Becker_Konsum

DEUTSCHE ZEITSCHRIFT FÜR
WIRTSCHAFTS
RECHT
Herausgeber Jürgen F. Baur • Hermann-Wilfried Bayer • Norbert Horn • Ernst Niederleithinger • Hans-Jürgen
Papier • Dieter Reuter • Rolf A. Schütze • Stefan Smid • Harm Peter Westermann
Jahrgang 1995
W a lte r d e G ru y te r • B erlin • N e w Y o rk
Impressum
© Copyright 1995 by W alter de Gruyter & Co., Berlin.
Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Das gilt auch für die veröffentlichten
Gerichtsentscheidungen und ihre Leitsätze, denn diese sind geschützt, soweit sie vom Einsender oder von der Schriftleitung erarbeitet oder
redigiert worden sind. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig
und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in
elektronischen Systemen. Fotokopien für den persönlichen und sonstigen eigenen Gebrauch dürfen nur von einzelnen Beiträgen oder Teilen
daraus als Einzelkopien hergestellt werden. Jede im Bereich eines gewerblichen Unternehmens hergestellte oder benützte Kopie dient
gewerblichen Zwecken gem. § 54 (2) UrhG und verpflichtet zur Gebührenzahlung an die VG WORT, Abteilung Wissenschaft, Goethestraße 49,
D-80336 München, von der die einzelnen Zahlungsmodalitäten zu erfragen sind.
Für unverlangt eingereichte Manuskripte wird keine Haftung übernommen. Rücksendung erfolgt nur, wenn Rückporto beigefügt ist. Die
Übersendung eines Manuskripts beinhaltet die Erklärung, daß der Beitrag nicht gleichzeitig anderweit angeboten wird.
Verantwortlich für den redaktionellen Teil: Rechtsanwalt M ichael Schmidt, Kurfürstendamm 171, D-10707 Berlin. Telefon: (0 30) 885 790-0,
Telefax: (030) 885 790-10.
Verantwortlich für den Anzeigenteil: Elvira Schmiel im Verlag W alter de Gruyter & Co., Berlin. Anzeigenschluß am 20. eines Vormonats. Zur
Zeit gültige Anzeigenpreisliste Nr. 2 vom 1 .1.1995.
Verlag: W alter de Gruyter Sc Co., Genthiner Str. 13, D-10785 Berlin; Postanschrift: Postfach 3 0 3 4 2 1 , D-10728 Berlin. Telefon: (030) 26005-0,
Telefax: (0 30) 2 60 05 329, Postbankkonto: Berlin 103 07-108 (BLZ 100 100 10).
Printed in Germany.
Gesamtherstellung (Satz/Druck/Buchbinder): H. Heenemann GmbH Sc Co, D-12103 Berlin.
Buchbesprechungen
DZWir 1995, Heft 7
308
K o n su m en ten fo rsch u n g , hrsg. v. d. Forschungsgruppe Konsum und V erhalten, gew idm et W er­
n e r K ro eb er-R iel zum 60. G eburtstag. V ahlen,
M ünchen. 1994. XIII, 471 S., geb. DM 1 4 8 ,-.
Der im konservativen Sprachgebrauch des Ju ri­
sten (und des B ibliothekars) als Festschrift anzusprechende Sam m elband „K onsum entenfor­
schung" vereinigt 28 Beiträge von W egbegleitern
und Schülern des D irektors des Instituts für Kon­
sum- und V erhaltensforschung der U niversität
des Saarlandes W ern er K ro eb er-R iel , der am
4. 12. 1994 sein 60. Lebensjahr vollendete. Das
V orw ort m acht als H erausgeber, der sich beschei­
den hinter der Bezeichnung „Forschungsgruppe
Konsum und V erhalten“ verbergen, seine Kolle­
gen G erold B eh ren s , K laus P eter Baas, B ru n o
N eibeck er, Volker T r o m m s d o r ff und P eter W ein­
b e r g nam haft. Das in der Fülle der vom Ju b ilar ver­
faßten W erke (Schriftenverzeichnis auf S. 461 ff)
sichtbar w erd end e Lebensprogram m der Erfor­
schung sowohl der kognitiven als auch der em o­
tionalen G esichtspunkte des V erbraucherverhal­
tens (vgl. V orw ort S. VI) m it dem H auptw erk
„K onsum entenverhalten“ (inzw ischen in 5. Aufl.,
M ünchen 1992) spiegelt sich in O rdnung und In­
halt d er dem Ju b ilar dargebrachten Aufsätze. In
fünf T eilen w erden „M ethodische und W issen­
schaftliche A spekte“, „Em otionale A spekte“,
„Kognitive A spekte“, „EDV-orientierte A spekte“
sowie „Innovations- und T ransferorientierte
A spekte“ der K onsum entenforschung erörtert.
G egenstand der U ntersuchungen ist nicht allein
das M arketing zu kom m erziellen Z w ecken, son­
dern auch das M arketing zum Erwerb von Spen­
den, das sogenannte Sozio-M arketing (social marketing). Allen Beiträgen gem ein ist die Suche nach
Erklärungen für die E ntscheidungen der U m w or­
benen und R atschlägen für die W erbenden.
Daß die M arktforschung zu den Bereichen der
B ttriebsw irtschaftslehre zählt, die — anders als
etw a die stark von n atio naler G esetzgebung ge­
prägten Bereiche Finanzierung, Steuern, Bilanzen
o der W irtschaftsprüfung — nicht allein der
schlichten W ahrnehm ung jew eils ausw ärtiger
Forschung nach, sondern auch in ihren M eth o ­
den und Inhalten ein H öch stm aß an Internatio­
nalität aufw eisen, ist eine T rivialität. Trotzdem ist
es für den Juristen eine stets aufs neue verblüffen­
de E rfahrung, m it w elcher U nbefangenheit ge­
genüber R ahm enbedingungen des nationalen
R echts vielfach gerade V ertreter der D isziplin der
M arktforsch un g ihre M eth o den erarbeiten und
auf der Basis des Erforschten K onzepte für das auf
Absatz gerichtete W irken am M ark t entw ickeln.
Auch der Sam m elband „K onsum entenfor­
schung“ zeigt, w ie w en ig V erbindung zwischen
B etriebsw irtschaftslehre und R echtsw issenschaft
auf bestim m ten T h em engeb ieten je nach T em p e­
ram ent des V erfassers besteht, obw ohl doch bei­
de W issenschaften sich m it denselben Lebenser­
scheinungen befassen. So d rängt es sich ange­
sichts des bekan nt hohen Stellenw ertes des Per­
sönlichkeitsrechtes und der Lauterkeit des W ett­
bew erbs auf, die von Jeck -S ch lottm a n n / N eib e ck e r (S. 29 ff) als gegeben vorausgesetzte
M etho de des T elefoninterview s, bei dem Produ­
zenten o der für sie gew erblich tätige M arktfor­
schungsunternehm en ungefragt p o tentielle Kon­
sum enten m it Anrufen behelligen, w enigstens im
Ansatz juristisch zu reflektieren. D asselbe gilt für
„W erbe-Tests m it apparativen M eth o d en “, wie
zum Beispiel die A ufnahm e nichtsahn en der Pro­
banden m it versteckter Kam era, b ehandelt im
B eitrag von v o n K eitz -K rew el (S. 47 ff, 5 5), die
sich, nebenbei bem erkt, insow eit in guter G esell­
schaft b eispielsw eise m it W ö b e / D ö r in g (Einfüh­
rung in die A llgem eine B etriebsw irtschaftslehre,
18. Aufl., 1993, S. 652) befindet.
Die „interdisziplinäre B etrachtung“ der Kom­
m unikation durch Bildreize von B ek m eier konsta­
tiert „beachtliche M öglich keiten ein er zeitgem ä­
ßen, em o tionalen
K onsum entenansprache“
durch nonverbale Reize (S. 89 ff, 10.3), w arnt
allerdings vor unbedachten V erstößen gegen V er­
haltens- und A nstandscodices eines Landes, die
die positive V ereinnahm ung des K onsum enten
m ißlingen lassen und leicht bei intern atio nal ein­
heitlicher und verm eintlich interkulturell ver­
ständlicher W erbung, aber selbstverständlich
nicht nur dort, unterlaufen (S. 92 ff, 101). Die
B egrenzung des Einsatzes nonverbaler Reize
ersch ein t als Problem der T au glichkeit unter
E rfolgsgesichtspunkten; die D im ension des W ett­
bew erbsverstoßes bleibt indessen unerkannt.
U nter dem T itel „G eschäftsbeziehungen als
G egenstand der K onsum entenforschung“ be­
trachtet D iller Aufbau und Pflege ein er aus U n­
ternehm ersicht gedeih lich en Beziehung zum
K unden, der durch eine angenehm e, die Ö kono­
m ie zugunsten der Em otion b eiseite rückende At­
m osphäre dem G eschäft gew ogen zu m achen ist
(S. 201 ff). Die N utzbarm achung sozialer Bedürf­
nisse des V erbrauchers w ie A nerkennung und
K ontakt, seines U nterhaltungsdurstes o der sei­
nes Strebens nach Selbstverw irklichung führen
unter anderem zur Schilderung von Instrum enten
w ie „T elefonbetreuung“, D irektvertrieb an H aus­
halte (H eim d ien ste, V ersandhandelsvertreter,
Party-V erkaufsveranstaltungen,
Haustürvertriebso rganisatio nen) und „K affeefahrten“. An
den Ü berlegungen zum „Eindringen in die per­
sönliche W elt des K unden“ (S. 203) scheinen die
A nstrengungen des G esetzgebers und der G erich­
te auf dem Felde des V erbraucherschutzes und
des W ettbew erbsrechtes (W iderrufsrechte nach
H austürw iderrufsgesetz, V ersicherungsvertrags­
gesetz und V erbraucherkreditgesetz; Handha­
bung von § 1 UW G ) spurlos vorübergegangen zu
sein. M it rechtlichen M itteln sollen doch eben die
in d er heilen W elt des M ark etin g gewünschten
D efizite an nüchterner A bw ägung kompensiert
w erden, zu deren m ühsam er Erzeugung das be­
triebsw irtschaftliche Kalkül rät. D erartige Hand­
reichungen, die nicht in einem A tem zuge wenig­
stens in Bausch und Bogen auf rechtliche Risiken
aufm erksam m achen, können sich für einen un­
bedarften A nw ender als schlim m e Falle erweisen.
Die Strategie der E rlebnisverm ittlung als Antwort
auf einen ausgem acht geglaubten T rend zur Ent­
m aterialisierun g des Konsum s birgt nicht allein
die G efahr, die B edeutung von Kenntnissen über
das das K onsum gut produzierende, den Handel
treibende oder den D ienst leistende Unterneh­
m en, nam entlich über seine Bem ühungen um
U m w eltschutz und um verantw ortungsvolles Ver­
halten gegenüber M itarb eitern, Randgruppen
und L ändern der D ritten W elt, als wichtigen
F aktor in d er E ntscheidung des Konsumenten zu
verkennen (R a ffee/ W ied m a n n in ihrem Beitrag
ü ber „W erteorientiertes Innovationsmanagem ent“, S. 423 ff, 438 f; den B edarf an unterneh­
m ensbezogenen Inform ationen betrachten auch
H a n sen / S ch o en h eit/ D ev ries , S. 227 ff). Viel­
m ehr dürften sich je nach Intensität der Erlebnis­
verm ittlung ohne w eiteres m annigfache Konflik­
te m it dem G esetz gegen den unlauteren Wettbe­
w erb ausm alen lassen. U nd w as die Betonung ei­
ner „sozio-ökologischen Produkt- und Prozeß­
q ualität“ (S. 438 f) anb elangt, so hat sich zum Bei­
spiel die m ehr oder m inder heuchlerische Wer­
bung mit A spekten des U m w eltschutzes oder des
sozialen E ngagem ents, auf die w eite T eile der
K undschaft selbst bei nur dürftiger sachlicher
V erbindung m it dem G eschäft zu reagieren schei­
nen, trotz grundsätzlicher O ffenheit des Bundes­
gerichtshofes für gefühlsbetonte Werbung
(BG H , N JW 1991, 1228) als problem atisch er­
w iesen —man den ke an die H altu ng des Bundes­
gerichtshofes zur W erbung m it Fahrpreiserstat­
tung bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmit­
tel (BG H, N JW 1 9 9 1 ,7 0 1 ,7 0 2 ), zur W erbung mit
angeb lich er U m w eltfreundlichkeit des Produktes
(BG H , N JW 1991, 1229 f) o der zur W erbung mit
d er A usschüttung aller T ageseinnahm en an die
M itarb eiter (BG H , N JW 1991, 1228 f).
Für Juristen ist es sehr lehrreich, sich die of­
fensichtliche Begrenztheit der W ahrnehmung
rechtlicher V orgaben für die W erbung und für
das Erforschen d er W erbung zu vergegenwärti­
gen. Das w irft die Frage auf, w ie die Rechtswis­
senschaft die rechtlichen R ahm enbedingungen
so tran sparen t m achen kann, daß theoretische
und praktische Fehlentw icklungen von Markt­
forschung und W erbung gar nicht erst gesche­
hen m üssen. Dies setzt freilich eine nicht minde­
re E m pfänglichkeit der R echtsw issenschaft für
die Ä ußerung neuer M eth o den und Konzeptio­
nen der M arktforsch un g und der W erbung vor­
aus. In diesem juristisch überaus sensiblen Be­
reich bliebe W erbetreiben den, Konkurrenten
und V erbrauchern viel U ngem ach erspart, wenn
frühzeitig die betriebsw irtschaftliche und die
rechtsw issenschaftliche Analyse m iteinander ver­
knüpft w ürden und so ausgereifte Anregungen
für die W irtschaftspraxis en tstünden. Aktuelle
betriebsw irtschaftliche Beiträge, w ie sie der hier
besprochene Sam m elband enthält, sollte die
R echtsw issenschaft als eine Einladung zu dieser
Z w iesprache auffassen.
W issenschaftlicher Assistent
Dr. C h ristop h B ecker ,
Köln