Ökonomie im Quartier – von der sozialräumlichen Intervention zur Postwachstumsgesellschaft? Tagung des AK Quartiersforschung am 02. und 03. Juni 2016 in Wuppertal in Kooperation mit dem Transzent - Zentrum für Transformationsforschung und Nachhaltigkeit Call for Papers „Lokale Ökonomien“ sind in stadtentwicklungsorientierten Diskursen bisher in der Regel als Baustein von quartiersbezogenen Aufwertungsmaßnahmen, die der Sozialen Stadt, BiWAQ, projet urbains o.ä. diskutiert worden. Die Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt nennt die lokale Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik explizit als Komponente einer kleinräumigen Entwicklungsstrategie. Als Bestandteil integrierter Quartiersentwicklung stellen sich Interventionen zur kleinräumigen ökonomischen Revitalisierung neben städtebaulichen und sozialen Maßnahmen als äußerst komplex und schwierig greifbar dar. Gleichwohl lässt sich auf einer kleinräumigen Ebene eine Vielfalt von (Teil-)Ökonomien mit unterschiedlicher Ausrichtung, differenzierten Wirkungsgraden und Zielen finden. In meist kleinbetrieblichen Strukturen wirkt eine Vielzahl von Unternehmen des Dienstleistungsgewerbes, des Einzelhandels, der Gastronomie oder des Handwerks, deren Geschäftsmodelle sich auf Quartierskontexte beziehen. Sie sind u.a. auch für solche Bevölkerungsteile von hoher Bedeutung, welche nur über eingeschränkte Mobilitätsmöglichkeiten oder geringe Einkommen verfügen. Auch „ethnische Ökonomien“ in Form von spezialisierten Unternehmen können einen spezifischen Quartiersbezug entwickeln. Oft finden sich diese auch in aggregierter Form in migrantisch geprägten Quartieren und spielen dabei eine über die unmittelbare Umgebung herausgehende Rolle. Neben der Bedienung einer speziellen, kulturell orientierten Nachfrage aus dem Quartier werden hier nicht zuletzt auch Erwerbsmöglichkeiten geschaffen. Daneben gibt es aber zunehmend auch (informelle) Netzwerke, Gruppen und Einzelakteure, welche „lokale Ökonomien“ als Re-Lokalisierung von Arbeit und Versorgung im Quartier sehen und dabei ggf. eher die Generierung einer „Stadtrendite“ als rein pekuniäre Interessen in den Mittelpunkt ihrer Tätigkeit stellen. Hier treten zum einen postmaterielle Milieus mit auf Ganzheitlichkeit ausgerichteten Lebensstilen oder professionelle Akteure mit einem Bezug zum Nachhaltigkeitspostulat und postwachstumsökonomischen Diskurs auf, zum anderen auch die 1 „kreative Klasse“, für die eine inspirierende, netzwerkorientierte „Home and Working Base“ ein wesentlicher „Standortfaktor“ ist. Diesen und ähnlichen Akteuren geht es nicht um die Intervention in prekären Settings, sondern vielmehr um die Aufwertung des eigenen Lebensraums, die Aneignung oder Erschließung städtischer Räume. Sie verstehen sich als Pioniere („Raumunternehmer“) oder als Vorreiter alternativer Konsummuster, welche mit einer zum Teil deutlichen politischen Orientierung abseits von Renditemaximierung unter dem Begriff der „Solidarökonomie“ firmiert (z.B. urban gardening/farming, genossenschaftliche oder vereinsbasierte Quartiersläden, Tauschläden/Umsonstläden, etc.). Und um Ideen wie „collaborative consumption“ oder „shared economy“ z.B. in der Nachbarschaft zu organisieren, nehmen Social Media und neue Technologien eine zunehmend wichtige Rolle ein. Die Tagung verfolgt das Ziel, den Zusammenhang unterschiedlicher Ansätze lokaler Ökonomien und ihre Auswirkungen auf Quartiere und deren BewohnerInnen sowie Potenziale zur Entwicklung von Quartieren in Verbindung von theoretischen Modellen und praktischen Konzepten darzustellen. Für den Call sind folgende Fragekomplexe leitend: Interventionen Wie wirken gebietsbezogene Interventionen im Bereich „Lokale Ökonomie“ auf der Quartiersebene? Wie unter welchen Bedingungen verstetigen sich diese Projekte? Welche Rolle spielt das Konzept „Lokale Ökonomie“ in Programmen wie Soziale Stadt, projets urbain und BiWAQ? Welche Ansätze lokaler Ökonomie gibt es abseits von Programmen zur sozialräumlichen Intervention, beispielsweise als kreative Spielformen der Aneignung und Erschließung von Räumen? Lokale ethnische und informelle Ökonomien Wie lassen sich „ethnische Ökonomien“ in Quartiere einordnen und welche Rolle spielen sie? Welche Arten von „informellen Ökonomien“ gibt es und welchen Einfluss haben sie auf Quartiers-Settings? Welche Rolle spielen (temporäre) informelle, nicht-institutionalisierte oder nicht legale Ökonomien insbesondere in Transformationsphasen und als Übergangslösungen (z.B. pop up stores, Hausbesetzungen, urban farming etc.)? Lokale Ökonomien der „creative class“ Welche Rolle spielen „kreative“ Projekte und Raumpioniere? Welche Nutzungskonflikte treten auf (Angebotsspektrum vs. Sozialstruktur in einem Quartier)? Lokal orientierte Solidarökonomie und Social Media-Projekte 2 Wie stellen sich solidarökonomische Projekte dar und wie können sie Quartiere verändern (Fallbeispiele)? Auf welchen theoretischen Konzepten basieren Solidarökonomien und Postwachstumsökonomien in postpolitischen Zeiten? Welche Rolle können Social Media-Angebote spielen? Unter welchen Bedingungen gelingt eine Verstetigung solidarökonomischer Projekte? Der Arbeitskreis Quartiersforschung versteht sich als offenes, interdisziplinäres Forum. Ein wichtiges Ziel dieser Tagung ist es, den Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis (Kommunen, Stiftungen, soziale Träger, lokale Akteure o.ä.) zu fördern. Deshalb sind selbstverständlich neben GeographInnen auch Angehörige anderer sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Disziplinen sowie StadtplanerInnen und ExpertInnen aus der Praxis herzlich willkommen! Am Vorabend der Tagung ist eine Exkursion mit anschließendem Get Together geplant. Für die Tagung sind Impulsreferate (ca. 15 Minuten) aus den oben beschriebenen Themenbereichen vorgesehen. Themenvorschläge (mit Kurzexposé von höchstens einer Seite) richten Sie bitte bis zum 29. Februar 2016 an die AK Sprecher Olaf Schnur ([email protected]), Matthias Drilling ([email protected]) oder Oliver Niermann ([email protected]). Sie stehen auch für weitere Auskünfte und Rückfragen gerne zur Verfügung (siehe www.quartiersforschung.de). Bei ausreichender Anzahl und Qualität der Beiträge ist eine anschließende Verlagspublikation möglich. Es besteht zudem die Möglichkeit einer Posterpräsentation (Anmeldung bitte formlos per Email an die AK Sprecher). Interessierte ohne eigenen Beitrag melden sich bitte bis Ende Mai obligatorisch unter Angabe der Institution unter den o.g. Adressen an. Das definitive Tagungsprogramm wird bis April 2016 vorliegen und über die üblichen Verteiler bekannt gemacht. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir endgültige Teilnahmezusagen erst nach der Veröffentlichung des Programms und der Anmelde-Deadline im nächsten Jahr erteilen können. Dank der freundlichen Unterstützung des Transzent und der Universität Wuppertal ist die Teilnahme an der Tagung kostenlos. Anreise, Unterkunft und Verpflegung sind von den TeilnehmerInnen selbstständig zu organisieren. Honorare werden keine gezahlt. 3
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