Datum: 11.08.2015 Tages-Anzeiger 8021 Zürich 044/ 248 44 11 www.tagesanzeiger.ch Medienart: Print Medientyp: Tages- und Wochenpresse Auflage: 172'920 Erscheinungsweise: 6x wöchentlich blogs.tagesanzeiger.ch Politblog Die Hochqualifizierten braucht es auch Von Andreas Pfister* Wer sich für mehr inländische Akademiker ausspricht, wird eher früher als später mit dem Einwand konfrontiert: Und die Handwerker? Die braucht es doch auch! Und wer von fremden Chefs spricht, kriegt zu hören: Und die Ausländer? Die dürfen uns noch den Hintern wischen, oder was? Diese Einwände lassen sich nicht einfach so von der Hand weisen. Tatsächlich befindet sich die Schweiz derzeit in der eigentlich komfortablen Lage, dass es an fast allen Arbeitskräften fehlt: von Hoch- bis zu wenig Qualifizierten. Warum also sollten mehr Jugendliche studieren, wenn der lokale Bauunternehmer keinen Stromer findet? Ist nicht jeder Studierte ein verlorener Handwerker? Und liegt nicht die Stärke der Schweiz im dualen Bildungssystem? Dann ist im Zweifelsfall ein Praktiker doch besser als ein Ethnologe (was ist das überhaupt?). Argumentiert wird wie zu Max Frischs Zeiten: Damals waren die meisten ausländischen Arbeitskräfte schlechter ausgebildet als die Schweizer. Dass das heute umgekehrt ist, dass unter den Immigranten überproportional viele Akademiker sind, das weiss man entweder nicht, oder man Themen-Nr.: 374.003 Abo-Nr.: 1044548 Seite: 2 Fläche: 21'957 mm² tig aber Hochqualifizierte im Ausland zu holen und mit ihnen unsere besten Positionen zu besetzen? Man kann das Protektionismus nennen oder Heimatschutz, doch wir haben unseren Jugendlichen gegenüber eine Verantwortung. Sie verdienen mindestens die gleichen Chancen. Was die Wirtschaft braucht, ist eine Sache. Wichtiger ist, was die Jungen brauchen. Es geht um ihre Bildung, das verlangt mehr von uns als die Haltung eines Bauherrn, der gerade einen Sanitär braucht. Die Kritiker haben recht: Es braucht auch Handwerker. Doch wenn wir vom Brauchen ausgehen, muss man heute den Schwerpunkt anders setzen: Was ist mit den Hochqualifizierten? Die braucht es auch. quittiert es mit Schulterzucken. Hauptsache, die Schweiz verfügt über top ausgebildete Handwerker. Das ist das Wichtigste, den Akademikerimport nimmt man halt in Kauf. Oder aber man gerät in die Mühlen eines ausländerfeindlichen Diskurses und endet im unsäglichen *Andreas Pfister ist GymnasialDeutschen-Bashing an Schweilehrer und Bildungsjournalist. zer Universitäten. Es geht nicht darum, den Diskutieren Sie mit auf Ausländern die Dreckjobs zu politblog.tagesanzeiger.ch überlassen. Erstens sind das nicht einfach Dreckjobs. Und zweitens präsentiert sich die Situation heute ganz anders: Die Schweiz importiert Akademiker im grossen Stil. Zwar arbeiten noch immer viele Ausländer, insbesondere Südeuropäer, auf dem Bau. Doch unter den Immigranten sind mittlerweile unverhältnismässig viele Hochqualifizierte: Ingenieure, Ärzte, Professoren. Einmal mehr muss man differenzieren: In Zürich zum Beispiel geht mehr als die Hälfte der Deutschen ans Gymnasium, aber nur zwei Prozent der Portugiesen. Was ist bei solchen Unterschieden von der Kategorie «Ausländer» noch zu halten? Die Schweiz braucht Arbeiter auf allen Stufen. Ist es dann richtig, mit strenger Selektion die eigenen Leute auf Gymnasialstufe auszubremsen, gleichzei- Medienbeobachtung Medienanalyse Informationsmanagement Sprachdienstleistungen ARGUS der Presse AG Rüdigerstrasse 15, Postfach, 8027 Zürich Tel. 044 388 82 00, Fax 044 388 82 01 www.argus.ch Argus Ref.: 58719322 Ausschnitt Seite: 1/1
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