Erfahrungsbericht

Erfahrungsbericht
Name: L i s a, M e r k e l
Austauschjahr: Wintersemester 2013/14
Gastuniversität: Istanbul Universitesi
Stadt: Istanbul
Land: Türkei
Aus Spam-Schutzgründen wird die E-Mail-Adresse nicht im Internet veröffentlicht,
kann aber im Akademischen Auslandsamt erfragt werden.
Vor der Ankunft
Zunächst einmal, herzlichen Glückwunsch zu der Entscheidung, einige Monate in Istanbul zu
studieren.
Vor der Ankunft gibt es ein paar Möglichkeiten, die Organisation bzgl. des kommenden Semesters in Istanbul zu vereinfachen und trotz aller Aufregung die Nerven etwas zu schonen.
Es empfiehlt sich, sich so früh wie möglich über die Homepage der Istanbul Universität über
die Bewerbungsmodalitäten (Frist, erforderliche Dokumente etc.) zu informieren, da es den
Webseiten etwas an Struktur mangelt und beispielsweise für das Wintersemester verschiedene
Bewerbungsdeadlines gesetzt sind.
Man sollte sich auch rechtzeitig um ein Visum kümmern, da dieses seit 2012 für einen Aufenthalt, der länger als 90 Tage dauert, (innerhalb von einem Zeitraum von 180 Tagen) benötigt wird. Eine Ausreise für ein paar Tage ist also nicht mehr möglich. Es gab zwar Ausnahmeregelungen für das letzte Semester, aber wer auf Nummer sicher gehen möchte, sollte am
besten ein Visum beantragen. Ich habe mich vor meiner Ankunft auf craigslist.com nach WGs
umgesehen, und glücklicherweise dort auch gleich meine zukünftigen Mitbewohner gefunden. Allerdings sind viele andere Studenten problemlos fündig geworden, die erst nach ihrer
Ankunft nach einer Wohnung oder WG gesucht haben. Vor Ort zu suchen hat den klaren Vorteil, dass man die Wohnungen (inklusive aller Besonderheiten) besichtigen kann, während
Bilder den Wohnungen oft dann doch nicht so ganz gerecht werden. Insgesamt sind die Standards natürlich niedriger als in Europa, aber man kann dafür ziemlich günstig wohnen. Besonders schön sind die Viertel Cihangir (sehr zentral), Osmanbey (relativ zentral und gute
Metro – Verbindung zum Taxim), Galata (studentisch, süße Cafés) und Kadiköy (eher ruhiger auf der asiatischen Seite gelegen). Falls man im Vorfeld ein Hostel bucht, empfehle ich
ein sehr zentrales (Gegend Taxim, Galata), da man sich dann gleich nach Ankunft in der bunten, lauten Innenstadt befindet, die für Istanbul typisch ist und man die Stadt von dort aus am
einfachsten erschließen kann.
Ankunft
Wenn man angekommen ist und die Passkontrolle am Flughafen überstanden hat (die erste
Schikane, die sich aus türkischer Bürokratie ergibt), kann man entweder ein Taxi nehmen
(Vorsicht: auf das Einschalten eines Taximeters bestehen oder einen Festpreis aushandeln)
oder in einen der Havatas - Busse steigen, die sowohl von Sabiha - Gökcen Airport (12 TL),
als auch vom Atatürk Airport (10 TL) zum Taksim fahren und damit wesentlich günstiger als
ein Taxi sind. Wer seine Ankunft gerne als „Adventure - Trip“ gestalten möchte, kann dies
ohne Probleme tun und versuchen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zum Taksim zu
kommen.
Sprachkurs
Ich bin bereits 1,5 Monate vor Semesterbeginn in die Türkei gereist, um an dem sog. ELIC –
Sprachkurs teilzunehmen, der für Erasmus-Studenten in Istanbul kostenlos angeboten wird
und vier Wochen vor Semesterbeginn stattfindet. Die Teilnahme an dem Kurs kann ich nur
weiterempfehlen, da er nicht nur die Möglichkeit bietet, um sich ein paar im Alltag nützliche
Phrasen anzueignen, sondern auch wichtig ist, um Leute kennen zu lernen, da dort einfach
alle Erasmus-Studenten das erste Mal aufeinander treffen. Nach Ende der drei Sprachkurswochen hat man im Idealfall schon einige Kontakte geknüpft und nach dem Abschlusstest eine
Bestätigung, dass man nun das Sprachlevel A 1 erreicht hat. Neben diesem Kurs bieten andere
Unis weitere Sprachkurse an, die allerdings sehr zeitintensiv sind und nicht wenig anspruchsvoll.
Istanbul Universitesi
Der Studentenalltag an der Istanbul Universität gestaltet sich weder einfach noch unkompliziert: Keine Unterschrift ist leicht zu bekommen, kein Koordinator gut zu finden, sie gleicht
ein bisschen einer anspruchsvollen Geocashing Tour. Hat man das Prinzip erkannt und die
quasi nicht existenten Strukturen verstanden, besteht kein Grund mehr zur Aufregung: Man
verzichtet einfach auf den Studentenausweis, das originale Learning Agreement und alle anderen Dinge bzw. Dokumente, die einem in Deutschland für den Studentenalltag absolut
selbstverständlich erscheinen, und ist zum hellauf begeistert und positiv überrascht, falls man
bestimmte Sachen zum Schluss doch noch erhält (z.B. meinen Studentenausweis 2 Wochen
vor der Heimreise). Trotzdem sollte man nicht verzweifeln: Die erforderlichen ECTS- Punkte
sind meist nicht allzu schwer zu erreichen. Es gibt ein größeres Angebot englischer Vorlesungen, die zum einen Teil die Erstellung von Essays bzw. Kurzreferaten fordern, zum anderen
Teil wird am Ende des Semesters eine Klausur gesellt. Da sich während meines Auslandssemesters sogar ein deutscher Professor als Gastdozent an der Uni befand, wurde sogar eine
deutsche Vorlesung zum Thema türkisches Strafrecht angeboten. Die Essays und Klausuren
werden absolut fair bewertet. Etwas schade war meiner Meinung nach, dass die ErasmusStudenten nicht an den regulären Vorlesungen der einheimischen Studenten teilnehmen konnten, da diese beinahe ausschließlich auf türkisch angeboten werden, sondern gesonderte Vorlesungen besuchen sollten. Dies nimmt natürlich die Möglichkeit, den Alltag türkischer Studenten kennen zu lernen und Leute und Leben außerhalb des Erasmus Programms zu treffen.
Innenstadt und Umgebung
Istanbul hat sehr viel zu bieten und während meines Auslandssemesters habe ich meine Zeit,
die ich dort verbracht habe, nie als „alltäglich“ oder langweilig empfunden. Zum einen findet
man durch verschiedene Organisationen, die Kurztrips, Ausflüge und wöchentlich Kneipentouren organisieren, sehr schnell Anschluss. Die „Innenstadt“ Istanbuls ist bunt, vielfältig,
laut und sehr belebt. Das beste Beispiel für das rege Leben ist die Istiklal - Caddesi, eine Einkaufsstraße, die sich durch die gesamte Innenstadt zieht. Egal, ob man dorthin zum Frühstücken, Shoppen, Feiern oder Einkaufen geht, letztendlich spielt sich das Leben auf der Istiklal Caddesi ab, durch die sich zu jeder Tageszeit Menschenmassen drängen.
Falls man irgendwann genug von Beyoglu (Viertel um Taksim) hat, bietet es sich an, die weniger zentralen, dafür aber wunderschönen Stadtviertel zu besichtigen, die außerhalb des
Zentrums und direkt am Bosporus liegen. Hierbei sind vor allem Bebek und Ortaköy zu erwähnen. Bebek, ein Viertel, in dem eher die betuchten Istanbuler leben, lädt nicht nur nachmittags zum entspannten Spaziergang an der Strandpromenade ein, es bietet gerade auch
abends zahlreiche Möglichkeiten, in tollen Fischrestaurants zu essen, oder die Nacht in edlen
Clubs zu verbringen, die direkt am Bosporus gelegen sind (z. B. Sortie oder Reina). Auch die
asiatische Seite ist sehenswert: Im Gegensatz zur europäischen Seite ist es hier ruhiger und
grüner. Besondere Highlights hier sind z.B. das Viertel Moda und die Bagdat Caddesi.
Reisen
Auch wenn Istanbul zunächst eine Attraktion für sich darstellt, lohnt es sich darüber hinaus
andere Teile der Türkei zu erkunden. Hierzu kann man sich entweder einem der zahlreichen
Trips anschließen, die durch verschiedene Organisationen relativ günstig angeboten werden
(z.B. ESN), oder die Reisen einfach selbst organisieren. Insgesamt kann man aufgrund der
geringeren Lebenshaltungskosten in der Türkei viel günstiger reisen als in Europa. Nach eigener Erfahrung kann ich Kappadokien und Fethiye (im Sommer) und Canakkale (Troja)
empfehlen, aber auch Pamukkale, Ephesus sind interessant und sehr sehenswert. Auch bieten
sich Reisen nach Israel oder (bei ungefährlicher Lage) Jordanien (Beirut) an.
Lebensalltag und Kultur
Istanbul ist eine höchst interessante Metropole und man erhält einen Einblick in eine fremde
Kultur und einen ganz anderen Lebensalltag. Wählt man Istanbul als Ziel, sollte man sich aber
auch der Unterschiede bewusst sein, die – wie ich finde – gerade den Reiz der Stadt ausmachen. Täglich bestreiten ca. 17 Millionen Menschen ihren Lebensalltag in der Stadt, daher
muss man Wartezeiten und Staus in Kauf nehmen, auf (wirklich immer!) überfüllte Straßenbahnen warten oder sich in den Stoßzeiten durch Menschenmassen in den Fußgängerzonen
drängen. Dies ist zwar ein Problem in jeder Millionenstadt, erscheint in Istanbul jedoch zu
jetzigen Zeitpunkt noch größer, da das Innenverkehrsnetz noch ausbaufähig ist. Dies sollte
jetzt aber niemanden abschrecken, da die Menschen ja gerade für die Lebendigkeit und die
Vielfalt verantwortlich sind, von der die Stadt geprägt wird.
Ein richtiger „Kulturschock“ entstand bei mir während der 7 Monate, die ich in Istanbul verbracht habe, eigentlich nicht. Man muss sich natürlich (da die Regierung momentan sehr konservativ ist) zu einem gewissen Grad anpassen. Wer nicht auf Minirock und Hotpants verzichten möchte, wird gerade in der U- Bahn oder in den religiösen Stadtvierteln wahrscheinlich
mit unfreundlichen Blicken und tadelnden Gesten bedacht werden. Ansonsten habe ich die
Türken als sehr offene und sehr gastfreundliche Menschen empfunden. Es gehört zur Höflichkeit der türkischen Händler, einen Fremden vor Verkaufsgespräch zunächst einmal auf
einen Cay einzuladen. Ein weiterer kultureller Unterschied, der im Alltag sehr deutlich wird,
ist der Ruf des Muezzins, der fünfmal am Tag aus den zahlreichen Moscheen Istanbuls erklingt. Das habe ich persönlich nie als störend empfunden, da der Gebetsgesang sich gut in
das orientalische Stadtbild einfügt und man sich außerdem sehr schnell daran gewöhnt.
Tipp: Da ich es aufgrund der Sprachbarriere, die zumindest anfangs existiert, schwer ist, Türken kennen zu lernen, habe ich mir eine türkische (aber englischsprachige) WG gesucht. Das
hat für mich sehr gut funktioniert, gerade am Ende meines Aufenthaltes waren meine Mitbewohner sehr bemüht, mir das „nicht- touristische“ Istanbul zu zeigen. Türken sind freundliche, respektvolle und loyale Freunde und so habe ich auch nach meinem Auslandssemester
mit meinem Mitbewohner regelmäßigen Kontakt.
Wahrscheinlich wird in dem Bericht meine Begeisterung für die Stadt deutlich, daher kann
ich abschließend nur nochmals betonen, dass sich ein längerer Aufenthalt in Istanbul lohnt.
Falls ihr noch irgendwelche Fragen bezüglich eures Auslandssemesters habt, könnt ihr mich
gerne kontaktieren.