglichkeit ebenfalls Null.
2.2 Methoden
In der vorliegenden Arbeit wurden mittels gemischten linearen Modellen die systematischen fixen Effekte Jahr, Jahreszeit und Station und die Kovariable Alter des Hengstes
(linear, quadratisch und kubisch) für die Merkmale Libido, Anzahl Aufsprünge, Volumen
und Dichte des Ejakulates, Gesamtspermienzahl, Vorwärtsbeweglichkeit, unbewegliche
Spermien und Anzahl vorwärtsbeweglicher Spermien untersucht. Die Libido des Hengstes berücksichtigt die Geschlechtslust und den Ablauf der Paarungsreflexkette und wurde
Tab. 3. Anzahl Absamungen je Station und prozentualer Anteil Absamungen je Station am Gesamtdatensatz
Number and percentage of semen collections per insemination centre
Station
A
B
C
D
E
F
G
H
I
J
K
L
Anzahl Absamungen
(n)
Anteil Absamungen pro
Station in %
2309
821
2651
808
95
3083
1158
1213
1346
54
785
826
15,24
7,42
17,5
5,33
0,63
20,35
7,64
8,01
8,89
0,36
5,18
5,45
358
Diana Labitzke, H. Sieme, Gunilla Martinsson und O. Distl
Tab. 4. Mittelwerte, Standardabweichungen, Minima (Min) und Maxima (Max) für Libido, Anzahl
Aufsprünge und Spermaqualitätsparameter
Means, standard deviations, minima (Min) and maxima (Max) of libido, number of mounts and
sperm quality parameters
Merkmal
Libido (Grad)
Aufsprünge (n)
Volumen (ml)
Dichte (x106/ml)
Gesamtspermienzahl (x109)
Vorwärtsmotilität (%)
Unbewegliche Spermien (%)
Anzahl vorwärtsbeweglicher
Spermien (x109)
x
s
Min
Max
1,09
1,34
44,25
206,85
8,18
64,4
18,69
6,66
0,35
0,69
21,92
88,68
3,57
13,21
10,03
3,03
1
1
2
0
0
0
0
0
4
15
290
591
42,13
95
100
33,70
auf einer Skala von 1 bis 3 bestimmt. Die Reaktionszeit von der Kontaktaufnahme mit der
Stute bis zum Aufsprungversuch durch den Hengst ist das Maß für die Libido sexualis
und beträgt bei der Mehrzahl der gesunden Hengste 1–3 Minuten. Die Libido ist dann mit
gut bis sehr gut zu bewerten und entspricht den Graden 1 und 2. Als physiologisch gilt
eine Zeitspanne von maximal 10 Minuten (Grad 3). Bei der Auswertung der Libido wurde nur zwischen Grad 1 und den beiden weiteren Graden unterschieden, da bei 92,6% der
Spermaprotokolle die Libido mit Grad 1 bewertet wurde. Das Merkmal Anzahl der Aufsprünge wurde in die Merkmalsklassen 1–4 unterteilt, wobei in den Klassen 1–3 die
Anzahl der nötigen Aufsprünge bis zu einer erfolgreichen Ejakulation eine Klasse definierte und in Klasse 4 alle Absamungen mit mehr als drei benötigten Aufsprüngen zusammengefasst wurden. Die Effekte Hengst und Hengst innerhalb Decksaison wurden als zufällige Effekte behandelt.
Die Auswertung der Merkmale erfolgte mit dem nachfolgenden linearen gemischten
Modell:
Modell 1:
Yijklmn
μ
SAISi
JAHRj
STATk
Alt, Alt2, Alt3
b1,b2, b3
hengstm
hengst (jahr)mj
eijklmn
= μ + SAISi + JAHRj + STATk + b1 (Alt) l + b2 (Alt)2 l + b3 (Alt)3 l
+ hengstm + hengst (jahr)mj + eijklmn
= Modellkonstante
= fixer Effekt der Decksaison (i = 1–3)
= fixer Effekt des Jahres (j = 1–5)
= fixer Effekt der Station (k = 1–12)
= Alter bei der Absamung in Jahren linear, quadratisch, kubisch
= linearer, quadratischer und kubischer Regressionskoeffizient
= zufälliger Effekt des Hengstes (m = 1–30)
= zufälliger Effekt des Hengstes innerhalb Jahr (m = 1–30)
= zufälliger Restfehler
Die Auswertung der Daten erfolgte unter Verwendung der Prozedur MIXED von SAS,
Version 9.3 (Statistical Analysis System Institute, Cary, NC, USA, 2012). Für die Residuen
der Auswertungsmerkmale nach dem oben dargestellten Modell wurden die Korrelatio-
Spermaqualitätsparameter bei Hannoveraner Warmbluthengsten
359
nen mit der SAS-Prozedur CORR berechnet. Die Ergebnisse der statistischen Tests waren
bei einer berechneten Irrtumswahrscheinlichkeit kleiner 5% (p < 0,05) signifikant. Die
Varianzkomponente wurde mittels Wald-Test auf Signifikanz getestet.
3 Ergebnisse
In der Varianzanalyse waren die Effekte Jahr, Jahreszeit und Station für alle ausgewerteten Spermaqualitätsparameter und die Merkmale Libido und Aufsprünge signifikant
(Tab. 5). Die Kovariable Alter bei der Absamung war nur für einige Merkmale signifikant.
Dieser Effekt hatte keinen Einfluss auf die Gesamtspermienzahl. Auf die Vorwärtsbeweglichkeit hatte das Alter nur als quadrierte Kovariable einen signifikanten Einfluss. Auf
den Prozentsatz der unbeweglichen Spermien und die Anzahl vorwärtsbeweglicher
Spermien hatte das Alter als lineare Kovariable einen signifikanten Einfluss. Die Dichte
wurde überwiegend durch die Variationsursache Jahreszeit beeinflusst. Die Effekte von
Jahr und Alter als lineare Kovariable hatten ebenfalls einen großen Einfluss auf das Merkmal Dichte. Die größte Variationsursache für die Gesamtspermienzahl und die Vorwärtsbeweglichkeit waren die Jahreszeit, danach folgten erst mit untergeordneter Bedeutung
die Station und das Jahr. Die größte Variation in dem Merkmal unbewegliche Spermien
wurde durch das Jahr und die Jahreszeit verursacht. Für diese Effekte werden nachfolgend die LSM (Least-Square-Mittelwerte) und deren Standardfehler dargestellt (Tab. 6
und 7). Die Anzahl vorwärtsbeweglicher Spermien wurde überwiegend durch die Variationsursache Jahreszeit beeinflusst. In der Hauptsaison war die Vorwärtsmotilität am
höchsten, die Anzahl der Aufsprünge, der Prozentsatz unbeweglicher Spermien und die
Gesamtspermienzahl waren am geringsten. Allgemein ergaben sich für die Merkmale
Prozentsatz unbeweglicher Spermien und Vorwärtsbeweglichkeit geringere saisonale
Schwankungen als für die Merkmale Libido, Anzahl Aufsprünge, Volumen, Dichte, Anzahl
vorwärtsbeweglicher Spermien und Gesamtspermienzahl. Die Vorwärtsmotilität war in
Tab. 5. Ergebnisse der Varianzanalyse mit den Irrtumswahrscheinlichkeiten für Libido, Anzahl Aufsprünge und Spermaqualitätsparameter
Results of the analysis of variance with the error probabilities for libido, number of mounts and
the sperm quality parameters analysed
Merkmal
Jahr
Libido (Grad)
Anzahl Aufsprünge (n)
Ejakulatvolumen (ml)
Dichte im Ejakulat (x106/ml)
Gesamtspermienzahl (x109)
Vorwärtsmotilität (%)
Unbewegliche Spermien (%)
Anzahl vorwärtsbeweglicher
Spermien (x109)
***
***
***
***
***
***
***
***
*: p < 0,05 **: p < 0,01 ***: p < 0,001
Variationsursachen
Jahreszeit Station
Alter
***
***
***
***
***
***
***
***
***
***
***
***
***
***
***
***
Alter²
Alter³
***
***
***
***
***
***
***
**
**
*
***
*
360
Diana Labitzke, H. Sieme, Gunilla Martinsson und O. Distl
Tab. 6. Least-Square Mittelwerte (LSM) und deren Standardfehler (SE) für Libido, Anzahl Aufsprünge
und Spermaqualitätsparameter nach Saisons
Least square means (LSM) and their standard errors (SE) of libido, number of mounts and sperm
quality parameters in dependence on season
Merkmal
Saison 1
LSM
SE
Libido (Grad)
Anzahl Aufsprünge
Ejakulatvolumen (ml)
Dichte im Ejakulat (106/ml)
Gesamtspermienzahl (x109)
Vorwärtsmotilität (%)
Unbewegliche Spermien (%)
Anzahl vorwärtsbeweglicher
Spermien (x109)
1,16
1,36
40,83
256,12
9,52
58,74
22,94
7,42
0,01
0,02
0,61
2,24
0,10
0,41
0,30
0,19
Saison 2
LSM
SE
1,20
1,29
43,11
209,14
8,05
64,42
18,18
6,60
0,01
0,01
0,33
1,27
0,06
0,23
0,16
0,05
Saison 3
LSM
SE
1,16
1,44
46,92
220,63
9,49
61,57
19,23
7,66
0,01
0,02
0,55
2,02
0,09
0,37
0,27
0,08
Tab. 7. Least-Square Mittelwerte (LSM) und deren Standardfehler (SE) für Libido, Anzahl Aufsprünge
und Spermaqualitätsparameter nach Jahren
Least square means (LSM) and their standard errors (SE) of libido, number of mounts and the
sperm quality parameters by years
Merkmal
Libido (Grad)
Aufsprünge (n)
Volumen (ml)
Dichte
(x106/ml)
Gesamtspermienzahl (x109)
Vorwärtsmotilität (%)
Unbewegliche
Spermien (%)
Anzahl
vorwärtsbeweglicher
Spermien (x109)
2005
LSM
SE
1,17
1,43
51,77
178,60
0,01
0,03
0,79
2,55
2006
LSM
SE
1,19
1,39
49,10
201,54
0,01
0,02
0,50
1,85
2007
LSM
SE
1,15
1,30
43,19
230,02
0,01
0,02
0,50
1,71
2008
LSM
SE
1,16
1,31
39,41
258,63
0,01
0,03
0,65
2,39
2009
LSM
SE
1,20
1,39
34,73
274,31
0,02
0,04
0,91
3,34
8,71 0,12
9,10 0,81
9,13 0,81
9,23 0,11
8,96 0,16
70,23 0,46
68,77 0,34
63,98 0,31
54,13 0,43
50,99 0,61
15,38 0,34
15,93 0,25
18,41 0,23
25,91 0,32
24,94 0,45
7,49 0,10
7,70 0,74
7,56 0,07
6,94 0,15
6,78 0,13
den Jahren 2006 und 2007 am höchsten und nahm vor allem in den Jahren 2008 und
2009 deutlich ab. Die Anzahl Aufsprünge war für die Jahre 2005 und 2006 am höchsten.
Die Gesamtspermienzahl stieg von dem Jahr 2005 auf 2006 deutlich an, blieb in den
Spermaqualitätsparameter bei Hannoveraner Warmbluthengsten
361
Jahren 2006 bis 2008 auf einem annähernd gleichen Niveau und nahm in dem Jahr 2009
wieder deutlich ab. Volumen und die Anzahl vorwärtsbeweglicher Spermien nahmen im
Untersuchungszeitraum von 2005 bis 2009 kontinuierlich ab, der Anteil unbeweglicher
Spermien nahm dementsprechend zu.
Die Varianzkomponente zwischen Hengsten war für alle ausgewerteten Merkmale
signifikant (Tab. 8). Der Varianzanteil der Hengste an der Gesamtvarianz lag zwischen
11 und 85%. Für den Grad der Libido war die Varianz zwischen Hengsten am geringsten
und für die Dichte am höchsten. Bei den Merkmalen Volumen, Dichte, Gesamtspermienzahl, Vorwärtsmotilität und dem Prozentsatz der unbeweglichen Spermien machten die
Varianzanteile des Hengstes 49–85% aus. Die Erweiterung des Modells um den zufälligen Effekt Hengst innerhalb Jahr bestätigte den großen Einfluss der Hengste auf die
Spermaqualitätsparameter, während die Variation zwischen Hengsten innerhalb Jahr
mit Varianzanteilen von 3 bis 14% nur sehr gering war (Tab. 9). Die Varianzkomponente
zwischen Hengsten war mit Ausnahme der Libido für alle ausgewerteten Parameter signifikant. Die Abbildungen 1 und 2 zeigen die innerhalb Merkmal aufsteigend sortierten
Mixed-Model-Schätzwerte (MME) der Hengste für die Merkmale Anzahl Aufsprünge,
Gesamtspermienzahl und Anzahl vorwärtsbeweglicher Spermien. Für das Merkmal
Anzahl Aufsprünge bewegten sich die MME zwischen –0,60 und 1,02, woraus eine
Spannweite von 1,63 für die Anzahl Aufsprünge resultierte. Für das Merkmal Gesamtspermienzahl lag der niedrigste ermittelte Schätzwert bei –5,49 × 109 und der höchste
Wert bei 7,88 × 109 Spermien pro Ejakulat, woraus sich ein maximaler Unterschied zwischen den Hengsten von 13,36 × 109 Spermien pro Ejakulat ergab. Für das Merkmal
Anzahl vorwärtsbeweglicher Spermien lagen die MME zwischen –4,16 und 4,84 × 109
Spermien pro Ejakulat und damit ergab sich ein maximaler Unterschied zwischen den
Hengsten von 9,0 × 109.
Tab. 8. Varianzkomponenten zwischen Hengsten und Anteil der Varianz zwischen Hengsten an der
Gesamtvarianz für Libido, Anzahl Aufsprünge und Spermaqualitätsparameter
Influence of the random effect of the stallion with the variance components among stallions
and the ratio of the variance among stallions to the total variance for libido, number of mounts
and the sperm quality parameters
Merkmal
Libido (Grad)
Anzahl Aufsprünge
Ejakulatvolumen (ml)
Dichte im Ejakulat (x106/ml)
Gesamtspermienzahl (x109)
Vorwärtsmotilität (%)
Unbewegliche Spermien (%)
Anzahl vorwärtsbeweglicher Spermien (x109)
Varianzkomponenten zwischen den Hengsten (σ²H)
0,01
0,11
356,92
16950
9,50
200,80
77,19
4,79
σ²H/σ²G
0,11
0,22
0,61
0,85
0,58
0,70
0,57
0,49
362
Diana Labitzke, H. Sieme, Gunilla Martinsson und O. Distl
Tab. 9. Varianzkomponenten zwischen Hengsten und zwischen Hengsten innerhalb Jahr mit deren
relativen Varianzanteilen für Libido, Anzahl Aufsprünge und Spermaqualitätsparameter
Variance components among stallions and among stallions within seasons with their relative
proportion of the total variance for libido, number of mounts and the sperm quality parameters
Merkmal
Libido (Grad)
Anzahl Aufsprünge
Ejakulatvolumen (ml)
Dichte im Ejakulat (x106/ml)
Gesamtspermienzahl (x109)
Vorwärtsmotilität (%)
Unbewegliche Spermien (%)
Anzahl vorwärtsbeweglicher
Spermien (x109)
Varianzkomponente zwischen
den Hengsten
(σ²H)
Varianzkomponente zwischen
Hengst innerhalb Jahr (σ²HxJ)
σ²H/σ²G
σ²HxJ/σ²G
0,003
0,138
383,10
40700
11,37
208,63
102,34
5,56
0,02
0,041
38,52
1245
1,53
46,95
15,05
1,27
0,03
0,26
0,61
0,91
0,59
0,64
0,62
0,50
0,19
0,08
0,06
0,03
0,08
0,14
0,09
0,11
Abb. 1. Mixed-Model-Schätzwerte der 30 Hengste für das Merkmal Anzahl Aufsprünge
Mixed model estimates of the 30 stallions for the trait number of mounts
4 Diskussion
Die Analyse von fruchtbarkeitsbestimmenden Spermaparametern und die daraus resultierende Einschätzung der Fruchtbarkeit von Deckhengsten gewinnt in der Pferdezucht
mit der künstlichen Besamung immer mehr an Bedeutung. Limitiert wird die Zuverlässigkeit dieser Einschätzungen jedoch nicht nur durch die unterschiedlichen Ansätze im
Spermaqualitätsparameter bei Hannoveraner Warmbluthengsten
363
Abb. 2. Mixed-Model-Schätzwerte der 30 Hengste für die Merkmale Gesamtspermienzahl (x109)
und Anzahl vorwärtsbeweglicher Spermien (x109 Spermien pro Ejakulat)
Mixed model estimates for the traits total number of sperms (x109 sperms per ejaculate) and
number of motile sperms (x109 sperms per ejaculate)
Versuchsaufbau und durch die z.T. unterschiedlichen Fertilitätsparameter, sondern ebenfalls durch die Variation zwischen den einzelnen Individuen und dem daraus entstehenden Bedarf an einer großen Datenmenge pro Hengst. Andere Studien hatten sich bereits
mit der Spermaqualität von Hengsten beschäftigt, jedoch wurden bisher die Varianzkomponenten innerhalb und zwischen Hengsten auf Grund zu geringer Datenmengen nicht
ausreichend quantifiziert (Love, 2011). Darüber hinaus gibt es nach wie vor keine allgemeingültige Definition für die Fruchtbarkeit von Hengsten, denn diese wird in verschiedenen Studien anhand der Trächtigkeitsrate pro Zyklus, der Trächtigkeitsergebnisse am
Saisonende und anhand der Abfohlrate im Folgejahr oder der Non-Return Rate gemessen. Diese höchst unterschiedlichen und retrospektiven Orientierungspunkte zur Fruchtbarkeitsleistung eines Hengstes führen zu nicht vergleichbaren Ergebnissen. In der eigenen Arbeit wurde vermieden, Hengste mit bereits bekannter Subfertilität in die Studie
einzubeziehen, um Unterschiede in der Variation von Spermaqualitätsparametern bei
routinemäßig in der künstlichen Besamung eingesetzten Hengsten darzustellen. Um eine
Aussage zu hengstspezifischen Merkmalsausprägungen treffen zu können, müssen systematische Einflussfaktoren in der Analyse berücksichtigt werden. Die Faktoren Jahr, Jahreszeit, Station und Alter des Hengstes wurden daher zusammen mit dem zufälligen Hengsteffekt auf ihre Signifikanz untersucht. Darüber hinaus wurde das Modell um den zufälligen Effekt Hengst innerhalb Jahr erweitert. Der Einfluss des zufälligen Effektes Hengst
stellte sich deutlich dar, während die Variation zwischen den Hengsten innerhalb Jahr
nur 3–19% ausmachte. Dieses Ergebnis weist auf eine relativ konstant bleibende interindividuelle Variation zwischen den Hengsten hin und zeigt die relativ deutliche Konstanz
der Ausprägung von Spermaparametern für den einzelnen Hengst für den Zeitraum von
fünf Jahren. Das Spermienproduktionsvermögen des individuellen Hengstes ist nach Bader
(1995) abhängig vom Entwicklungs- und Funktionszustand der Hoden und es besteht eine
eindeutig positive Korrelation zwischen der Hodengröße und dem Spermienbildungsvermögen des Hengstes. Da in dieser Studie Hengste untersucht wurden, die in der
künstlichen Besamung eingesetzt wurden und somit den international geltenden Mindestanforderungen entsprechen müssen, wurden ein reguläres Spermienbildungsvermö-
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Diana Labitzke, H. Sieme, Gunilla Martinsson und O. Distl
gen und ein altersadäquater Funktionszustand des Hodens erwartet. Nicht nur die Größe
und der Funktionszustand des Hodens, sondern ebenfalls die Produktion von Stresshormonen und damit der Einfluss von äußeren Konditionen, wie der Umgang mit dem
Hengst, die Haltungsbedingungen auf den Stationen und die Ernährung haben einen
Einfluss auf die Spermienbildung und die Fertilität des Hengstes (Pickett et al., 1976;
Roser, 2001). In der vorliegenden Studie waren die untersuchten Effekte Jahreszeit,
Jahr und Station zwar für alle ausgewerteten Parameter signifikant, die größte Variation
der Spermaparameter ging jedoch vom Effekt Hengst aus und relativiert somit die
Bedeutung äußerer Einflussfaktoren auf die Fruchtbarkeit eines Hengstes. Nach Roser
(2001) hat das Alter einen bedeutenden Einfluss auf die Spermienproduktion, da diese
durch altersbedingte physiologische Prozesse in Form des herabgesetzten Hormonspiegels für Testosteron absinkt und Einfluss auf die Fertilität nimmt. Allgemeine Alterungsprozesse, wie arthrotische Veränderungen des Bewegungsapparates und einhergehende
Schmerzen sowie nachlassende Libido und Veränderungen des Hodengewebes können
darüber hinaus Einfluss auf die Fertilität nehmen. In dieser Studie konnte jedoch nur für
einzelne Parameter ein signifikanter Einfluss des Effekts Alter des Hengstes gefunden
werden. Da ein Großteil der in dieser Studie untersuchten Hengste im mittleren Alter
war, ist eine Erklärung für den nicht durchweg signifikanten Einfluss des Alters in der
untersuchten Hengstpopulation zu suchen. Der Einfluss der Jahreszeit auf die Fruchtbarkeitskriterien beim Hengst ging aus den Ergebnissen dieser Arbeit deutlich hervor. In der
Hauptsaison ist der Prozentsatz der vorwärtsbeweglichen Spermien am höchsten. Dieses
Ergebnis stimmt mit den Beobachtungen von Magistrini et al. (1987) überein, in deren
Untersuchung die Werte für die Vorwärtsbeweglichkeit im Sommer signifikant höher
waren als im Winter. Jasko et al. (1992a, b) hingegen konnten nur eine Tendenz zu
geringeren Prozentsätzen der Vorwärtsbeweglichkeit in den Wintermonaten beobachten. Die benötigte Anzahl der Aufsprünge bis zur erfolgreichen Absamung des Hengstes
war in der Hauptsaison am geringsten. Die Gesamtspermienzahl war in der eigenen
Untersuchung ebenfalls in der Hauptsaison am geringsten. Diese Beobachtung ist gegensätzlich zu den Ergebnissen von Pickett et al. (1976) und Jasko et al. (1991), welche die
höchste Vorwärtsbeweglichkeit im Juli bzw. August und die niedrigsten im Januar bzw.
Dezember beobachteten. Magistrini et al. (1987) konnten hingegen kein deutliches saisonales Muster der Gesamtspermienzahl feststellen. Pickett et al. (1976) und Magistrini
et al. (1987) beobachteten, dass sich das gelfreie Volumen umgekehrt zur Dichte verhielt
und im Sommer signifikant höher war als im Winter. Magistrini et al. (1987) beobachteten höchste Volumenwerte im Frühling, während Pickett et al. (1976) und Jasko et al.
(1991) höchste Werte im Juli bzw. März und tiefste im August bzw. Dezember beobachteten. Der signifikante Einfluss der Jahreszeit auf die in der vorliegenden Arbeit untersuchten Merkmale stimmt mit den Ergebnissen von Bruns und Meinardus (1983) überein. In der letztgenannten Studie wurde eine signifikante Variation innerhalb Hengst
zwischen Jahren festgestellt. Diese war jedoch im Vergleich zu der Variation zwischen
Hengsten relativ gering. In keiner der bisher durchgeführten Studien wurde die Variation
von Spermaparametern der Hengste im zeitlichen Trend über fünf Jahre untersucht. Die
hier vorliegenden Ergebnisse stellen die Relevanz des untersuchten Effektes Hengst sehr
deutlich an die Spitze der Variationsursachen mit Einfluss auf die Spermaqualität.
5 Schlussfolgerung
Der Einfluss des individuellen Hengstes kristallisierte sich als der dominierende Effekt
auf die hier untersuchten Spermaqualitätsparameter heraus. Weder die Varianzkomponente zwischen Jahren innerhalb Hengst noch altersbedingte Einflüsse waren von grö-
Spermaqualitätsparameter bei Hannoveraner Warmbluthengsten
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ßerer Bedeutung. Unterschiede in der Spermaqualität zwischen Hengsten sind schon
frühzeitig zu erkennen und diese bleiben im Verlauf von nachfolgenden Decksaisons
relativ konstant bestehen. Bei der Erstellung der Hengstverteilungspläne sollten deshalb
die Spermaeigenschaften des individuellen Hengstes berücksichtigt werden, damit keine
Engpässe in der termingerechten Spermaproduktion entstehen.
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