Qualitätsindikatoren für die Behandlung von Menschen mit Herzinsuffizienz: Die Perspektive der Patient/inn/en Prof. Dr. Heidrun Herzberg, M. Sc. Kathrin Bernateck Hochschule Neubrandenburg Die Leitlinie „Chronische Herzinsuffizienz“ Qualitätsindikatoren sind Kriterien: • zur Diagnostik der Erkrankung (EKG, Echokardiographie) • zur allgemeinen Behandlungsstrategie (Ratschläge zur körperlichen Aktivität und langfristige Medikamentengabe) • zu notwendigen operativen Eingriffen und zu regelmäßigen Folgeuntersuchungen 1. Die Forschungsfrage Geben die in der Leitlinie „Chronische Herzinsuffizienz“ aufgeführten Qualitätsindikatoren patientenrelevante Aspekte wieder? 2. Die Methode der Untersuchung • Zur Erhebung der Daten: Das Gruppendiskussionsverfahren (Bohnsack/Przyborski/Schäffer 2010) • Zur Auswertung der Daten: ein an die Grounded Theory angelehntes Verfahren (Alheit 2010) • Der theoretische Rahmen: Das Konzept der Wissensordnung (Hanses 2012) Das Konzept der Wissensordnung Wissensordnungen sind im Kontext einer „Theorie der Praxis“ (vgl. etwa Bourdieu 1994; Reckwitz 2003) etablierte mentale Routinen eines bestimmten Verhaltensrepertoires, das den Akteuren als selbstverständlich und unhinterfragbar erscheint und die darauf basierenden Praktiken gegenüber anderen Praktiken mehr oder weniger hermetisch abdichtet (vgl. Alheit/Hanses 2004, S. 13 ff.; Hanses 2012, S. 38 ff.) 3. Das Sample der Untersuchung Gruppe Teilnehmer, Alter in Jahren A fünf Männer, 64-80 eine Frau, 72 B fünf Männer, 69-79 zwei Frauen, 65 und 75 C sechs Männer, 52-77 vier Frauen, 59-75 D drei Männer, 56-73 eine Frau,75 Männer zehn Männer, 68-85 Frauen zwölf Frauen, 60-76 4. Impulse für die Gruppendiskussionen • • Was macht vor dem Hintergrund Ihrer eigenen Erfahrungen mit der Krankheit Herzinsuffizienz eine gute ärztliche Behandlung aus? Fragen zu den Qualitätsindikatoren: Diagnostik, Ratschläge zur körperlichen Aktivität, Medikamentengabe, operative Eingriffe, regelmäßige Blutuntersuchungen, Gewichtsprotokoll 5. Das zentrale Ergebnis Die Qualitätsindikatoren werden grundsätzlich von den Patientengruppen akzeptiert, aber sie lassen viele die Alltagswelt der Patient/inn/en berührende Aspekte außer Acht. Ratschläge zur körperlichen Betätigung • Das Zusammentreffen mit Gleich-Kranken • Das Schöpfen aus dem Erfahrungsfundus der Gruppe • Die Entlastung des Arztes: „das ist schon wichtig find ich. denn da entlaste ich ja auch normalerweise den Arzt mit ne? weil ich ja denn drauf acht gebe und sag, aha, die ham das auch so gehabt, also is dat nicht so schlimm, nimmst n bisschen Spray? denn geht’s dir wieder gut.“ Konkurrenz unterschiedlicher Wissensordnungen • • Die alltägliche Wissensordnung ist durch einen deutlichen Erfahrungsbezug gekennzeichnet, biographisch konstruiert und verweist in den impliziten Wissensstrukturen auf soziale Lebenswelten Die medizinische Wissensordnung bezieht sich auf externe Evidenz bzw. interne Evidenz im Sinne von Erfahrungswissen der Ärzte, zergliedert das Krankheitsgeschehen in Einzelaspekte und verfolgt eine top-down-Strategie 6. Diskussion • Eine Öffnung der medizinischen Wissensordnung gegenüber der Alltagswissensordnung ist notwendig, wenn die Relevanzen der Patienten aufgegriffen werden sollen • Die Bedeutung „interner Evidenz“. Hierunter verstehen Behrens und Langer (2010) nicht nur den „Expertenkonsens“ (ÄZQ 2012) der Ärzte, sondern Kommunikations- und Wissensformen, die im Behandlungsalltag von allen relevanten Beteiligten verwendet und ausgetauscht werden • Qualitätsindikatoren müssen weiterentwickelt werden
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