SoSe 2014

Erasmus Erfahrungsbericht:
Mein Auslandssemester an der Hacettepe University in Ankara
Vorbereitung/Formalitäten
Obwohl es schien als hätte man viel Zeit, verging diese dann doch wie im Flug und es war noch
einiges zu organisieren. Ich hatte das Glück neben meinem deutschen Personalausweis ein
türkisches Ausweisdokument zu besitzen. Das beantragen eines Visums für meinen Aufenthalt in
Ankara blieb mir also erspart.
Für die Einreise in die Türkei benötigt man zwar lediglich den Personalausweis, doch um ein
Studentenvisum zu beantragen, ist der Reisepass erforderlich.
Hat man alle Dokumente dabei, lässt sich alles ohne Probleme vor Ort mit Hilfe des Erasmusbüros
als Gruppe erledigen.
Die Suche nach einer geeigneten Unterkunft hingegen hat sich als komplizierter als in deutschland
herausgestellt. Es ist nicht möglich gewesen, im voraus eine feste Zusage vom
Studentenwohnheim in Ankara zu bekommen und so hat sich vieles unnötig in die länge gezogen.
Doch in Facebook-Gruppen der Hacettepe University (besonders zu empfehlen ist die ESN
Gruppe) bekommt man sehr schnell Hilfe und Tipps zu diversen Fragen und Anliegen von
einheimischen- oder ehemaligen Erasmus- Studenten. Es ist ebenso möglich ein Zimmergesuch
auf diesen Seiten zu posten. In der Regel bekommt man sehr schnell Angebote oder wird
weitergeleitet.
Als ich dann in Ankara angekommen war, habe ich ohne weitere Probleme mein Zimmer im
Wohnheim beziehen können und alles andere, wie das beantragen eines Studentenausweises,
konnte man während der Begrüßungsveranstaltung vom Erasmus-Büro erledigen.
Die Organisation des Learning Agreements gestaltete sich jedoch kompliziert, da einige Kurse, die
man sich zuvor rausgesucht hatte, nun doch nicht angeboten wurden oder die Zeiten verschoben
wurden und somit zwei Veranstaltungen zur gleichen Zeit stattfanden. Zeitweise habe ich mich
vom Erasmusbüro vor Ort nicht auseichend unterstützt gefühlt und musste somit ein ständiges hin
und her zwischen den Büros allein bewältigen.
Während des Auslandsaufenthalts benötigt man ein Bankkonto, welches man ohne weitere
Probleme in der Bank auf dem Campus eröffnen kann.
Gasthochschule
Der Beytepe Campus der Hacettepe University ist sehr groß und mit allem ausgestattet, was das
Herz begehrt. Neben zahlreichen türkischen Restaurants, Cafes und Imbissen gibt es auf dem
Campus ein Burger King Restaurant und ein Starbucks Cafe.
Das Essen in den Restaurants und Cafes war in der Regel etwas günstiger als in der Stadt und
definitiv schmackhafter als das meist ungenießbare Essen in der Mensa. Das führte natürlich zu
großem Andrang während der Mittagspause und so aß man des öfteren gemütlich auf der Wiese
und konnte gleichzeitig die Sonne genießen.
Desweiteren sind auf dem Campus eine Bibliothek, Mensa, Friseursalons, Banken, Geldautomaten,
eine olympische Schwimmhalle, diverse Sportplätze und eine Krankenstation aufzufinden, welche
kostenlos aufgesucht werden kann. Die Preise beim Friseur auf dem Campus sind in der Regel
günstiger als in der Stadt und für das Schwimmbad zahlt man einmalig 60tl pro Semester, also
umgerechnet ca. 20€.
Auf dem Campus ist es nicht möglich Zigaretten oder Alkohol zu kaufen, wobei Alkoholkonsum auf
dem Gelände generell untersagt ist.
Der Campus Beytepe befindet sich ziemlich weit außerhalb der Stadt und so hatte man je nach
Wohnort meistens eine lange Busfahrt zur Uni, wobei die Busse grundsätzlich überfüllt waren.
Meine Dozenten waren zum großen Teil sehr freundlich, offen und hilfsbereit doch leider gab es
auch einige unter Ihnen die mit einer Erasmusstudentin in ihrem Kurs überfordert waren. Ich hatte
meine Seminare auf türkischer Sprache belegt und war am Ende, als es um die Klausuren ging,
leider sehr überfordert. Die Erasmusschüler, die ihre Seminare auf englisch belegt hatten, hatten
es um einiges besser da ihre Studienbelastung deutlich geringer war und sie keinen regulären
Unterricht mitmachen mussten.
Unterkunft
Wie bereits erwähnt war es nicht leicht ein Zimmer im Wohnheim zu bekommen doch vor Ort hat
dann glücklicherweise alles reibungslos funktioniert. Das Wohnheim befand sich unmittelbar auf
dem Beytepe Campus mit diversen Restaurants, Cafes und Einkaufsmöglichkeiten. Die zweier
Zimmer waren super ausgestattet und das Leben auf dem Campus hatte den Vorteil, das man
immer unter Studierenden war und keine langen Fahrten zur Uni hatte. Die Gemeinschaftsküche
bot ausreichend Platz zum gemeinsamen kochen und Essen und konnte jederzeit genutzt werden.
Für die Wäsche musste man sich rechtzeitig anmelden, was ab und an zu langen Wartezeiten
führen konnte.
Neben dem privaten Wohnheim, für das ich mich entschieden hatte, gibt es auch ein staatliches
Mädchen Wohnheim. Hier wohnen vier Mädchen gemeinsam auf engstem Raum miteinander und
besitzen auch kein eigenes, sondern ein Gemeinschaftsbad. Soweit mir berichtet wurde war das
empfangen von männlichen besuchern in diesem Haus strengstens untersagt. Doch wenn man
offen für all das ist kann man hier sehr günstig und sehr zentral auf dem Campus wohnen. Die
miete betrug lediglich 250tl im Monat, was je nach aktuellem Wechselkurs umgerechnet ca. 90 bis
100€ sind. Die Miete für das private Wohnheim hingegen betrug 550tl, also je nach aktuellem
Wechselkurs umgerechnet ca. 195 bis 205€.
Auf dem Campusgelände war immer (besonders bei schönem Wetter) was los und auch
Sportbegeisterte kamen auf ihre Kosten. Das Leben im Wohnheim beinhaltet jedoch ebenso
Einschränkungen. Wenn man mal etwas in der Stadt unternehmen wollte, musste man spätestens
um zwei Uhr morgens wieder auf dem Capusgelände sein und kurz darauf wurden auch die Türen
der Wohnheime verriegelt, sodass ein ein- oder ausgehen nicht mehr möglich war.
Da zu dieser Uhrzeit keine Metro und auch kein regulärer Linienbus mehr fuhr, gab es nur noch die
Möglichkeit mit dem grundsätzlich überfüllten Dolmus zu fahren, der um halb zwei Uhr morgens
von der Innenstadt zum Campus für umgerechnet ca. 70 Cent fuhr.
Eine weitere Möglichkeit war die Fahrt mit dem Taxi, für die man vom Zentrum bis zum Campus in
Beytepe ca. 15 bis 20€ zahlt. Ein vorheriges verhandeln über den Preis der Fahrt und das
aushandeln eines Festpreises zahlen sich meistens aus.
Im Wohnheim war das empfangen von Besuch auf den Zimmern auch nicht ohne weiteres möglich.
Grundsätzlich musste sich jeder Besucher am Empfang anmelden und mit auf das Zimmer durften
lediglich Studenten, die ebenso Bewohner des Wohnheims waren. Alle anderen Studenten durften
sich lediglich in den Gemeinschaftsräumen aufhalten. Rückblickend würde ich das Leben in einer
WG im Zentrum vorziehen, da es viel mehr Freihheiten mit sich bringt und somit mehr
möglichkeiten zur Freizeitgestaltung.
Alltag und Freizeit
Vorher erworbene Sprachkenntnisse sind sehr hilfreich, da die Kurse in der Uni meiner Meinung
nach schlecht sind und eher auf Grammatik abzielen als auf Alltagssituationen. Wenn man offen ist,
kann man im Alltag in Ankara sehr gut türkisch lernen, da aufgrund fehlender Touristen kaum
jemand in der Stadt englisch spricht.
Die Einheimischen zeigen sich in der Regel sehr hilfsbereit und sind leicht durch die Bemühungen
ihre Sprache zu sprechen zu begeistern.
Ich habe auch viele Internationale Studierende kennengelernt, die kaum ein Wort türkisch gelernt
haben. Denen muss aber einiges Wertvolles im Miteinander mit den Türken entgangen sein.
Wenn man sich nicht unbedingt viele Leistungen anrechnen lassen muss, kann man sehr viel
Freizeit genießen. Diese habe ich mit anderen Erasmus- Teilnehmern aus ganz Europa und auch
mit Einheimischen verbracht. Wir haben an organisierten Ausflügen in unterschiedlichste Teile der
Türkei teilgenommen, sind in Clubs gegangen und haben regelmäßig Barbecue gemacht. Unter
den Ausflügen, die regelmäßig von der ESN Gruppe für alle Erasmus Studenten organisiert
werden, ist der Trip nach Kapadokya besonders zu empfehlen. Kapadokya bietet eine tolle
Landschaft und Architektur und es gibt einiges zu erleben. Ein besonderes Highlight das man sich
nicht entgehen lassen sollte ist die Ballonfahrt.
Ankara hat sowohl grüne Parkanlagen als auch jede Menge Einkaufsmalls zu bieten. Ich habe für
mich ein etwas traditionelleres Basarviertel entdeckt, in dem ich viele Stunden beim Stöbern und
Staunen verbracht habe. Es gibt vieles zu entdecken in Ankara und mit der Metro kommt man am
schnellsten und einfachsten von einem Ort zum anderen. Das Taxi fahren ist in der Türkei deutlich
günstiger als in Deutschland doch während meines Aufenthalts habe ich es kaum in Anspruch
genommen da die Fahrt mit der Metro am günstigsten und schnellsten war.
An die Währung (türkische Lira) gewöhnt man sich schnell da das umrechnen unkompliziert ist
doch man sollte besser den Wechselkurs verfolgen bevor man größere Summen wechselt.
Die Preise bei Drogerieartikeln und Alkohol sind im Vergleich zu Deutschland sehr hoch, alles
andere wie Kleidung, Schuhe, Essen und trinken ist in der Regel günstiger als in Deutschland.
Im Alltag kann man auf kulturelle Eigenheiten treffen. Beispielsweise drängelt man an der
Bushaltestelle nicht, sondern steht unfassbar geordnet in einer Warteschlange und das putzen der
Nase in der Öffentlichkeit ist absolut tabu.
Fazit
Der Grund warum ich mich für ein Auslandsaufenthalt in der Türkei entschieden habe waren meine
türkischen Wurzeln. Ich bin in Deutschland geboren und mit der deutschen Kultur aufgewachsen.
Das Herkunftsland meiner Eltern konnte ich bisher lediglich als Touristin während kurzen
Urlaubsaufenthalten erleben und meine Sprachkenntnisse beschränkten sich lediglich auf
Grundkenntnisse. Mir war es also ein persönliches Anliegen dieses Land und die türkische Kultur
mit all seinen Facetten zu erleben und meine Wurzeln zu erkunden.
Trotz anfänglicher Vorurteile muss ich sagen, dass die Türkei im großen und ganzen ein modernes
Land ist, indem Frauen aufgeschlossen im Minirock ausgiebig bis spät in die Nacht feiern können.
In den Großstädten im Westen der Türkei ist ein Streben nach dem modernen westlichen
Lebensstil deutlich zu erkennen, wobei im Osten der Türkei eher an alten Traditionen und Kulturen
festgehalten wird. Dennoch war es eine interessante Erfahrung bist in den tiefen Osten zu reisen
und die Menschen und ihre Kultur kennenzulernen. Die Gastfreundlichkeit, die man von fremden
erfahren hat, war nahezu unglaublich!
Leider habe ich auch negative Erfahrungen während meines Aufenthaltes machen müssen.
Aufgrund diverser politischer Ereignisse kam es desöfteren zu Demonstrationen und
Protestaktionen seitens der Bevölkerung, insbesondere der Studenten. Da die türkische Polizei
sehr radikal und Gewaltbereit in ihrem Vorgehen den Demonstranten gegenüber war, war man
auch als unbeteiligter plötzlich mitten im Geschehen wenn man zur falschen Zeit am falschen Ort
war. So passierte es, dass wir nach einem Kinobesuch beim Verlassen des Gebäudes plötzlich
Tränengas ausgesetzt waren und in ein Cafe flüchten mussten, um dem unkontrollierten Zorn der
Polizei zu entkommen.
Rückblickend kann ich jedoch sagen, dass mein Auslandssemester in Ankara eine der schönsten
und interessantesten Erfahrungen in meinem bisherigen Leben war.
Am Ende meines Aufenthaltes konnte ich eine deutliche Verbesserung meiner türkisch- und
englischkenntnisse feststellen und habe sehr viel interessantes für meinen weiteren Studienverlauf
lernen können.
Mit den Erasmus-Studierenden aus ganz Europa besteht noch immer sehr enger Kontakt und ein
Wiedersehen ist schon bald geplant.