Essekerische Texte als soziokulturelle Momentaufnahmen

Essekerische Texte als soziokulturelle Momentaufnahmen
Velimir Petrović
Eines der kulturellen Merkamle der Stadt Osijek ist ihre heute fast
ausgestorbene, aus mehreren deutschen Mundarten mit starker Beteiligung der
Kontaktsprachen, vor allem der österreichischen Umgangssprache, des
Kroatischen, Serbischen, Ungarischen, Jiddischen entstandene Mischsprache1.
Sie – Essekerisch2 genannt – fungierte als Verständigungsmittel zwischen den
Angehörigen unterschiedlicher ethnischer Gruppen. Ein Kuriosum des
Essekerischen besteht darin, dass sich die Esseker beim Austausch schriftlicher
Mitteilungen der kroatischen Schrift bedienten. Dies taten auch die Autoren der
essekerischen Texte in der Überzeugung, der Gebrauch der deutschen Schrift
würde die Echtheit des Essekerischen wesentlich beeinträchtigen. Wie der
Gebrauch der kroatischen Schrift aussieht, zeigt uns folgender Beleg aus dem
Jahr 1929:
– Au… pist˙tu3 elekant, “Liza”.
– Vos˙hast elekant?
– Pa sou a fains Klad 4 host.
– Tos is mains… fun furign Sumar.
– Jo Šmiakas… mia vilst˙ta faceln.
– Oba losta toh sogn … tos hop ih prevendat losn… pa an noublišn Šnajda af ta Ritfala.5
(Die Liza Pekmezova bei der Wahrsagerin. In: Lujo Plein I, S. 9)
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Ausführlicheres zur Entstehung und zur Struktur des Essekerischen findet der Leser in Petrović 1994,
1995 u. 1998.
Den standardsprachlichen Bezeichnungen “Esseg” und “Esseger” für “Osijek” und “Osijeker”
entrsprechen im Essekerischen: “Essek” und “Esseker”.
Das Zeichen ˙ signalisiert (inkonsequent) bei Plein die Junktur zwischen den Bestandteilen eines
syntaktischen Konstruktes, die beim Sprechen nicht realisiert wird, was die Auslassung eines Lautes
zur Folge hat (hier z. B. [’pistu] statt [pist tu]).
Ungeschulte Esseker schrieben nach den Regeln der kroatischen Rechtschreibung die Substantive
klein, mit Ausnahme der Eigennamen. Plein hingegen schreibt sie groß, um dem des Kroatischen nicht
mächtigen deutschen Leser die Lektüre seiner Texte zu erleichtern.
– Au… bist du elegant, Lisa (Luise)!
– Was heißt elegant?
– Pa (kr. Modalpertikel ‘na ja’) so ein feines Kleid hast du.
– Das ist meins … von vorigem Sommer.
– Ja, Schmierkäse… mir wllst das erzählen.
– Aber lass dir doch sagen… das hab ich prevendati (‘umwenden’, kr. Wortbildungsmorphem pre‘um-’ + dt. wend(en) + kr. Wortbildungsmorphem -a + kr. Infinitivendung -ti) lassen… bei einem
noblischen (noblen) Schneider auf der Ritfala (Retfala – früher ein Dorf, jetzt Stadtteil von Osijek).
Die bestehenden Texte in essekerischer Mundart stammen von vier gebürtigen
Osijekern: Lujo Plein, Vladimir Hafner, Ernest Dirnbach und Miroslav
Stilinović. Auf ihre soziokulturelle Aktualität wird im Folgenden hingewiesen.
Lujo Plein
In der Zeitspanne 1929-1938 veröffentlichte der Osijeker Publizist LUJO
PLEIN unter dem Titel Die essekerische Sprechart fünf schmale Hefte mit
insgesamt 56 auf den Osijekrer Gassen “abgelauschten” und mit faszinierendem Erfolg graphisch festgehaltenen Gesprächen zusammen mit zwei
literarischen Versuchen “Čingilingičarda”6 und “Der Briefträger Anton”.
Die Handlung dieser Momentaufnahmen vollzieht sich in unterschiedlicher
Umgebung: auf der Straße, im Kino, auf dem Marktplatz, im Park, im Theater,
am Strand, in der Kneipe, im familiären Kreis der eigenen vier Wände. Plein
lässt darin Hausfrauen und Fabrikarbeiterinnen, Bettler und Betrüger,
Vagabunde und Kriminelle, Prostituierte und Kupplerinnen, sich des Lebens
Freuende und von dessen Realität Enttäuschte, Junge und Alte, Gesunde und
Kranke, Verliebte und Zerstrittene, Ehrliche und Scheinheilige zu Wort
kommen. Sie zerreißen sich das Maul über all und jedes, sobald sie eine
Gelegenheit dazu finden. Familiäre Verhältnisse, zwischenmenschliche
Beziehungen, Arbeit und Vergnügung, Kriminalität, Aberglaube des einfachen
Menschen, seine Angst um die Existenz im Zeitalter des technischen
Fortschritts, Auswanderung nach Übersee – dies u. a. m. sind die
Gesprächsthemen im alltäglichen Leben des Osijeker Proletariats,
Im Vordergrund steht die Unzufriedenheit der Frau mit ihrer untergeordneten
Rolle in Gesellschaft und Familie. Am eindrucksvollsten kommt sie zum
Ausdruck in Viktorias Reaktion auf die Bemerkung ihres für seine 35-jährige
Mitgliedschaft in der örtlichen Feuerwehr ausgezeichneten Mannes, dass
“Menas Auscajhnungan ana Frau net cutreifn”7:
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Name eines einst als Gauner-Nachtasyl bekannten Gasthauses in der Umgebung Osijeks.
Männerauszeichnungen einer (‘auf eine’) Frau nicht zutreffen.
Jo, mia Vajba kenan ajh nua ti Kinda gebean. Evig sama curikštelt. Nua fias Rakan,
Šindn suagn, fia tas sama kut. Tos fagolt am tos leibm.8
(Briefträger Anton. In: Plein II, S. 38)
Außerordentlich delikat ist die Lage der Frau, wenn sie bemekt, dass ihr Mann
mit einer anderen Frau anbändelt. Dann versucht sie alles Mögliche, um ihn nur
für sich zu behalten. In diesem Bestreben steht der Essekerin eine Wahrsagerin
mit Rat und Tat zur Seite. So hilft sie z. B. einer um ihre Zukunft besorgten, im
Ehebett vernachlässigten, naiven Essekerin:
– Pringans ma fun ina Mon a Gačahouzn, to veari im traj fašidani Knipf ims Pandl mohn.
Ton sula ken makar cuda remlatigsti Šari, to kenans siha sajn, te jaugt im polt cum Tajfl!
– Jo, oba vos is ton mit mia??? Veada ma traj plaibn?
– Ha vona cu ina kumt, cigans im holt tos Gačapandl raus!
– Ton išun kut, vons nua a sou is!9
(Bei der Vorbeterin. In: Plein III, S. 7)
An die Wahrsagerin wenden sich auch neugierige, heiratsreife Mädchen, um zu
erfahren, was ihnen bevorsteht: ob und wen sie heiraten werden, was für
materielle Verhältnisse ihnen vom Schicksal bestimmt sind, ob der
Außerwählte ihnen treu ist. Dabei werden sie wie z. B. in “Lenčimams10
Erzählung über Weihnachtszauber” (Plein III, S. 9) unterrichtet, was sie selbst
tun sollten, damit ihre Neugier befriedigt wird:
Oba heats nua cu Madln! Kends ten Prauh? Ma nemt traj Fizuln, a gonci, a holbat
kšelti unt a gonc opkšelti unt šteikt si untan Pulsta. Ton, vima šun sogt, šloft ma trauf,
unt am Muaring cigt ma mida linkn Hond ani raus. Tavišt ma ti unkšelti, – ton hodmas
olas kudi im neikstn Joa. Takrapšt ti holbat kšelti, onda bit će, vi·ma sogt, onkšisn! Unt
takraifst ti gonc nokatige Fizuln, to plajpst a Peidlfouc, vima tos šun kfleigt cu sogn,
unsan Oaman ans! Fia ajh Madln vaz ih etvos kudas unt tos hast: Kneidl kouhn midi
„švaler-ceidln“. To mohtma, vi·ma sogt, a reglrehtn Kneidltah unt štupst in a jeidi
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Ja, wir Weiber können euch nur die Kinder gebären. Ewig sind wir zurückgestellt. Nur fürs Rackern,
Schinden und Fressen sorgen, für das sind wir gut. Das vergoldet einem das Leben.
– Bringen Sie mir von Ihrem Mann eine Unterhose, dann werde ich ihm drei verschiedene Knüpfe ins
Bandel machen. Dann soll er gehen makar (kr. ‘wenn auch’) zu der geilsten Schari (‘Geliebten’), da
können Sie sicher sein, die jagt ihn bald zum Teufel.
– Ja, aber was ist dann mit mir??? Wird er mir treu bleiben?
– Ha, wenn er zu Ihnen kommt, ziehen Sie ihm halt das Hosenbandel raus!
– Dann ist schon gut, wenn es nur so ist.
Leni-Tant.
Kneidl an Ceidl mid·a Noman fun·a Puašn rajn. Ton nemt ma an Supnsaha unt mit
cukmohti Augn fišt·ma an Kneidl raus unt sigt vi ta Cukimftige hast. Vons traman vulc
fun ajaran Šoc, sou mists traj Očenaš auspetn unt šteikts an Špigl untan Pulsta unt
tramts fun tei vos ajh vean ten Knak umtradn! 11
Frauen aus dürftigen Verhältnissen verdienen oft ihr Brot bei reichen Familien
als Wäscherinnen. Sie fühlen sich in der Regel ausgebeutet und erniedrigt,
denn:
Mit teni gnedign Frauns ksegiart ma sih ti Gol haraus. Niks is ina sauba genuk …
olevajl proudlns unt kštaliarns […] sou rakart ma sih holb tout, riplt sih ti Procn ob
unt nom šoft am sou a milostiva mit an Špiglaj und a Pacl Špinot ob tos kaum tos
Telarrandl padeik.12
(Tos fajne Nohtmol. In: Plein V, S. 7)
Unbestreitbar ist die Rolle der Mutter in Fragen der Kindererziehung, im
Bestreben, ihnen ein Modell des Verhaltens und der Moralauffassung, beizubringen, das nicht gegen die Konvention der jeweiligen Gesellscheft verstößt,
ein Modell also, das u. a. den Diebstahl ausschließt. Was aber bleibt einer
Mutter zu tun, deren Herd kalt ist, weil sie kein Brennholz hat, um ein
Mittagessen zu kochen? Sie schickt ihre Tochter zum Bahnhof, damit diese dort
ein Holzscheit unbemerkt nimmt und nach Hause bringt. Im Moment, als die
Tochter ein Scheit vom Waggon ergrapscht, wird sie vom Bahnwärter ertappt
und muss das Scheit liegen lassen. Zu Hause wird sie von der Mutter
beschimpft:
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Aber hört nur zu, Madeln! Kennt den Brauch? Man nimmt drei Fisolen, eine ganze, eine halb
geschälte und eine ganz abgeschälte und steckt sie unter den Polster. Dann, wie man schon sagt,
schläft man darauf, und am Morgen zieht man mit der linken Hand eine raus. Erwischt man die
ungeschälte, – dann hat man alles Gute im nächsten Jahr. Ergrapscht man die halb geschälte, onda bit
će (kr. ‘dann wird es sein’), wie man sagt, angeschissen! Und ergreifst du die ganz nackte Fisole, dann
bleibst eine Bettelfotze, wie wir Armen das schon gepflegt (haben) zu sagen! Für euch Madeln weiß
ich etwas Gutes und das heißt: Knödel kochen mit den “Schwaler-Zetteln”(‘Liebhaber-Zetteln’). Da
macht man, wie man sagt, einen regelrechten Knödelteig und stupst in einen jeden Knödel einen Zettel
mit einem Namen von einem Burschen rein. Dann nimmt man einen Suppenseiher und mit
zugemachten Augen fischt man einen Knödel raus und sieht, wie der Zukünftige heißt. Wenn ihr
träumen wollt von euerem Schatz, so müsst drei Očenaš (kr. ‘Vaterunser’) ausbeten und steckt einen
Spiegel unter den Polster und träumt von denen, was (‘die’) euch werden den Nacken (‘Hals’)
umdrehen!
Mit diesen gnädigen Frauen sekkiert man sich die Galle heraus. Nichts ist ihnen sauber genug …
allweil brodeln (‘murren’) sie und gstallieren (‘beschimpfen’) sie […] so rackert man sich halb tot,
rippelt sich die Pratzen ab und dann schafft einen so eine milostiva (kr. ‘Gnädige’) mit einem
Spiegelei und einem Patzen Spinat ab, das kaum das Tellerrandel bedeckt.
“Tu pist a Mula , vast, a Mula… hobita net ksogt… sou a grousi Cola… lost sih ten
Šajdl Hulc vekneman!”13
(Villa Amanda. In: Plein II, S. 21)
Als die Tochter ihr aber eine Beule am Kopf vom Prügelstock des Wärters
zeigt, der sie darüber hinaus eine Diebin genannt hat, wendet sie den Pfeil des
Zorns gegen ihn um:
“Sou heakloufana čirkefogo! Ten vea’ihta cagn, vifils kšlogn hot. Azopad nekit!
Voat, bećar, tia šit ih an kupusina Paprika indi Augn, tastas meakst, vonst majn
oamas Kind onkriat host! Azur ištenem!”14
(Villa Amanda. In: Plein II, S. 21)
Ein weiteres Übel, mit dem sich die Esseker konfrontieren, ist der moralische
Zerfall der Gesellschaft. Das beunruhigt den ehrlichen Esseker wie z. B. Anton
und Mischi in “Der Briefträger Anton” (Plein II, S. 32):
Miši: […] Hajtcutog sans kfreisig und pisig, najdiš unt mistrauiš. Ašpoat sih ana sajn
Haklpakl… klajh pringans vos falouganas auf … tamits im nua šodn. A
famaladajtige Prut vokst auf!
Anton: Te hajtign sajn cu kfilidriat unt peisoatig auskrodn … derekt sans fafluht …
ka Heagout … ka niks ekzistiat mea fia si. Nua sou Nariškajtn unt Faruktihkajtn vis
Bioskop unt sunstige mami novce.
Miši: Jo, tos is soua hudribuš Cajt vos ka Oaš unt ka Koupf hot.
Anton: Gout o Gout von unsari Fotans aufštengatn… te mehtn sih čudalni!15
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Du bist ein Muli, weißt, ein Muli […] so ein großer Schafskopf … lässt sich das Scheitel Holz
wegnehmen!
So ein hergelaufener čirkefogo (ungarisch csirke fogó ‘Gauner, Hühnerdieb’ )! Dem werde ich zeigen,
wie viel es geschlagen hat. Azopad nekit! (ungarisch Azopád neked! < Azopád istenét neked ‘zum
Teufel!’ [so Wild 1999] ) Warte, bećar (kr. ‘Bruder Liederlich’), dir schütt ich ein Krautblatt Paprika
in die Augen, dass du es merkst, wann du mein armes Kind angerührt hast. Azur ištenem! (ungarisch
úristenem ). ‘Mein Gott!/Großer Gott!!’ [Wild 1999]).
MISCHI: […] Heutzutag sind sie gefrässig und bissig, neidisch und misstrauisch. Erspart sich einer
sein Hackelpackel… gleich bringen sie was Verlogenes auf … damit sie ihm nur schaden. Eine
vermaledeite Brut wächst auf …
ANTON: Die Heutigen sind zu filutiert (‘schlau’) und bösartig ausgeraten … direkt sind sie verflucht
… kein Herrgott … gar nichts existiert mehr für sie. Nur so Narrischkeiten und Verrücktigkeiten wie
das Bioskop (serbisch ‘Kino’) und sonstige mami novce (kr. ‘was zum Geldausgeben verlockt’)
MISCHI: Ja, das ist so eine hudribusch (‘hudriwusch, hudriwudri’) Zeit, was (‘die’) keinen Arsch und
keinen Kopf hat.
ANTON: Gott o Gott wenn unsere Väter aufstünden… die würden sich tschudalni (kr. čuditi se ‘sich
wundern’).
Auch die Damenmode bietet dem konservativen Esseker Anlass zur Kritik,
denn
“… te narišn Vajba … šnajdn sih ten Kneidl op un šaun aus viti kštucani šlovakn, te
“bezarošn” […] asta vildi Volohaj… Tos Klat rajht inan kaum iban Nopl…
Aufkloaft sajn šun ti ceinjerign vi maškare. Tos homs fundi Mutans, te pucn unt
lickan sih viti drvene Marije. Olastrahont fia Kfras hengans af sih.16
(Der Briefträger Anton. In: Plein II, S. 32 f.)
Dem Entrüsteten bleibt nichts anderes als die resignierte rhetorische Frage:
”Bože … Bože, vu fiat tos nouh hin?!”17
Andererseits erlebt der Esseker die Frau vor allem als Lustobjekt und ist bereit,
jede günstige Gelegenheit zu nutzen, um bei ihr sein Ziel zu erreichen. Davon
ist bei Plein an mehreren Stellen die Rede. So erzählt ein Esseker einem
anderen Esseker im Stil von Boccaccio, was einer gläubigen Essekerin passiert
ist.
As voan inan cva Peitšvestan unt to hot sih ani ta ondran afs hajligste fašprouhn: vea
fun si cva fria šteabt, te cajgt sih ta ondaran im Tram. Ane šteabt ta rihtig kuac tanoh
unt cajgt sih teara im Tram, oba eašt inda tritn Vouhn noh iara Lajht. Fun lauda
Voatn, tas sih iara ta Gaist tut ukazati, hots net šlofn kenan. Ton hot si sih sou an
Šajnhailign baklogt, tas teara iara Gaist net eašajnan vil unt frogt im, visou tos sajn
kon. Tea sogt ia: „Jo, majn libe, tos ket baš net sou šnel mida Seilvondlung. Filajht
hot si sih meararan fašprouhn!! Kens nua šein caus šlofn, oba losns tos Fensta oufn,
tamit ti Seil vondln kon.“ Rihtig. Afamol inda Noht heat si sou trajmol: tik tik tik! An
grousa Engl štrajhlt si unt šmajhlt si iba ti Augn, fišplt ia ins Uavašl rajn: „lzabrana
među anđelima“ Si sogt: „I dostojna sam!“
Afamol veat iara sou helihtig uma ti Augn, lost an Šra: „Joj, Džavo mi metnuo
rogove!“ Neiba iara štet ta Engl unt sogt: „Tu host gezindigt unt as fafolgt tih ta beize
Gaist! Ih erleize tih. Gebenedajt sai ti Fruht.“
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… die närrischen Weiber … schneiden sich den Knödel ab und schauen aus wie die gestutzten
Slowaken … die “Besaroschen” (‘slowakische Leinwandhändler’) […] aus der wilden Walachei. Das
Kleid reicht ihnen kaum über den Nabel ... aufgelarvt (‘aufgeschminkt’) sind schon die Zehnjährigen
wie Karnevalmasken. Das haben sie von ihren Müttern. Die putzen und litzken sich (kr. lickati se ‘das
Äußere mit kossmetischen Mitteln pflegen’) (und sehen aus) wie die hölzernen Marienfiguren.
Allerhand Wertloses hängen sie auf sich.
Gott o Gott, wo führt das noch hin?!
No, unt to hots noha Cviling gabuan. 18
(Freuden und Leiden. In: Plein III, S. 17 f.)
In solchen Verhältnissen ist die Besorgnis manches Vaters um die Zukunft
seines weiblichen Kindes von beachtlicher Intensität. Eifersüchtig ist er auf
jeden jungen Mann, der das Herz seiner Tochter erobern könnte. Am liebsten
würde er sie in einem Glaskasten bewahren, weit von Männerblicken und dem
schlechten Einfluss der Straße, bis sie heiratsreif wird. Außerdem muss der
Außerwählte seiner Erwartung in jeder Hinsicht entsprechen.
– Jo, tas ti Anči to midn Fingerhut Franci rumket, vu ma to im Conk unt Štrajt san…
tes is ma koar net reht. Ven sa sih kan besaran hot findn kenan as ten auskruanan
Grinfric, ton sul si liba voartn. Jecat vu si polt Biargamastas Touhta viart, veards
nouh mear as seiks Brajtigoms af an jedn Finga krign. Vi ti jungan Hundln vearns
tahear klaufn kuman! Unt ibrigens hot si niks faluarn. Mit zipcen Joar hajrot a Madl
net! Im Medicinališn Puh štet jo ausdriklih kšribm: “Tos Madl mus rajf veardn vi ti
Cvečkn am Pam, vajl Kinder kenan kane Kinder krign!!!”19
(Ti evign Moralijen. In: Plein V, S. 14 f.)
Im Gegensatz zum Vater ist die Mutter toleranter und findet immer eine
Rechtfertigung für das Benehmen der Tochter:
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Es waren Ihnen zwei Betschwestern und da hat sich eine der anderen aufs heiligste versprochen: wer
fun ihnen zwei früher stirbt, die zeigt sich der anderen im Traum. Eine stirbt dir richtig kurz danach
und zeigt sich dieser im Traum, aber erst in der dritten Woche nach ihrer Leich. Von lauter Warten,
das sich ihr der Geist tut ukazati (kr. ‘zeigen’) hat sie nicht schlafen können. Dann hat sie sich (bei) so
einem Scheinheiligen beklagt, dass ihr der Geist jener nicht erscheinen will und fragt ihn, wieso das
sein kann. Der sagt ihr: “Ja, meine Liebe, das geht baš (kr. ‘eben’) nicht so schnell mit der
Seelenwandlung. Vielleicht hat sie sich mehreren versprochen!! Gehen Sie nur schön zaus (‘nach
Hause’) schlafen, aber lassen Sie das Fenster offen, damit die Seele wandeln kann.” Richtig. Auf
einmal in der Nacht hört sie so dreimal: tik tik tik! Ein großer Engel streichelt sie und schmeichelt sie
über die Augen, wispelt ihr ins Ohr rein: “Izabrana među anđelima” (kr. ‘Ausgewählte unter den
Engeln’). Sie sagt: “I dostojna sam.” (kr. ‘Bin auch würdig!’)
Auf einmal wird ihr so helllichtig um die Augen, lässt einen Schrei: “Joj. Džavo mi metnuo rogove!”
(kr. ‘Oh weh, der Teufel hat mir Hörner aufgesetzt!’) Neben ihr steht der Engel und sagt: “Du hast
gesündigt und es verfolgt dich der böse Geist! Ich erlöse dich. Gebenedeit sei die Frucht.”
Na, und da hat sie nachher Zwillinge geboren.
Ja, dass die Antschi (Anni) mit dem Fingerhut Franzi rumgeht, wo wir da im Zank und Streit sind …
das ist mir gar nicht recht. Wenn sie sich keinen Besseren hat finden können als den ausgeronnenen
Grünfritz, dann soll sie lieber warten. Jetzt, wo sie bald Bürgermeisters Tochter wird, wird sie noch
mehr als sechs Bräutigams auf einen jeden Finger kriegen … Wie die jungen Hunde werden sie
dahergelaufen kommen! Und übrigens hat sie nichts verloren. Mit siebzehn Jahren heiratet ein Madel
nicht! Im medizinalischen Buch steht ja ausdrücklich geschrieben: “Das Madl muss reif werden wie
die Zwetschke am Baum, weil Kinder können keine Kinder kriegen!!!”
– Jo, to šau hear! … Vilst am End tas si voart, pis si a oldi Pfiarsih viard, vi ti
Jungfrau fun Orlejan! Ton štel si ta klajh in tajn Kloskostn rajn unt voart pis ti
Šmasflign trauf kuman. 20
(Ti evign Moralijen. In: Plein V, S. 15)
Eine werdende Mutter ist noch direkter in ihrer Einstellung zur Frage der
sexuellen Freiheit und hat vor, ihre Tochter rechtzeitig aufzuklären, denn “mit ti
Haksn hebm fadint ma sih hajtcutog lajhta sajn Prout”21 (Ti Garde Damen. In:
Plein V, S. 18):
In seinen Texten schneidet Plein auch die mit der technischen Entwicklung eng
verbundene Frage des Arbeitsmarktes an. Den Einsatz von Maschinen
empfindet der Osijeker Proletarier als Luxus. Er hat Angst vor der Zukunft und
denkt mit Nostalgie an die vergangenen Zeiten, in denen zwar “ti Plonkn a ned
mit Prodviašt kflouhtn voa”22, aber:
– as voa holt touh ondašt. To hodma sajn Pisn prout lajhta fadint as hajtcutog!
Nemans nuar’amol on, as hod a rajha Knehea a poa Klofta Hulc fian losn, hod uns
krufm, ton homa sih inda Hulcšupfm rajncougn und hom šen ten goncn libm Vinta
tron kfeaglt. No unt hajtcutog kumt ti Maschin, šnajts com hop-cup trogn as cva
Mena rajn, unt vos homs fadint? – Tas sa sih kaum amol sot freisn!23
(Jo ta Luxus! In: Plein IV, S. 3)
Die sich in der Heimat existentiell bedroht fühlenden Esseker suchen sich einen
Unterhalt weit in der Fremde, jenseits des Ozeans, woher mancher bald
zurückkehrt, enttäuscht darüber, dass auch dort für Reiche gearbeitet wird und
das Glück nicht jedem lacht. So entdeckt uns Plein in einem Dialog zwischen
Mischi und Anton, dass Antons Sohn ein Vermögen in Los Angeles
zusammengebracht hat. Er hat dort zwei Autos und eine Villa, deren Garten
dreimal so groß ist wie der Osijeker Stadtgarten. Darin sind lauter Palmen zu
sehen. “Ti Papagajas špringan af ti Pama harum viti Đivis.”24
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– Ja, da schau her! … Willst am Ende, dass sie wartet, bis sie ein alter Pfirsich wird, wie die Jungfrau
von Orlean! Dann stell sie dir gleich in deinen Glaskasten rein und warte, bis die Schmeißfliegen
darauf kommen.
mit die-Haxen-heben verdient man sich heutzutag leichter sein Brot.
die Planke auch nicht mit Bratwurst geflochten war.
Es war halt doch anders. Da hat man sein Brot leichter verdient als heutzutag! Nehmen Sie nur einmal
an, es hat ein reicher gnädiger Herr ein paar Klafter Holz fahren lassen, hat uns gerufen, dann haben
wir sich (‘uns’) in der Holzschuppen reingezogen, und haben schön den ganzen lieben Winter daran
gewerkelt. Na und heutzutag kommt die Maschine, schneidet es zusammen, hopp-zupp (‘ruck, zuck’)
tragen es zwei Männer rein, und was haben sie verdient? Dass sie sich kaum einmal satt fressen!
Die Papageien springen auf die Bäume herum wie die Sperlinge.
Im Gegenteil zu Anton hat Mischi, dessen Sohn in Buenos Aires lebt, keinen
Grund zufrieden zu sein:
MIŠI: Majna šrajpt jo a tas šein tribm is … oba teni štoak rajhn Lajt – unt tas mia
Oamčikos rakan unt robovat misn, tazma cu vos kuman. Af Sundok homa a Prif
krigt, taza šlislih und endlih dogusta hot gonc Puanest-Arest unt taza Keatajh moht
fun Amerika unt caus kumt. Noh Pohendl mit sataraš hengt ims Heac.
ANTON: Ha net noh inan seinta sih?
MIŠI: Pa jo, oba ti Pohendl sajn touh Pohendl. Majn Anči, te hot fimf Kluks
onkseict. Ako Bog da, biti će pilića!
ANTON: A Muta iza Muta! Majne šoupt a Ganzili, val majn Francl hot
auzdriklih falongt: “Muta, pizih kum, kouhst nua mit Gonsfetn.”25
(Der Briefträger Anton. In: Plein II, S. 34)
Die Gesamtheit der Momentaufnahmen bei Plein bildet ein Geflecht aus:
Intoleranz, Neid, Bosheit, Verleumdung, Niedertracht, Streiterei und Rauferei
ohne besonderen Anlass, Betrug und Diebstahl, Straßenraub, Vergiftung aus
Rache oder/und Gewinnsucht, Morden. Es erweckt im Leser ein Unbehagen
trotz des überwiegend spaßhaften Charakters der Texte
Das Faszinierende bei Plein ist die Natürlichkeit der Dialoge seiner
Gestalten, die Aktualität des Gesprächsthemas und die Kraft des bildhaften, oft
saftigen sprachlichen Ausdrucks. Hätte es zu seiner Zeit Kabaretts in Osijek
gegeben, so hätte man manche seiner Texte bestimmt auf deren Programm
gefunden. Viele Esseker hätten sich oder/und ihre Mitbürger darin erkannt. Wie
sie dabei reagiert hätten, das kann man sich leicht ausmalen.
25
MISCHI: Meiner schreibt ja auch dass schön drüben ist, aber den stark reichen Leuten und dass wir
Armselige rackern und robovat (kr. Sklave sein) müssen, dass wir zu was kommen. Auf Sonntag
haben wir einen Brief gekriegt, dass er schließlich und endlich dogusta (kr. ‘satt’) hat ganz PuanestArest (Buenos Aires) und dass er Kehrteuch macht von Amerika und zaus kommt. Nach Backhendl
mit Satarasch (Speise aus Zwiebeln, Paprikaschoten, Toametn u.a.) hängt ihm das Herz.
ANTON: Ha, nicht nach Ihnen sehnt er sich?
MISCHI: Pa (kr. Modalpartikel ‘doch’) ja, aber die Backhendel sind doch Backhendel. Meine Antschi,
die hat fünf Glucken angesetzt. Ako Bog da, biti će pilića (kr. ‘Wenn Gott will, wird es Hühner
geben.’)
ANTON: Eine Mutter ist eine Mutter! Meine schoppt eine Gans, weil mein Franzel hat ausdrücklich
verlangt: “Mutter, bis (‘wenn’) ich komme, kochst nur mit Gänsefett.”
Vladimir Hafner
Vladimir Hafner alias VLA-HA veröffentlichte in der zweiten Hälfte des Jahres
1937 insgesamt fünfzehn “Esekeriše kšihtn”, acht davon im satirischen Blatt
Krokodil und sieben in der Kornjača (Schildkröte). Sie alle hatten zum Ziel,
durch intensivierte Sprachmischung und satirische Behandlung aktueller lokaler
Ereignisse den Leser zu amüsieren, aber auch ihm manches, was geändert
werden sollte, bewusst zu machen.
In “Ti kronika fun ti osječki gradonačelnici”26 (Die Chronik von den Osijeker
Bürgermeistern) erinnert Hafner den Leser an die Verdienste der seinerzeit
letzten fünf Bürgermeister der Stadt Osijek, offenbar mit dem Ziel, den
aktualen Bürgermeister daran zu erinnern, dass die gegebenen Versprechungen
auch erfüllt werden sollten. Der erste Bürgermeister, HENGEL mit Namen,
habe, so der kritikfreudige Erzähler, die erste im Volksmund als “Henglovac”
bezeichnete öffentliche Toilette in Osijek bauen lassen, in die die Esseker
gingen, um – Zeitungen zu lesen. Der ihm im Amt folgende MALIN habe die
Stadtparks anlegen und darin Bänke aufstellen lassen, auf denen sich die
Esseker bei Nacht “kšihtn faceln”27. Der nur kurze Zeit als Bürgermeister
amtierende PINTEROVIĆ habe die Zeit ausgenützt, um sich auf die Funktion
eines Volksabgeordneten vorzubereiten.
Ta RADANOVIĆ […] hot sih losn urediti ti gradonačelnička loža im Kazalište […].
Im kfolt sea ti grini boja – znak nade – unt torum hot a sih losn auf ti louž zelene
svilene zavjese keibn. Ta jecige biagamasta dr. BOŽIĆ hot a šun etvos keibn:
Obećanja! […]28
(Krokodil/29. Okt. 1937, S. 4)
In der “Kšihte” 8.000 000 29 deutet sich zwischen den Zeilen eine finanzielle
Krise an, die die Stadtväter durch Kredite zu überwinden versuchen. Der
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Erschienen in “Krokodil” 1/29. Okt. 1937.
Geschichten erzählen.
Der RADANOVIĆ […] hat sich lassen urediti (kr. ‘einrichten’) die Bürgermeister-Loge im Kazalište
(kr. ‘Theater’) […]. Ihm gefällt sehr die grüne boja (kr. ‘Farbe’) – znak nade (kr. ‘ein Zeichen der
Hoffnung’) und darum hat er sich lassen auf die Loge zelene svilene zavjese (kr. ‘grüne seidene
Vorhänge’) geben. Der jetztige Bürgermeister […] hat auch schon etwas gegeben: Obećanja! (kr.
‘Versprechungen’) […].
Erschienen in “Krokodil” 3/26. Nov. 1937. Dem essekerischen Text geht ein kroatischer voraus, in
dem der unbekannte Autor den Leser in satirischem Ton informiert, dass es dem Bürgermeister Dr.
Božić gelungen sei, ein Darlehen von acht Milionen Dinar von der Hypobank in Belgrad zu
bekommen. Das Geld sei in Osijek eingetroffen und es sei schon beschlossen worden, die Stadtväter
scharfzüngige Beobachter macht sich lustig über das Verschwendertum der
Stadtregierung, indem er bemerkt, die von Belgrad geliehene Summe von acht
Millionen Dinar würde nicht reichen, die finanziellen Probleme der Stadt zu
lösen., denn
“ven ma šun net kenan krign venikstns cva tra hundat milijon, vos prauh ma ti poa
dinči, ti oht milijon. Teis sajn mia net kvent mit sou venig gelt oabajtn.”30
Daher wäre es besser, das schon eingetroffene Geld zurückzuschicken.
Von der Geldknappheit der Stadtkasse ist implizit die Rede auch in einem
fiktiven Brief des Bürgermeisters des am linken Drauufer, der Unterstadt
gegenüber gelegenen, bis vor dem Zweiten Weltkrieg ausschließlich von
Schwaben bewohnten kleinen Dorf – Dörfel31 genannt –, dessen fleißige
Bewohner die Osijeker Märkte mit landwirtschaftlichen Produkten belieferten.
Hafner konfrontiert die Unbeholfenheit der Osijeker Stadtregierung mit der (nur
im Traum Früchte tragenden) Unternehmungslust der hochstaplerischen
Dörfler, indem er ihren Bürgermeister Pepi die erträumten Errungenschaften
seines Dorfes aufzählen lässt.
Kun toh, libi komšije Eseka!
Sou fili lajt šrajba in ta eseka cajtungan, a jeda sokt etvos, jemont kut unt jemont
šleiht. Mia Deafla pita inan, se sula a ti vuat cva sogn losn. Vi štec paj inan mit a
komunalni poslovi ? Vi ma in ta cajtung leza, iza krot net kut. Ih hob kleza fun a
zajam fun 8.000 000 tinoa. Teis is cimlih venik. Mia hom krikt a zajam fun 25.000
000 tinoa unt nouh izas net genuk. Paj uns izas ibahaupt cimlih kut. Jecat fia
Vajnohta kriga ma a šena najga tijata, vu ti zagreba šaušpila špila vean. Teis tijata is
enlih tem Zagreba tijata. As veat hom pleca fia 4 000 lajt. Se visat filajht netamol, tas
mia ti kanalizacion hom kriga. Unt ton manc se nouh, tas mia Švoba fun Deafl net
inteligent saja. Af ta Drau hoba ma a taložnica kmoha, oba ti funkcioniat onštendih,
unt net sou vi iri in Esek. Unza Okružni ured iz a šun lonk featih. Vens net klauba,
kenans mit ta ibafua riba kuma unt sih olas umasunst onšauga. Onštot unsari oldi
realšul hoba ma a najgi kpaut. Si is finf šteka houh. Unt nouh etvos: Paj uns tun sih a
30
31
und den Bürgermeister vor dem aufgemachten, mit dem geliehenen Geld angefüllten Tresor der
Stadtsparkasse zu fotografieren, das Foto in großer Auflage drucken zu lassen und es dann kostenlos
unter die Bürger zu verteilen, damit künftige Generationen es schwarz auf weiß hätten, dass auch die
Osijeker Stadtsparkasse einst, in den “goldenen” Zeiten volle Tresoren gehabt habe.
Wenn wir schon nicht kriegen können wenigstens zwei drei Hundert Millionen, was brauchen wir die
paar Dinar, die acht Millionen. Das sind wir nicht gewohnt: mit so wenig Geld arbeiten.
Heute heißt dieser Stadtteil “Podravlje”.
cva menša prigln, velha pesa vas, vi ma onštendih kroatiš šrajba mus. Teis is unza
šusta Seipl unt ta furingaš Johan. Oba kana fun ina hot reiht.
Ven se uns alauba mehtata, sou meht ih ina meamol šrajba, vi as paj uns cuket. Oba
fia hajt is genuk. Gliklihi Vajnohta vinšt ina ira
biagamasta Pepi fun Deafl
(A prif fun Deafl. In: Esekeriše vajnohckšihtn. Krokodil 5/23. Dez. 1937, S. 13) 32
Außer der Stadtregierung kritisiert Hafner auch seine Mitbürger, die den in
der Stadt stattfindenden Konzerten Zirkusvorstellungen vorziehen.
32
Guten Tag, liebe Nachbarn Esseker!
So viele Leute schreiben in der Esseker Zeitung, ein jeder sagt etwas, jemand Gutes und jemand
Schlechtes. Wir Dörfler bitten Sie, Sie sollen (uns) auch die Worte zwei (‘ein paar Worte’) sagen
lassen. Wie steht’s bei Ihnen mit Komunalarbeiten? Wie wir in der Zeitung lesen, ist es gerade nicht
gut. Ich habe gelesen von einem Darlehen von 8. 000 000 Dinar. Das ist ziemlich wenig. Wir haben
gekriegt ein Darlehen von 25. 000 000 Dinar und noch ist es nicht genug. Bei uns ist es überhaupt
ziemlich gut. Jetzt für Weihnachten kriegen wir ein schönes neues Theater, wo die Zagreber
Schauspieler spielen werden. Das Theater ist ähnlich dem Zagreber Theater. Es wird haben Plätze für
4 000 Leute. Sie wissen vielleicht nicht einmal, dass wir die Kanalisation haben gekriegt. Und dann
meinen Sie noch, dass wir Schwaben fun Dörfel nicht intelligent sind. Auf (‘an’) der Drau haben wir
einen Absetzbecken gemacht, aber der funktioniert anständig, und nicht so wie Ihrer in Essek. Unser
Kreisamt ist auch schon lange fertig. Wenn Sie nicht glauben, können Sie mit der Überfuhr
rüberkommen und sich alles umsonst anschauen. Anstatt unserer alten Realschule haben wir eine neue
gebaut. Sie ist fünf Stock hoch. Und noch etwas: Bei uns tun sich auch zwei Menschen prügeln,
welcher besser weiß, wie man anständig Kroatisch schreiben muss. Das sind unser Schuster Sepi und
der Fuhrmann Johann. Aber keiner von ihnen hat recht.
Wenn Sie uns erlauben würden, so würde ich Ihnen mehrmals schreiben, wie es bei uns zugeht. Aber
für heute ist genug. Glückliche Weihnachten wünscht Ihnen Ihr
Bürgermeister Pepi von Dörfel
(Ein Brief von Dörfel. In: Essekerische Weihnachtsgeschichten)
Ti filharmonija 33
– Voast am filharmonički koncert jecat am montog?
– No frailih voa ih. Unt voas tu a?
– Vos frokst sou pled, host mih jo misn viditi vajl tea ancige, vos osim tebe voa am
koncert, teis voa ih.
– Azo tu voast tea cvajti?
– Jo, nua mia cva voan. Mia sajn jo sou unt sou ti ancigi, vos am filharmonički
koncert kein. Ven oba a poa cirkusantn fun trausn kuman, ton krign mia ni ka plac,
vajl oli mjesta tun kupiti ti građani, vos zapravo am koncert meht morati sicn.
Nicht zufrieden ist Hafner auch mit der Theaterkritik, wie sie in den Osijeker
Zeitungen zu lesen ist. Er lässt in „Ti najgi publika“ (Das neue Publikum) einen
Esseker, der sonst kein Theaterbesucher war, erklären, warum er plötzlich ins
Theater geht.
Teis kazalište selpst nije mi tako interesantno , oba ih ke nua torum, taz ih špeita vaz,
vos ti kritika šrajbn veat.34
Auf die Frage
Unt vos kon tih zanimati ti kritik, vos nua kšajti lajt lezn kenan?35
antwortet er:
Na, majn liba, ti kšajti lajt sajn šun kšajt, unt ti misn net kritike leizn, nego mia
pampasšiba mehtn morati obraćati više pažnje af teis, vos ti cajtungan šrajbn tun.
Ven šun niks ondaras, može se barem čovjek dobro nakesiti.36
33
34
35
36
Die Filharmonie (erschienen in “Krokodil 4” vom 10. Dez. 1937, S. 5)
– Warst am filharmonički koncert (kr. ‘Philharmoniekonzert’) jetzt am Montag?
– Na freilich war ich, und warst du auch?
– Was fragst so blöd, hast mich ja müssen viditi (kr. ‘sehen’), weil der einzige, was (‘der’) osim tebe
(kr. ‘außer dir’) war am Konzert, das war ich.
– Also, du warst der zweite? …
– Ja, nur wir zwei waren. Wir sind ja so und so die einzigen, was (‘die’) am filharmonički koncert
gehen. Wenn aber ein paar Zirkusanten von draußen kommen, dann kriegen wir nie keinen Platz, weil
alle mjesta (kr. ‘Plätze’) tun kupiti (kr. ‘kaufen’) ti građani (kr. ‘Bürger’), was (‘die’) zapravo (kr.
‘eigentlich’) am koncert meht (‘würden’) morati (kr. ‘müssen’) sitzen.
Das Theater selbst ist mir nicht so interessant, aber ich gehe nur darum, dass ich später weiß, was die
Kritik schreiben wird.
Und was kann dich interessieren die Kritik, was (‘die’) nur gescheite Leute lesen können?
Na, mein Lieber, die gescheiten Leute sind schon gescheit, und die müssen nicht Kritiken lesen,
sondern wir Pampasschieber (Pampas: eine große Liegewiese am rechten Drauufer) würden müssen
mehr Aufmerksamkeit richten auf das, was die Zeitungen schreiben tun. Wenn schon nichts anderes,
kann man wenigstens gut lachen.
In den übrigen Texten erwähnt Hafner u. a. auch das Problem der
Sympatisierung eines Teils der Osijeker Bevölkerung mit Hitlers Politik vor
dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Unter den Sympatisanten sieht er auch
Lujo Plein, den Autor der “Essekerischen Sprechart”.37 Den während der
Oktoberrevolution aus Russland nach Osijek geflohenen russischen Generälen
gibt er auch keine Ruhe. Er macht sich lustig über ihre Eitelkeit und fehlenden
Sinn für die realen Lebensverhältnisse. Statt an arme Landsleute zu denken und
ihnen durch eine Sammelaktion das tägliche Leben zu erleichtern, beschäftigen
sie sich mit dem Gedanken, den gefallenen russischen Kriegern ein Denkmal zu
setzen.
Ernest Dirnbach
An Plein und Hafner schließt Ernest Dirnbach im Jahre 1940 mit seinen “Ulična
prisluškivanja ‘fetera’” Franje” (“Vetter” Franzens Straßenbelauschungen) an,
die er einmal pro Woche in der Zeitung “Hrvatski list” (Kroatisches Blatt)
veröffentlichte. Darin tratschen seine Esseker in einer höchst amüsanten, mit
fremden Elementen jedoch übertrieben stark gesättigten Mischsprache über
aktuelle Ereignisse von nicht nur lokaler Bedeutung. Die Lektüre seiner Texte
brachte dem Osijeker Leser viel Vergnügen und wurde jedesmal zum Thema
des Tages. Die Esseker waren darauf gespannt, was sich “Vetter Franz” für das
nächste Mal einfallen lassen würde und kauften die Zeitung, um die Ulična
prisluškivanja im Familien- und/oder Freundeskreis vorlesen zu lassen.
Dirnbachs Texte fangen alle mit der Anrede “Astan, libe komšinice!” (Also,
liebe Nachbarin!) an, wodurch sie einen gewissen Grad an Vertraulichkeit
ankündigen, wie sie sonst zwischen guten Nachbarn üblich ist. Es sind
Informationen, die man oft mit dem Nachbarn über den Zaun austauscht wie z.
B. die Erhebung der Hundesteuern in Kroatien im Jahre 1940, worüber sich
zwei Essekerinnen aufregen, weil sie sich jetzt in dem Dilemma befinden:
entweder die hohen Steuern zahlen und an der Nahrung sparen oder die Hunde,
die ihre Häuser vor Einbrechern hüten, töten lassen.
Eto, baš jučer voa ti rasprava gega ti cva jungi Čaruge, ti vos hobn af tem
Prilaz obgarglt cva olti lajt. Hat, von tuat in ta kuća verat kvezn majn Floki,
37
Vgl. “Ti ‘Heil Hitler”-Automobilisten”(Kornjača/1. 10. 1937, S. 6)
astan net ana fun ti razbojnici hetat mea kopt a čitavi tur. Majn Floki, astan tut
najradije rajnpajsn in te olaveatastn, unt ea is net a sou vi ti ondari kerovi, ti
vos tun rajnpajsn in ti batake, tas tea čovjek mus nohea šantati. Hat, jecat
segns jo halanih, vos fia a zlatni hundl is majn Floki, und ih sog inan, tas
unzari gracka općina mistat nouh plaćati nagrade fia sulihi životinje, ti vos tun
tamaniti ti štakore, čuvati ti kuća, tun fašahn ti hofirante fun ta Podravina und
tun paziti, tas ti šikeranti net suln izgubiti iri kućna adresa.38
Dirnbachs Texte sind eine wahre Fundgrube zur Erforschung intensiver Sprachmischung und Interferenzerscheinungen. Eine eingehendere Untersuchung steht
erst bevor.
Miroslav Stilinović
In den Jahren 1994-1999 wurde das von Plein, Hafner und Dirnbach
stammende Korpus des Essekerischen durch Beiträge der lebenden Esseker
ergänzt. Neben aufs Tonband aufgenommenen Interwievs mit 15 Essekerisch
Sprechenden sind da auch schriftliche Produktionen von Miroslav Stilinović
alias Feta39 Gilika. Seine in einem Atemzug hervorgebrachten “Essekeriše
kuackšihtn”40) sind eine gelungene Ergänzung des von seinen Vorgängern an
uns gelieferten Bildes von den Essekern und ihrer Sprache und Lebensphilosophie. Er legt großen Wert auf die Ausarbeitung des Handlungsverlaufs und
bettet seine Gestalten in alltägliche Lebenssituationen ein, wo sie, im Gegensatz
38
39
40
Eto baš juče (kr. ‘eben gestern’) war ja die rasprava (kr. ‘Gerichtsverhandlung’) gegen die zwei
jungen Čaruge (Straßenräuber, benannt nach dem Anführer namens Čaruga), die was (‘welche’) auf
dem Prilaz (Straße in der “Festung”, dem Stadtteil zwischen Ober- und Unterstadt) zwei alte Leute
geschlachtet haben. Nun, wenn dort in der kuća (kr. ‘Haus’) mein Flocki (Name des Hundes) gewesen
wäre, dann hätte keiner von den razbojnici (kr. ‘Räubern’) einen čitav tur (kr. ‘ganzen Hosenboden’)
gehabt. Mein Flocki also tut najradije (kr. ‘am liebsten’) reinbeißen in den Allerwertesten, und er ist
nicht so wie die anderen kerovi (kr. ‘Hunde’), die was (‘welche’) tun reinbeißen in die batake (kr.
‘Beine’), dass ta čovjek (kr. ‘der Mensch’) nachher hinken muss. Nun ja, jetzt sehen Sie allein, was für
ein zlatni (kr. ‘goldiger’) Hund mein Flocki ist, und ich sag Ihnen, dass unsere gracka općina (kr.
‘Stadtgemeinde’) müsste noch plaćati nagrade (kr. ‘Prämien zahlen’) für solche životinje (kr. ‘Tiere’),
die, was (‘welche’) tun tamaniti (kr. ‘vernichten’) die štakore (kr. ‘Ratten’), čuvati (kr. ‘hüten’) die
kuća (kr. ‘Haus’), tun verscheuchen die hofirante (kr. ‘Hofmacher’) von der Podravina (dicht am
rechten Drauufer gelegener Stadtteil Osijeks) und tun paziti (kr. ‘achten’), dass die šikeranti
(‘Schickeranten’) nicht sollen verlieren ihre kućna adresa (kr. ‘Hausadresse’).
Vetter
Essekerische Kurzgeschichten
zu Pleins Gestalten, auf derbe Flüche und Schimpfwörter verzichten. Das
Komische in Stilinovićs “Kuackšihtn” ergibt sich aus der unerwarteten
Wendung der Handlung, aus dem Wortspiel oder der Naivität und Unwissenheit
des Handelnden wie z. B. im Fall der des Englischen nicht mächtigen Essekerin
Beti, die ihr Patenkind, das Mädchen Anni, in deren Herz sich mehrere
“Hofiranten” zu stehlen versuchen, vor Männern warnt:
“Pas nua auf, tas ta ana net pajm fensta rajnšlupft, vajl ti muški, ti hom gean a madl
betrign. Vast, ti elteri prautveaba sajn kšajda, ti veabn tes madl unt šecn ti muta. Es
sokt ma: Vi ti muta, sou ti tohta.”
“Prauhnc ka onkst hobn. Ih vea nua majnan Franci hajrotn in Amerika.”
“Vearat ih af tajnam ploc, ih kengat ni noh Amerika cu teni antikristn.”
“Hat, visou sajn ti tuat ti antikristn?”
“Vast, majn olaeltesti, ta Jouzef, voa haja cu Ostrn to im pezuh. Ea oabajt šun oht joa
in Nevi Jork unt eacelt olas šenas unt olas kudas fun Amerika. Am end hob ih im
kfrokt: ‘Vi sokt ma amerikaniš got?’ unt ea hodma ksokt, tas ti fia got sogn gad . “
“Vos?! Viaklih?!! Ti umfašemti Amerikana, ti traun sih fian unsaran libn got sogn,
tasa a gad is???! No, ton vea ih mih šun ibalegn, ob ih noh Amerika foa.” 41
(Ibalegung)
Stilinovićs “kuackšihtn” strahlen vorwiegend den Duft der vergangenen
Zeiten aus. Erzählt wird darin von Karnevalen, von Mitbürgern, mit denen
interessante Begebenheiten verbunden sind, von sich nach Liebesbeziehungen
sehnenden, sie aber zu verwirklichen noch ungeschickten heranwachsenden
Burschen, die sich an einem nur etwas älteren Herzensbrecher, Stefi mit
Namen, aus Neid rächen, indem sie ihm in Vereinbarung mit Kati, einem groß
gewachsenen, kräftigen Mädchen von beträchtlicher Schönheit, den Appetit auf
eine neue Eroberung anregen und eines schönen sommerlichen Badetages, den
sie an der Drau verbringen, für entsprechende Voraussetzungen sorgen, die dem
41
“Pass nur auf, dass dir einer nicht beim Fenster reinschlüpft, weil die muški (kr. ‘Mannsbilder’), die
haben (es) gern: ein Madl betrügen… Weißt, die älteren Brautwerber sind gescheiter, die werben das
Madel und schätzen (‘bewerten’) die Mutter. Man sagt: Wie die Mutter, so die Tochter.””
“Sie brauchen keine Angst haben. Ich werde nur meinen Franzi heiraten in Amerika.”
“Wäre ich an deinem Platz (‘Stelle’), ich ginge nie nach Amerika zu diesen Antichristen.”
“Na ja, wieso sind die dort Antichristen?”
“Weißt, mein Allerältester, der Joseph, war heuer zu Ostern da im Besuch. Er arbeitet schon acht Jahre in
New York und erzählt alles Schöne und alles Gute von Amerika. Am Ende hab ich ihm gefragt: Wie
sagt man amerikanisch ‘Gott’? und er hat mir gesagt, dass die für Gott sagen ‘gad’ (kr. ‘Schuft’).”
“Was?! Wirklich? Die unverschämten Amerikaner, die traun sich, für unseren lieben Gott sagen, dass er
ein gad ist? Na, dann werde ich mich schon überlegen, ob ich nach Amerika fahre.”
Steiger Stefi ermöglichen sollten, seine Eroberungskunst in ihrem vollen Glanz
aufzuwenden.
Am samstoh nohmitoh voama oli am Pampas. Ti grousi Kati, ti hot ten Štefi fafireriš
kšaut, unt ea hot iri štendih hofiat. Ea hot ira a hondtuh kštrekt, tas si kon besa lign.
Ti gelzn hoda ira ktribn unt anafuat uman ira ktonct. Noh seks ua a jeda hot ana noh
ten ondarn a ausred kfundn, taza caus mus, tarum tas ma si alanih losn. Via sajn caus
kongan gegn ta štot, oba špeda sajma in tes kukurucfeld herajn unt sajn vida curuk
kuman cu tera štele, vu ti Kati mit im voa, unt homa sih in tem kukuruc faštekt unt
kšaut, vos vead sajn.42
(Ta flug iban bent)
Im entscheidenden Augenblick, als sich Stefi schon sicher ist, noch ein
Steinchen für sein buntes Liebschaften-Mosaik zur Fertigbearbeitung gewonnen
zu haben, wird er grob abgelehnt und ausgelacht.
Es hot šun onkfongt cu demarn unt tes poa hot sih fazect auf ti šregi sajtn fum bent.
Ta Štefi hot onkfongt longsom cu beštajgn, unt via šun obn voa, ti Kati hot im
iagndvi midi fis eavišt unt ta štajga is kflougn iba ten bent ins kukurucfeld hinajn.
Via hom tes olas ksegn, oba homa net lohn teafn, taza unc net entekt.43
Eindrucksvoll beschreibt Stilinović, wie ein in bescheidenen materiellen Verhältnissen lebender fünfzehnjähriger Junge ein feierliches Mittagessen bei
einem Osijeker Graphen erlebt und sich dabei in ein Mädchen verliebt, das er
nur dann und nie wieder zu Gesicht bekommt.
42
43
Am Samstagnachmittag waren wir alle am Pampas (eine große Liegewiese am rechten Drauufer, die
im Sommer als Badestrand dient). Die große Kati, die hat den Stefi verführerisch geschaut, und er hat
ihr ständig hofiert. Er hat ihr ein Handtuch gestreckt, dass sie besser kann liegen. Die Gelsen
(‘Stechmücken’) hat er ihr getrieben und immerfort um sie getanzt (‘ihr gewillfahrt’). Um sechs Uhr
ein jeder hat einer nach dem anderen eine Ausrede gefunden, dass er zaus (‘nach Hause’) muss, darum
dass wir sie allein lassen. Wir sind zaus gegangen gegen (‘in Richtung’) die Stadt, aber später sind wir
in das Kukuruzfeld rein und sind wieder zurückgekommen zu der Stelle, wo die Kati mit ihm war, und
haben sich (‘uns’) in dem Kukuruz versteckt und geschaut, was wird sein.
Es hat schon angefangt zu dämmern und das Paar hat sich versetzt (‘ist gerückt’) auf die schräge Seite
vom Damm. Der Stefi hat angefangt langsam zu besteigen und wie er schon oben war, die Kati hat
ihm irgendwie mit den Füßen (‘Beinen’) erwischt und der Steiger ist geflogen über den Damm ins
Kukuruzfeld hinein. Wir haben das alles gesehen aber haben nicht lachen dürfen, dass er uns nicht
entdeckt.
Vi ih mih hinksect hob, šau ih iba ten tiš riba unt sig a šenas madl, filajht sou olt vi ih
oda a joa elta. Šeni švoaci hoa hot si kopt, šeni blaui augn, sou šenas unt frajndlihas
lehln unt a lustigas ksiht. Afamol voama sou has im kopf unt sou umbekvem in
goncn keapa unt hob ih net kenan auf ti sajtn šaun, štendih hob ih štiat in si. Si is im
ksiht rout kvuadn, oba vajda hot si in mih kšaut unt lib klehlt.44
(Mitogmol pajda grefin)
Nicht weniger interessant ist seine Beschreibung einer Deutschstunde, in der
Goethes Erlkönig durchgenommen wurde:
Vonma austa kroatiši gimnazium indi tajči ibakongan sajn, ton homa nouh šveareri
gedihta kleant. Ih kon mih earinan, ols op tes krod vi hajte vearat. Ten cvajtn toh
homa ti tajčštund kopt. Ta profesa hot unc ten Erlkönig kleizn, unt frajlih via tumi
Eseka homa pold niks net faštondn. Vi ea midm leizn featih voa, hoda vuln vos
frogn, oba ti klokn hod unc kretat. Nekstn toh iza kuman indi klas unt hot ksokt:
“Heute werde ich euch das Gedicht von gestern noch einmal durchlesen, aber so,
damit ihr alles verstehen werdet.” Unt ton hoda onkfongt:
Vea rajtet sou špet tuahs feld mit rubn?
Ez is ta fota mit sajnam pubn.
Ea hot ten klanan fest auftm oam.
Tes kind hot fiba unt is štoak voam.
Ta puaši sikt gajsta in tem vind.
Unt fota suht hilfe, oba kšvind.
Ea find ten dokta in grousa nout.
Oba tes kindl voa šun tout.
Ols ea midm leizn featih voa, ez is a toutnštile inda klas entštondn. Afamol hom ti
madl onfongan cu vanan, unt in avajl mia puašn a. Ti gonci klas hot kvant. Ta
profesa hot poa sekundn eaštaunt kšaut, ton iza raus. Filajht hota a vanan misn, tarum
iza raus.
Tize tajčštund voa ni fuatksect. ten toh hob ih mih zauvijek oprostit funda eansti – tas
ih net sog traurigi – poezi.45
44
45
Wie ich mich hingesetzt habe, schaue ich über den Tisch rüber und sehe ein schönes Madl, vielleicht
so alt wie ich oder ein Jahr älter. Schöne schwarze Haare hat sie gehabt, schöne blaue Augen, so
schönes freundliches Lächeln und ein lustiges Gesicht. Auf einmal war mir so heiß im Kopf und so
unbequem im ganzen Körper und habe ich nicht können auf die Seite schauen, ständig habe ich
gestiert in sie. Sie ist im Gesicht rot geworden, aber weiter hat sie in mich geschaut und lieb gelächelt.
Wenn wir aus der kroatischen Gymnasium in die deutsche über(ge)gangen sind, dann haben wir noch
schwerere Gedichte gelernt. Ich kann mich erinnern, als ob das grad wie heute wäre. Den zweiten Tag
haben wir die Deutschstunde gehabt. Der Professor (‘Gymnasiallehrer’) hat uns den Erlkönig gelesen,
und freilich wir dummen Esseker haben bald niks nicht verstanden. Wie er mit dem Lesen fertig war,
hat er wollen was fragen, aber die Glocke hat uns gerettet. Nächsten Tag ist er gekommen in die
Klasse und hat gesagt: […] Und dann hat er angefangt:
Im Unterschied zu den “kuackšihtn” sind Stilinovićs “kolumnan” gegenwartsbezogen. Sie zeugen vom regen Geist der Esseker, die nach wie vor interessiert
verfolgen, was um sie herum geschieht. Sehr empfindlich sind sie für das
Politische, das sie immer zu kritisieren bereit sind, wenn ihnen etwas nicht
gefällt. Entstanden sind sie aus Protest gegen die Unzuvorkommenheit der in
Osijek erscheindenden Zeitungen, eine Rubrik anzulegen, wo in regelmäßigen
Zeitabständen essekerische Texte veröffentlicht würden, mit dem Ziel, in den
Essekern Erinnerungen an die Zeit aufzufrischen, in der das Essekerische auf
Schritt und Tritt zu hören war, und dadurch vielleicht eine größere Anzahl
Gewährsleute für das Projekt “Essekrisch – das Osijeker Deutsch” zu
gewinnen.
Nach einem erfolglosen Gespräch mit einem Zeitungsredakteur bringt “Feta”
Gilika mit folgenden Worten seine Entrüstung zum Ausdruck:
In majnam goncn lebn hob ih, majni libi Eseka, cvamol an urednik ktroufn: jec tes
easti mol unt tes lecti mol i nikad više.46
(Ta cajtungsredaktea)
Dass die essekerische Mundart in unserer nächsten Vergangenheit in gewissen Situationen von großer Bedeutung sein konnte und auch war, davon ist die
Rede in der Kolumne “Ti retungsšproh”47, in der Stilinović den Eindrang von
Wer reitet so spät durchs Feld mit Ruben? (‘Raben’)
Es ist der Vater mit seinem Buben
Er hat den Kleinen fest auf dem Arm.
Das Kind hat Fieber und ist stark warm.
Der Bursche sieht Geister in dem Wind.
Und Vater sucht Hilfe, aber geschwind.
Er find’ den Doktor in großer Not.
Aber das Kind war schon tot.
46
47
Als er mit dem Lesen fertig war, es ist eine Totenstille in der Klasse entstanden. Auf einmal haben die
Madel angefangen zu weinen, und in einer Weile wir Burschen auch. Die ganze Klasse hat geweint.
Der Professor hat paar Sekunden erstaunt geschaut, dann ist er raus. Vielleicht hat er auch weinen
müssen, darum ist er raus.
Diese Deutschstunde war nie fortgesetzt. Den Tag hab ich mih zauvijek oprostiti (kr. ‘für immer
Abschied nehmen’) von der ernsten – dass ich nicht sage traurigen – Poesie.
In meinem ganzen Leben hab ich, meine lieben Esseker, zweimal einen urednik (kr. ‘Redakteur’)
getroffen: jetzt das erste Mal und das letzte Mal i nikad više (kr. ‘und nie mehr’).
Die Rettungssprache.
vier kroatischen Soldaten in die Wohnung eines ehemaligen Partisanen, jetzt
irrtümlicherweise für einen Tschetnik gehaltenen Essekers beschreibt:
[...] Afamol klopft jemond midm kveakolbn on di tia unt šrajt: „Otvorite! Otvorite,
inače ćemo provaliti! Tražimo četnika koji tu stanuje.“ Ti Ani moht ti tia auf, unt fia
jungi gardistn, štoak bevafneti, dringn in di vounung rajn unt šrajn. „Gdje je četnik,
gdje je?“ unt fongn on cu suhn in oli rajmn, unt a junga blonda sokt: „Ovaj stan će
preuzeti Garda.“ Ti Ani, vi si sou klan is, untašprajct sih midi hend in di hiftn unt
sokt: „Tu nema četnika, a stan je moj.“ Ton sokt ta jungi gardist: „Stan ćerno
rekvirirati.“ „No lepo!“ sokt ti Ani. „Jel opet? Jel nije dosta što su nas partizani
četrdeset i pete otjerali u logor i sve nam uzeli? Sad ćete i vi? Ta jungi, tea, vos vi a
fiara fun ta grupn voa, šaut ti Ani a pisl lenga on unt frokt: „A kako se vi zovete?“
„Ja sam Ana Bitl, Esekerka iz Najštata, Divaltova 7l. A odakle si ti i kako se ti
zoveš?“ Ta gardist hot jec a pisl kvajgat unt ton sokta: „Ja sam Damir Fraj iz
Aljmaša.“ Jec hot ti Ani onfonkt cu šimpfn: „Sou! Tu pist a Švob fun Aljmaš unt
vilst mih, a Esekerin, aus ajgani vounung raus šmajzn unt šemst tih net? Ton sajt ia
gonc glajh vi ti partizana.“ Ta jungi gardist šaut si jec mit ofanan mund on, trat sih cu
teni ondari gardistn um unt sokt: „Ova žena govori kao što su govorili moji omama i
otata. I oni su bili u logoru. Ona je stvarno Švabica. Dečki, idemo!“ Ea hot ti traj
ondari tuahklosn, tas si austa vounung raus kein unt ton hoda ksokt: „Ajde, bako, bok
i izvinite!48
48
[…] Auf einmal klopft jemand mit dem Gewehrkolben an die Tür und schreit “Otvorite! Otvorite,
inače ćemo provaliti! Tražimo četnika koji tu stanuje.” (kr. ‘Aufmachen! Aufmachen, sonst brechen
wir ein! Wir suchen den Tschetnik [heute pejorative Bezeichnung für radikale serbische
Nationalisten], der da wohnt.”) Die Ani macht die Tür auf und vier junge Gardisten (Angehörige der
1991 unter dem Namen “Garda” formierten kroatischen Armee zur Verteidigung von der serbischen
Aggression), stark bewaffnet, dringen in die Wohnung rein und schreien: “Gdje je četnik, gdje je?”
(kr. ‘Wo ist der Tschetnik, wo ist er?) und fangen an zu suchen in allen Räumen und ein junger
Blonder sagt: “Ovaj stan će preuzeti Garda” (kr. ‘Diese Wohnung wird die Garde übernehmen.’). Die
Ani, wie sie so klein ist, unterspreizt sich mit den Händen (‘Armen’) in die Hüften und sagt: “Tu nema
četnika, a stan je moj.” (kr. ‘Da gibt es keine Tschetniks und die Wohnung ist mein.’). Dann sagt der
junge Gardist: “Stan ćemo rekvirirati.” (kr. ‘Die Wohnung werden wir requirieren.’). “No lepo!” (kr.
‘Na schön!’) sagt die Ani. “Jel opet? Jel nije dosta što su nas parizani četrdeset i pete otjerali u logor
i sve nam uzeli? Sad ćete i vi? (kr. ‘Wieder mal? Ist es nicht genug, dass uns die Partisanen 1945 ins
Lager getrieben und uns alles weggenommen haben? Jetzt werdet es auch ihr tun?’). Der Junge,
derjenige, was (‘der’) wie ein Führer der Gruppe war, schaut die Ani ein bissl länger an und fragt: “A
kako se vi zovete?” (kr ‘Wie heißen Sie denn?’). “Ja sam Ana Bitl, Essekerka iz Najštata, Divaltova
71. A kako se ti zoveš?” (kr. ‘Ich bin Ana Bitl, Essekerin aus der Neustadt, Duvaltstraße 71. Und wie
heißt du?’). Der Gardist hat jetzt ein bissl geweigert und dann sagt er: “Ja sam Damir Fraj iz
Aljmaša.” (kr. ‘Ich bin Damir Fraj aus Aljmaš [Ort an der Donau in Ostkroatien, etwa 20 km von
Osijek entfernt]). Jetzt hat die Ani angefangt zu schimpfen: “So! Du bist ein Schwabe von Aljmaš und
willst mich, eine Essekerin, aus eigener Wohnung rausschmeißen und schämst dich nicht? Dann seid
ihr ganz gleich wie die Partisanen.” Der junge Gardist schaut sie jetzt mit offenem Mund an, dreht sich
zu den anderen Gardisten um und sagt: “Ova žena govori kao što su govorili moji omama i otata. I oni
su bili u logoru. Ona je stvarno Švabica. Dečki, idemo!” (kr. ‘Diese Frau redet, wie meine Oma unt
Opa geredet haben. Die waren auch im Lager. Sie ist wirklich Deutsche. Jungs, gehen wir!’). Er hat
In der Kolumne “Cajt cua farobšidung” (Zeit zur Verabschiedung) wird implizit
die schwere finanzielle Lage der Rentner im Kroatien unserer Tage zum
Ausdruck gebracht. Darin verabschiedet sich Feta Gilika von seinen Essekern.
Es mache ihm Freude, dass seine “Kuackšihtn” veröffentlicht würden, aber da
die Arbeit am Buch zu langsam vorangehe – “tes cigt sih vi ta tajg fia ti
kcougani štrudl”49 –, habe er Angst, er werde es nie zu Gesicht bekommen.
Ih pin a jedn toh elta unt šveha, unt ih vaz net, ob ih ealeibn vead, tas tes puh
rauskumt. Tarum vil ih mih, majni libi Eseka, fun ajh oln za svaki slučaj farobšidn.
No, pičen! Tut ia net klajh vanan unt sajt net traurih! Pis ih nouh šrajbn kon, ih pin
nouh to. Von tes puh rauskumt unt ih net mea to pin, ton prauht ia a net traurih sajn.
Mia vead besa sajn ols ajh oln, vos to plajpt, ten von ih vek pin, prauh ih mih net mea
kimarn fia ti zimnica: fia ti krumpian, fia ti sauri kraut, fia ajnkouhti paradajs unt
olas, vos tacu keat. Ausatem muzih ka preinholc mea kaufn. Unt vos klaupt ia, vi
vead tes fia mih a fagnign sajn, tas ih majni klani penzion nedmea razvlačit mus fun
eastn pis lectn toh im mounat. Unt ia, majni libi, vajl ia oli a panzionean sajt, ia
veadat ajh to auf tera velt i dalje patit, unt ih vea oubn uživat. Tarum tut ia mih net
oplakivat.
Nouh vos: Von ih rauf kum oda filajht runda – tes vead ta Hajligi Petrus enšajdn –,
tuat vea ih beštimt klajh cva Eseka findn, vos prefaranc špiln kenan. To suh ih cva
partna šun joalong unt find si net. Ti oldn, vos hom špiln kvust, ti sajn šun kštuam,
unt ti jingarn, ti kenan ten koatnšpil net. Tuat oubm vea ih ton inda ru a evigi
prefaranc parti špiln kenan, vajl ti vea ih ni untapreihn misn vegn eisn, šlofn oda afs
klo kein. Mia vead alzo tuat kut sajn, unt es prauht ajh net lad sajn, vos “ta oldi a fuac
klosn hot unt iza vek”. 50
49
50
die drei anderen durchgelassen, dass sie aus der Wohnung raus gehen und dann hat er gesagt: “Ajde,
bako, bok i izvinite!” (kr. ‘Na, Oma, tschüs und entschuldigen Sie!’).
Das zieht sich wie der Teig für den gezogenen Strudel.
Ich bin einen jeden Tag älter und schwächer und ich weiß nicht, ob ich es erleben werde, dass das
Buch rauskommt. Darum will ich mich, meine lieben Esseker, von euch allen za svaki slučaj (kr. ‘für
alle Fälle’) verabschieden. Na, na, bitte schön! Tut ihr nicht gleich weinen und seid nicht traurig! Bis
ich noch schreiben kann, ich bin noch da. Wenn das Buch rauskommt und ich nicht mehr da bin, dann
braucht ihr nicht traurig sein. Mir wird besser sein als euch allen, was (‘die’) da bleibt, denn wenn ich
weg bin, brauch ich mich nicht mehr kümmern für (‘um’) die zimnica (kr. ‘Wintervorrat’), für die
krumpiren (kr. ‘Grundbirnen’), für die Sauerkraut, für eingekochte paradajs (kr. ‘Paradeiser’) und
alles, was dazu gehört. Außerdem muss ich kein Brennholz kaufen. Und was glaubt ihr, wird das für
mich ein Vergnügen sein, dass ich meine kleine Pension nicht mehr razvlačiti (kr. ‘auseinanderziehen’) muss vom ersten bis letzten Tag im Monat.Und ihr meine Lieben, weil ihr alle auch Pensionäre
seid, ihr werdet euch da auf dieser Welt i dalje patit (kr. ‘auch weiterhin leiden’), und ich werde oben
uživat (kr. ‘genießen’). Darum tut ihr mich nich oplakivat (kr. ‘beweinen’).
Noch was: Wenn ich rauf komm oder vielleicht runter – das wird der Helige Petrus entscheiden –, dort
werde ich bestimmt gleich zwei Esseker finden, was (‘die’) Preference spielen können. Da such ich
zwei Partner schon jahrelang und find sie nicht. Die Alten, was (‘die’) haben (zu) spielen gewusst, die
sind schon gestorben, und die Jüngeren, die kennen das Kartenspiel nicht. Dort oben werde ich dann in
der Ruh eine ewige Preference-Partie spielen können, weil die werde ich nie unterbrechen müssen
Mit “Vetter” Gilikas Verabschiedung von seinen Lesern schließe ich diesen
Beitrag mit der Feststellung, den Autoren der veröffentlichten essekerischen
Texte gehört unser Dank dafür, dass es uns heute möglich ist, einen Einblick zu
bekommen in die Lebensqualität und -philosophie des einfachen Osijeker
Bürgers in einer bewegten Zeit kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, teilweise aber auch während und nach der serbischen Aggression auf
Kroatien 1991. Der besondere Wert der essekerischen Texte ist teils im
soziokulturellen Bereich, teils in der exotischen Sprache, in der sie geschrieben
sind, zu suchen. Das fast ausgestorbene Idiom ist ein Kulturgut nicht nur der
Stadt Osijek und somit Kroatiens, sondern auch Deutschlands, Österreichs und
Ungarns. Der volle Wert der Texte kommt zum Ausdruck, wenn man sie im
Original liest. Versucht man sie zu übersetzen, so muss in Kauf genommen
werden, dass das Kostbarste an ihnen – ihre Exotik und der durch den Gebrauch
der kroatischen Schrift verursachte, auf den ersten Blick entfremdend wirkende
Effekt – dabei verloren gehen würde. Einen vollen Genuss bieten sie nur
demjenigen Leser, der sowohl Deutsch als auch Kroatisch kann. Darin liegt ihre
Schwäche.
wegen Essen, Schlafen oder Aufs-Klo-Gehen. Mir wird also dort gut sein, und es braucht euch nicht
leid sein, was (‘dass’) “der Alte einen Furz gelassen hat und ist er weg”.
Literatur
Dirnbach, Ernest (1941): Ulična prisluškivanja “fetera” Franje. In: Hrvatski
list/5.5.1940.
Hafner, Vladimir (1937): Esekeriše kšihtn. In: Kornjača H. 5 (23.7.1937). H. 6
(6.8.1937), H. 8 (3.9.1937), H. 10 (1.10.1937); Krokodil. H. 1
(29.10.1937), H. 3 (26.11.1937), H. 4 (10.12.1937), H. 5 (23.12.1937),
Osijek.
Petrović, Velimir (1994): Die essekerische Mundart. In: Begegnung in
Pécs/Fünfkirchen: Die Sprache der deutschsprachigen Minderheiten in
Europa. Hrsg, von Katharina Wild, Janus-Pannonius-Universität Pécs, S.
19-32.
Petrović, Velimir (1995): Kroatische Einflüsse im Essekerischen. In: Zagreber
Geranistische Beiträge 4 (1995), S. 97-114.
Petrović, Velimir (1998): Zu den Merkmalen des Essekerischen. In: Über
Grenzen hinweg … Universitäten Augsburg und Osijek; zwanzig Jahre
Partnerschaft = Unatoč svim granicama … Lidija Getto … (Hrsg).
Augsburg: Wißner, S. 167-184.
Plein, Lujo (1929-1938): Die essekerische Sprechart. Gesammelte Gespräche
aus den Osijeker Gassen und Peripherie. Band I-V, Eigenverlag, Osijek.
Stilinović, Miroslav (1994-1997): Esekeriše kuackšihtn, kolumnan, prife
(zwischen 1994 und 1997 entstandene, als Beitrag zur für den Druck
vorbereitete Monographie “Essekerisch. Das Osijeker Deutsch” dem
Autor dieses Beitrags im Typoskript zur Verfügung gestellte Texte)
Wild, Katharina (1999): Ungarische Elemente in der Lexik des Essekerischen
(Typoskript).
Esekerski tekstovi kao trenutačni sociokulturalni zapisi
Autor priloga se osvrće na aktualnost sadržaja tekstova na osječkom
njemačkom narječju, nastalih tridesetih i devedesetih godina našega stoljeća i
ukazuje na zasluge njihovih autora što su svojim zapisima omogućili
djelomičan uvid u kulturu življenja i sistem vrijednosnih poimanja prvenstveno
dijela osječkog stanovništva čiji pripadnici po svom društvenom položaju
zauzimaju najniži dio hijerarhijske ljestvice.
Na odabranim izvacima iz tekstova Luje Pleina, Vladimira Hafnera, Ernesta
Dirnbacha i Miroslava Stilinovića potkrepljuju se spoznaje do kojih je autor
članka došao čitajući esekerske tekstove u kojima je zastupljena čitava galerija
likova iz čijih razgovora, uhvaćenih kao slučajno u prolazu, nastaje splet
svevremenskih problema ljudskoga bivstvovanja koji muče i današnje Esekere:
nesređene obiteljske prilike, zapostavljenost žene u kući i društvu, zavišću,
netrpeljivošću, licemjerjem, zlobom opterećeni međuljudski odnosi, kriminal,
strah za vlastitu egzistenciju, iseljavanje u prekomorske zemlje.
Sociokulturalnu vrijednost esekerskih tekstova znatno prevazilazi njihova
vrijednost u jezičnom smislu. Fascinira prirodnost njihovih dijaloga, aktualnost
sadržaja i snaga slikovitog, često sočnog jezičnog izraza. Napisani su skoro
izumrlim gradskim idiomom, nastalim u Osijeku miješanjem više njemačkih
narječja uz obilate primjese jezika u kontaktu: njemačkog razgovornog jezika
austrijske varijante, hrvatskog, srpskog, jidiša, donekle mađarskog. Pun užitak
pružaju onim čitateljima koji pored njemačkog vladaju i hrvatskim jezikom. Pri
pokušaju njihova prevođenja bilo na hrvatski bilo na njemački standardni jezik
izgubilo bi se njihovo najvrednije obilježje – njihova egzotičnost i samo na prvi
pogled upotrebom hrvatskog pisma prouzrokovan začudan efekt otuđenosti