Kann Leinsaat das Energieloch stopfen?

Fütterung
Kann Leinsaat das
Energieloch stopfen?
Fotos: dpa, Werkbild
Nach dem Kalben leiden Kühe unter Energiemangel. Ob extrudierte Leinsaat Abhilfe schafft,
haben Dr. Enrique Viturro und Christian Altenhofer von der TU München untersucht.
Leinsamen wird mit dem Mähdrescher geerntet. Nach der Extrusion (Trennen von
festen und flüssigen Teilen) entsteht das pelletförmige Zusatzfutter für Kühe.
D
as Verfüttern von extrudierter Leinsaat erleichtert Kühen den Start in die Laktation: Sie müssen weniger Körperfett mobi lisieren und geben trotzdem mehr Milch. Allerdings ist der Futterzusatzstoff relativ teuer. Zu diesem Ergebnis kommt ein Fütterungsversuch der Technischen Universität München (Weihenstephan) am Versuchsgut Hirschau.
Leinsaat im Versuch: Der positive Ein-
fl uss von meist gesättigten Fetten wie Palmfett in der Frühlaktation (mehr Milch, höhere Inhaltsstoffe, stabiler Stoffwechsel) wurde mehrfach wissenschaftlich bestätigt. Als Alternative dazu hat die Fa. Dumoulin aus Belgien ein rohfetthaltiges Futtermittel mit extrudierter Leinsaat entwickelt (Nutex 69 Sweet). Es hat ca. 20 % Eiweißgehalt und einen Fettan-
R 30
top agrar 6/2013
teil von 27 %. Das Futter ist auf Kühe in der Frühlaktation abgestimmt: Es soll ihnen einen zusätzlichen Energie-Schub geben und gleichzeitig die Fettsäure-Zusammensetzung der Milch verbessern.
Um zu prüfen, ob das gelingt, erhielten 26 Kühe für jeweils vier Wochen entweder eine Ration ohne Leinsaat (Kontrolle) oder mit 1,7 kg extrudierter Leinsaat pro Kuh und Tag (Versuch). Damit beide Rationen auf einem möglichst gleichen Leistungsniveau lagen, wurde in der Kontrollration 2,3 kg Weizenschrot ergänzt. Dennoch steckten in der Versuchsration 0,37 MJ NEL/kg TM mehr Energie (Übersicht 1). Die Rationen wurden einmal täglich in Wiegetröge gefüllt, um die individuelle Futteraufnahme pro Kuh erfassen zu können. Zusätzlich wurde ein einheitliches Leistungsfutter über Automaten zugefüttert.
Zweimal wöchentlich wurden Milchproben (Fett und Eiweiß) gezogen. Außerdem wurde das Fettsäuremuster der Milch bestimmt und so der Gehalt an gesättigten (SFA) und ungesättigten Fettsäuren (MUFA bzw. PUFA) ermittelt. Auf diese Zusammensetzung achten immer mehr Molkereien. Ebenso wurden am Anfang und am Ende einer Fütterungsperiode Blutproben von den Kühen gezogen, die auf nicht veresterte Fettsäuren (NEFA) und β-Hydroxybutyrate Übers. 1: Die Rationen
in kg TM
Kontrolle
Versuch
Grassilage
6,12
6,12
Maissilage 1
2,90
2,90
Maissilage 2
3,06
3,06
Stroh
0,26
0,26
Heu
0,86
0,86
Futtersalz
0,04
0,04
Sojaschrot
1,58
1,14
Weizenschrot
2,29
–
–
1,76
Futterkalk
0,07
0,06
Mineralfutter
0,10
0,10
Harnstoff
0,10
0,15
kg Trockenmasse
17,38
16,45
Leinsaat
MJ NEL/kg
6,62
6,99
Rohprotein, g/kg
159,92
160,85
nXP, g/kg
151,72
161,16
UDP %
21,10
16,50
Rohfett, g/kg
29,15
60,05
Rohfaser, g/kg
192,09
205,23
ADF, g/kg
217,03
234,83
NDF, g/kg
368,98
392,64
Stärke, g/kg
204,87
126,14
Zucker, g/kg
25,60
20,52
Trotz Weizenschrot hatte die Kontrollration einen geringeren Energiegehalt.
Übers. 2: Unterschiede
im Fettsäure-Muster
Übers. 3: Leinsaat
stabilisiert Stoffwechsel
Veränderung Tag 2 zu 26 in mmol/l
Veränderung Tag 2 zu 26 (mmol/l)
5,00
0,20
Kontrolle
Versuch
0
1,00
-1,00
-3,00
-5,00
SFA
MUFA
PUFA
SFA = gesättigte Fettsäuren
MUFA = einfach ungesättigte Fettsäuren
PUFA = mehrfach ungesättigte Fettsäuren
-0,20
Quelle: Dr. Viturro 2013
Quelle: Dr. Viturro 2013
Grafiken: Driemer
3,00
Kontrolle
Versuch
-0,40
-0,60
B-HBA
NEFA
B-HBA = ß-Hydroxybutyrate
NEFA = nichtveresterte Fettsäuren
Die Milch der Versuchskühe hatte ein
hochwertigeres Fettsäure-Muster.
Die Kühe der Versuchsration mussten
weniger Körperfett mobilisieren.
(BHBA) analysiert wurden. Das gibt Einblick in den Stoffwechsel der Tiere.
rollgruppe von 1 531 g auf 1 417 g ab. In
der Versuchsgruppe nahm sie von
1 390 g auf 1 504 g zu. Bei der Tagesmenge an produziertem Eiweiß wurde in
der Kontrollgruppe ein Rückgang von
1 363 g auf 1 301 g festgestellt, bei der
Versuchsgruppe ein Anstieg von 1 062 g
auf 1 135 g (signifikant).
• Fettsäure-Muster Milch: In der Kontrollgruppe stieg der Anteil an gesättigten
Fettsäuren (SFA) in der Milch an, bei der
Versuchsgruppe blieb er konstant. Damit
erreichten die Versuchskühe einen um
3,63 % höheren Anteil ungesättigter Fettsäuren. Auch der Anteil an mehrfach ungesättigten Fettsäuren (PUFA) fiel in der
Die wichtigsten Ergebnisse:
• Futteraufnahme: Der Leinsamen-Futterzusatz hatte in der Frühlaktation (Tag
0 bis 100) keinen Effekt auf die Futteraufnahme und das Tiergewicht.
• Milchleistung: Die energiekorrigierte
Milchmenge (ECM) blieb in der Kontrollgruppe mit 36,4 am Beginn und
36,7 l am Ende konstant. Die Versuchsgruppe (Leinsaat) steigerte sich um 2,7 l
von 34,3 auf 37,0 l (nicht signifikant).
• Fett- und Eiweißmenge: Die tägliche
Milchfettproduktion nahm in der Kont-
Versuchsgruppe deutlich höher aus. Vor
allem bei den Omega 3-Fettsäuren wurde eine hochsignifikante Erhöhung in
vier Wochen Leinsaat-Fütterung erreicht
(Übersicht 2). Damit hat die Milch der
Versuchskühe eine höhere Wertigkeit, da
Molkereien und Verbraucher weniger gesättigte und mehr ungesättigte und dabei
vor allem die konjugierten Linolsäuren
wie Omega 3-Fettsäuren fordern.
• Stoffwechsel: Im Blut der Kühe wurde
eine Reduktion von β-Hydroxybutyraten
(BHBA) und nicht veresterten Fettsäuren (NEFA) in den vier Fütterungswochen mit Leinsaat erreicht (Übersicht 3).
Das zeigt, dass die Versuchskühe einen
stabilieren Stoffwechsel hatten und weniger Körperfett mobilisieren mussten.
• Kosten: Die positiven Resultate werden durch den Preis der extrudierten
Leinsaat getrübt: Im Vergleich war die
Versuchsration 0,17 € pro Kuh und Tag
teurer als die Kontrollration.
Schnell gelesen
• Leinsaat erleichtert Kühen
den Start in die Laktation.
• Die Tiere haben einen stabileren Stoffwechsel und geben
mehr Milch, Fett und Eiweiß.
• Das Fettsäure-Muster der
Milch verbessert sich ebenfalls: Die Milch enthält
weniger gesättigte und mehr
ungesättigte Fettsäuren.
• Allerdings war die LeinsaatRation 0,17 €/Kuh/Tag teurer.
top agrar 6/2013
R 31