Marokko, Algerien und Tunesien sind keine

Landesmitgliederversammlung 20.02.2016
Antrag: F-01
AntragsstellerInnen: Landesvorstand GRÜNE JUGEND Hamburg
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KEINE SYMBOLPOLITIK AUF DEM RÜCKEN SCHUTZBEDÜRFTIGER
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Der Landesverband Bündnis 90/Die GRÜNEN Hamburg positioniert sich entschieden gegen das von
der Bundesregierung beschlossene Asylpaket.
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Marokko, Algerien und Tunesien sind keine sicheren Herkunftsstaaten.
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In Artikel 16a Absatz 3 des Grundgesetzes heißt es: "Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische
Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet."
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In dem vom Wirtschaftsmagazin "The Economist" berechneten Demokratieindex von 2014 werden Marokko und Algerien mit einer Punktzahl von 4,0 bzw. 3,88 als autoritäre Regime eingestuft (zum Vergleich: Deutschland liegt bei 8,64 Punkten, Nordkorea bei 1,08). In beiden Ländern sind die Rechte auf
Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit stark eingeschränkt. Die Presse wird in beiden
Ländern als nicht frei eingestuft. In Marokko werden immer wieder Journalist_innen unter dem Vorwurf
der "Anstiftung zum Terrorismus" inhaftiert. In Algerien wurde ein kritischer Fernsehsender geschlossen. Auch in Tunesien wurden Oppositionelle und Journalist_innen zu Haftstrafen verurteilt, weil sie
den Staat beleidigt oder die öffentliche Moral verletzt haben sollen. Aus Marokko und Tunesien gibt es
immer wieder Berichte über Folter.
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"Gleichgeschlechtliche Handlungen", also das Ausleben von Homosexualität, werden mit drei Jahren
Haft bestraft.
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Damit ist die Definition des "sicheren" Herkunftsstaates weder rechtlich noch moralisch erfüllt.
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Die Einschränkung des Familiennachzuges nimmt den Tod von Menschen in Kauf
und erschwert obendrein die Integration.
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Durch die Aussetzung des Familiennachzugs für zwei Jahre können alle so genannten subsidiär
Schutzbedürftigen ihre Familienmitglieder nicht mehr auf sicherem und direktem Wege nachholen.
Das schränkt eine derwenigen legalen und sicheren Fluchtmöglichkeiten noch weiter ein. Insbesondere Frauen*, Kinder, ältere Menschen und Menschen mit Behinderung werden vor die Wahl gestellt, entweder in einem Land zu bleiben, in dem sie sich in Lebensgefahr befinden, oder sich auf lebensgefährliche Fluchtrouten zu begeben. In beiden Fällen wird der Tod dieser Personen in Kauf genommen. Weitere Tragödien sind somit vorprogrammiert.
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Die Regelung, dass selbst unbegleitete minderjährige Asylsuchende keine Familienangehörigen nachholen dürfen, verstößt obendrein gegen internationales Recht.
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Diese Entscheidung sendet außerdem genau das falsche Signal für die Integration. Alles dafür zu tun,
dass sich die Geflüchteten hier ohne ihre Familie und auf sich alleine gestellt nicht wohl und willkommen fühlen, hilft sicherlich niemandem, sich hier ein Leben aufzubauen.
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Geflüchtete werden entrechtet.
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Bestimmte Geflüchtetengruppen sollen in "besonderen Aufnahmeeinrichtungen" untergebracht werden. Ihre Asylanträge werden in einem Schnellverfahren innerhalb von einer Woche bearbeitet, damit
sie nach drei Wochen abgeschoben werden können. Diese Unterkünfte liegen fernab der Ballungsgebiete, ohne adäquaten Zugang zu unabhängiger Rechtsberatung und effektiver Vertretung durch Anwält_innen. Faire Verfahren und Gleichheit vor dem Gesetz sind dadurch in keinster Weise mehr gewährleistet. Aufgrund der Bestimmung, dass auch Geflüchtete ohne Papiere diesen Schnellverfahren
unterzogen werden können, betrifft das einen Großteil der Geflüchteten. Denn wer verfolgt wird und
untertauchen muss oder aus einem Kriegsgebiet kommt, kann meist keine Papiere mitnehmen.
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Auch die Abschiebung kranker, und insbesondere traumatisierter Geflüchteter soll erleichtert werden.
Nach Ansicht der Bundesregierung sind posttraumatische Belastungsstörungen kein Abschiebungshindernis. Das ist besonders angesichts der Tatsache, dass sich viele Menschen in Abschiebehaft das Leben nehmen, weil sie diese Situation so belastet, geradezu zynisch.
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Hintergründe:
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"Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende
Bestrafung oder Behandlungstattfindet. " Artikel 16a, Absatz 3 Grundgesetz
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Algerien
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"Die Behörden schränkten vor allem unmittelbar vor den Präsidentschaftswahlen im April 2014 die
Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit ein, lösten Demonstrationen auf und
schikanierten Menschenrechtsverteidiger. Frauen wurden vor dem Gesetz und im täglichen Leben diskriminiert und waren trotz angekündigter Gesetzesreformen weiterhin nur unzureichend gegen Gewalt
geschützt. Die Verantwortlichen für schwere Menschenrechtsverletzungen während der 1990er Jahre
sowie Personen, die sich der Folter und Misshandlung von Häftlingen in den Jahren danach schuldig
gemacht hatten, gingen nach wie vor straffrei aus. Migranten ohne regulären Aufenthaltsstatus wurden
diskriminiert, misshandelt und willkürlich ausgewiesen. Bewaffnete Gruppierungen verübten Anschläge, bei denen Menschen ums Leben kamen. Todesurteile wurden verhängt, Hinrichtungen gab es jedoch nicht." (Amnesty Länderbericht 31.12.2014)
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"Die Behörden schränkten die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit weiterhin ein. Kritik an der Regierung wurde unterdrückt, Journalisten riskierten strafrechtliche
Verfolgung, Aktivisten wurden festgenommen. Menschenrechtsorganisationen und andere Vereinigungen konnten nur unter Auflagen arbeiten. Friedliche Demonstrationen und Protestaktionen wurden gewaltsam aufgelöst. Es gab erneut Berichte über Folter und andere Misshandlungen während der Haft
aufgrund von unzureichenden Sicherheitsmaßnahmen und mangelnder Rechenschaftspflicht. Nach
wie vor wurden unter Folter erpresste "Geständnisse" vor Gericht zugelassen. Zwar schloss ein neues
Gesetz eine Lücke, die es Vergewaltigern ermöglicht hatte, ihrer Strafe zu entgehen, wenn sie das Opfer heirateten, doch waren Frauen nach wie vor nicht ausreichend vor sexueller Gewalt geschützt. Die
Behörden beteiligten sich an rechtswidrigen Ausweisungen von Migranten und Asylsuchenden von
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Spanien nach Marokko. Die Todesstrafe blieb in Kraft. Die Regierung hielt jedoch an dem Moratorium
für Hinrichtungen fest." (Amnesty Länderbericht 31.12.2014)
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"Die im Januar 2014 verabschiedete neue Verfassung umfasste maßgebliche Garantien für die Einhaltung der Menschenrechte. Trotzdem schränkten die Behörden die Rechte auf freie Meinungsäußerung
und Vereinigungsfreiheit nach wie vor ein. Es gab erneut Berichte über Folter von Häftlingen, und mindestens zwei Menschen wurden Opfer von rechtswidrigen Tötungen durch Polizeikräfte. Die neue Verfassung enthielt zwar verbesserte Bestimmungen für den Schutz von Frauenrechten, vermochte jedoch
weder die gesetzliche und faktische Diskriminierung von Frauen zu beenden noch Gewalt gegen Frauen einzudämmen. Ein neues Verfahren zur Ahndung von Menschenrechtsverletzungen in der Vergangenheit trat in Kraft. Demgegenüber setzte jedoch ein Militärberufungsgericht das Strafmaß für zwei
ehemalige hohe Beamte beträchtlich herab. Die Männer waren für schuldig befunden worden, während der Massenunruhen von 2010/11 für Hunderte rechtswidrige Tötungen verantwortlich gewesen
zu sein. Tunesien hielt seine Grenzen für Flüchtlinge aus Libyen offen. Bewaffnete Gruppen führten Angriffe durch und töteten Angehörige der Sicherheitskräfte. Mindestens zwei Personen wurden zum
Tode verurteilt; Hinrichtungen fanden nicht statt" (Amnesty Länderbericht 31.12.2014)
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