Sonderliste - Eberhard Köstler

BRIEFE VON
KATIA MANN AN JOHANNES VON GUENTHER
DER PROZESS UM WALTER JANKA UND DIE FOLGEN
DIE SPÄTEN JAHRE ERIKA MANNS
Eberhard Köstler
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Walter Janka (1914-1994), zunächst Geschäftsführer, dann Leiter des Aufbau Verlages von 1950 bis 1957,
pflegte ein intensives Verhältnis zu Thomas Mann und dessen Familie. Janka war es zu verdanken, dass die
Werke und Briefe Thomas Manns nicht nur in der Bundesrepublik im S. Fischer Verlag, sondern auch in
der DDR im Aufbau Verlag erschienen. Legendär ist die Anekdote, wonach Janka das Honorar mangels
Devisen in Form eines Pelzmantels auszahlte. Als Janka am 6. Dezember 1956 verhaftet wurde, setzte sich
Katia Mann wie viele Intellektuelle erfolglos für ihn ein. Nach einem Schauprozess wurde Walter Janka
„als unmittelbarer Hintermann und Teilnehmer einer konterrevolutionären Gruppe“ am 26. Juli 1957 zu
fünf Jahren Haft verurteilt, die er u.a. im Zuchthaus Bautzen absaß. Am 23. Dezember 1960 wurde er
wegen internationaler Proteste vorzeitig aus der Haft entlassen. Mit Berufsverbot belegt und in der Haft
schwer erkrankt, stand Janka vor dem Nichts. In diese Zeit fallen die hier vorliegenden Briefe, die Katia
Mann an Johannes von Guenther schrieb. Guenther, als Herausgeber und Übersetzer russischer Klassiker
selbst Autor des Aufbau Verlages, zählte wie Katia Mann zu den Fürsprechern Walter Jankas. Das
bezeugen die Briefe und Ansichtskarten, die Katia Mann von 1960 bis 1966 an Johannes von Guenther
schrieb, ebenso wie die detailreichen Gegenbriefe, die der Korrespondenz in Durchschlägen beigefügt ist.
Sie werfen ein eindrucksvolles Licht auf die durch den Schauprozess und die Haft verursachte prekäre
Lage Walter Jankas, die damit verbundenen Hintergründe sowie auf das kulturpolitische Klima in der
DDR in der späten Phase der Ära Ulbricht.
Ein weiterer roter Faden, der die sehr offene, freundschaftliche und inhaltsreiche Korrespondenz zwischen
Katia Mann und Johannes von Guenther durchzieht, ist die gesundheitliche Situation Erika Manns, die
sich von einem Oberschenkelhalsbruch im September 1960 und diverser darauffolgender Krankheiten
nicht mehr erholte. „Meine Krankheiten liegen miteinander im Kalten Krieg“, schrieb Erika Mann 1962 an
Paul Citroën. Wie treffend diese Aussage war, zeigen die im Folgenden angebotenen Briefe.
Mann, Katia, geb. Pringsheim, Ehefrau Thomas Manns (1883-1980). 13 eigenh. Briefe mit U., 3 eigenh.
Postkarten mit U. sowie 4 masch. Briefe mit eigenh. U. Kilchberg am Zürichsee, St. Moritz, Forte dei
Marmi, Pontresina und Oxford, 1. X. 1960 bis 15. V. 1966. Verschiedene Formate. Zus. ca. 42 Seiten. Beiliegen: 26 Gegenbriefe Guenthers (Typoskript-Durchschläge). Ohne Ort, 7. II. 1960 bis 22. VI. 1966
Qu.-Gr.-8°. Zus. ca. 49 Seiten.
Gesamtpreis (bis 1. Februar 2016): 6.500 Euro
***
Im Einzelnen:
1. Mann, Katia, geb. Pringsheim, Ehefrau Thomas Manns (1883-1980). Masch. Brief mit eigenh.
Korrekturen und eigenh. U. „Katia Mann“. Kilchberg am Zürichsee, Alte Landstrasse 39, 1. X. 1960. Gr.8°. 2 Seiten mit Briefkopf „Frau Thomas Mann“
250.An Johannes von Guenther: „[…] Dass es mit Ihrer Gesundheit nicht recht nach Wunsch geht, höre ich mit Bedauern,
und die arme Frau Janka wird es wahrscheinlich noch mehr bedauern. Hatten Sie nicht eigentlich die Absicht, nach
Niederbayern zu ziehen? Mir ist doch ganz so, als ob sie mir einmal von einem solchen Plan geschrieben hätten. Dass
für Janka noch irgend etwas zu erreichen ist, scheint mir leider ganz ausgeschlossen. Es handelt sich ja jetzt auch nur
noch um 14 Monate, aber man kann nicht wissen, ob seine Gesundheit so lange aushält. Vor einigen Wochen hatte ich
Besuch von einem jungen Mann, der auch in jenen Prozess verwickelt war, aber mit drei Jahren davonkam. Dieser
recht sympathische, von seiner Gattin begleitete Mann berichtete mir, dass leider die Vergünstigungen, die Walter bis
jetzt mit Rücksicht auf seine Gesundheit bekommen hätte, zurückgezogen worden seien, weil er sich in unweiser Art
trotzig und renitent betrage. Das ist in der Tat ausserordentlich beklagenswert und bei dem prekären Zustand seiner
Gesundheit geradezu lebensgefährlich. Ich habe versucht durch Briefe an verschiedene massgebende Stellen
Wiedergewährung der Erleichterungen zu erreichen. Eine Antwort habe ich nicht bekommen, aber es ist ja denkbar,
dass man dennoch der Zuchthausdirektion in diesem Sinne einen Wink gegeben hat. […]“.
2. Mann, Katia, geb. Pringsheim, Ehefrau Thomas Manns (1883-1980). Eigenh. Brief mit U. „Katia
Mann“. Kilchberg am Zürichsee, Alte Landstrasse 39, 11. XI. 1960. Gr.-8°. 3 Seiten mit Briefkopf „Frau
Thomas Mann“
600.-
An Johannes von Guenther: „[…] Längst wollte ich Ihnen schreiben, um Ihnen für Ihre russische Anthologie zu
danken, die sich schon seit einer Reihe von Tagen in meinen Händen befindet. Die Zusammenstellung und
Übersetzung dieser Meister-Erzählungen ist wahrhaft eine imponierende Leistung. Nur bei einer Kenntnis der
russischen Literatur, wie sie nicht viele besitzen, konnte ein solcher Band zustande kommen, und soweit ich es
beurteilen kann, ist Ihnen das Werk vollkommen gelungen. […] Ich bin seit vielen Wochen sehr in Anspruch
genommen durch einen schweren Unfall meiner Tochter Erika: nach knapp überstandener Grippe hatte sie im
Badezimmer eine Ohnmachtsanwandlung, fiel hin, so unglücklich, dass sie einen schweren Schenkelhalsbruch erlitt.
Seit über sechs Wochen liegt sie nun im Hospital und leider scheint die Heilung nur äusserst langsam fortzuschreiten.
Das Krankenhaus liegt mehr als 15 km entfernt, und ich besuche sie täglich, und mit allen meinen Verpflichtungen bin
ich in bedrückendem Rückstand. Von Frau Janka hatte ich, nach längerer Pause, wieder einmal einen Brief mit Bericht
über ihren letzten Besuch Besuch [sic] bei Walter. Sie schrieb, er habe diesmal so gut ausgesehen wie seit Langem
nicht. Vielleicht haben meine beiden Briefe – auf die ich nie eine Antwort bekommen habe – doch als die Wirkung
gehabt, dass man ihm die entzogenen Vergünstigungen wieder gewährt hat. Dass er bei der Amnestie berücksichtigt
wird, daran habe ich nie geglaubt, und sicher wird gerade dies letzte Jahr am schwersten zu überstehen sein. […]“.
3. Mann, Katia, geb. Pringsheim, Ehefrau Thomas Manns (1883-1980). Eigenh. Brief mit U. „Katia
Mann“. Kilchberg am Zürichsee, Alte Landstrasse 39, 5. I. 1961. Gr.-8°. 3 Seiten
600.An Johannes von Guenther: „[…] Umgehend beantworte ich Ihren Brief vom 3. Januar, und ich brauche kaum zu
sagen, wie sehr Ihre Nachrichten über Janka mich gefreut und erleichtert haben. Es mag nun dort vielleicht doch ein
etwas anderer Wind wehen, denn alle früheren Schritte zu seinen Gunsten sind doch immer an Ulbrichts Widerstand
gescheitert. Wie sich seine Zukunft nun gestalten wird, ob die Möglichkeit zu einigermassen würdiger Existenz
drüben ihm geboten werden kann, bleibt abzuwarten. Wie ich ihn kenne, glaube ich, dass er keine Neigung hat, „Ostflüchtling“ zu werden. Aber ihn dem Zuchthaus entronnen und wohlbehalten bei den Seinen zu wissen, ist jedenfalls
ein [sic] beglückende Vorstellung. – Ein wenig wundert es mich, keine direkte Nachricht von dem herrlichen Ereignis
durch Frau Lotte erhalten zu haben, mit der ich doch all die Jahre, die sie so bewundernswert getragen, in stetigem
Kontakt stand. Aber vielleicht empfiehlt es sich im Augenblick, möglichst wenig ins Ausland zu schreiben. […] Meine
Tochter Erika ist leider, nach mehr als einem Vierteljahr, immer noch in der Klinik. Kleine Fortschritte sind nun
wenigstens zu verzeichnen, aber die Heilung ist noch immer in ferner Sicht. […]. Wenden! Eben kommen express
ausführliche, überglückliche Briefe von beiden Jankas. Das ist wirklich eine ganz grosse Freude. Wenn er nun
vorsichtig genug sein wollte! Schon in diesem Brief stehen Äusserungen, die er besser unterlassen hätte, und natürlich
wird er doch genau überwacht.“
4. Mann, Katia, geb. Pringsheim, Ehefrau Thomas Manns (1883-1980). Eigenh. Brief mit U. „Katia
Mann“. Kilchberg, 21. II. 1961. Gr.-8°. 2 Seiten
400.An Frau von Guenther, dessen Mann erkrankt ist: „[…] ich hatte selbst allerlei Sorgen, vor allem mit meiner Tochter
Erika, die sich von einem schweren Unfall, mit dem sie vier Monate in der Klinik lag, nun sehr langsam erholt. Aber
ich habe oft an Sie beide gedacht und hoffe so sehr, dass die Operation möglich war und glücklich überstanden ist. […]
Von Jankas hatte ich einmal eine Ansichtskarte aus der Winterfrische, die leidlich vergnügt aber doch auch irgendwie
besorgt klang. Zwei Sendungen, die längst eingetroffen sein müssen, haben sie mir auch nicht bestätigt, und das wäre
doch immer ein Anlass, unauffällig einen etwas ins Bild zu setzen. Der einzige Brief, den ich von Janka kurz nach
seiner Entlassung erhielt, war keineswegs mit der nötigen Vorsicht abgefasst, und ich fürchte immer, er bringt sich
wieder in Ungelegenheiten […]“.
5. Mann, Katia, geb. Pringsheim, Ehefrau Thomas Manns (1883-1980). Eigenh. Brief mit U. „Katia
Mann“. St. Moritz, Chantarella House, 17. III. 1961. Gr.-8°. 2 Seiten auf gedrucktem Hotel-Briefpapier
400.An Johannes von Guenther, Urlaubsgrüße und Genesungswünsche nach überstandener Operation: „[…] Von Janka
einmal einen ausführlichen Brief. Hinsichtlich seiner Zukunft ist er offenbar noch recht ratlos, und auch
gesundheitlich scheint es, nach der ersten freudigen Erregung, etwas zweifelhaft zu stehen. Unter allen Umständen
wäre es nicht einfach, sich nach der langen Haft in ein normales Berufs- und Familienleben einzufügen […]“.
6. Mann, Katia, geb. Pringsheim, Ehefrau Thomas Manns (1883-1980). Masch. Brief mit eigenh. U.
„Katia Mann“. Kilchberg, 19. V. 1961. Gr.-8°. 2 Seiten
250.An Johannes von Guenther, Bericht über einen Urlaub bei Elisabeth Mann-Borgese und den Enkelkindern in Italien,
samt Badeunfall, sowie über Walter und Lotte Janka: „[…] Kürzlich hatte ich einen Brief von Janka, in West-Berlin
aufgegeben, aber dennoch mit offenbarer Vorsicht geschrieben. Er klang recht trübe. Man hat ihm bündig erklärt, dass
er in seinem früheren Beruf nicht tätig sein dürfe und soweit nur unzumutbare Tätigkeiten angeboten. Auch klagt er
über seine Gesundheit. Nun haben Sie, wie er mir erzählt, die Freundlichkeit gehabt, Jankas zu Ihrem 75. Geburtstag
einzuladen. Für Walter schliesst sich die Reisebewilligung von vorneherein aus, für Lotte hoffte er noch, ich fürchte
vergebens. Sollte sie aber kommen können, so würde sie sehr gerne auch mich sehen. Dass sie die Einreise in die
Schweiz mit ihrem ostdeutschen Pass bekommt, ist leider mehr als unwahrscheinlich, dazu bedarf es hierzulande
langwieriger Vorbereitungen. Wir könnten uns aber vielleicht in Konstanz treffen. Janka bittet mich, Ihnen zu sagen,
Sie möchten keinesfalls von Lottens Schweizer Plan brieflich etwas verlauten lassen, da man sich begreiflicher Weise
sehr für seine Korrespondenz interessiere. Grösste Vorsicht ist offenbar geboten, aber leider wird wohl aus dem
ganzen Plan nichts werden. […]“.
7. Mann, Katia, geb. Pringsheim, Ehefrau Thomas Manns (1883-1980). Masch. Brief mit eigenh.
Korrektur und eigenh. U. „Katia Mann“. Kilchberg am Zürichsee, Alte Landstrasse 39, 10. VI. 1961. Gr.8°. 2 Seiten mit Briefkopf „Frau Thomas Mann“
250.An Johannes von Guenther: „[…] Es war mir eine Freude, Sie beide einmal wiederzusehen und besonders den guten
Zustand Ihrer Gesundheit feststellen zu können. Gerne hätte ich Ihre Rückkehr nach Konstanz abgewartet, aber
infolge Ihrer Verspätung, und da ich versprochen hatte, meinen jüngeren Enkel um vier Uhr an seiner Schule in
Kefikon abzuholen, liess es sich leider nicht einrichten. Erfreulich waren mir auch meine Eindrücke von Lotte Janka.
Abgesehen von ihren weissen Haaren (die ihr übrigens gut stehen und die eine Familieneigentümlichkeit sein sollen)
sieht sie über Erwarten gut aus, und auch Ihre Berichte über Walter scheinen mir eher günstig. Wie auch Sie war ich
der Meinung, dass die Familie am besten bleibt, wo sie ist, sich möglichst ruhig verhält und die weitere Entwicklung
abwartet. Die Art, wie man Walter entlassen hat, und auch, wie man sich um ihn kümmert, spricht doch dafür, dass er
dort irgend einen Protektor hat. Meine einzige Sorge ist, dass im Fall einer Aenderung des Status von Berlin das
Verlassen der D.D. R., wenn es denn doch angezeigt erscheinen sollte, wohl ausserordentlich erschwert sein würde.
Aber so schnell wird das alles ja keinesfalls gehen […]“.
8. Mann, Katia, geb. Pringsheim, Ehefrau Thomas Manns (1883-1980). Eigenh. Ansichtskarte mit U.
„Katia Mann“. Forte dei Marmi, Via Raffaelli, 20. VII. 1961. 1 Seite
200.An Johannes von Guenther: „[…] nun einen herzlichen Gruss aus dieser schönen Gegend, wo ich, wie alljährlich
einige erholsame Wochen bei Tochter und Enkelinnen verbring. Auf die neuen Produktionen bin ich neugierig, höre
aber mit Bedauern von den noch immer bestehenden lästigen Störungen, die sich hoffentlich doch allmählich geben
werden, sodass die Schweizer Reise stattfinden kann. […]“.
9. Mann, Katia, geb. Pringsheim, Ehefrau Thomas Manns (1883-1980). Masch. Brief mit eigenh. U.
„Katia Mann“. Kilchberg am Zürichsee, Alte Landstrasse 39, 9. XII. 1961. Gr.-8°. 2 Seiten mit Briefkopf
„Frau Thomas Mann“
250.An Johannes von Guenther, über gesundheitliche Probleme, Editionsvorhaben und weiter über Walter Janka: „[…]
Ihre persönlichen Nachrichten klangen trotz allem ganz erfreulich, und ich freue mich sehr auf die TschechowAusgabe und die folgenden Klassiker-Ausgaben der grossen Russen. Es ist wirklich schön, dass dies zustande
gekommen ist, und an solche erfreuliche Einzelerscheinungen soll man sich halten. Von Walter Janka hatte ich auch
kürzlich einen beruhigend klingenden Brief. Er scheint mir nun doch die so unbedingt gebotene Vorsicht zu beachten,
und hat grosse Freude an seinen Kindern. Für Ihre unermüdliche Teilnahme ist er Ihnen offenbar unendlich dankbar.
[…]“
10. Mann, Katia, geb. Pringsheim, Ehefrau Thomas Manns (1883-1980). Eigenh. Brief mit U. „Katia
Mann“. Kilchberg, 8. I. 1962. Gr.-8°. 2 Seiten
400.An Johannes von Guenther, über einen Aufenthalt in Italien bei der Tochter Elisabeth Mann-Borgese und dessen
Lungenerkrankung, verbunden mit Neujahrswünschen und Bemerkungen zu Johannes von Guenthers soeben
erschienener „Kleinen Russischen Bibliothek“: „[…] Das ist doch prächtig, dass Ihr gewaltiges Übersetzungswerk nun
so zusammengefasst uns zugänglich gemacht wird, und ich bin nun auf lange mit interessanter Lektüre versehen.
[…]“.
11. Mann, Katia, geb. Pringsheim, Ehefrau Thomas Manns (1883-1980). Eigenh. Brief mit U. „Katia
Mann“. Kilchberg, 16. IV. 1962. Gr.-8°. 2 Seiten
400.An Johannes von Guenther, über dessen „Kleine Russische Bibliothek“, den kritischen Gesundheitszustand Erika
Manns und die Lebensumstände Walter Jankas: „[…] Ausserdem hatte ich all diese Monate Sorge um meine Tochter
Erika, deren schlimmer, nun schon anderthalb Jahre zurückliegender Schenkelhals-Bruch sich, nachdem die Heilung
schon weit vorangeschritten schien, ständig verschlechterte, so dass sie nur noch mühsam auf Krücken gehen konnte,
ohne dass die Ärzte die Ursache herausfinden konnten. Schliesslich, viel zu spät, stellte sich heraus, dass sich eine
sogenannte ‚Kopf-Nekrose‘ gebildet hatte, und vor wenigen Tagen hat sie sich in St. Gallen, wo es einen
hervorragenden orthopädischen Chirurgen gibt, einer schweren Operation unterzogen. Ich pendle infolgedessen
augenblicklich zwischen Zürich und St. Gallen. Besonders danke ich noch für die Nachrichten über Jankas, die unter
den immer unerfreulicher werdenden Verhältnissen ja einigermassen beruhigend klangen. Ich will ihnen demnächst
schreiben, bin leider mit allem im Rückstand. […]“
12. Mann, Katia, geb. Pringsheim, Ehefrau Thomas Manns (1883-1980). Eigenh. Brief mit U. „Katia
Mann“. Kilchberg am Zürichsee, Alte Landstrasse 39, 16. VII. 1962. Gr.-8°. 2 Seiten mit Briefkopf „Frau
Thomas Mann“
500.An Johannes von Guenther, Reaktion auf dessen Bericht über einen Besuch in Berlin und bei Walter Janka, ferner
über Erika Manns Krankheitsgeschichte sowie über die Lektüre des „Leskows“ und der „Kleinen Russischen
Bibliothek“: „[…] Was Sie über Jankas berichten, klingt ja einigermassen beruhigend. Ich hatte kürzlich auch einen
Brief von den beiden, ähnlichen Sinnes. Nun habe ich auch immer die Besorgnis, dass Walter eine Unvorsichtigkeit
begehen und neues Unheil auf sich herab beschwören könnte. Und das Ganze wäre natürlich schrecklich. […] Leider
habe ich aber immer noch Kummer mit Erika. Der Erfolg der schweren Operation von Ostern scheint noch immer
zweifelhaft, und dazu stellen sich ständig neue Komplikationen ein, so dass die Heilung nicht abzusehen ist. Abends
im Bett lese ich seit einigen Tagen in Ihrem Leskow-Band und habe grosse Freude daran. Auch auf die Kleine
Russische Bibliothek greife ich immer wieder zurück. Mit Ihrer Mittlertätigkeit auf diesem Gebiet, die ein so
ungeheures Mass an Arbeit und Einfühlung darstellt, haben Sie sich wahrhaft ein bleibendes Verdienst erworben.
[…]“
13. Mann, Katia, geb. Pringsheim, Ehefrau Thomas Manns (1883-1980). Eigenh. Ansichtskarte mit U.
„Katia Mann“. Park Hotel, Pontresina, 30. XII. 1962. 1 Seite
200.An Johannes von Guenther: „[…] Das Jahr soll nicht zu Ende gehen, ohne einen herzlichen Neujahrs-Gruss von mir.
Möchte 1963 uns alles Besseres bringen, in jeder Beziehung. Bei uns gab es auch verschiedene Krankheiten und
Missgeschicke. Aber jetzt erhole ich mich hier oben mit Kindern und Kindeskindern. […]“.
14. Mann, Katia, geb. Pringsheim, Ehefrau Thomas Manns (1883-1980). Eigenh. Brief mit U. „Katia
Mann“. Kilchberg am Zürichsee, Alte Landstrasse 39, 2. II. 1963. Gr.-8°. 2 Seiten mit Briefkopf „Frau
Thomas Mann“
400.An Johannes von Guenther, u.a. über die politische Situation in der DDR und Walter Janka: „[…] Die Läufte können
einem auch nicht froh stimmen. Chrustschov hat den elenden Ulbricht fester als je in den Sattel gesetzt, und bessern
können die Verhältnisse sich fort für absehbare Zeit nicht. Hoffentlich üben unsere Freunde weiter weise
Zurückhaltung. Hauptzweck dieses Schreibens ist, Ihnen für die Kleine Russische Bibliothek zu danken; […] Sie
haben sich durch diese Sammlung, die mit so viel Kenntnis und sicherem Geschmack zusammengestellt ist und
teilweise fast unbekannte Autoren den Deutschen nahe bringt, ein grosses, bleibendes Verdienst erworben, von der
Kunst Ihrer Übertragungen zu schweigen. […]“
15. Mann, Katia, geb. Pringsheim, Ehefrau Thomas Manns (1883-1980). Eigenh. Brief mit U. „Katia
Mann“. Kilchberg am Zürichsee, Alte Landstrasse 39, 16. XII. 1963. Gr.-8°. 3 Seiten mit Briefkopf „Frau
Thomas Mann“
600.An Johannes von Guenther, Dank für die Zusendung von Guenthers Tschechow-Edition sowie ausführlich und
sorgenvoll über Erika Manns Gesundheitszustand: „[…] Vor allem macht mir der Zustand meiner Tochter Erika
Sorge, der sich gar nicht bessern will. Zwei Monate hat sie sich in Wien einen sehr anstrengenden Injektions-Kur
unterzogen, nachdem die hiesigen Ärzte wirklich gar nichts ausrichten konnten. Ich habe sie zweimal dort besucht
[…] Seit über einem Monat liegt sie nun zuhause und kann nur mühsam an zwei Krücken ein paar Schritte tun.
Gerade in den letzten Tagen kam Dr. Ackermann aus Wien hin, und er konnte nun doch eine leichte Besserung im
Zustand der Knochen feststellen, sodass wir mit einiger Zuversicht auf eine, wenn auch sehr langsame
Wiederherstellung der Beweglichkeit rechnen dürfen. […]“
16. Mann, Katia, geb. Pringsheim, Ehefrau Thomas Manns (1883-1980). Eigenh. Brief mit U. „Katia
Mann“. Oxford, Randolph Hotel, 13. VI. 1964. Gr.-8°. 3 Seiten mit Briefkopf des Hotels
600.An Johannes von Guenther, ausführlich über Erika Mann und deren gesundheitliche Probleme, mit der Katia Mann
zwecks orthopädischer Behandlung in Oxford weilte, sowie, lapidar, über Walter Janka und dessen Situation: „[…] ich
hatte allerlei Sorgen, vor allem mit meiner Tochter Erika, deren Zustand sich gar nicht bessern wollte. Seit vier
Wochen bin ich nun hier in Oxforde, wo wir uns an einen besonders hoch gepriesenen Orthopädischen Chirurgen,
den Chef der hiesigen Orthopädischen Klinik, gewendet hatten. Vor vierzehn Tagen hat er nun eine offenbar sehr
komplizierte und langwierige Operation des Hüftknochens vorgenommen, und in Anbetracht seines Rufes darf man
wohl hoffen, dass sie geglückt ist. Zunächst waren die Konsequenzen jedenfalls sehr schmerzhaft, aber der Zustand
bessert sich jetzt allmählich. Erika muss sicher noch eine Reihe von Wochen in der Klinik bleiben […] Ihre
Nachrichten über die Freunde Janka sind offenbar, in den Grenzen des Möglichen, befriedigend. Ich glaube, sie haben
auch viel Freude an den Kindern. […]“.
17. Mann, Katia, geb. Pringsheim, Ehefrau Thomas Manns (1883-1980). Eigenh. Ansichtskarte mit U.
„Katia Mann“. Forte die Marmi, 26. VIII. 1964. 1 Seite
200.An Johannes von Guenther: „[…] Ihr Brief vom 20. erreicht mich hier oben, morgen flige ich zurück, nach einem
angenehmen, erholsamen Aufenthalt. Die nächsten Monate bin ich dann bestimmt in Kilchberg und hoffe auf das
Wiedersehen mit dem neuen Wagen. Die Dünndruck-Ausgabe von Leskow habe ich nicht bekommen; es ist ja
möglich, dass sie während meiner Abwesenheit (seit 30. Juli) eingetroffen ist. – Meinen Glückwunsch zur Ihrer
phantastischen Aktivität! […]“.
18. Mann, Katia, geb. Pringsheim, Ehefrau Thomas Manns (1883-1980). Eigenh. Brief mit U. „Katia
Mann“. Kilchberg am Zürichsee, Alte Landstrasse 39, 23. XI. 1964. Gr.-8°. 2 Seiten mit Briefkopf „Frau
Thomas Mann“
400.An Johannes von Guenther, mit herzlichen Genesungswünschen nach langwieriger Krankheit und Lob für Guenthers
Übersetzertätigkeit: „Ihre Leistungsfähigkeit, Ihre garnicht hoch genug zu schätzende Mittlertätigkeit ist wahrhaft
erstaunlich […]“, ferner über Erika Mann und deren langwierige Krankengeschichte: „[…] denken Sie, zu Ihrem
Trost, nur an meine arme Tochter Erika. Zu Pfingsten flogen wir nach England, wo sie von einem, als absolut
hervorragend gepriesenen orthopädischen Chirurgen, zum dritten oder vierten Mal, operiert werden sollte. Diese
Operation war nicht nur ein vollständiger Fehlschlag, sondern ihr Zustand hat sich dermassen verschlechtert, dass sie
seitdem ganz hilflos auf dem Rücken liegt, und es ist garnicht abzusehen, wann eine Besserung eintreten und wann sie
das Spital verlassen kann. Sie können sich denken, dass diese Sorge mich schwer bedrückt. Mir persönlich geht es ja
sonst in Anbetracht meines ehrwürdigen Alters ganz ordentlich […].“
19. Mann, Katia, geb. Pringsheim, Ehefrau Thomas Manns (1883-1980). Eigenh. Brief mit U. „Katia
Mann“. Kilchberg am Zürichsee, Alte Landstrasse 39, 14. IX. 1965. Gr.-8°. 1 ½ Seiten mit Briefkopf „Frau
Thomas Mann“
300.An Johannes von Guenther, Genesungswünsche und eine Einladung in die Schweiz.
20. Mann, Katia, geb. Pringsheim, Ehefrau Thomas Manns (1883-1980). Eigenh. Brief mit U. „Katia
Mann“. Kilchberg am Zürichsee, Alte Landstrasse 39, 15. V. 1966. Gr.-8°. 3 Seiten mit Briefkopf „Frau
Thomas Mann“
600.An Johannes Guenther, interessanter und inhaltsreicher Brief über Walter Janka und Klaus Gysi, dessen neuer
Position, seinem Verhältnis zum Aufbau Verlag und den Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Veröffentlichung
von Band 3 der Thomas-Mann-Briefe in der DDR: „[…] Von Herzen gern würde ich Ihren Janka betreffenden
Wunsch bei dem von Ihnen vermutlich mit Recht als abscheulich bezeichneten Gysy unterstützen; ich muss aber
befürchten, dass ich damit garnichts ausrichten, ja womöglich sogar schaden würde. Vor einer Reihe von Wochen
habe ich ihm einen äusserst artigen Brief geschrieben, ihn zu seiner wichtigen neuen Position beglückwünscht und, in
der berechtigten Annahme seiner fortbestehenden Verbindung mit dem Aufbau-Verlag, gefragt, ob wohl Pläne
hinsichtlich des dritten (letzten) Briefbandes bestünden. Auf diesen Brief ist bis heute keinerlei Antwort erfolgt, auch
nicht einmal eine Bestätigung durch sein Sekretariat. So kann ich mir von meiner Fürsprache [für Walter Janka) nicht
den geringsten Erfolg versprechen, und die dem unguten Wind, der offenbar dort jetzt weht, würden wohl auch Sie
nichts erreichen. […]“.
***
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