Sprache als sinnerzeugendes Medium oder wie Metaphorik als

Sprache als sinnerzeugendes Medium oder wie Metaphorik als spezifisches
sprachimmanentes Verfahren menschlicher Erkenntnisgenerierung erklärbar werden
könnte
Lange Zeit wurde innerhalb der Linguistik dem medialen wie dem performativen Aspekt der
Sprache lediglich ein peripherer Stellenwert zuerkannt (vgl. im Besonderen die sich auf den
„Cours de linguistique générale“ b e r u f e n d e strukturalistische und die durch NOAM
CHOMSKY geprägte kognitive Sprachwissenschaft). Im Grunde bedurfte es der
kulturwissenschaftlichen Debatte ab den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts, um die
sprachliche Performanz bzw. die Medialität der Sprache in einer angemessenen Art und
Weise (wieder) in den Fokus linguistischer Forschungen zu rücken. Ausschlaggebend dafür
wurde nicht zuletzt „ein(e) methodisch(e) Neuakzentuierung [...], durch welche Sprache als
»verkörperte Sprache« Gestalt gewinnen - [konnte, – K. S.] - ohne dabei ein magisches
Identifikationsmodell wiederbeleben zu müssen“ (Krämer 2002, 325)1. Denn Sprache wurde
in diesem neuen Modell gerade nicht mehr „jenseits des raum-zeitlich situierten Vollzugs
ihrer stimmlichen, schriftlichen oder gestischen Artikulation“ (ebd., 331), also nicht jenseits
vom Medialen, verortet. Vielmehr wurde sie „als der bipolar strukturierte Vollzug eines
Ereignisses und seiner Wahrnehmung, [...] [als – K.S.] ein >in Szene gesetztes< Geschehen
[...], welches Akteur- und Betrachterrollen einschließt“ (Krämer 2004, 14), konzipiert, also als
ein sich medial vollziehender, „verkörperter“ und wahrgenommener Prozess2.
Von daher fokussiert jene kulturwissenschaftliche Neuakzentuierung einen Aspekt von
Sprache, sprachlichen Zeichen und des Symbolischen überhaupt, der im wissenschaftlichen
Diskurs um das „Spiel der Bedeutungen“ verloren gegangen zu sein schien und der gerade
auch die Rolle des Medialen für die Konstituierung des Symbolischen und des Sprachlichen
hervorhebt. In der Konsequenz dieses neuen Konzeptes können nun „(a)uch die semantischen
Gehalte von Sprachzeichen […] ihrer Übermittlung durch Zeichenausdrücke nicht einfach
voraus-[gehen – K. S.] -, sondern sie werden im medialen Modus performativer Vollzüge
konstituiert.“ (Jäger 2005, 53) Mit anderen Worten: Sprache im Besonderen wie Medien im
Allgemeinen „distribuieren […] nicht nur die Inhalte der kulturellen Semantik, sondern sie
sind auch wesentlich an ihrer Hervorbringung beteiligt“ (ebd.); ja sie sind eine Bedingung der
symbolischen Sinnbildung selbst (vgl. Koch/Krämer 1997, 12). Insofern kann z. B. der Sinn
sprachlicher Zeichen lediglich innerhalb des Kommunikationssystems selbst beglaubigt
werden und nicht etwa anhand einer sprach- bzw. symboltranszendenten Realität oder
Mentalität, denn dazu müsste es - nach RICHARD RORTY - eben möglich sein, sich in eine
zeichen- bzw. medienneutrale Performanz einzulassen (vgl. 1987, 321).
Für die Beglaubigung des Sinns (nicht nur) sprachlicher Zeichen sind allerdings
notwendigerweise – so LUDWIG JÄGER – „symbolsystem-immanente Verfahren“ (2002,
29), genuine material-symbolische „Bezugnahmepraktiken“ (Jäger 2012, 13ff.), die „einer
Logik der Transkription“ (Jäger/Fehrmann/Adam 2012, 7) folgen, erforderlich. Das heißt,
dass die Kommunizierenden den Verwendungssinn ihrer (Sprach)-Äußerungen
gegebenenfalls „durch Paraphrase, Erläuterung und Explikation“ (Jäger 2002, 29), also über
erneute (sprachliche) Performanz, thematisieren und erschließen müssen. Dies wird immer
dann erforderlich, wenn die Semantisierbarkeit des (sprachlichen) Mediums nicht
gewährleistet erscheint - wie möglicherweise beim Gebrauch kreativer Metaphern. In diesem
Falle können die Interagierenden dann lediglich mittels Um-Schreibungen versuchen, den
1
Vgl. in Bezug auf das „magische Identifikationsmodell“ der Sprache die bereits erwähnten Theorieansätze der
traditionellen strukturalistischen und der kognitiven Sprachwissenschaft nach CHOMSKY.
2
Allerdings wird in diesem Zusammenhang in der Regel auf die Rolle der Schrift, nicht die der
Schriftbildlichkeit (Krämer 2000, 35), als Medium konkludiert und darüber hinaus lange Zeit kaum auf die Rolle
der Stimme.
noch unbekannten Zeichengebrauch an eine bekannte Semantik anzuschließen.3 Die in diesem
Zusammenhang entstehenden Transkripte stellen nun ihrerseits nicht einfache Abbilder zu
den die kommunikativ Handelnden desorientierenden „Prätext(en)“ dar (Jäger 2002, 30),
sondern sie sind bezüglich dieser Prätexte semantisch neu erschlossene „Skripte“ (ebd.). Das
heißt in Hinsicht auf das Verstehen von kreativen Metaphern, dass es mittels transkriptiver
Praktiken gelingt, dem bereits konventionalisierten Gebrauch von Zeichen neue
Verwendungsweisen hinzufügen, was mit semantischen Verschiebungen einhergeht und
letztlich neue, d. h. veränderte, semantische Netze entstehen lässt (vgl. „Wert“Verschiebungen eines Zeichens in seinem Symbolsystem).
Sinngenerierung erfordert danach notwendigerweise ein Zurückbiegen von Medien auf
Medien - entweder in intramedialer (als Selbstbezug ein und desselben Mediums) (vgl. Jäger
2002, 29) oder in intermedialer (als wechselseitige Bezugnahme verschiedener Medien
aufeinander) (vgl. ebd.) Art und Weise. So wäre Metaphorik als ein spezifisches intramediales
Verfahren (nicht nur bezüglich der Laut- oder Schriftsprache) zu begreifen, das zwar auf
bereits tradiertem Wissen einer Kommunikationsgemeinschaft aufliegen muss, aber nur über
Zeichengebrauch zur Sinn- bzw. Erkenntnisgenerierung führt. Insofern müsste z. B. von
einem intramedial-metaphorischen und gerade n i c h t von einem „rein“ kognitiven
Verfahren, dessen Ergebnisse sich quasi erst in einem zweiten, nachfolgenden Schritt in
einem Medium veräußerten (vgl. kognitive Metapherntheorie), ausgegangen werden.
Literatur:
Jäger, Ludwig: Transkriptivität. Zur medialen Logik der kulturellen Semantik. In: Jäger,L./Stanitzek, G. (Hrg.):
Transkribieren. Medien/Lektüre. München 2002, 19-41.
Jäger, Ludwig: Vom Eigensinn des Mediums Sprache. In: Busse, D,/Niehr, T./Wengeler M. (Hrg.): Brisante
Semantik. Tübingen 2005, 45-64.
Jäger, Ludwig: Bezugnahmepraktiken. Skizze zur operativen Logik der Mediensemantik. In: Jäger,
L./Fehrmann, G./Adam, M. (Hrg.): Medienbewegungen. Praktiken der Bezugnahme. München 2012, 13-41.
Jäger, L./Fehrmann, G./Adam, M.: Einleitung: Die Bewegung der Medien. In: Dies. (Hrg.): Medienbewegungen.
Praktiken der Bezugnahme. München 2012, 7-10.
Koch, P./Krämer,S.: Schrift, Medien, Kognition. Über die Exteriorität des Geistes. Tübingen 1997.
Krämer, Sybille: Über den Zusammenhang zwischen Medien, Sprache und Kulturtechniken. In: Kallmeyer, W.
(Hrg.): Sprache und neue Medien. Berlin/New York 2000, 31-56.
Krämer, Sybille: Sprache-Stimme-Schrift: Sieben Gedanken über Performativität als Medialität. In: Wirth, U.
(Hrg.): Performanz. Frankfurt a.M. 2002, 323-346.
Krämer, Sybille: Was haben Performativität und Medialität miteinander zu tun? Plädoyer für eine in der
Aisthetisierung gründende Konzeption des Performativen. In: Krämer, Sybille (Hrg.): Performativität und
Medialität. München 2004, 13-32.
Rorty, Richard: Der Spiegel der Natur: Eine Kritik der Philosophie. Frankfurt a.M. 1987.
Wygotzki, Lew Semjonowitsch: Die instrumentelle Methode in der Psychologie. In: Ders.: Ausgewählte
Schriften, Bd.1, hrsg. v. J. Lompscher, Berlin 1985, 309-313.
3
Vgl. dazu u. a. das didaktische Prinzip, beim Stellen von Lernaufgaben an das nächst höhere
Anforderungsniveau anzuknüpfen, um auf diese Art und Weise eine Weiterentwicklung entsprechender
Fähigkeiten der Lernenden zu befördern. Vgl. zur „Zone der nächsten Entwicklung“ z.B. auch L.S. WYGOTZKI
und die kulturhistorische Schule der sowjetischen Psychologie in den 20er und 30er Jahren des vorigen
Jahrhunderts.