Folder 2015

OBERÖSTERREICHISCHE
K U LT U R V E R M E R K E
wILL.HaBEn
GMUnDEn 15.–18.10.2015
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der OBERÖSTERREICHISCHEN KULTURVERMERKE!
Ich freue mich, Ihnen das Programm der
24. OBERÖSTERREICHISCHEN KULTURVERMERKE präsentieren zu dürfen.
Einmal mehr geht das Symposion daran,
die Zeichen der Zeit zu deuten. Die
prominent besetzten Veranstaltungen
widmen sich an vier Tagen dem Thema
WILL.HABEN.
Profitgier, Kapitalkonzentration und
Turbokapitalismus sowie deren Auswirkungen auf unsere Lebenswelt bilden
einen wichtigen Themenkreis des Programms; Lebensgier, Begehren, Konsumzwang und Sucht als menschliche Phänomene
bilden einen zweiten Schwerpunkt. Im Rahmen von Autorenlesungen, Referaten, Diskussionen, einem Liederabend, Kabarett und Filmen werden interessante Zugänge und spannende
Einblicke eröffnet. Nahezu alle Programmpunkte finden bei
freiem Eintritt statt.
Zu den vielseitigen und hochaktuellen Veranstaltungen der
OBERÖSTERREICHISCHEN KULTURVERMERKE 2015 lade ich Sie
herzlich ein und freue mich darauf, Sie bei unserem Symposion begrüßen zu dürfen!
Jutta Skokan
Gründerin und Kuratorin
Weitere KuratorInnen:
Franz Schuh, Lutz Ellrich, Brigitte Zierhut-Bösch,
Silvana Steinbacher
und Christian Steinbacher
WILL.HABEN
Es gibt eine soziologisch begründbare Aversion gegen das Psychologische: Die Psyche, besonders die jeweils eigene, ist nur ein kleiner Teil
des Weltgeschehens. So etwas wie die Eigenschaft der „Gier“ ist ein
persönliches Laster und keineswegs der Schlüssel zu den Krisen, die
derzeit die Gesellschaften erschüttern. Es sind Strukturen, systemische
Gewalten, die man verstehen muss, um diese Krisen zu durchschauen.
Dem braucht man nicht zu widersprechen. Man kann aber ein ergänzendes Verfahren vorschlagen, zumal ja offenkundig die persönliche
Eigenschaft der Gier nicht privat bleibt. Die Gierigen lassen sich haufenweise abbilden: in den Journalen des Luxus und der Moden – die Medienlandschaft ist voll mit den Selfies der Gierigen und mit Berichten
von ihren partiell kriminellen Abenteuern. Man kann vermuten, dass
sich eine Gesellschaft, die sich seit Jahrzehnten in die Lage gebracht
hat, hauptsächlich durch „Wachstum“ zu überleben, die Individuen
entsprechend zugerichtet hat.
Der „Konsumerismus“ (die Kompensation allen Leids durch Konsum)
tendiert zu keinem Weniger, sondern zu einem Immer-Mehr, auch weil
der Genuss des Konsumierten nicht anhält. Dagegen richten Predigten
und biedermeierliche Vorstellungen von Zufriedenheit nichts aus. Die
Menschen sind auf das System der Vermehrung eingeschworen. Wer
dagegen „ein Zeichen setzt“ und als triumphierender Asket durch die
Lande zieht, wird genauso vermarktet wie seine Gegner.
Nicht zu vermarkten sind „die Armen“, Menschen, die immer weniger haben (und die sich erst recht nach mehr sehnen). Die Gesellschaft
kann noch relativ gut die zwangsweise aus dem System Ausgestiegenen verbergen. Die Frage nach der sozialen Gerechtigkeit stellt sich wie
selbstverständlich, wenn der Reichtum sündhaft ist und die Armut nicht
beachtet wird.
Die OBERÖSTERREICHISCHEN KULTURVERMERKE versuchen mit ihrem
WILL.HABEN-Thema das Einrasten und Einklinken der persönlichen
Eigenschaft „Gier“ in die vorgegebenen sozialen Strukturen zu diskutieren. Es ist ein Wechselverhältnis: Die Verhältnisse begünstigen die
Gierigen; die Gierigen stützen Verhältnisse, die allerdings allmählich
außer Balance geraten sind.
(Franz Schuh)
5
Donnerstag, 15. Oktober
18:00
Stadttheater Gmunden
Grußworte
Prof. Jutta Skokan
Dr. Paul Stepanek, Vorsitzender
des Oberösterreichischen Landes­kultur­
beirates
Mag. Reinhold Kräter,
Landeskulturdirektor
Eröffnung
Mag. Stefan Krapf,
Bürgermeister der Stadt Gmunden
Eröffnungsreferat
Christian Felber
Gemeinwohl statt Gier, Geiz,
Geldgeilheit und Geierfonds
Stadttheater Gmunden
15:00
Renate Becker
Wir konsumieren uns zu Tode oder
Von der Sehnsucht nach dem Paradies
15:30
Knut Boeser
Haltet die Diebe...
16:00
Jörg Kraigher-Krainer
Güterdämmerung: Wirtschaften im
­Zwielicht der Profitgier
16:30
Franz Schuh
Glück und Gier
In der Pause
Treffpunkt Foyer
17:30
Paul Michael Zulehner
Angst ist die Wurzel der Gier. Was kann
uns davon befreien?
18:00
Gesprächsrunde
mit Renate Becker, Knut Boeser,
Jörg Kraigher-Krainer, Franz Schuh
und Paul Michael Zulehner
Moderation Peter Huemer
In der Pause
Treffpunkt Foyer
19:30
Mark Scheibe
Liederabend
Gier nach Liebe
Anschließend
Treffpunkt Foyer
Im Gespräch
Christian Felber mit Franz Schuh
In der Pause
Empfang des Bürgermeisters
Mag. Stefan Krapf
20:30
Autorenlesung
Ariadne von Schirach
Du sollst nicht funktionieren. Für eine
neue Lebenskunst.
Im Gespräch
Ariadne von Schirach mit Franz Schuh
Anschließend
6
Treffpunkt Foyer
Freitag, 16. Oktober
7
Samstag, 17. Oktober
Stadttheater Gmunden
11:00
René Freund
Ausgespielt! Eine Komödie der Habgier
11:30
12.00
Samstag, 17. Oktober
18:00 Werner Rügemer
Die Gier organisieren – Wer ist und was
macht die „transnational capitalist class“?
Franz Huber
Hab & Gier bei William Shakespeare,
Sarah Kane und anderen Tragödien
18:30
Gesprächsrunde
mit René Freund und Franz Huber
Moderation Peter Huemer
Gesprächsrunde mit Gustav Ernst,
Klaus Zeyringer, Gottfried Schweiger
und Werner Rügemer
Moderation Peter Huemer
In der Pause
Treffpunkt Foyer
20:00
Jazz Slam
CITY BOYS: Monolog eines Londoner
Börsenmaklers
Alfred Zellinger – Minimalistische Prosa
Franz Koglmann – Komposition,
Trompete, Flügelhorn
Anschließend
Empfang des OÖ Landeshauptmanns
Dr. Josef Pühringer
Anschließend
Treffpunkt Foyer
15:00 Filmreportage
Gier – Wirtschaftskrise mit System
(USA 2013, 47 Min.)
Regie Dennis Weckl
In Zusammenarbeit mit der Kulturinitiative 08/16
16:00
Gustav Ernst
Ich bin mehr! Ich will mehr!
16:30
Klaus Zeyringer
Das runde Leder und das große Geld.
Fußball. Eine Kulturgeschichte
17:00
Gottfried Schweiger
Der Einzelne im System von Armut und
Reichtum
In der Pause
Treffpunkt Foyer
8
Stadttheater Gmunden
9
Sonntag, 18. Oktober
9:00
Stadttheater Gmunden
Film Das große Fressen
Regie Marco Ferreri
(Frankreich, Italien 1973, 129 Min.)
Programm Info
Stadttheater Gmunden, Freitag, 16. Oktober
Jugend-Programm: Workshops mit Franz Schuh, Knut Boeser,
Renate Becker, René Freund, Lutz Ellrich und Franz Huber.
In Zusammenarbeit mit der Kulturinitiative 08/16
11:30
Anton Thuswaldner
Will sein. Die Sache mit der Lebensgier
12:00
Gespräch
Anton Thuswaldner mit Peter Huemer
16:00
Lutz Ellrich Sucht und Begehren
16:30
Andreas Gruber Erklärungsversuche
jenseits der Ökonomie
17:00
Christian Schacherreiter
Begehren und Gerechtigkeit
17:30
Gerhard Spring
… und endlos sei mein Begehr. Anmerkungen zu einer Verklärung der Gier 18:00
Gesprächsrunde mit Lutz Ellrich,
Andreas Gruber, Christian
Schacherreiter und Gerhard Spring
Moderation Peter Huemer
In der Pause
Empfang des Bezirkshauptmanns
Mag. Alois Lanz
20:00
Kabarett Andrea Händler Ausrasten
Anschließend
Treffpunkt Foyer
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PROGRAMM INFO
Referate, Gespräche, Filme: Eintritt frei
Autorenlesung und Gespräch mit Ariadne von Schirach am 15.10.,
Liederabend mit Mark Scheibe am 16.10. und Jazz Slam mit Alfred Zellinger und
Franz Koglmann am 17.10. je € 8,Kabarett mit Andrea Händler am 18.10. € 18,Tickets: Telefon: 07612 70630, Fax 07612 70638, Mail: [email protected]
Veranstaltungsort: Stadttheater Gmunden, Theatergasse 7, 4810 Gmunden
Für den Inhalt verantwortlich: Verein Kulturbüro, Griesstraße 18, A-4600 Wels,
www.kulturvermerke.at
Mit Förderung von: Österreichische Nationalbank
Gründungspräsident: Mag. Andreas Gruber
Ehrenboard:
Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer, Landesrätin Gertraud Jahn, Josef Ackerl,
Bezirkshauptmann Mag. Alois Lanz, Bürgermeister Mag. Stefan Krapf,
Bürgermeister Johannes Schobesberger, Bürgermeisterin Christine Eisner,
Dr. Manfred Asamer, Ing. Andreas Cuturi, HR Mag. Josef Ecker,
Mag. Reinhold Kräter, Dr. Paul Stepanek, Gouverneur Dr. Ewald Novotny,
Andreas Murray, Rudolf Roitner, Christine Zemann, Mag. Sonja Aigner,
Mag. Hannes Moser, Mag. Vincent Leroy, Dr. Helmut Rogl, Dr. Leopold Tröstl,
Mag. Ursula Prenner, Anita Gattinger, Rudolf Wagner, Dr. Bernd Zierhut,
KR. Margund Lössl.
Büchertisch: Buchhandel KOchLIBRI
Logo: Gerwald Rockenschaub
Lektorat: Ursula De Santis-Gerstenberg
Kommunikation:
Dr. Brigitte Zierhut-Bösch
Organisation: Manuela Prokop,
Gertraud Pöstlberger, Helene Habacher
Grafik: Gottfried Hattinger
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Stadttheater Gmunden
18:00 Donnerstag, 15. Oktober
Grußworte
Prof. Jutta Skokan
Dr. Paul Stepanek, Vorsitzender
des Oberösterreichischen Landes­kultur­
beirates
Mag. Reinhold Kräter,
Landeskulturdirektor
Eröffnung
Mag. Stefan Krapf,
Bürgermeister der Stadt Gmunden
Eröffnungsreferat
Christian Felber
Gemeinwohl statt Gier, Geiz,
Geldgeilheit und Geierfonds
Wenn in der Wirtschaft allerorts die Akkumulation
der Mittel anstatt der Erreichung der Ziele und
­Werte gemessen und mit Erfolg verwechselt wird;
wenn grenzenlose Ungleichheit ebenso legal ist wie
kaltblütiger ökonomischer Kannibalismus, dürfen
wir uns nicht wundern, dass die Gier grassiert
und Geld die Rolle spielt, die wir ihm mit dieser
großen Verwechslung zuweisen. Eine intelligente
Gesellschaft, die ihre Werte fördert, anstatt sie zu
untergraben, achtet auf die Klarheit von Zielen und
Mitteln, korrekte Methoden der Erfolgsmessung,
„negative Rückkoppelungen“ und sie knüpft Anreize an die Werte, die sie zusammenhalten. Würde
das Töten belohnt, gäbe es vermutlich mehr Morde.
Analog könnten in einer intelligenten Wirtschaftsordnung Beiträge zum Gemeinwohl positiv und Gier
und Geiz negativ angereizt werden.
Christian Felber, Publizist und Buchautor, 1972
geb., studierte Spanisch, Psychologie, Soziologie
und Politikwissenschaft in Madrid und Wien. Er ist
Mitbegründer von Attac Österreich, international
Christian Felber © Robert Gortana
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Donnerstag, 15. Oktober
Stadttheater Gmunden
gefragter Referent, Lektor an der Wirtschaftsuniversität Wien und Autor mehrerer Wirtschaftsbestseller:
50 Vorschläge für eine gerechtere Welt. Gegen Konzernmacht und Kapitalismus (2006), Neue Werte für
die Wirtschaft. Eine Alternative zu Kommunismus
und Kapitalismus (2008), Kooperation statt Konkurrenz. 10 Schritte aus der Krise (2009), GemeinwohlÖkonomie (2010, Neuausgabe 2012) und Geld. Die
neuen Spielregeln (2014). Er initiierte den Aufbau
der „Gemeinwohl-Ökonomie“ und der „Bank für
Gemeinwohl“.
Im Gespräch
Christian Felber mit Franz Schuh
In der Pause
Empfang des Bürgermeisters
Mag. Stefan Krapf
20:30
Autorenlesung
Ariadne von Schirach
Du sollst nicht funktionieren. Für eine
neue Lebenskunst.
Optimierung und Ausbeutung sind allgegenwärtig.
Die Natur, durch Profitgier und schiere Blödheit
bedroht, ist uns fremd geworden. Das betrifft auch
uns, unseren Umgang mit unserem Körper, der
kontrolliert und nicht mehr bewohnt wird, unsere
Beziehungen und Freundschaften, die uns nützen
sollen, anstatt uns zu bereichern. Doch vor allem
werden die Anforderungen an uns selbst immer
maßloser. Du sollst nicht funktionieren ist eine kluge
Polemik gegen den Selbstoptimierungswahn, eine
leidenschaftliche Beschwörung des echten Lebens
und ein Plädoyer für eine neue Lebenskunst.
Ariadne von Schirach studierte Philosophie in
München und Berlin. Sie lehrt an der Berliner
Universität der Künste und hat Gastdozenturen an
der HFBK in Hamburg und an der Donau-Universität
Krems inne. 2007 erschien ihr erstes Buch, der Best-
Adelheid Kastner
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Ariadne von Schirach © Detlef Eden
Donnerstag, 15. Oktober
Stadttheater Gmunden
steller Der Tanz um die Lust. Neben der Liebe und
der Ethik gehört auch das Glück zu den Lieblingsthemen der Philosophin – für Welt-Online schrieb sie
eineinhalb Jahre lang die wöchentliche Kolumne
„Glücksversuche“. Auch in ihren Essays für das ZEITMagazin, die FAS oder den SPIEGEL verbindet sie
philosophische Gedanken mit zeitgenössischen Phänomenen. Neben Vorträgen und Workshops arbeitet
Ariadne von Schirach als Kritikerin für Deutschlandradio Kultur und das Philosophie-Magazin. Ihr neues
Buch Du sollst nicht funktionieren. Für eine neue
Lebenskunst erschien 2014 im Tropen Verlag.
Stadttheater Gmunden
15:00 Franz Schuh © Jutta Skokan
Anschließend
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Treffpunkt Foyer
Renate Becker
Wir konsumieren uns zu Tode oder
Von der Sehnsucht nach dem Paradies
Wir haben uns von einer Gesellschaft der Produzenten in eine Gesellschaft der Konsumenten
gewandelt. „Ich shoppe, also bin ich.“ „Ich bin, was
ich habe.“ „Erwachsensein wird zur Kindheit mit
Kreditkarte.“ Das kann man alles nur unterschreiben
und mehr noch: In dieser Verbrauchergesellschaft
werden die Individuen selbst zur Ware. Sie müssen
sich auf dem Markt als Konsumgut bewerben und
verkaufen und sind Ware und Verkäufer zugleich.
WILL.HABEN – ohne Subjekt und Objekt, reines
Einverleiben-Wollen, birgt in sich aber noch eine
andere Dimension: die Sehnsucht, die isolierte
Existenz zu transzendieren. Was ist geschehen,
dass die Sehnsucht nach Zugehörigkeit, nach Liebe,
nach Seinsvergessenheit nicht länger das lebendige
Gegenüber vor Augen hat, sondern die Erfüllung
im regressiven Modus des Haben-Wollens zu finden
glaubt?
Im Gespräch
Ariadne von Schirach mit Franz Schuh
Franz Schuh, Schriftsteller und Philosoph. 1947 in
Wien geb. Buchautor und Kritiker; Kolumnist, u. a.
für DIE ZEIT, Neue Zürcher Zeitung und Literaturen.
1976-1980 Generalsekretär der Grazer Autorenversammlung. Bis 1993 Redakteur der Zeitschrift
wespennest. Lehrbeauftragter an der Hochschule für
angewandte Kunst in Wien. Zahlreiche Auszeichnungen, u. a.: Österreichischer Staatspreis für Kulturpublizistik (1985), Jean-Améry-Preis für Essayistik (2000),
Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie
Sachbuch/Essayistik (2006), Essay-Preis Tractatus des
Philosophicum Lech (2009), Goldenes Verdienstzeichen des Landes Wien (2009). Veröffentlichungen,
u. a.: Der Stadtrat. Eine Idylle (1995), Schreibkräfte.
Über Literatur, Glück und Unglück (2000), Schwere
Vorwürfe, schmutzige Wäsche (2006), Hilfe! Ein
Versuch zur Güte (2007), Memoiren. Ein Interview
gegen mich selbst (2008), Der Krückenkaktus (2011),
Sämtliche Leidenschaften (2014), Über Kulturpublizistik (2014).
Freitag, 16. Oktober
Renate Becker
Renate Becker, Literaturwissenschaftlerin und
Gestalttherapeutin. Bis 1995 Dozentin am ­German
Department an der University of Warwick/GB;
langjährige Chefredakteurin der Zeitschrift Gestalt­
therapie; Vorträge und Veröffentlichungen zum
Thema „Gender und Darstellungsformen des Weiblichen in der Literatur“.
15:30
Knut Boeser
Haltet die Diebe…
„WILL.HABEN!“ Nanu! Da fehlt doch was! Und wer
oder was fehlt da? Da fehlt das Subjekt, das zu
jedem grammatikalisch vollständigen Satz gehört.
„Ich will haben“ – so lautet grammatikalisch korrekt
dieser Satz eines Erwachsenen. Fehlt das ICH, fehlt
womöglich der bewusste, selbstbewusste, sein Tun
reflektierende Erwachsene? „Will haben!“ fordert
das noch ICH-lose Baby in seiner oralen (nach Freud:
oral-sadistischen), rein triebbestimmten Phase, in der
17
Freitag, 16. Oktober
Stadttheater Gmunden
es keinen Aufschub, keine Geduld und Rücksichtnahme gibt. Will essen, will trinken – bei Bedarf immer
sofort. Egal ob ein Adlerjunges, ein Löwenbaby,
oder ein Menschenkind: Das Maul wird aufgerissen – und wird da nichts hineingestopft, ist das
Geschrei groß. So ist die Natur. – Kann es sein, dass
die großen gesellschaftlichen Krisen, mit denen wir
uns scheinbar ohne Aussicht auf Besserung plagen
– aktuell die seit Jahren andauernde Finanzkrise, im
Besonderen die Griechenlandkrise – ihre Ursachen
in einer rigorosen Regression in eine frühkindliche,
ehemals unschuldige, nämlich rein triebbestimmte,
jetzt aber zwar immer noch orale, aber inzwischen
bewusst rücksichtslos infantile Anspruchshaltung haben – wobei sich die wenigen zynischen Nutznießer
auf Systemzwänge hinausreden, deren Gewinner
sie nun mal sind? Das alles ist nicht neu. Die Griechenlandkrise wird vor dem Panorama der großen
europäischen Bank- und Börsenkrisen analysiert, der
Staatsbankrotte der letzten 400 Jahre, bei denen
immer nur die Betrüger und Diebe die Gewinner
waren. (Knut Boeser)
Knut Boeser
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Knut Boeser, Schriftsteller, hat in Berlin und
Paris Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft, Philosophie und Psychologie studiert.
Zunächst war er Chefdramaturg, dann Intendant am
Renaissancetheater Berlin, später Chefdramaturg
am Theater in der Josefstadt Wien. Er betätigte sich
fünf Jahre als Dozent (für Drehbuch und Stoffentwicklung) an der Internationalen Filmschule Köln.
Knut Boeser war Mitglied des Kuratoriums des
Österreichischen Filminstituts, ist geschäftsführender
Vorstand im Verband Deutscher Drehbuchautoren
und Mitglied der Deutschen Filmakademie. Er gab
u. a. Bücher über Max Reinhardt, Erwin Piscator und
Oscar Panizza heraus. Er schreibt Essays, Drehbücher,
Theaterstücke und Prosa. Sein Roman Nostradamus
wurde in elf Sprachen übersetzt. Knut Boeser lebt in
Berlin.
Stadttheater Gmunden
16:00 Freitag, 16. Oktober
Jörg Kraigher-Krainer
Güterdämmerung: Wirtschaften im
­Zwielicht der Profitgier.
Marketingkreationen wie WILL.HABEN oder Geiz
ist geil vermitteln den Eindruck, der Kunde sei von
Haus aus geizig. Oder unersättlich. Wir seien eben
so! Gierig ist also nicht die Wirtschaft, gierig sind
die Kunden. Der Vortrag spürt dem Charakter des
Konsumenten aus verschiedenen Perspektiven nach:
wie ihn die Ökonomie begreift, wie ihn die Profitwirtschaft hinstellt, wie er vielleicht wirklich ist. Für
welchen der Charaktere wir uns in dieser gemeinsamen Reflexion entscheiden, ist entscheidend! Ist
nämlich Gier einmal hingenommener Teil unserer
Natur, dann gibt es vermutlich kein Entrinnen aus
der Konsumgesellschaft mehr, keinen fruchtbaren
Appell an eine Vernunft im Menschen, keine Alternative zu Wirtschaftswachstum.
Jörg Kraigher-Krainer
Jörg Kraigher-Krainer war nach dem Studium
der BWL, Psychologie und Philosophie 15 Jahre als
Marketingleiter in der Wirtschaft tätig. Heute lehrt
und beforscht er die Fächer Kundenzentrierung und
Käuferverhalten hauptberuflich an der Fakultät
für Management der Fachhochschule Oberösterreich und als Lektor an der Universität Graz, der
Wirtschaftsuniversität Prag und der Fachhochschule
Campus02 in Graz. 2006 hat er sich habilitiert und
an der Universität Graz die Lehrbefugnis auf dem
Gebiet der Betriebswirtschaftslehre erworben. Er
veröffentlichte zahlreiche wissenschaftliche Beiträge
und wirkte in verschiedenen akademischen Funktionen: als Studiengangsleiter, als Entwickler und als
Mitglied der Entwicklungsteams von Studiengängen,
als Beiratsmitglied und Gutachter von wissenschaftlichen Journalen und Konferenzen, als Leiter von
Forschungsgruppen wie dem Management Research
Center Steyr, und als Vizedekan für Forschung.
19
Freitag, 16. Oktober
16:30
Stadttheater Gmunden
Franz Schuh
Glück und Gier
17:30
Auf die Frage, was denn alle Menschen miteinander
gemeinsam haben, gibt es seit der Antike diese
Antwort: Alle Menschen haben miteinander gemein,
dass sie „das Glück“ suchen. Diese Gemeinsamkeit
kann man ästhetisch und politisch bekämpfen. Ästhetisch sagt es uns der Dichter Karl Ove Knausgard:
„Kein glückliches Leben anzustreben, ist das Provozierendste, was man überhaupt tun kann.“ Politisch
drückt die Aversion gegen das Glück der anderen ein
Politiker wie Orban aus, wenn er den Flüchtlingen
auf ihrer Glücksuche entgegenschleudert: „Es gibt
kein Grundrecht auf ein besseres Leben.“ – In der
Antike hat man versucht, das Glück mit Ausgewogenheit, mit einer „Mitte“ zu identifizieren. Der
Extremismus der Gier (die verfehlte Mitte) lässt sich
auch aus dem Horizont der Glückssuche interpretieren. (Franz Schuh)
Franz Schuh © Jutta Skokan
In der Pause
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Stadttheater Gmunden
Franz Schuh, Schriftsteller und Philosoph. 1947 in
Wien geb. Buchautor und Kritiker; Kolumnist, u. a.
für DIE ZEIT, Neue Zürcher Zeitung und Literaturen.
1976-1980 Generalsekretär der Grazer Autorenversammlung. Bis 1993 Redakteur der Zeitschrift
wespennest. Lehrbeauftragter an der Hochschule für
angewandte Kunst in Wien. Zahlreiche Auszeichnungen, u. a.: Österreichischer Staatspreis für Kulturpublizistik (1985), Jean-Améry-Preis für Essayistik (2000),
Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie
Sachbuch/Essayistik (2006), Essay-Preis Tractatus des
Philosophicum Lech (2009), Goldenes Verdienstzeichen des Landes Wien (2009). Veröffentlichungen,
u. a.: Der Stadtrat. Eine Idylle (1995), Schreibkräfte.
Über Literatur, Glück und Unglück (2000), Schwere
Vorwürfe, schmutzige Wäsche (2006), Hilfe! Ein
Versuch zur Güte (2007), Memoiren. Ein Interview
gegen mich selbst (2008), Der Krückenkaktus (2011),
Sämtliche Leidenschaften (2014) ); Über Kultur­
publizistik (2014).
Treffpunkt Foyer
20
Paul Michael Zulehner
Freitag, 16. Oktober
Paul Michael Zulehner
Angst ist die Wurzel der Gier. Was kann
uns davon befreien?
Der Kulturanthropologe René Girard verweist darauf hin, dass Gewalt, Gier und Lüge die Geschichte
der Menschheit von Anfang an prägen. Wie es dazu
kommt, erläutert die Tiefenpsychologin Monika
Renz, indem sie jene Urangst bedenkt, mit welcher
jeder neugeborene Mensch nach seiner Geburt
fertig werden muss. Menschen, die nach der Geburt
nicht vertrauen lernen, greifen in ihrer ungeheilten
Urangst zu Selbstsicherungsstrategien – und diese
sind eben Gewalt, Gier und Lüge, oder modern: Terrorismus, giergesteuertes Finanzsystem, Korruption.
Was aber hilft gegen die Angst? Wer diese Frage
beantworten kann, darf auf eine Welt ohne Gewalt,
Gier und Lüge hoffen. Eines ist sicher: Moralisierung
behebt nicht die Angst. Sie mehrt diese vielmehr.
Es ist auch fahrlässig, die Angst der Menschen z. B.
vor Fremden/Flüchtlingen/Muslimen parteipolitisch
wahlwerbend zu schüren – denn Angst entsolidarisiert immer; und ohne Solidarität gibt es keine
friedvolle, weil gerechte Zukunft. Das einzige Mittel
gegen Angst ist Heilung an den Wurzeln der Seele.
Das verweist uns auf die bewährten Heilungsagenturen unserer Gesellschaft. Zu diesen gehört neben der
Psychotherapie seit jeher eine heilende Religion.
Paul Michael Zulehner, 1939 in Wien geb., ist
Pastoraltheologe und Religionsforscher. Studien der
Philosophie, der katholischen Theologie und der Religionssoziologie in Innsbruck, Wien, Konstanz und
München. Schüler von Johannes Schasching und Karl
Rahner. 1964 Priesterweihe, Kaplan und Subregens
im Wiener Priesterseminar. 1973 Habilitierung für
Pastoraltheologie und Pastoralsoziologie bei Rolf
Zerfaß. Lehrtätigkeit in Bamberg, Passau, Bonn,
Salzburg und seit 1984 am Lehrstuhl für Pastoraltheologie und Kerygmatik an der Universität Wien.
Zulehner war langjähriger Dekan der Fakultät, seit
2009 emeritiert. 15 Jahre lang war er Theologischer
Berater der jeweiligen Vorsitzenden des Rates der
Europäischen Bischofskonferenzen, Beiratsmitglied
21
Montag, 22. Oktober
Stadttheater Gmunden
Freitag, 16. Oktober
in der Österreichischen Forschungsgemeinschaft. Er
ist Mitglied der Europäischen und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Mit Kardinal
Franz König Gründer des Pastoralen Forums zur
Förderung der Kirchen in Ost-(Mittel-)Europa. Zahlreiche Publikationen zu Pastoraltheologie, Religionsforschung und Spiritualität nicht nur für gläubige
Zeitgenossen. 2015 wurde ihm das Ehrendoktorat
der Universität Erfurt verliehen.
18:00
Gesprächsrunde
mit Renate Becker, Knut Boeser,
Jörg Kraigher-Krainer, Franz Schuh
und Paul Michael Zulehner
Moderation Peter Huemer
Peter Huemer, 1941 in Linz geb., ist Journalist und
Historiker. Studium der Geschichte, Germanistik und
Kunstgeschichte an der Universität Wien. Ab 1969
Mitarbeiter in der Dokumentationsabteilung des
Österreichischen Fernsehens. 1974-1976 Mitarbeiter
bei Claus Gatterer am TV-Magazin teleobjektiv;
1977-1987 Leiter der Talk-Show Club 2; 1987-2002
Im Gespräch im ORF-Hörfunk; 1989-1994 Moderator
Streit im Schloss, Südwestfunk, Saarbrücken; 19922001 Moderator Berliner Begegnungen, 3sat. Seit
2003 Lehrtätigkeit an der Filmakademie Wien und
seit 2006 auch an der Universität Wien. Zahlreiche
Auszeichnungen und Preise für die wissenschaftliche
und für die journalistische Tätigkeit, u. a. KunschakPreis, Preis der Stadt Wien, Torberg-Medaille, Axel
Corti-Preis, Staatspreis für Kulturpublizistik.
In der Pause
Peter Huemer
Treffpunkt Foyer
23
Freitag, 16. Oktober
19:30 Stadttheater Gmunden
Liederabend
Mark Scheibe
Gier nach Liebe
Musik, die dir den Mantel abnimmt und dich zum
gedeckten Tisch führt. Lieder, die das Licht dimmen
und dir reinen Wein einschenken. Worte wie Samt.
Inspiriert vom romantischen Swing der 30er und
40er Jahre, singt Mark Scheibe seine Jazzlieder mit
deutschen Texten: Er verwandelt jeden Raum in eine
ebenso elegante wie extravagante Piano-Bar – mit
Charme, Passion und swingendem Schönklang. Er
schafft eine Atmosphäre, die in eine andere Zeit
entführt, in der es nicht um Leistung und Optimierung geht, sondern einzig um Zuwendung und den
Rausch der Begegnung.
Dieses Thema flutet auch durch die Lieder, wie im
Chanson MITTWOCHS, das die wöchentliche erotische Begegnung von zwei Menschen im Hotel zum
Thema hat.
Der gebürtiger Bremer Mark Scheibe lebt seit
2000 in Berlin, wo er nach der gewonnenen „Radio
Fritz-Nacht der Talente“ 2008 bis 2012 das VarietéPublikum im „Admiralspalast“ mit seiner Berlin
Revue beglückte – einer „Hommage an Berlin“
(Berliner Morgenpost). Im „Wintergarten“ holte der
Sänger am Piano Orchester und Artisten auf Mark
Scheibes Wilde Bühne; er arbeitet darüber hinaus
als Schlagertexter und als Arrangeur von Orchestermusik. Für sein Jugendprojekt Melodie des Lebens
mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen
wurde Mark Scheibe 2008 mit dem Preis „Kinder
zum Olymp“ ausgezeichnet; 2012 bekam er mit dem
Zukunftslabor den „ECHO Klassik“ für Nachwuchsförderung. Gegenwärtig schreibt er Musik für das
Theater, bringt aktuell einen Liederzyklus nach
­Thomas Manns Zauberberg zur Aufführung und
schreibt jeden Tag ein Lied, das auf seiner Facebookseite als Video die Welt erreicht.
Anschließend
24
Treffpunkt Foyer
Mark Scheibe
Stadttheater Gmunden
11:00 Montag,
Samstag,22.
17.Oktober
Oktober
René Freund
Ausgespielt! Eine Komödie der Habgier
René Freund liest Szenen aus seinem Theaterstück
Ausgespielt!, das die Mechanismen der Macht und
der Habgier in einer Kleinstadt beschreibt. Als nämlich dort zwei Fremde auftauchen, befürchten die
Mächtigen, es handle sich um verdeckte Ermittler
der Korruptionsstaatsanwaltschaft. Doch dann stellt
sich heraus: Die beiden sind ein Oligarch und sein
Lobbyist. Oder doch nicht?
René Freund, 1967 geb., lebt als Autor und Übersetzer in Grünau/Almtal. Er studierte Philosophie,
Theaterwissenschaft und Völkerkunde, war 1988
bis 1990 Dramaturg am Theater in der Josefstadt
Wien. Buchveröffentlichungen, zuletzt: Stadt, Land
und danke für das Boot (2002), Wechselwirkungen
(2004), Donau, Stahl und Wolkenklang. Linzer Augenblicke (2008), Liebe unter Fischen (2013), Mein
Vater, der Deserteur. Eine Familiengeschichte (2014).
11:30
Franz Huber
René Freund © Monika Loeff
Franz Huber
Hab & Gier bei William Shakespeare,
Sarah Kane und anderen Tragödien
Theaterfiguren, die man mit dem Attribut „gierig“
charakterisiert, gibt es zuhauf. In vielen bürgerlichen
Trauerspielen, die auch Ausdruck eines wachsenden
bürgerlichen Bewusstseins sind, spielen die moralischen Kategorien von „Tugend“ und „Laster“ eine
große Rolle. Mit der Herausbildung der bürgerlichen
Gesellschaft gewinnt der Faktor Geld eine neue,
erweiterte Bedeutung; damit ist das Auftauchen
bestimmter neuer literarischen Figuren verbunden.
Gier – eines der Hauptlaster des Menschen – lässt
sich aber auch als Element der menschlichen Existenz
verstehen, als misslungene Antwort auf die Grundangst und die Grundsorge des Menschen. Und Gier
beinhaltet ein Begehren, ein Sehnen nach Leben,
Liebe, Glück und Macht.
Samstag, 17. Oktober
Stadttheater Gmunden
Stadttheater Gmunden
Franz Huber studierte an der Ludwig-MaximiliansUniversität München Neuere Deutsche Literatur,
Linguistik und Publizistik, arbeitete als Lektor und
Produzent beim Bayerischen Rundfunk, war Dramaturg an zahlreichen deutschen Theatern. Seit 1998
ist Franz Huber Chefdramaturg am Linzer Landestheater und seit Herbst 2002 Dozent an der Anton
Bruckner Privatuniversität Linz.
12:00
Gesprächsrunde
mit René Freund und Franz Huber
Moderation Peter Huemer
Anschließend
Treffpunkt Foyer
15:00 Filmreportage
Gier – Wirtschaftskrise mit System
(USA 2013, 47 Min.)
Regie Dennis Weckl
2008 erlebte die Welt einen folgenreichen Zusammenbruch der globalen Märkte – selbst Institutionen, die als unzerstörbar galten, kollabierten.
Die Regierungen reagierten sofort mit massiven
Rettungsschirmen. Doch langsam wachsen Zweifel:
Wurden die Probleme wirklich gelöst oder nur
verdrängt? Treibt die Gier der Banken unsere Wirtschaft ins Verderben? – Ein spannendes Bild unserer
möglichen finanziellen Zukunft.
Gustav Ernst, 1944 in Wien geb., schreibt Romane,
Stücke und Drehbücher. Er ist Gründer und (mit
Karin Fleischanderl) Leiter der Leondinger Akademie
für Literatur. Gemeinsam mit Karin ­Fleischanderl ist
er Herausgeber von kolik. zeitschrift für literatur
und kolik.film. Zuletzt erschienene ­Romane: Beste
Beziehungen (2011), Grundlsee (2013), Zur unmöglichen Aussicht (2015). 2013 erhielt er den Preis der
Stadt Wien für Literatur.
Gustav Ernst © Gerhard Kresser
16:30 Klaus Zeyringer
In Zusammenarbeit mit der Kulturinitiative 08/16
16:00
Gustav Ernst
Ich bin mehr! Ich will mehr!
Ein paar flüchtige Beobachtungen zum Phänomen
der Gier oder: Wen ich möglicherweise liebend gern
als Gierhals bezeichnen würde.
28
Samstag, 17. Oktober
Klaus Zeyringer
Das runde Leder und das große Geld.
Fußball. Eine Kulturgeschichte
Der Weltverband FIFA ist in seinen Strukturen und
Mechanismen ein interessanter Fall von Gier und
Macht – mit der merkwürdigen Situation, dass ein
gemeinnütziger Verein, der rechtlich wie jeder
schweizerische Jodelclub organisiert ist, es zu derartiger Macht bringt. Der Fußball ist eine Sonde in
die Geschichte der Moderne und der ihr folgenden
Epochen; eine Weltmeisterschaft wiederum ist eine
Sonde in die Kulturgeschichte des Phänomens. Eine
Bilanz der Fußballweltmeisterschaft 2014 in Brasilien
macht Facetten der Gier als gesellschaftliches Phänomen erkennbar. „WILL.HABEN!“: Die Verbände
wollen Geld und Macht, so dass Staaten wesentliche
Hoheitsrechte abtreten. Die Funktionäre wollen
Spieler und Medienpräsenz; und das Publikum will
offenbar laufend Unterhaltung haben.
Klaus Zeyringer, 1953 in Graz geb., habilitierte
sich dort 1993 und war Universitätsprofessor für
Germanistik in Frankreich. Er ist als Literaturkritiker
u. a. für den Standard tätig sowie Jury-Mitglied der
ORF-Bestenliste, moderiert in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Zuletzt erschienen: Blicke von
außen. Österreichische Literatur im internationalen
Kontext (mit F. Haas, H. Schlösser, 2003), Ehrenrunden im Salon. Kultur-Literatur-Betrieb (2007),
Österreichische Literatur seit 1945 (3. Aufl., 2008),
Eine Literaturgeschichte: Österreich seit 1650
(mit H. Gollner, 2012), Fußball. Eine Kulturgeschichte (2014).
Samstag, 17. Oktober
17:00
Gottfried Schweiger
30
Stadttheater Gmunden
Stadttheater Gmunden
Gottfried Schweiger
Der Einzelne im System von Armut und
Reichtum
Strukturelle Verwerfungen wie Armut und soziale
Ausgrenzung – man kann sie auch soziale Pathologien nennen – sind nicht das Produkt der Handlungen einzelner Personen und der ihre Handlungen
anleitenden Begierden und Wünsche. Dennoch sind
zumindest vier Eintrittsstellen der „Individualität“ in
den Armutsdiskurs zu benennen, die insbesondere
einer sozialphilosophischen und ethischen Reflexion
zugänglich sind. Zunächst einmal ist von einer „Individualisierung“ der sozioökonomischen Position zu
reden, also dem falschen Glauben daran, dass Armut
und Reichtum – letzteres umso mehr – das Produkt
eigener Entscheidungen und Leistungen seien. Eine
solche Individualisierung hat dann auch Einfluss
darauf, welche Hilfspflichten gegenüber den Armen
eingenommen werden. Zweitens werden Armut und
Reichtum oftmals entkoppelt, und zwar gerade von
den handelnden Personen. Dass durch das eigene
Handeln zugunsten der Optimierung der eigenen Position andere in die Armut gezwungen werden, gerät
aus dem Blick, da die systemischen Zusammenhänge
nicht offen sichtbar sind oder aber bewusst verleugnet werden. Drittens beeinflussen gesellschaftliche
Strukturen das Handeln bzw. die Handlungsoptionen
wie auch die Bedürfnisstruktur des Individuums,
was dazu führt, dass moralische Appelle, die sich
gegen solche eingeimpften Muster richten, oftmals
ungehört bleiben oder gar als Träumerei abgetan
werden. Es stimmt schon, dass ein Einzelner wenig
tun kann, aber es ist mehr als nichts. Und dieses Mehr
ist auch angesichts der katastrophalen Zustände als
eine Verantwortung der Gerechtigkeit zu verstehen.
Viertens ist eine solche Verantwortung aber gemäß
der Handlungsmacht des Einzelnen zu gewichten – es
haben also Menschen, die mehr besitzen auch eine
größere Verpflichtung, zu geben und zum Ausgleich
des Elends der Armut beizutragen. Stattdessen ist
aber zunehmend ein Stimmungsbild anzutreffen,
in dem jene, die noch genug, jedoch Angst vor dem
sozialen Abstieg haben, schützend vor die kleine
Minderheit der Reichen und Superreichen positioniert
Samstag,
Montag, 17.
22. Oktober
18.
werden und die Ermöglichungsbedingungen für
deren Handeln und Streben, die Anhäufung immer
größerer Sach- und Geldwerte, verteidigen.
Gottfried Schweiger studierte Philosophie, Theater-, Film- und Medienwissenschaften sowie Biologie
in Salzburg und Wien und promovierte 2008 an
der Universität Salzburg mit einer Arbeit zu Hegels
Naturphilosophie. Seit 2011 ist er am Zentrum für
Ethik und Armutsforschung der Universität Salzburg
tätig; seit 2014 leitet er dort das Forschungsprojekt
„Soziale Gerechtigkeit und Kinderarmut“, das durch
den Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF)
gefördert wird. Zwischenzeitlich war er Gastforscher
am Institut für Philosophie der Universität St. Gallen.
Seine Forschungs- und Publikationsschwerpunkte liegen im Bereich der Politischen Philosophie sowie der
Sozialphilosophie. Schweiger ist u. a. Ko-Herausgeber
der Zeitschrift für Praktische Philosophie, Mitglied im
Forschungsnetzwerk „Normative Aspekte des Kindeswohls“, Koordinator des Netzwerks „Philosophie und
Kindheit“ sowie Mitglied im Chapter Committee von
„Academics Stand Against Poverty (ASAP)“, einem
internationalen Verbund von ArmutsforscherInnen.
Jüngst erschien von ihm eine Forschungsmonographie zur Kinderarmut (A Philosophical Examination
of Social Justice and Child Poverty, mit Gunter Graf,
2015). Er ist Ko-Herausgeber mehrerer Sammelbände. Schweiger veröffentlichte zahlreiche Aufsätze
in Zeitschriften, u. a. zu Armut, Arbeitslosigkeit,
Gesundheit, Kindheit, zum Fähigkeitenansatz sowie
zur Theorie der Anerkennung.
In der Pause
Treffpunkt Foyer
18:00
Werner Rügemer
Die Gier organisieren – Wer ist und was
macht die „transnational capitalist class“?
Gierig sein kann jeder und jede, und diese Gier kann
sich auf alles Mögliche richten: Sex, Geld, Berühmtheit, Suchtmittel. Aber die gefährlichste Gier ist die
nach dem kapitalistischen Privatgewinn, der
durch privilegierte Hilfstruppen, Staaten,
Samstag, 17. Oktober
Stadttheater Gmunden
professionelle Lügner, dann auch Geheimdienste
und Militärs organisiert, gesichert, erweitert wird,
bzw. werden soll. Armut für die Mehrheit der
Bevölkerungen und Kriege sind das Ergebnis, ebenso
Demoralisierung.
Werner Rügemer
Werner Rügemer, 1941 geb., ist interventionistischer Philosoph. Er ist als Publizist, Lehrbeauftragter
an der Universität Köln und als Stadtführer tätig.
Buchveröffentlichungen, u. a.: Philosophische
­Anthropologie und Epochenkrise (1979), Staatsgeheimnis Abwasser (1996), Colonia Corrupta (2002),
„Heuschrecken“ im öffentlichen Raum. Public Private Partnership – Anatomie eines globalen Finanzinstruments (2010), Ratingagenturen – Einblicke in die
Kapitalmacht der Gegenwart (2012), Die Fertig­
macher. Arbeitsunrecht und professionelle Gewerkschaftsbekämpfung (mit Elmar Wigand, 2014).
18:30
Gesprächsrunde
mit Gustav Ernst, Klaus Zeyringer,
Gottfried Schweiger und Werner
­Rügemer
Moderation Peter Huemer
In der Pause
Treffpunkt Foyer
20:00
Jazz Slam
Alfred Zellinger und Franz Koglmann
CITY BOYS: Monolog eines Londoner
Börsentraders
Alfred Zellinger – Minimalistische Prosa
Franz Koglmann – Komposition,
­Trompete, Flügelhorn
Texte, collagiert und konzentriert aus Alfred ­Zellingers
neuem Buch CITY BOYS. Hybris, Katharsis und ein
Daycruiser; instrumental interpretiert und
pointiert von Franz Koglmann. Innere Mono-
32
Franz Koglmann
Samstag, 17. Oktober
Stadttheater Gmunden
loge eines aus Kostengründen entlassenen, wegen
Betrügereien gefeuerten und aus moralischen Über­
legungen aussteigenden Börsentraders.
Stadttheater Gmunden
9:00 Alfred Zellinger, 1945 geb., studierte Rechtswissenschaften in Wien. Er lebt als Schriftsteller in Wien
und Gmunden. Während seiner, wie er es nennt,
„40 Jahre im Auge des Kapitalismus“ arbeitete er
für Konzerne wie Unilever und Procter & Gamble
sowie für die englische Werbeagentur Masius.
Er war Marketingleiter bei Philips, Professor an
der Universität für künstlerische und industrielle
Gestaltung Linz, Werbechef der BAWAG PSK, zuletzt
CEO von Bösendorfer. Er veröffentlichte eine Reihe
von Büchern und schrieb die von Franz Koglmann
vertonten Bühnenwerke Börsenkonzert und JOIN!
In der Edition P.E.N. im Löcker Verlag erschien 2015
sein neues Buch CITY BOYS.
Alfred
Zellinger
© Apollonia Bitzan
Franz Koglmann, 1947 in Mödling bei Wien geb.
Studium Klassische Musik und Jazz. Studienaufenthalte in New York und Philadelphia. Franz Koglmann
wird international als wesentlicher Erneuerer der
Musik am Schnittpunkt von Jazz und europäischer
Moderne rezipiert. Er arbeitete mit namhaften internationalen Musikern wie Lee Konitz, Derek Bailey,
Tony Coe, Steve Lacy, Paul Bley u. v. a. zusammen.
Von 1986 bis 1996 erschienen seine CDs bei „Hat
ART“/Schweiz. 1998 bis 2004 war er künstlerischer
Leiter des Frankfurter CD Labels „between the lines“.
Mehrere Bühnenwerke, darunter die Oper JOIN!,
Libretto Alfred Zellinger, Wiener Festwochen 2013.
Anschließend
Empfang des OÖ Landeshauptmanns
Dr. Josef Pühringer
Sonntag, 18. Oktober
Film
Das große Fressen
(Originaltitel: La Grande Bouffe)
Regie Marco Ferreri
(Frankreich, Italien 1973, 129 Min.)
Mit Marcello Mastroianni, Ugo Tognazzi,
Andréa Ferreol und Michel Piccoli
Vier Männer mittleren Alters verabschieden sich
aus ihrem bürgerlichen Leben: der Pilot Marcello,
der Koch Ugo, der Fernsehredakteur Michel und
der Richter Philippe. Sie treffen sich an einem
Wochenende in einer alten Villa, die Philippes Vater
vor etlichen Jahren gekauft hat. Dort wollen die
lebensmüden Männer ihre eigene Selbstzerstörung
durch eine Überdosis Sex und Essen zelebrieren. Das
Personal wird fortgeschickt, drei Freudenmädchen
dienen dem Lustgewinn. Die Lehrerin Andréa stößt
hinzu und wird zum einzigen Dauergast. Bald schon
steigert sich die endlose Zubereitung kulinarischer
Köstlichkeiten zum widerwärtigen großen Fressen.
Andréa gibt sich sowohl den vier Herren als auch
der gnadenlosen Völlerei willig hin. Ab sofort heißt
es: Wer stirbt zuerst? Die Kapitalismuskritik Marco
Ferreris ist unübersehbar, der gesellschaftskritische
Ansatz heute aktueller denn ja. Das abgründige
Meisterwerk von Marco Ferreri über die Maßlosigkeit der Konsumgesellschaft war einer der großen
Filmskandale der 70er Jahre.
In Zusammenarbeit mit der Kulturinitiative 08/16
11:30
Anton Thuswaldner
Will sein. Die Sache mit der Lebensgier
Gier ist auf Verbrauch aus, schädigt Ressourcen und
ist gefährlich. Aber was hat es mit der Lebensgier
auf sich? Ist sie eine Reaktion auf eine Welt, die im
Besitz und der Vermehrung der Güter ihren Sinn
bezieht, oder müssen wir sie als besondere Spielart
des Prinzips Gier verstehen? Geht sie als Selbstverwirklichung durch? Ist sie als kritische Haltung des-
34
35
Sonntag, 18. Oktober
Stadttheater Gmunden
Stadttheater Gmunden
halb nicht brauchbar, weil sie ebenso auf Verbrauch
abzielt? Sind Raff-Gestalten von Balzac‘schem,
Dickens‘schem oder Hoffmann‘schem Format Ausgeburten einer kapitalistischen Haltung, zumal solche
Wesen in ihrem Inneren verkümmern und das Leben
aussperren, weil ihre Gier jede Lebensgier verhindert? Der Literatur fällt zum Phänomen Lebensgier
etwas ein.
Anton Thuswaldner
12:00
16:00
Anton Thuswaldner, Literaturkritiker. 1956 in
Lienz geb. Studium der Germanistik und Geschichte
in Salzburg. Lebt als Literaturkritiker ebenda, wo er
für in- und ausländische Medien (SN, FAZ, FR, Die
Furche) arbeitet. Von 1993 bis 2012 war er Jurymitglied des „aspekte“-Literaturpreises. 1996 wurde er
mit dem Österreichischen Staatspreis für Literaturkritik ausgezeichnet. Mehrere Buchveröffentlichungen,
zuletzt erschienen: Österreichisches Lesebuch (Hg.,
2000), Kaprun. Steinstunden (2005), Das jüdische
Budapest (mit Péter Nádas, 2010), Salzkammergut
schauen. Ein Blick ins Ungewisse (mit Christian
­Dirninger und Thomas Hellmuth, 2015).
36
hafte Erfahrung, dass sie das Ziel ihrer Wünsche
immer wieder verfehlen, energisch ankämpfen und
die Dosis der jeweils eingesetzten Mittel beständig
erhöhen, genießen die Begehrenden das Wissen um
die Unerreichbarkeit der ersehnten Objekte.
Lutz Ellrich
16:30
Im Gespräch
Anton Thuswaldner mit
Peter Huemer
Lutz Ellrich, Prof. em. für Medienkulturwissenschaft
an der Universität Köln. Studium der Philosophie,
Soziologie und Theaterwissenschaft. Forschungsschwerpunkte: gesellschaftstheoretisch orientierte
Medienanalyse, Surveillance Studies, Verstehen
fremder Kulturen, Organisations- und Konfliktforschung, experimentelles Theater. Aktuelle Projekte:
Misstrauen in Bürokratien, Netzwerken und Märkten, Recht und Unrecht der Piraterie. Publikationen,
u. a.: Verschriebene Fremdheit (1999), Die Unsichtbarkeit des Politischen. Theorie und Geschichte
medialer Latenz (mit H. Maye und A. Meteling,
2009), Vorführen und Verführen (2011), Facetten der
Gewalt (2014).
Andreas Gruber
Erklärungsversuche jenseits der
Ökonomie
Basierend auf einem Traktat von Walter Benjamin
Der Kapitalismus als neue Religion, soll der Frage
nachgegangen werden, welche messianische Botschaft, welche Erlösungsversprechen zu dieser WILL.
HABEN.GIER verleiten. Versprechen, die sich nicht
einlösen lassen. Daher muss die Dosis ständig erhöht
werden. Wie viele Spielformen der Ersatzvornahme
stecken hinter dieser Gier? Ist die Gier alternativlos,
weil es keine anderen Währungen mehr zwischen
den Menschen gibt als das müde und ermüdende
Geld? Benjamin nennt den Kapitalismus die erste
nicht entschuldende, sondern immer tiefer verschuldende Religion.
Lutz Ellrich
Sucht und Begehren
Die Formen und Gegenstände von Sucht und
Begehren sind extrem vielfältig: Es geht um den
uneingeschränkten Besitz von Dingen und Personen, aber auch um den enthemmten Konsum der
gewählten Objekte und nicht selten auch um die
rückhaltlose Auslieferung an sie. Man strebt die
absolute Verfügung über etwas Bestimmtes an und
ebenso den Verlust der Selbst- und Fremdkontrolle
in Rausch und Delirium. Beide Dispositionen, beide
Formen des Drangs bewegen sich im Spannungsfeld
von Souveränität und Abhängigkeit, von Steigerung und Reduktion, von Verfügung und Entzug.
Während freilich die Süchtigen gegen die schmerz-
Sonntag, 18. Oktober
Andreas Gruber
Andreas Gruber, 1954 in Wels geboren, ist ein
österreichischer Drehbuchautor, Film- und Fernseh­
regisseur. Von 1974 bis 1982 Drehbuch- und
Regiestudium an der Hochschule für Musik und
Darstellende Kunst in Wien. Ab 1978 freiberufliche
Tätigkeit für Film und Fernsehen. Ab 1979 Regie37
Sonntag, 18. Oktober
Stadttheater Gmunden
assistent bei Axel Corti. 2001–2002 Professor für
Drehbuch und Dramaturgie an der Kunsthochschule
für Medien in Köln. Seit 2002 Professor für Regie
und Drehbuch an der Hochschule für Fernsehen und
Film, München. Filme (Auswahl): 1983 Drinnen &
Draußen, 1989 Schalom, General, 1994 Hasenjagd –
Vor lauter Feigheit gibt es kein Erbarmen, 1997 Die
Schuld der Liebe, 2004 Welcome Home, 2008 Der
Kurssturz des goldenen Kalbes auf der Grundlage
des Fragments von Walter Benjamins Kapitalismus
als Religion, 2014/15 Kinofilm Hannas schlafende
Hunde (Drehbuch und Regie) mit Hannelore Elsner
in der Hauptrolle. Preise und Auszeichnungen (u. a.):
1990 Max Ophüls-Preis, 1994 Kulturpreis des Landes
Oberösterreich für Film, 1995 Deutscher Kritikerpreis, 1996 Preis des Verbandes Deutscher Kritiker,
1996 Preis der Österreichischen Filmtage Wels, 2000
„Goldene Romy“ für Beste Regie, 2013 Heinrich
Gleißner-Kulturpreis.
17:00
38
17:30 Christian Schacherreiter, 1954 in Linz geb.
Germanist, Literaturkritiker, Autor und Direktor
eines Linzer Gymnasiums. Studium der Germanistik
und Geschichte an der Universität Salzburg. Freier
Mitarbeiter des ORF von 1982 bis 1992. Kolumnist
und Literaturkritiker für die Oberösterreichischen
Nachrichten. Mitglied des Adalbert Stifter­Instituts
Linz. Zahlreiche Publikationen, zuletzt erschienene
Bücher: Der Wappler. Das österreichische Deutsch
in Anekdoten (2006) und Diese ernsten Spiele. Eine
Kindheit im Innviertel (2011).
Sonntag, 18. Oktober
Gerhard Spring
… und endlos sei mein Begehr.
Anmerkungen zu einer Verklärung der Gier Ich gehe von einem „Standardmodell“ des Handelns
aus: Demnach ist Handlung Konsequenz eines Wunsches, zu dessen Erfüllung sie beitragen soll. Moralische Kritik findet in diesem Modell keinen Platz;
es sei denn, die Moral selbst wäre Gegenstand eines
Wunsches. Der platonische Dialog Gorgias stellt ein
Muster der Gier dar, in dem gesteigerte Lust Folge
einer Steigerung des Begehrens ist. Die moralische
Widerlegung dieses Musters setzt bei Plato ein Maß
voraus, das die Gier verfehlt, indem sie es übererfüllt: Dafür prägt der Dialog die Metapher der Füllung eines Fasses. Um diese Metapher zu kritisieren,
zerlege ich das Muster der Gier in zwei konträre
Muster: ein naturalistisches, das maßlos ist, und ein
zeremonielles, nach dem das Maß erzeugt wird, an
dem die Gier zu messen ist. (Gerhard Spring)
Christian Schacherreiter
Begehren und Gerechtigkeit
„Gerechtigkeit“ ist ein Wert, auf den man sich einigen kann. Keine Partei, keine Religion wäre erfolgreich, würde sie „Ungerechtigkeit“ propagieren. Das
Problem besteht aber darin, dass die Vorstellungen
darüber, was gerecht ist und was nicht, enorm von­
einander abweichen. Analysiert man unterschiedliche Gerechtigkeitsforderungen, erkennt man:
Meist ist es das subjektive Begehren, das für sich
beansprucht, objektiv gerecht zu sein.
Christian Schacherreiter
Stadttheater Gmunden
Gerhard Spring © Marion Kalter
18:00
Gerhard Spring, 1962 in Scheibbs/NÖ geb., lebt als
Künstler in Wien. Studierte Musik, Bühnenbild und
visuelle Mediengestaltung (1979–1999). Internationale Ausstellungsbeteiligungen, Veranstaltungen und
Aktionen sowie mehrere Veröffentlichungen im Duo
„Deutschbauer/Spring“ (2000–2007). 2007 Gastdozentur an der FHfG Zürich zu „Rhetorik in Kunst und Politik“. Seit 1992 zahlreiche Publikationen, zuletzt ein
Essay im Passagen Verlag zur Theorie der Metapher
unter dem Titel Figur ohne Grund (2008), sowie ein
Aufsatz zu einer Handlungstheorie der Kunst unter
dem Titel Stolpern und sich totstellen für die „Tage
der Poesie“ (Linz 2012). Die Anmerkungen zu einer
Verklärung der Gier wurden für die OBERÖSTERREICHISCHEN KULTURVERMERKE 2015 verfasst und sind
Teil des Projektes „Rhetorik der Muster“.
Gesprächsrunde
mit Lutz Ellrich, Andreas Gruber,
Christian Schacherreiter und
Gerhard Spring
Moderation Peter Huemer
39
Sonntag, 18. Oktober
Stadttheater Gmunden
In der Pause
Empfang des Bezirkshauptmanns
Mag. Alois Lanz
20:00
Kabarett
Andrea Händler
Ausrasten
Andrea Händler
Andrea Händler ist knapp am Ausrasten. Am Flughafen wurde ihre gefakte Tussischleuder von einer
Spaßbremse an Zollbeamtem konfisziert. Dabei
liegen ihre Nerven ohnehin schon blank: Der Allinclusive-Cluburlaub in der Türkei hat die Händler
nämlich mörderisch unter Stress gesetzt. Diese
Versäumnispanik, dass ihr irgendwo etwas entgeht!
Das dauernde Psychogemetzel um die Strandliegen!
Während Händler im Kreise anderer Schmuggelsünder um das Schicksal ihrer geliebten Tasche zittert,
tut sie, was sie am besten kann: Sie entführt das
Publikum auf Trips in ihren irrwitzigen Alltag. Und
erinnert sich an jene Urlaube, die sie eigentlich
am liebsten verdrängt hätte. Dabei scheut sie sich
auch nicht, sich großen philosophischen Fragen zu
stellen: Kann man Romantik bei einem Veranstalter
buchen? Wieso funktioniert Kleinfaschismus auf
Campingplätzen so pipifein? Warum gibt es im Flieger immer weniger „chicken“ als „fish“? Und wo,
verdammt, bleibt all die Zeit, die man sich durch das
digitalisierte Leben erspart? Nach dem Erfolgsprogramm Naturtrüb begibt sich Österreichs weibliche
Komik-Supermacht jetzt auf eine rasante Reise ins
wilde Absurdistan der angeblich schönsten Wochen
des Jahres. Schwarzer Humor, Lebensweisheiten und
abschreckende Beispiele – all inclusive!
Andrea Händler absolvierte ihre Schauspielausbildung bei Herwig Seeböck, Reinhard Tötschinger,
Giora Seeliger und wirkte ab 1984 in diversen
Theaterproduktionen mit. Seit 1984 ist sie auch als
Kabarettistin tätig. Als Mitglied der Kabarettgruppe
„Schlabarett“ spielte sie in Am Tag davor, Atompilz
von links und Muttertag; mit Herwig Seeböck in
Qualverwandtschaft und als Mitglied der Kabarettgruppe „Statt-Theater“ unter der Regie von Uli Brée
in Männer-Schmerzen und Frauen-Schmerzen. 1993
Contessa Juliette © Mystique Photography
40
Andrea Händler
Sonntag, 18. Oktober
präsentierte sie zusammen mit Reinhard Nowak
Schräbergarten. 1995 startete Andrea Händler ihre
Solo-Karriere mit dem Programm Diskret – eine
Peepshow!. Es folgten: Heiss gemacht (1997), Auszeit
(1998), Notstand (2000) und Paradies (2002). 2004
folgte das Programm Einsendeschluss, erstmals mit
Angelika Hager als Mitautorin. Es folgten weitere
Zusammenarbeiten mit Angelika Hager für die
Soloprogramme Das Schweigen der Händler (2008),
Naturtrüb (2011) und Ausrasten (2015). Andrea
Händler wurde für ihre kabarettistische Arbeit mit
dem „Salzburger Stier“ (1999) und dem Österreichischen Kabarettpreis „Karl“ (2000) ausgezeichnet. Darüber hinaus war sie in diversen Theater-,
Film- und Fernseh-Produktionen tätig, wie z. B. in
den Filmen Muttertag (1993), Hinterholz 8 (1998),
Zwölfeläuten (2001) und Poppitz (2002), sowie
bei den ORF-TV-Produktionen Kaisermühlen Blues
(1996-1999), Kommissar Rex (2002), MA 2412 – Die
Staatsdiener (2002) und Polly Adler (2005). Zusammen mit Dolores Schmidinger spielte sie seit 2003
auch in Alltagsgeschichten nach der gleichnamigen
TV-Reihe von Elisabeth T. Spira. 2010 war Händler
als Theaterschauspielerin in Bezahlt wird nicht von
Dario Fo im Kosmos Theater Wien und 2011 in
­Campiello (von Peter Turrini frei nach Carlo Goldoni)
im Theater in der Josefstadt Wien zu sehen.
Anschließend
Treffpunkt Foyer
SALZKAMMERGUT
estwochen
GMUNDEN
TRAUNKIRCHEN EBENSEE ALTMÜNSTER OHLSDORF
Programmvorschau 2016
Schneegestöber 31. Jänner – 14. Februar
31.1.Agnes Palmisano und
Die Österreichischen Salonisten
Liederabend
5.2. Chris Pichler und Hermann Beil Lesung
14.2.Gidon Kremer und Kremerata Baltica
Konzert
Osterfestspiel 18. März – 9. April
27.3.Martin Stadtfeld Klavierkonzert
3.4. Andrea Eckert Liederabend
7.4. Martin Walser und Thekla Chabbi Lesung
Tickets und Informationen:
www.festwochen-gmunden.at
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