Ärztliche Weiterbildung – Macht und Ohnmacht

LV Bayern I 9
Nr. 10/17. Juli 2015
• MB-Landesversammlung • MB-Landesversammlung • MB-Landesversammlung •
IIIÖffentliche Veranstaltung
„Ärztliche Weiterbildung – Macht und Ohnmacht der Weiterzubildenden“
Landesversammlung befasst sich in Bayreuth mit umfänglicher Thematik / Kontroverse Diskussion mit Anregungen für die weitere Arbeit
Bayreuth (vs). Als Gastgeberin
und Mitorganisatorin vor Ort
hat Dr. Melanie Rubenbauer,
Landesvorstandsmitglied des
Marburger Bundes Bayern, die
Teilnehmer in ihrer Heimat­
stadt Bayreuth willkommen
geheißen. Der öffentliche Teil
der diesjährigen Landesver­
sammlung stand unter der
Überschrift „Die ärztliche Wei­
terbildung in Bayern – Macht
und Ohnmacht der Weiterzu­
bildenden“. Wie immer fächer­
ten Referenten (siehe auch Sei­
te 10) aus unterschiedlichen
Perspektiven die umfangreiche
Thematik auf, um in einer
­anschließenden kontroversen
Diskussion Anregungen und
Ziele für die Arbeit des MB zu
gewinnen.
RA Dr. jur. Andreas Zach
sprach als Anwalt für Medizin­
recht über wiederkehrende
Probleme der „Black Box Wei­
terbildung“. Obwohl klar gere­
gelt sei, wie Mediziner ihren
Facharzttitel erwerben, sei es
unter seinen Mandaten oft ein
Geheimnis, wie man in den er­
lauchten Kreis der Fachärzte
eintreten könne. In erster Linie
gehe es immer um Zeiten – das
aber aus unterschiedlichen
Gründen. Einer seiner Man­
danten, ein Arzt in der Weiter­
bildung, absolvierte einige Zeit
bei einem Facharzt in der Am­
bulanz, vormittags in der Pra­
xis mit Kassenzulassung, nach­
mittags in der Privatpraxis.
Leider war die Befugnis nicht
nur an den Praxisinhaber, son­
dern auch an die Praxis mit
Kassenzulassung gekoppelt.
Viele strittige Fälle entstünden
durch die willkürliche und
nicht nachvollziehbare Rechts­
auffassung der Verantwortli­
chen bei der Bayerischen Lan­
desärztekammer (BLÄK), de­
nen die Interpretation der Wei­
terbildungsordnung (WBO) ob­
läge, so Zach. In seinen Augen
sollten vielmehr der Inhalt und
die Qualität im Vordergrund
stehen anstelle der „Zeiten“. Na­
türlich sehe er in seiner Kanzlei
immer die Grenzfälle und er
nehme an, dass es in 95 Prozent
bei der Anerkennung der Wei­
terbildung glatt laufe.
Bei der Akzeptanz fachärztli­
cher Zusatzbezeichnungen er­
lebte Zach ebenfalls sehr diffi­
zile Fälle. Die Beförderung zum
Oberarzt und Chefarzt hänge
unter anderem von fachspezifi­
schen Titeln ab. Trotz jahrelan­
ger, tagtäglicher Praxis erken­
ne die BLÄK diese Erfahrung
dennoch nicht an, weil in der
Abteilung kein Weiterbilder
mit entsprechend spezifischer
Befugnis sei. Geradezu als ab­
strus empfinde er Vorschläge
der Sachbearbeiter – aus einer
unbefristeten Stellung mit
Aussicht auf Beförderung her­
aus –, eine längere Hospitation
an einer anderen Klinik, oft in
anderen Regionen, zu absolvie­
ren. Die Kammer zeige sich er­
fahrungsgemäß weder kulant
noch gesprächsbereit.
Sture Haltung
Einen weiteren Bereich für
Verbesserungspotenzial
bei
der BLÄK sieht Zach bei den
Auflagen für nicht bestandene
Facharztprüfungen. Die Kam­
mer fordere oft ein halbes Jahr
Weiterbildung in einem spezi­
fischen Bereich oder die Teil­
nahme an mehrmonatigen
Kursen. Diese Auflagen seien
I RA Dr. jur. An drea s Z a ch beleuchtete die Pro blem e de r We i te rb i l d ung a us a nwa l t l i c he r S i c ht , D r. R ut h M a thes gin g a uf die Weiterbildun g in Gro ßbrita n n ien ein . / Foto: M B B aye rn
zumeist mit der Lebenswirk­
lichkeit unvereinbar, weil sich
Ärzte in der Regel in einem fes­
ten Arbeitsverhältnis befän­
den. Kompromissbereitschaft
und Lösungswille seitens der
Kammermitarbeiter könne er
bedauerlicherweise nicht er­
kennen. Wenig flexibel – ob­
wohl in der WBO klar geregelt
– zeige sich die BLÄK zudem
bei im EU-Ausland erworbe­
nen Weiterbildungszeiten. Er
vertrete Mandanten, die dar­
aufhin im Ausland ihre Fach­
arztprüfung erfolgreich absol­
vierten und den Titel lediglich
umschreiben mussten. Auch
mit einem Bundeslandwechsel
hätten bereits Verfahren „ge­
löst“ werden können. Zach be­
zeichnete die BLÄK als typi­
sche Behörde, bei der jeder
Sachbearbeiter versuche, die
Fälle auf seinem Tisch mög­
lichst loszuwerden. Abschlie­
ßend empfahl er provokant,
die Facharztanerkennung an
eine staatliche Behörde zu
übergeben, die sich nicht nur
mit der eigenen Verwaltung
und Verteidigung ihrer Rechte
befasse.
In die anschließende Diskussi­
on leitete MB-Landesvize Dr.
Andreas Botzlar über, nach­
dem er zuvor das komplexe
Themenfeld noch um zwei wei­
tere Aspekte ergänzt hatte, für
die sich der MB aus seiner Sicht
verstärkt einsetzen muss: 1. an­
gestellte Ärzte in MVZ, bei de­
nen es mit den Weiterbildungs­
bescheinigungen und den KVAbrechnungen zu offensichtli­
chen Diskrepanzen käme, so­
wie 2. die Kollegen aus dem
Ausland mit Stipendien, die in
Deutschland ihre Weiterbil­
dung absolvierten. Einerseits
dürften sie beispielsweise kei­
ne Nachtdienste leisten, weil
der Arbeitgeber das nicht be­
zahlen wolle, für ihre Weiterbil­
dung würden dennoch die ge­
forderten Dienste attestiert.
BLÄK-Vizepräsidentin Dr. Hei­
demarie Lux bezog zu Zach
Stellung. Ausdrücklich betonte
sie, dass die WBO mittlerweile
Dreimonatsblöcke
vorsähe,
aber dieses Intervall nicht der
Standard für die gesamte Fach­
arztausbildung sein könne.
Konkret habe die BLÄK einen
Antrag eines Kollegen abge­
lehnt, der seine gesamte Wei­
terbildung in dreimonatigem
Turnus absolvierte habe. Lux
erklärte, dass Anträge zur
Facharztprüfung
durchaus
wohlwollend geprüft würden,
auch alternative Formen der
Weiterbildung, die mittlerweile
mehr als 50 Prozent der Weiter­
bildungszeit
ausmachten.
Rechtlich völlig korrekt sei es
hingegen, wenn Fachärzte ge­
wisse
Zusatzbezeichnungen
verwehrt blieben, weil faktisch
kein entsprechender Weiterbil­
der in der Abteilung praktizie­
re: „Man kann sich doch nicht
selber weiterbilden.“ Mittler­
weile würden Facharztprüfun­
gen generell aufgezeichnet, es
sei denn, der Prüfling lehne das
explizit ab. Lux empfahl den
Teilnehmern, der Kammer
stets Rückmeldung über unan­
genehme Prüfungssituationen
zu geben. An alle Weiterzubil­
denden könne sie nur appellie­
ren, sowohl die Befugnisse ih­
rer Weiterbilder zu überprüfen
als auch zeitnah die Zeugnisse
einzufordern.
Ombudsperson Prof. Peter
Wünsch von der BLÄK (siehe
auch Seite 10) forderte die ver­
antwortlichen Weiterbilder zu
mehr Mut auf. Nicht jede Fach­
arztrichtung sei für jeden An­
wärter geeignet. Bei offensicht­
lichen Defiziten, müssten diese
mit den Betreffenden frühzei­
tig erörtert werden. Ein Kollege
mit Ambitionen auf Chirurgie
und zwei linken Händen, sollte
mit der Wahrheit konfrontiert
werden.
Veränderung erwirkt
Landesvorstandsmitglied Do­
ris Wagner berichtete, dass sich
in Deutschland viele Kollegen
eine Veränderung des Weiter­
bildungssystems wünschten.
Oft würde ihnen entgegnet,
dass mehr Struktur auf Kosten
der Wahlfreiheit gehe. Nicht je­
der könne in dieser Reform die
gewünschte Fachrichtung final
ausüben. Von Dr. Ruth Mathes,
die ihre Weiterbildung in Groß­
britannien absolviert hat (sie­
he auch unten), wollte sie wis­
sen, ob sie diese Problematik
von dort kenne. Mathes konnte
diese Befürchtung nicht bestä­
tigen. Sie habe bis heute von
keinem Kollegen Kenntnis, der
am Ende seiner Trainings nicht
den gewünschten Facharzt ab­
solvieren konnte. Sie betonte
aber, dass es in England ein
zweijähriges AiP gebe, in der
fundiert die fachliche Orientie­
rung stattfinde.
[email protected]
IIIAusland
Erfolgreiche Strukturen durch Stellenschlüssel und offizielle Position
Weiterbildung in Großbritannien: Dr. Ruth Mathes berichtet über ihre Erfahrungen auf der Insel
Bayreuth (vs). Als Dr. Ruth Ma­
thes erstmals nach Großbri­
tannien ging, war Deutschland
AiP-Land. Den Teilnehmern
der Landesversammlung des
Marburger Bundes Bayern be­
richtete sie von insgesamt vier
Jahren Erfahrung als Ärztin
auf der Insel.
Dort zeichne zum einen die Ge­
neral Medical Council – Pen­
dant zur Ärztekammer – für die
Einhaltung der Curricula, die
Regulierung der „Trainings“ so­
wie die Überwachung der Trai­
ner verantwortlich. Die zweite
leitende Einrichtung seien die
Royal Collages. Jeder Fachrich­
tung sei ein Royal Collage zuge­
ordnet, das die Inhalte der Trai­
ningsprogramme
entwickle,
den individuellen Ausbildungs­
stand kontinuierlich erfasse,
um auf dieser Basis die Sinn­
haftigkeit des Rotationsplans
zu kontrollieren. Die dritte rela­
tiv neue Instanz seien die Post­
graduate Deaneries. Diese De­
kanate stünden großen Regio­
nen vor und sorgten während
der gesamten Weiterbildung,
vom ersten Ausbildungsjahr bis
zur Erlangung des Facharztes,
für die Rotation an die entspre­
chenden Ausbildungskliniken.
Daher könne es passieren, dass
Ärzte für ein bis zwei Jahre in
eine andere Stadt umziehen
müssten. Diese Flexibilität wer­
de eingefordert und akzeptiert.
Die Weiterbildung werde in
drei Blöcke von jeweils zwei
Trainingsjahren eingeteilt und
starte mit dem Basic-LevelTraining. Dabei war Mathes
stets einem Facharzt zugewie­
sen worden, den sie zu Beginn
drei Monate in den OP begleite­
te, bevor sie selbst als verant­
wortliche Ärztin im OP-Plan
stand. Sie bezeichnete dieses
Vorgehen als sehr behutsam im
Vergleich zu Deutschland.
Denn während ihres ersten
Einsatzes am OP-Tisch seien
nebenan Oberärzte anwesend
gewesen, die sie jederzeit hät­
ten unterstützen können. Es
die hervorragende Betreuung
durch die Tutoren sorge für Si­
cherheit und Kompetenz. Die
letzte Stufe der Weiterbildung
sei ein Jahr im Advance Level
Training. Hier hätten Ärzte viel
Strukturiert, vielfältig
und kontrolliert.
folgten Intermediate Level
Training sowie Higher Level
Training für jeweils weitere
zwei bis drei Jahre, je nachdem
welche Fachrichtung man ein­
schlage. Alle Level müssten mit
sehr anspruchsvollen schriftli­
chen und mündlichen Teilprü­
fungen abgeschlossen werden.
Die Komplexität und die Ver­
antwortung nähmen in den Le­
veln kontinuierlich zu, aber
inhaltliches Mitspracherecht
und unterlägen kaum noch der
Steuerung durch die Dekanate
respektive Royal Colleges.
Grundsätzlich dauere die Wei­
terbildung in England sieben
Jahre, die meisten bräuchten
jedoch acht, weil beispielswei­
se Lehrmonate an den Unis ein­
gelegt würden, die Ärzte ins
Ausland gingen oder auch in
die Forschung. Nach erfolgrei­
chem Abschluss erlangten Ärz­
te stets einen Oberarztstatus.
Mathes empfindet die Weiter­
bildung in Großbritannien als
sehr strukturiert, vielfältig und
kontrolliert. Dafür würden die
Ausbildungskliniken entspre­
chend Budgets und Zeit für die
Weiterbildung erhalten. Sie lob­
te die flache Hierarchie, den
besseren Stellenschlüssel –
auch in der Pflege – sowie den
offenen Umgang mit Fehlern.
Abschließend kam Mathes auf
ihre aktuelle Weiterbildung in
Deutschland zu sprechen. Sie
habe sich entschlossen, auf die
Anästhesie einen Allgemein­
mediziner draufzusatteln. Dr.
Andreas Zach (siehe oben) habe
ihr in seinem Referat teilweise
aus der Seele gesprochen. In
den Kliniken sei zwar viel er­
reicht worden, aber im ambu­
lanten Bereich würden Ärztin­
nen und Ärzte in der Weiterbil­
dung sehr alleine gelassen.
Nachdem die Kassenärztliche
Vereinigung (KV) und die Kas­
sen die Weiterbildung in der
Ambulanz mit 3.500 Euro för­
derten, seien unfassbar viele
Weiterbildungsstellen entstan­
den. Ihr persönlich komme es
so vor, als erhalte jeder Allge­
meinarzt, der die Zahlen der KV
erfülle, eine Weiterbildungser­
mächtigung von der Bayeri­
schen
Landesärztekammer.
Kontrolle gebe es keine. Eigent­
lich sei es an den angehenden
Fachärzten, diese Rückmeldung
zu geben, oft hätten sie jedoch
unmögliche Verträge unter­
zeichnet und fürchteten die
Konsequenzen. Sie forderte den
MB auf, sich gerade im Bereich
der Arbeitsverträge stärker zu
engagieren, da die Kollegen in
der Weiterbildung aus den Kli­
niken kommend wenig über ih­
re Individualrechte wüssten.
LV Bayern I 10
Nr. 10/17. Juli 2015
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IIILagebericht
Tarifdiktatur – in erster Linie sind die Ärzte die Leidtragenden
MB-Landesvize Dr. Andreas Botzlar stellt die Auswirkungen des Tarifdiktaturgesetzes für den Verband dar
Bayreuth (vs). Im internen Teil
der Landesversammlung des
Marburger Bundes Bayern be­
richtete MB-Landesvize Dr. An­
dreas Botzlar von den umfas­
senden Themen, die den MB,
den Landesvorstand sowie die
Geschäftsstelle seit der letzt­
jährigen Landesversammlung
in Atem hielten. Das Hauptthe­
ma sei bedauerlicherweise das
Tarifeinheitsgesetz geblieben,
das sowohl durch Bundestag
als auch Bundesrat verabschie­
det worden sei und nun zur Un­
terschrift beim Bundespräsi­
denten liege. Für die geplante
Verfassungsklage sei der MB
bereits hervorragend vorberei­
tet, betonte Dr. Botzlar. Unter
anderem habe man das Bünd­
nis mit dem Deutschen Beam­
tenbund, dem Journalistenver­
band und Cockpit gegründet,
und das veranlasste Gutachten
durch den renommierten Ver­
fassungsrechtler und ehemali­
gen Richter am Bundesverfas­
sungsgericht, Prof. Dr. Dr. Udo
di Fabio, sorge für stichhaltige
und öffentlichkeitswirksame
Argumente gegen die Beschnei­
dung der Arbeitnehmerrechte.
Für die Verfassungsklage sei als
Verfahrensbevollmächtigter
der Staatsrechtler Prof. Frank
Schorkopf verpflichtet worden.
Auch wenn die Politik immer
betone, dass der MB gar nicht
betroffen sei, seien in erster Li­
nie die Ärzte die Leidtragen­
den. Denn im Krankenhaus
existierten für eine Berufs­
gruppe zwei gültige Tarifver­
träge – MB und Verdi. Zudem
binde der gesamte Prozess seit
nunmehr fünf Jahren enorme
Kräfte und Ressourcen im Ver­
band. Trotzdem seien in den
zurückliegenden zwölf Mona­
ten Tarifverhandlungen abge­
schlossen worden.
Botzlar fasste kurz die erzielten
Verbesserung unter anderem
bei Helios, Helios ehemals
Rhön, den Kommunalen Ar­
beitgeberverbänden sowie der
Tarifgemeinschaft der Länder
zusammen.
Durch das Tarifeinheitsgesetz
befeuert, habe der MB Bayern
seine Mitglieder Anfang des
Jahres befragt, wie sie sich die
Zukunft ihres Verbandes vor­
I MB -La n desviz e Dr. An drea s B otz la r bei der La n desve rs a mml ung d e s
MB -B ayern in B ayreuth. / Foto s (2): MB B ayern
stellten. In der Umfrage sei
deutlich geworden, dass ein
großer Teil an der bisherigen
Struktur hänge, ein noch grö­
ßerer Teil sich aber durchaus
habe vorstellen können, sich
unter gegebenen Umständen
für andere „weiße“ Berufsgrup­
pen zu öffnen. Dr. Botzlar zeig­
te sich überzeugt davon, dass
gemeinsam mehr erreichbar
sei und die Zusammenarbeit
mit allen Kollegen und Kolle­
ginnen in den Kliniken viel
Verbesserungspotenzial habe,
aber auch ein Zeichen gegen­
seitiger Solidarität bedeute.
Danach berichtete er von der
Klausurtagung des Landesvor­
stands, die im Januar stattfand
und auf der man sich für die
nächsten Jahre hohe Ziele
setzte. Die Bayerische Landes­
ärztekammer müsse mittelfris­
tig neustrukturiert werden.
Insbesondere für die kleinteili­
ge Aufteilung in Kreise sei eine
weitläufigere Struktur wün­
schenswert. Selbstkritisch ge­
genüber der eigenen Organisa­
tion und Struktur seien bereits
ganz konkrete Veränderungs­
prozesse angestoßen worden.
Ein großes Arbeitsfeld sähen
die Vorstandsmitglieder bei
der Umsetzung der Tarifver­
träge. Erzielte Verbesserung
hälfen nur, wenn sie umgesetzt
würden. Diese Rechte müssten
jedoch individuell eingefor­
dert werden, dabei unterstütze
der Verband seine Mitglieder
tatkräftig. Als wesentliche
Themenfelder hätten die Vor­
standsmitglieder die Weiterbil­
dung – bereits ausreichend im
öffentlichen Teil diskutiert –
und die Definition optimaler
Arbeitsbedingungen identifi­
ziert.
Anschließend
informierte
Botzlar über die bereisten Orte
der Kampagne „100 Tage – 100
Häuser“ im Flächenland Bay­
ern. Besonders dankte er Georg
Böhmer, der zwischen März
und Juni die Präsenz des MB
außerhalb Münchens zeigte.
Bei den Kollegen und Kollegin­
nen vor Ort sei das sehr gut an­
gekommen. In den Sozialen
Medien belegen Bilder und
Kommentare die Reise.
Abschließend wies Botzlar
auf die schwierige Dauerauf­
gabe
Mitgliedergewinnung
hin. Er wisse, dass die meisten
Ärzte/innen in den Kliniken
zufrieden mit ihren Gehäl­
tern seien und der MB eine
sehr gute Arbeit mache. Für
die „weicheren“ Themen zu
begeistern und Unterstützer
zu finden, sei um ein Vielfa­
ches aufwändiger. Das Poten­
zial sei indes groß, schließlich
sei jeder angestellte Arzt –
egal ob Klinik, Praxis oder
MVZ – nur beim MB richtig
aufgehoben.
[email protected]
IIIOmbudsstelle
IIIGeneration Y
Letzte Ausfahrt Vermittlungsstelle
Von Innenansicht und Selbstbild
junger Ärztinnen und Ärzte
Probleme der Weiterbildung aus Sicht der Ombudsleute der BLÄK
Bayreuth (vs). Einen Einblick
in die vielfältige Arbeit der
recht jungen Ombudsstelle ga­
ben Dr. Christiane Eversmann
und Prof. Peter Wünsch unter
der Überschrift „Letzte Aus­
fahrt Ombudsstelle“. Beide
sind Ombudsleute der Einrich­
tung, die im Oktober 2012 bei
der Bayerischen Landesärzte­
kammer (BLÄK) eingerichtet
wurde.
Wegweisendes
­Projekt
Ende 2011 wurde das wegwei­
sende Projekt aufgesetzt, nach­
dem der 70. Bayerische Ärzte­
tag dem Antrag auf Einrichtung
einer
Ombudsstelle
zuge­
stimmt hatte. Gesucht wurden
sodann zwei unabhängige Ärz­
te, die von der Weiterbildung
nicht betroffen waren, die über
umfangreiche berufliche Erfah­
rung verfügen sollten und de­
ren Seriosität niemand bezwei­
felte. Eversmann und Wünsch
betonten, dass sie vollkommen
unabhängig sowie ehrenamt­
lich arbeiteten, der BLÄK ge­
genüber nicht weisungsgebun­
den seien und – wie es Medizi­
ner gewohnt seien – der Schwei­
gepflicht unterlägen.
Seit zweidreiviertel Jahren
könnten sich betroffene Ärz­
tinnen und Ärzte in Weiterbil­
dung an die Vermittlungsstelle
wenden, jedoch ausschließlich
in schriftlicher Form. Das habe
sich aufgrund der hohen Kom­
plexität und Spezifika der Fälle
bewährt. Zumal Formulierun­
gen in der Weiterbildungsord­
nung oder gar Beschlüsse ver­
gangener Ärztetage recher­
chiert werden müssten. Grund­
sätzlich seien die Ombudsleute
beratend tätig. Sie versuchten
den Weg an die richtige Stelle
in der BLÄK zu ebnen, könnten
aber keine Sanktionen verhän­
gen.
Eversmann und Wünsch be­
richteten, das Gros der Anfra­
gen komme aus den Kliniken,
da dort die Weiterbildung in
erster Linie stattfände. Nach­
dem sie oft gefragt würden, wie
sich die bisher 150 Anfragen
auf die verschiedenen Fachge­
biete aufteilten, hätten sie für
die Landesversammlung diese
quantifiziert. Den größten An­
teil machten laut der Ombuds­
leute die Chirurgie, Orthopädie
und Unfallchirurgie aus, ge­
folgt vom Facharzt für Allge­
meinmedizin, für Innere Medi­
zin mit Schwerpunkt Neurolo­
gie sowie der Psychosomati­
schen Medizin und Psychothe­
rapie. Das inhaltliche Spektrum
sei sehr breit gefächert und
reiche von mangelhaften Rota­
tionsplänen, Schwierigkeiten
bei der Zeugniserstellung bis zu
unbezahlter Weiterbildung. Zu­
dem seien Fragen zu Ermächti­
gungen, Teil-Ermächtigungen
oder Chefarztwechsel häufig.
Besonders schwierig seien An­
fragen zu Anrechnungsmög­
lichkeiten bei nicht ermächtig­
ten Kollegen/innen, am häu­
figsten davon betroffen sei die
Psychotherapie. Im Bereich der
Niederlassung drehten sich die
Anfragen vor allem um Zeug­
nisse, Überstundenbezahlung,
Urlaubsplanung und Ableis­
tung von Notdiensten.
Verbesserungen
durch Gespräche
Abschließend schilderten die
Referenten, dass sie mit Vor­
schlägen zu Rotationen zwi­
schen den Abteilungen, Be­
rücksichtigung von speziellen
Weiterbildungszeiten,
Anre­
gungen zur Zeugniserstellung,
Anregungen zu gemeinsamen
Gesprächen mit Chefärzten
und Betriebsräten durchaus
Verbesserungen erzielten. Da­
bei müssten die angebotenen
Lösungen mit den Mitarbei­
tern der Weiterbildungsabtei­
lung der BLÄK in Einklang ge­
bracht werden und justitiabel
sein.
www.marburger-bund-zeitung.de
Berufliche Entfaltung sowie ein Nebeneinander von Beruf und Familie
Bayreuth (vs). Carsten Mohr­
hardt vom Sprecherrat der Ärz­
tinnen und Ärzte in der Weiter­
bildung im Marburger Bund
fasste in seinem Referat die In­
nensicht
beziehungsweise
Selbstwahrnehmung der viel
beschriebenen Generation Y
zusammen. Aufgrund der mas­
siven gesellschaftlichen Um­
brüche, in denen gültige Le­
benskonzepte nicht mehr
funktionierten, seien die zwi­
schen 1977 und 1998 Gebore­
nen zum Improvisieren und
enormer Flexibilität gezwun­
gen. Sie wünschten sich beruf­
liche Entfaltung sowie ein Ne­
beneinander von Beruf und
Familie. Das dokumentierten
die heutigen Weiterzubilden­
den, die sich breiter aufstellten,
verschiedene Zusatzqualifika­
tionen anstrebten und die Fa­
milienplanung nicht erst nach
erfolgreicher Facharztprüfung
realisierten.
Aus dem WB-Monitoring 2014
des Marburger Bund präsen­
tierte er Ergebnisse, die dem­
gegenüber die große Unzufrie­
denheit der Generation Y mit
ihrer Weiterbildung belegte.
Besonders vermissten die Be­
fragten einen strukturierten
Weiterbildungsplan
sowie
durchgehende Logbücher. Die
eigentliche WB finde zu wenig
im Arbeitsalltag, sondern au­
ßerhalb der Arbeitszeit statt.
Für den Marburger Bund stell­
te sich damals die Frage, wie
der Verband die „jungen Leute“
unterstützen könne. Im Spre­
cherrat der Ärztinnen und
Ärzte in Weiterbildung sei
deutlich geworden, dass es
nicht um die üblichen Pro­
zentpünktchen beim Gehalt
gehe. Mit dem Arbeitgeber Ge­
sundheitssystem seien sie zu­
frieden, aber Lösungswege für
konkrete Probleme beispiels­
weise von schwangeren Kolle­
ginnen, die viele Tätigkeiten
nicht mehr ausüben dürften
und somit fast zwei Jahre pau­
sierten, fehlten.
Auch für den Sprecherrat sei es
eine große Herausforderung,
aktive Unterstützer zu begeis­
tern. Um die Interessen der
jungen Betroffenen jedoch
durchsetzen zu können, müss­
ten sie in den eigenen Reihen
vertreten sein. Mohrhardt
glaube, wenn der MB bei den
verschiedenen Aspekten auf­
merksam zuhöre, zu verstehen
versuche und lösungsorien­
tiert berate, könne er für die
Generation Y eine ernsthafte
Hilfe und Unterstützung sein.
In Baden-Württemberg, berich­
tete er, sei man ein Stückchen
weiter gekommen. Sowohl im
Vorstand des MB, als auch in
den Ausschüssen der Landes­
ärztekammer hätten sich junge
Kolleginnen und Kollegen eta­
blieren können – erstmals sitze
mit seiner Person im Ausschuss
für Weiterbildung auch ein
Weiterzubildender.
I C a rste n M ohrha rd t s p ra c h üb e r
d i e Ge ne rat i on Y.
Verbesserungspotenzial
sah
Mohrhardt zudem beim Ser­
viceangebot sowie dem Aufbau
einer
Weiterbildungskultur.
Beispielsweise könnten in ei­
nem Workshop zur Dienst­
plangestaltung mit vielen Teil­
zeitkräften MBler wertvolle
Erfahrungen
weitergeben.
Beim Umgang und der Wert­
schätzung von Weiterbildung
sehe er die MB-Chefärzte in
der Verantwortung. Wenn sie
den Stellenwert für Weiterbil­
dung über den Faktor Zeit und
„Lob“ verbesserten, könne sich
auch in Deutschland das Sys­
tem ändern. Auf diesem Wege
und mit möglichst vielen Akti­
ven aus der jungen Generation
werde der MB das „Y“ wieder­
finden.