Kanton Zürich Volkswirtschaftsdirektion Amt für Wirtschaft und Arbeit Zürcher Wirtschaftsmonitoring Vierteljährliche Publikation, Ausgabe Juni 2015 Liebe Leserinnen, liebe Leser Die Aufwertung des Frankens hinterlässt langsam Spuren in unserer Wirtschaft. Vor allem die exportorientierten Branchen spüren die Frankenaufwertung deutlich. Weniger Bestellungen und geringere Margen führen dazu, dass die Produktion teilweise neu organisiert oder verringert werden muss. Die Effekte der schwächeren Konjunkturentwicklung zeigen sich deshalb nicht nur bei den Exportzahlen, sondern zunehmend auch auf dem Arbeitsmarkt. Dank hoch spezialisierten und innovativen Produkten, einem weiter wachsenden Binnenmarkt und einer zunehmenden Erholung bei unseren europäischen Handelspartnern dürfte sich die Konjunktur im Kanton Zürich zwar deutlich abschwächen, die Wertschöpfung aber über das ganze Jahr gesehen trotzdem weiter wachsen. Für die Entwicklung hoch spezialisierter und innovativer Produkte sind kluge Köpfe entscheidend. Sie wurden in den vergangenen Jahren häufig aus dem Ausland rekrutiert. Dies wird in Zukunft deutlich schwieriger. Die Analysen im Spezialthema zeigen, in welchen Bereichen bereits jetzt ein tatsächlicher Mangel an Fachkräften vorherrscht. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen beim Lesen. Bruno Sauter Chef Amt für Wirtschaft und Arbeit Das Wichtigste in Kürze Kanton Zürich Starker Franken fordert Wachstumstribut in der Industrie … 2 … im Detailhandel und im Gastgewerbe 2 Verschiedene Dienstleistungen in Mitleidenschaft gezogen 3 Bankensektor bleibt optimistisch 4 Durchhalten ist die Devise für 2015 4 Schweiz und Ausland Europas Volkswirtschaften gewinnen weiter an Dynamik 6 USA: anhaltendes Wachstum – starke Währung schwächt die Industrie 7 China: neue Normalität setzt sich fest – bei steigenden Risiken 8 Schweiz: im Bann der Frankenstärke – Bremsspuren zeigen sich zunehmend 8 Spezialthema Interview «Fachkräftemangel ist eine der grössten Herausforderungen der Branche», Gespräch mit Hans Hess, Präsident von Swissmem 10 Bericht Fehlende Fachkräfte – Ausmass und Risikofaktoren 12 Fachkräftemangel – eine Unternehmenssicht 13 Kanton Zürich Die Verlangsamung der Zürcher Konjunktur bestätigt sich. Neben Industrie und Detailhandel wurden der Grosshandel und zunehmend auch das Gastgewerbe spürbar in Mitleidenschaft gezogen. Vorübergehend sind auch bei den zahlreichen Unternehmensdienstleistungen erste Schwächeanzeichen zu erkennen. Im Bankensektor sowie in den verschiedenen Baubranchen wird die Geschäftslage dagegen noch positiv beurteilt. Das schwache Wachstum dürfte sich 2015 per saldo fortsetzen und ein Rückfall in eine länger andauernde Rezession vermieden werden. Der Anstieg der Arbeitslosigkeit dürfte noch bis 2016 andauern. Entsprechend lautet die Devise für die Zürcher Wirtschaft für 2015: Durchhalten. Starker Franken fordert Wachstumstribut in der Industrie … Wechselkursveränderungen brauchen in der Regel mehrere Quartale, um ihre Wirkung auf die Wirtschaft zu entfalten. Die Bremsspuren infolge Aufhebung des Euro-Franken-Mindestkurses im Januar 2015 waren in Industrie, Detailhandel sowie Gastgewerbe im Frühjahr 2015 allerdings schon beachtlich. Der Einbruch bei den Bestellungen in der Industrie im Kanton Zürich hat noch keinen Boden gefunden und der Indikator für die Reichweite der von den Unternehmen geplanten Produktion ist gemäss KOF-Umfragen sinkend. Am besten sieht die Auftragslage noch im Bereich Elektrik, Elektronik, Feinmechanik und Optik aus. Vereinzelte Anzeichen einer Stabilisierung der Lage in den nächsten Monaten finden sich beim Maschinen- und Fahrzeugbau. In den Bereichen Metallerzeugung und -bearbeitung, Textilien, Bekleidung und Lederwaren sowie Papier, Karton, Verlags- und Druckwesen verschlechtert sich die Auftragslage allerdings ungebremst. Der Indikator für die Geschäftslage der gesamten Industrie hat nahezu den Tiefstand seit Ausbruch der Finanz- und Währungskrise 2009 erreicht. … im Detailhandel und im Gastgewerbe Auch im Detailhandel ist der reale Absatz seit Anfang 2015 gemäss den Umfragen der KOF Konjunkturforschungsstelle eingebrochen. Für die Sommermonate wird nun auch ein leicht rückläufiger Umsatz erwartet. Die schlimmsten Taucher des Preisindikators wurden allerdings in den Monaten April und Mai bereits wieder nach oben korrigiert. Nachdem im Verlauf von 2014 endlich eine spürbare Erholung der Geschäftslage im Detailhandel zu erkennen war, ist dieser Indikator damit wieder auf den letzten Tiefstand von Ende 2011 zurück gesunken. Auch das Gastgewerbe spürte in den Frühlingsmonaten dieses Jahres etwas weniger Wind in den Segeln als noch im Vorjahr. Zwar nahmen die Logiernächte in Zürich im Vergleich Industrie: erwarteter Bestellungseingang nach Kategorien Kanton Zürich: KOF-Umfragen, saisonbereinigt und geglättet 60 Höher 40 20 0 - 20 - 40 Niedriger 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Metallerzeugung und -bearbeitung Maschinen- und Fahrzeugbau Elektrik, Elektronik, Feinmechanik und Optik Textilien, Bekleidung und Lederwaren Papier, Karton, Verlags- und Druckwesen 2 Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 2015 Kanton Zürich Gastgewerbe Detailhandel Kanton Zürich: KOF-Umfragen, saisonbereinigte Angaben Kanton Zürich: KOF-Umfragen, saisonbereinigte Daten 30 30 Zunahme 20 10 10 0 0 -10 -10 - 20 - 20 - 30 - 30 - 40 - 50 Verbesserung 20 Abnahme 2011 2012 2013 2014 2015 - 40 Verschlechterung 2010 2011 Aktuelle Geschäftslage 80 60 60 40 40 20 20 0 0 - 60 2008 2009 2010 Grosshandel Gastgewerbe Banken Industrie - 40 Schlechte Geschäftslage 2007 Gute Geschäftslage - 20 Detailhandel Architektur- und Ingenieurbüros Verschiedene Dienstleistungen Bau - 40 2011 2012 2013 2014 - 60 Schlechte Geschäftslage 2008 2009 2010 2011 2012 zu anderen Schweizer Regionen auch im bisherigen Jahresverlauf noch überdurchschnittlich kräftig zu. Die Geschäftslage im Bereich Beherbergung hatte sich im ersten Quartal 2015 denn auch noch weiter verbessert. Seit April 2015 hat allerdings auch hier der Wind gedreht und sowohl der Bereich Gastronomie als auch die Beherbergung zeigen in den Umfragen saisonbereinigt eine Verschlechterung der Geschäftslage an. Diese dürfte gemäss den Erwartungen der Hotel- und Restaurantbetreibenden auch diesen Sommer noch weiter andauern. Insgesamt sind die drei Branchen – Industrie, Gastgewerbe und Detailhandel – damit wieder tief in die wirtschaftliche Gefahrenzone zurückgerutscht, und zu dieser Gruppe gesellt sich zunehmend auch der Grosshandel, dessen Indikator für die Geschäftslage im zweiten Quartal 2015 abrupt eingebrochen ist. Die Beschäftigungsaussichten bleiben in diesen vier Branchen in diesem Jahr entsprechend schlecht. Für ein weiter anhaltendes wenn auch schwächeres Wirtschaftswachstum im Kanton Zürich sorgen nach wie vor die Baubranchen (Bauproduktion sowie der Projektierungssektor mit Architektur) und Ingenieurbüros, die sogenannten Verschiedenen Dienstleistungen sowie der Finanzsektor, wie die entsprechende gute Einschätzung der Geschäftslage der Unternehmen selbst zeigt. Im Bankensektor hat sich die Einschätzung der Geschäftslage sogar noch weiter verbessert, was nachfolgend genauer ausgeführt wird. Verschiedene Dienstleistungen in Mitleidenschaft gezogen Neben dem Finanzsektor bilden zahlreiche und sehr unterschiedliche Dienstleistungen das Rückgrat der Zürcher Wirtschaft. Bei den KOF-Umfragen werden sie in der Gruppe der sogenannten Verschiedenen Dienstleistungen zusammengefasst und enthalten folgende Teilbereiche: Verkehr, Information, Kommunikation, persönliche Dienstleistungen und wirtschaftliche Dienstleistungen, wozu die freiberuflichen, technischen und wissenschaftlichen Dienstleistungen, das Grundstücks- und Wohnungswesen sowie die sonstigen Dienstleistungen gehören. Der Anteil der Beschäftigung dieser Verschiedenen Dienstleistungen im KanZürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 2015 2014 Kanton Zürich: KOF-Umfragen, saisonbereinigt Gute Geschäftslage - 20 2013 Aktuelle Geschäftslage Kanton Zürich: KOF-Umfragen, saisonbereinigt 80 2012 Absatz Aktuelle Geschäftslage Geschäftslage nächste 6 Monate Realer Absatz (letzte 3 Monate) Erwartete Preise (nächste 3 Monate) Erwarteter Umsatz (nächste 3 Monate) 3 2013 2014 Kanton Zürich Zürich: Verschiedene Dienstleistungen – letzte 3 Monate KOF-Umfragen 60 Zunahme 40 20 0 - 20 - 40 Abnahme 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Nachfrage Ertragslage Wettbewerbsposition Zürich: Verschiedene Dienstleistungen – Erwartungen Zürich: KOF-Umfragen 60 Zunahme 40 20 0 - 20 - 40 Abnahme 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2014 2015 Nachfrage nächste 3 Monate Beschäftigung nächste 3 Monate Geschäftslage nächste 6 Monate Verkaufspreise nächste 3 Monate Banken: Nachfrageentwicklung (letzte 3 Monate) Kanton Zürich: KOF-Umfragen, saisonbereinigte Angaben 60 Zunahme 40 20 0 - 20 - 40 Privatkunden Firmenkunden Ausländische Kunden Inländische Kunden - 60 - 80 Abnahme 2010 2011 2012 4 2013 ton Zürich übertrifft den entsprechenden Beschäftigungsanteil des Finanzsektors eindeutig gemäss den Berechnungen des Forschungsinstituts BAK Basel. Diese Verschiedenen Dienstleistungen dürften in den letzten Jahren massgeblich durch die hohe Aktivität im Immobiliensektor gestützt worden sein. Dies half vermutlich, die Nachfragevolatilität aus dem Bankenbereich auszugleichen. Der Einfluss des starken Frankens hat diese Wirtschaftsbereiche nun indirekt ebenfalls getroffen, im Vergleich zu Industrie, Detailhandel und Gastronomie allerdings zeitlich etwas verzögert. Im zweiten Quartal 2015 ist die Nachfrage und Ertragslage der Verschiedenen Dienstleistungen mittlerweile ebenfalls eingebrochen, wie in der Grafik zu sehen ist. Genauere Abklärungen zeigen, dass dieser Nachfrageeinbruch zwar in den meisten Teilbereichen des Wirtschaftszweigs vermeldet wird, im Bereich Verkehr, Information und Kommunikation aber am stärksten ausgeprägt ist. Interessanterweise sind die befragten Unternehmen für die weitere Entwicklung im Sommer 2015 gleichzeitig recht optimistisch. So werden weiterhin eine Zunahme der Nachfrage für das dritte Quartal 2015 und eine Verbesserung der Geschäftslage bis im Herbst 2015 erwartet. Allerdings drückt die schlechtere Auftragslage offensichtlich auch hier auf die Preise, welche in den nächsten Monaten noch spürbar abnehmen dürften. Insgesamt deuten diese Umfrageresultate zwar auf eine vorübergehend schwächere Phase dieser zahlreichen und vielfältigen Dienstleistungsaktivitäten im Kanton Zürich hin, nicht aber auf einen eigentlichen Einbruch. Bankensektor bleibt optimistisch Trotz der Belastung durch die Negativzinsen bleibt die Einschätzung der Geschäftslage im Bankensektor ausgezeichnet. Sie verbesserte sich im bisherigen Jahresverlauf sogar noch geringfügig, wie die Grafik zur aktuellen Geschäftslage nach Branchen weiter oben zeigt. Die noch optimistische Stimmung im Bankensektor scheint zumindest teilweise durch die anhaltende Zunahme der Nachfrage nach Bankdienstleistungen begründet zu sein, wie in der entsprechenden Grafik zu sehen ist. Vor allem inländische Privatkunden scheinen weiter steigende Bedürfnisse nach Beratungen und Dienstleistungen der Banken zu haben. Seit Anfang 2014 notieren diese Indikatoren erneut am oberen Rand der letzten Jahre. Die Nachfrage von Firmenkunden scheint im Verlauf dieses Jahrs hingegen an Dynamik eingebüsst zu haben – vermutlich zu einem guten Teil auch von Firmen aus dem Inland. Die Nachfrage von ausländischen Kunden dagegen bleibt leicht rückläufig. Dank dem noch boomenden Privatkundengeschäft im Inland dürfte die für Zürich wichtige Bankbranche auch im weiteren Jahresverlauf zu den Konjunkturstützen zählen und zur Fortsetzung des Aufschwungs beitragen. Durchhalten ist die Devise für 2015 Die Unsicherheit bezüglich weiterer Wirtschaftsentwicklung ist dieses Frühjahr gestiegen. Die grosse Mehrheit der Konjunkturforscher erwartet für die Schweiz für das ganze Jahr lediglich eine Abschwächung der Konjunktur und höchstens eine technische Rezession, wie im nachfolgenden Beitrag zu Schweiz und Ausland ausgeführt wird. Die noch starke Expansionsdynamik im Finanzsektor und das noch anhaltende Wachstum bei den Verschiedenen Dienstleistungen sowie in den Baubranchen dürften im Kanton Zürich ebenfalls weiterhin für eine bescheidene Zunahme der Wertschöpfung sorgen und der Schwäche in den Branchen Industrie, Gastgewerbe Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 2015 Kanton Zürich und im Handelsbereich entgegenhalten. Die Zunahme der Wertschöpfung im Kanton Zürich dürfte so in diesem Jahr noch rund 1 % betragen, nach gut 2 % im Jahr 2014. Entsprechend dieser unterdurchschnittlichen Wachstumsdynamik ist zu erwarten, dass die Arbeitslosigkeit in den meisten Branchen weiter ansteigen wird. Die von der KOF Konjunkturforschungsstelle befragten Unternehmen beurteilen die Belegschaft in ihrem Betrieb mehrheitlich als zu hoch, was auf einen gewissen breit abgestützten Beschäftigungsabbau in diesem Jahr schliessen lässt. Insbesondere in Industrie, Gastgewerbe und Grosshandel dürfte der Rückgang der Beschäftigung spürbar zu Buche schlagen. Im Bausektor wird aufgrund der aufgebauten Überkapazitäten wohl auch eine Verringerung der Belegschaft zu erwarten sein, obwohl diese Branche im Kanton Zürich noch auf hohen Touren läuft. Den geringsten Anpassungsbedarf bei der Beschäftigung wird im Projektierungssektor, also bei den Architektur- und Ingenieurbüros sowie den zahlreichen Verschiedenen Dienstleistungen, geortet. Die Entscheidung der SNB zu Beginn des Jahres, den Franken gegenüber dem Euro freier notieren zu lassen, hat gemäss den aktuellsten Konjunkturdaten die Wirtschaftsaussichten massgeblich getrübt. Eine schnellere Erholung der Wirtschaft in der EU würde die Leidenszeit im Züricher Arbeitsmarkt verkürzen. Eine erneute Zunahme der Spannungen an den europäischen Finanzmärkten infolge eines ernsthaft drohenden Austritts von Griechenland aus der Eurozone oder eine abrupte Verteuerung des Erdölpreises könnten die Lage am Arbeitsmarkt hingegen noch verschlimmern. Ein Rückfall der Schweiz beziehungsweise des Kantons Zürich in eine länger andauernde Rezession kann deshalb nach wie vor nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Durchhalten lautet die Devise für 2015 oder mit den in der Schweiz bestens bekannten Worten der Berner Langstreckenläuferin Anita Weyermann: «Gring ache u seckle»! Dr. Aniela Wirz, Leiterin Fachstelle Volkswirtschaft Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 2015 Beschäftigungserwartungen für die nächsten 3 Monate Kanton Zürich: KOF-Umfragen, saisonbereinigte Angaben 40 Zunahme 20 0 - 20 Industrie Bau Gastgewerbe Architektur- und Ingenieurbüros Grosshandel Verschiedene Dienstleistungen Banken - 40 - 60 - 80 Abnahme 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 KOF-Umfragen • Die Umfragen der KOF Konjunkturforschungsstelle basieren auf monatlichen und vierteljährlichen Erhebungen bei leitenden Persönlichkeiten von Unternehmen in verschiedenen Branchen: Industrie, Bau, Gastgewerbe, Projektierungssektor (Architekturund Ingenieurbüros), Detailhandel, Grosshandel, Finanz- und Versicherungsdienstleistungen, verschiedene Dienstleistungen. • Die Branche verschiedene Dienstleistungen besteht aus folgenden Unterkategorien: Verkehr, Information, Kommunikation, persönliche und freiberufliche, technische und wissenschaftliche Dienstleistungen, Dienstleistungen des Grundstückund Wohnungswesens, sonstige Dienstleistungen. • Die Antworten aus einem Unternehmen werden mit dessen Beschäftigungszahl gewichtet. Die Antworten aller Unternehmen werden zu Produktegruppen und Branchen zusammengefasst. • Die meisten Fragen sind qualitativer Natur (Antworten: höher, gleich, tiefer). Aus dem Saldo zwischen den Prozentanteilen der (+)- und (−)-Antworten resultiert die überwiegende Tendenz der erfragten Grösse, welche als Indikator in den Grafiken am häufigsten dargestellt wird. • Zur Abschwächung der Zufallsschwankungen werden in den Grafiken in der Regel saisonbereinigte Daten mit regressionsanalytisch ermittelten Randwerten dargestellt. Die geglätteten Zeitreihen werden zusätzlich noch um Extremwerte bereinigt. Für detaillierte Informationen zu den KOF-Umfragen siehe www.kof.ethz.ch / surveys / bts 5 Schweiz und Ausland Die Weltwirtschaft setzt ihr moderates Wachstum fort. Der etwas langsameren Expansion in den USA steht eine wachsende Dynamik in Europa gegenüber. Die Wachstumsimpulse aus den Schwellenländern verstärken sich vorerst nicht. In der Schweiz hat der hohe Aussenwert des Schweizer Frankens bereits im ersten Quartal dieses Jahres Spuren hinterlassen. Sie werden zunehmend auch auf dem Arbeitsmarkt sichtbar. Insgesamt dürfte die schweizerische Volkswirtschaft in diesem Jahr nur wenig wachsen und die Arbeitslosigkeit entsprechend ansteigen. Europas Volkswirtschaften gewinnen weiter an Dynamik Im ersten Quartal 2015 ist das Bruttoinlandprodukt (BIP) der Eurozone um annualisiert 1.6 % gewachsen. Die Zunahmen haben sich somit in den letzten vier Quartalen kontinuierlich erhöht. Neben Deutschland und Spanien leisteten im ersten Quartal 2015 insbesondere auch Frankreich und die Niederlande wichtige Wachstumsbeiträge. Die deutsche Volkswirtschaft expandierte im ersten Quartal auf das Jahr hochgerechnet mit 1.2 % relativ moderat. Während die Binnennachfrage robuste Zuwächse ermöglichte, fiel der Beitrag des Aussenhandels aufgrund einer starken Zunahme der Importe negativ aus. Auch in Grossbritannien schwächte sich das Wachstum mit 1.2 % etwas ab, nachdem in den beiden Vorquartalen jeweils eine Zunahme von 2.4 % verzeichnet worden war. Vor allem die Unternehmens- und Finanzdienstleistungen entwickelten sich weniger stark als in den Vorquartalen. Frankreich verzeichnete mit 2.4 % einen überraschend deutlichen Anstieg des BIP, wobei die höheren Ausgaben der privaten Haushalte und der Lageraufbau hauptsächlich dafür verantwortlich waren. Hingegen war der Beitrag des Aussenhandels ebenso negativ wie derjenige der Investitionen. Spanien verzeichnete das siebte Quartal in Folge eine positive Veränderung des BIP und mit einer Rate von 3.6 % eine weitere Wachstumsbeschleunigung. Dazu beigetragen haben vor allem der private und öffentliche Konsum sowie das Baugewerbe. In Italien wuchs die Volkswirtschaft im ersten Quartal 2015 mit einer Rate von 1.2 %. Es handelt sich dabei erst um die zweite Zunahme seit dem zweiten Quartal 2011. Die Volkswirtschaften der Europäischen Union haben somit zu Beginn des Jahres weiter an Dynamik gewonnen. Der Aufschwung ist zudem regional zunehmend breiter abgestützt. Vor allem Spanien und die Niederlande leisten dabei anhaltend grössere Wachstumsbeiträge. Die beiden Länder erwirtschaften zusammen etwa 15 % des BIP der Eurozone. Sektorale Impulse erfolgen in der gesamten Eurozone einerseits von den Exporten und andererseits von den privaten Konsumausgaben. Die Exporte profitieren weiterhin vom anhaltend tiefen Eurokurs vor allem im Vergleich zum US-Dollar. Die Eurozone konnte in den letzten drei Quartalen ihren Leistungsbilanzüberschuss stetig erhöhen, vor allem dank einem ansteigenden Warenexport. Die privaten Konsumausgaben werden gestützt durch den weiterhin niedrigen Ölpreis sowie die langsame, aber kontinuierliche Erholung am Arbeitsmarkt. Wachstum und Konjunkturaussichten einzelner Länder Europa: reales BIP zum Vorquartal, Economic Sentiment Indicator (ESI) 120 1.0 0.5 110 0.0 100 - 0.5 90 -1.0 Niederlande Spanien Frankreich Italien Deutschland Eurozone BIP Eurozone (linke Achse) -1.5 - 2.0 - 2.5 - 3.0 6 2009 2010 2011 2012 80 70 2013 2014 60 Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 2015 Schweiz und Ausland Die Arbeitslosenquote ist zwischen März 2014 und März 2015 von 11.7 % geringfügig auf 11.3 % gesunken. Dieser Rückgang dürfte sich in den kommenden drei Quartalen in ähnlichem Tempo fortsetzen. Die Erholung am Arbeitsmarkt verläuft somit weiterhin langsam. Stimmungsindikatoren deuten auf eine weitere Fortsetzung des moderaten Aufschwungs in der Eurozone hin. Eine deutliche Beschleunigung dieser Entwicklung bis Ende 2015 ist bisher allerdings nicht abzusehen. Die Auftragseingänge in der Industrie haben weiter zugenommen, vor allem dank einem florierenden Exportgeschäft. Dies führt in der Industrie zu einem beschleunigten Beschäftigungsaufbau. Deutliche Verbesserungen in der Industrie zeigen sich dabei vor allem in Spanien und den Niederlanden. Auch die deutsche Industrie setzt ihren moderaten Wachstumskurs fort, während die französische Industrie den geringen Aussenwert des Euro weit weniger auszunutzen vermag. Eine Erholung ist auch bei den Dienstleistungen in der Eurozone zu verzeichnen, wobei hier im Mai teilweise eine leichte Abschwächung zu beobachten war. Das Baugewerbe liefert hingegen weiterhin kaum Impulse, wobei auch hier deutliche regionale Unterschiede bestehen. So hemmt in Frankreich die anhaltend rückläufige Bautätigkeit das gesamte Wirtschaftswachstum, während sie in Spanien seit vier Quartalen positive Beiträge dazu leistet. Es kann erwartet werden, dass die Europäische Zentralbank (EZB) ihre expansive Geldpolitik in den kommenden Quartalen weiter fortsetzt. Nicht zuletzt der Ankauf von Anleihen in der Höhe von monatlich ungefähr 60 Milliarden Euro wird vermutlich dazu führen, dass sich die europäische Währung im Vergleich zum US-Dollar nicht wesentlich aufwertet. Die europäischen Unternehmen dürften damit auch weiterhin von der Verbesserung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit der letzten vier Quartale profitieren. USA: Wachstum des realen BIP und vorlaufende Indikatoren Einkaufsmanagerindizes (ISM), reales BIP (BEA), alle Werte saisonbereinigt 65 2 60 1 55 0 50 45 -1 40 -2 35 30 96 98 00 02 04 06 08 USA: anhaltendes Wachstum – starke Währung schwächt die Industrie Im ersten Quartal 2015 ist das BIP in den USA überraschend deutlich um 0.7 % gesunken. Die Wachstumsbeiträge der privaten Konsumausgaben, der Investitionen und der Handelsbilanz fielen alle wesentlich geringer aus als in den drei Vorquartalen. Ursache dafür sind auch Sondereffekte wie das raue Winterwetter und die Beilegung eines Arbeitskonflikts. Das zweite Quartal 2015 dürfte deshalb von Aufholeffekten geprägt sein und als Folge davon zu hohen BIP-Zunahmen führen. Die Einbussen erklären sich aber nicht ausschliesslich durch Sondereffekte, sondern auch durch den starken Dollar und den anhaltend tiefen Ölpreis. Ersterer hat zu geringeren Exporten, Letzterer zu tieferen Investitionen bei der Ölgewinnung geführt. Die weiteren konjunkturellen Aussichten sind vor allem aus diesen zwei Gründen durchzogener als noch vor einem halben Jahr. Sichtbar wird dies bisher hauptsächlich in der Industrie, wo im Mai teilweise ein geringeres Wachstum bei den neuen Bestellungen registriert wurde, was sich hauptsächlich aus den gesunkenen Exportbestellungen erklärt. Die Zunahme der Wertschöpfung im Dienstleistungssektor bleibt demgegenüber weiterhin relativ stark. Zudem fiel die Arbeitslosenquote dank deutlichen Zuwächsen bei der Beschäftigung zwischen Januar 2015 und April 2015 weiter von 5.7 auf 5.4 %. Die Konsumnachfrage dürfte dadurch weiter gestärkt werden. Insgesamt ist in den USA somit mit einem anhaltenden, aber moderaten BIP-Wachstum in der Höhe von leicht über 2 % zu rechnen. Die Wachstumsrate liegt damit zwar etwas unterZürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 2015 10 Einkaufsmanagerindex Industrie Einkaufsmanagerindex Dienstleistungen Reales BIP – Wachstum zum Vorquartal 7 12 14 -3 Schweiz und Ausland halb derjenigen des Vorjahres, die Erholung setzt sich aber grundsätzlich weiter fort. Aufgrund der etwas eingetrübten Konjunkturaussichten, aber auch der geringen Inflationsrate könnte die US-amerikanische Zentralbank mit der angekündigten Erhöhung der Zinsen in diesem Jahr trotz vermuteten Übertreibungen an den Finanzmärkten doch noch zuwarten. China: neue Normalität setzt sich fest – bei steigenden Risiken In China hat sich die Wachstumsrate im ersten Quartal 2015 mit 7 % im Vergleich zu den Vorquartalen weiter verringert. Vorlaufende Indikatoren deuten nicht auf eine erneute Beschleunigung des Wachstums hin. Aufgrund sinkender Bestellungseingänge dürfte in den kommenden drei Quartalen die industrielle Produktion im Gegenteil eher weiter leicht gedrosselt werden. Auch für den Dienstleistungssektor deuten vorlaufende Indikatoren zwar auf ein anhaltendes Wachstum hin, eine Beschleunigung ist hingegen nicht zu erwarten. Die Korrekturen im Immobiliensektor haben sich zudem auch zu Beginn dieses Jahres weiter fortgesetzt. So sanken die Häuserpreise im April in 69 von 70 berücksichtigten grösseren Städten im Vergleich zum Vorjahresmonat. Dementsprechend hat sich auch die Wachstumsrate der Immobilieninvestitionen weiter reduziert. Zwischen Januar und April 2015 lag der Zuwachs noch bei 6 %. In der gleichen Vorjahresperiode hatte das Wachstum noch 16.4 % betragen. Damit verbunden dürfte teilweise auch die Zunahme der notleidenden Kredite im ersten Quartal 2015 sein. Sie stiegen gemäss der China Banking Regulatory Commission im Vergleich zum Ende des Vorquartals um 14 % auf umgerechnet 145 Milliarden Schweizer Franken und deuten auf eine weiter gestiegene Unsicherheit im Finanzsystem hin. Die chinesische Zentralbank hat die Leitzinsen im Mai zum dritten Mal innerhalb eines halben Jahres gesenkt, mit dem Ziel, die Kreditaufnahme günstiger zu gestalten. Insgesamt ist in China mit einem weiteren leichten Rückgang der offiziellen Wachstumsraten leicht unter 7 % zu rechnen. Die Unsicherheiten, vor allem im Immobilienmarkt und damit verbunden im Finanzund Kreditwesen, bleiben dabei beträchtlich. Schweiz: im Bann der Frankenstärke – Bremsspuren zeigen sich zunehmend Die schweizerische Volkswirtschaft ist im ersten Quartal 2015 auf das Jahr hochgerechnet um 0.8 % geschrumpft. Einen negativen Beitrag leistete dabei ausschliesslich der Aussenhandel. Vor allem die deutlich tieferen Warenexporte und die hohen Dienstleistungsimporte führten hauptsächlich zu diesem Ergebnis. Der private und öffentliche Konsum und die Ausrüstungs- und Bauinvestitionen wiesen hingegen alle ein Wachstum im Vergleich zum Vorquartal auf. Bei den Branchen verzeichneten vor allem die Bereiche Information und Kommunikation, Handel sowie die Finanzdienstleistungen eine rückläufige Wertschöpfung. Die Entwicklung in den kommenden Quartalen wird auch in der gesamten Schweiz stark geprägt sein von den neuen Bedingungen, welche sich durch die Aufhebung der Wechselkursuntergrenze durch die Nationalbank (SNB) am 15. Januar 2015 ergeben. Der Beitrag des Warenhandels zum BIP dürfte in den kommenden drei Quartalen negativ ausfallen, dies vor allem aufgrund der sinkenden Exportmengen und -preise in den meisten Branchen der verarbeitenden Industrie. Leichte Zuwächse können hingegen bei den Dienstleistungsexporten erwartet werden, wobei der Tourismus keinen positiven Beitrag dazu leisten dürfte. Bereits im ersten Quartal 2015 waren die Logiernächte leicht rückläufig, da vor allem die weitaus grösste Gruppe von Gästen – diejenige aus der Eurozone – die Schweiz weniger oft besuchte. Der Anstieg der Logiernächte bei amerikanischen, asiatischen und britischen Gästen vermochte diesen Rückgang nicht zu kompensieren. Vor allem die eingetrübten Exportperspektiven, aber auch die anhaltende Unsicherheit bezüglich der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative dürfte die Unternehmen veranlassen, ihre Ausrüstungsinvestitionen zu reduzieren. Es handelt sich bei den Ausrüstungsinvestitionen vor allem um Ausgaben für Forschung und Entwicklung, Maschinen und Computerprogramme. Die Ausrüstungsinvestitionen sind stark verbunden mit der Kapazitätsauslastung der Unternehmen in der Industrie. Sie ist gemäss den Umfragen der KOF Konjunkturforschungsstelle im ersten Quartal im Vergleich zum Vorquartal leicht gesunken. Auch bei den Bauinvestitionen sind die Indikatoren tendenziell rückläufig. Grund dafür ist vor allem der Tiefbau. Er dürfte sich erst im nächsten Jahr dank vermehrter Infrastrukturinvestitionen des Bundes erholen. Gemischt sind hingegen die Anzeichen im Wohnungsund Wirtschaftsbau. Im Wohnungsbau dürfte die Aktivität in den Tourismusdestinationen als Folge der Zweitwohnungsinitiative stagnieren. Hingegen steigt durch die Negativzinsen und die höheren Eigenkapitalanforderungen die Attraktivität von Investitionen in Mietwohnungen. Der Bauindex Schweiz prognostiziert zwar eine zunehmende Bautätigkeit bei den Wirtschaftsbauten. Die anhaltend hohen Leerstände bei den Büroflächen und die schlechteren Konjunkturaussichten dürften aber auch hier dämpfend wirken. Insgesamt kann in den 8 Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 2015 Schweiz und Ausland kommenden drei Quartalen mit einer leicht rückläufigen Bautätigkeit gerechnet werden, allerdings ausgehend von einem anhaltend hohen Niveau. Erst zu Beginn des Jahres könnte sich dank einem anziehenden Tiefbau eine Trendwende einstellen. Als wichtigste Nachfragekomponente sind es die privaten Konsumausgaben, die die wirtschaftliche Entwicklung in der Schweiz in diesem Jahr stabilisieren. Der Anstieg der Reallöhne dank sinkender Preise ist der wichtigste Grund dafür. Der Rückgang des Ölpreises von Sommer 2014 begünstigt diese Entwicklung und damit die Zunahme der verfügbaren Einkommen. Im ersten Quartal 2015 konnten zudem auch noch ein leichter Zuwachs der Beschäftigung und eine anhaltend hohe Einwanderung registriert werden. Beide Effekte stützen den inländischen Konsum. Sie dürften aufgrund der stagnierenden Beschäftigung, der geringeren Einwanderung und der bereits seit Februar saisonbereinigt ansteigenden Arbeitslosigkeit allerdings zunehmend nachlassen. Auch der Einkaufstourismus wird vermutlich weiter anhalten. Insgesamt kann zwar während des ganzen Jahres mit steigenden Konsumausgaben gerechnet werden. Die Wachstumsraten des privaten Konsums dürften sich aber gegen Ende dieses Jahres zunehmend abschwächen. Über das ganze Jahr 2015 ist insgesamt nur mit einem sehr bescheidenen Zuwachs des BIP in der Schweiz zu rechnen. Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen ein minimer Rückgang der Wertschöpfung registriert wird, was einer technischen Rezession entspräche. Ein eigentlicher Rückfall in eine Rezession mit spürbar abnehmender Wertschöpfung ist allerdings nicht zu erwarten. Als Folge der nur geringen Wirtschaftsdynamik wird auch die Beschäftigung im weiteren Jahresverlauf nicht weiter ansteigen. In einigen Branchen wie der Industrie, dem Handel und dem Gastgewerbe ist sogar mit einer Reduktion der Beschäftigung zu rechnen. Als Folge davon dürfte die saisonbereinigte Arbeitslosigkeit bis Ende Jahr auf leicht unter 4 % ansteigen. Konjunkturaussichten Schwellenländer BRIC: Composite leading indicator (OECD) 104 103 102 101 langfristiger Trend 100 99 Russland Indien China Brasilien 98 97 2010 2011 2012 2013 2015 Schweiz: aktuelle Geschäftslage ausgewählter Branchen KOF-Umfragen: saisonbereinigt und geglättet 80 Zunahme 60 40 20 0 - 20 - 40 Abnahme 2010 2011 2012 2013 Banken Projektierungssektor Ver. Dienstleistungen Gastgewerbe 2014 Detailhandel Industrie Baugewerbe Risiken: Schweizer Immobilienmarkt, Frankenkurs, Europa, politische Konflikte Die Prognose ist mit verschiedenen Risiken verbunden, wobei die Abwärtsrisiken tendenziell überwiegen. Eine weitere Aufwertung des Schweizer Frankens im Verhältnis zum Euro – beispielsweise als Folge eines Zahlungsausfalls von Griechenland – würde die schweizerischen Exporte weiter reduzieren und könnte in der Schweiz zu einer länger anhaltenden Rezession führen. Als Folge davon könnte sich die Einwanderung rasch reduzieren und zu grösseren Überkapazitäten auf dem Immobilienmarkt mit entsprechenden Preiskorrekturen führen. Vor allem die Konflikte im Nahen Osten oder überraschende Begrenzungen der Fördermengen könnten zu einem abrupten Anstieg des Ölpreises führen. Sie würden die verfügbaren Einkommen in der Schweiz und von wichtigen Handelspartnern spürbar reduzieren und entsprechende Auswirkungen bei der Konsum- und Exportnachfrage der Schweiz nach sich ziehen. Auch eine positivere Entwicklung als die beschriebene ist denkbar, vor allem dann, wenn die Erholung im Euroraum rascher voranschreitet, das Wachstum in den USA stärker als erwartet ausfällt und sich der Schweizer Franken im Verhältnis zum Euro abwertet. Thomas Bauer, Fachstelle Volkswirtschaft Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 2015 2014 9 2015 Spezialthema Interview «Fachkräftemangel ist eine der grössten Herausforderungen der Branche» Im Zusammenhang mit dem Fachkräftemangel habe die Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie bei den Frauen den grössten Nachholbedarf, sagt der Swissmem-Präsident Hans Hess. Neben der Masseneinwanderungsinitiative komme aktuell erschwerend die Aufwertung des Frankens hinzu, welche die Unternehmen stark fordere. Swissmem-Präsident Hans Hess schloss ein Studium als Werkstoffingenieur an der ETH Zürich ab und erwarb einen MBA an der University of Southern California (USA). Er hatte leitende Positionen in verschiedenen Industrieunternehmen inne, bevor er die Hanesco AG gründete. Er ist Verwaltungsratspräsident der Comet Holding AG, der Reichle & de Massari Holding AG sowie Verwaltungsrat der Burckhardt Compression Holding AG und der Kaba Holding AG. Seit November 2010 ist er Präsident von Swissmem. Swissmem vertritt die Anliegen der schweizerischen Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie sowie verwandter technologischer Branchen. 10 Wie schätzen Sie den Fachkräftemangel in Ihrer Branche ein? In welchem Ausmass ist die Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie tatsächlich auf die Zuwanderung angewiesen? Hans Hess: Wir haben zu dieser Thematik eine Studie in Auftrag gegeben, die zeigt, dass zurzeit in fünf von elf typischen Berufsfeldern der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM-Industrie) ein Fachkräftemangel besteht. Wir wissen auch, dass in der MEM-Industrie in den nächsten Jahren über 6600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter pro Jahr pensioniert werden. Aus demografischen Gründen wird sich diese Zahl künftig noch erhöhen. Die Branche kann diese Abgänge nicht vollständig mit dem Nachwuchs ersetzen. Mit der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative (MEI) wird es deutlich schwieriger, fehlende Spezialisten aus dem Ausland zu rekrutieren. Der Fachkräftemangel wird sich also zwangsläufig verschärfen und entwickelt sich zu einer der grössten Herausforderungen der Branche. Ohne genügend Fachkräfte werden die Unternehmen an Innovations- sowie Leistungsfähigkeit einbüssen und somit schleichend ihre internationale Konkurrenzfähigkeit verlieren. Die MEM-Industrie gehört zwar bei Weitem nicht zu den Hauptabnehmern der Zuwanderung. Aber sie ist existenziell darauf angewiesen, fehlendes Fachwissen auch künftig im Ausland rekrutieren zu können. Welche Lösungen favorisieren Sie, um der Masseneinwanderungsinitiative und den Bedürfnissen der Wirtschaft Rechnung zu tragen? Die EU ist mit Abstand der wichtigste Markt für unsere Branche. Wir brauchen deshalb die bilateralen Verträge, um weiterhin vom diskriminierungsfreien Zugang zu diesem Markt profitieren zu können. Kontingente und Inländervorrang, so, wie es die MEI vorschreibt und der Bundesrat nun auch in den Gesetzesentwurf geschrieben hat, sind mit der Personenfreizügigkeit aber nicht vereinbar. Die EU wird eine starre Umsetzung der MEI nicht akzeptieren – das verdeutlicht unter anderem die jüngste Blockierung des Stromabkommens durch die EU. Die bilateralen Verträge sind somit in Gefahr. Ich glaube aber, dass ein flexibles Schutzklauselkonzept, wie es Swissmem bereits vor einem Jahr vorgeschlagen hatte, viel grössere Chancen auf Akzeptanz innerhalb der EU hat. Die Personenfreizügigkeit würde damit bis zu einer noch festzulegenden Einwanderungszahl weiter gelten. Erst wenn diese überschritten wird, würde eine Begrenzung der Zuwanderung greifen. Bei der Umsetzung der MEI muss ausserdem darauf geachtet werden, dass Bürokratie und administrativer Aufwand nicht zusätzlich die bereits hohen Schweizer Lohnstückkosten verteuern. Dabei müssen die Prüfung des Inländervorrangs und die Kontrolle der Einhaltung der lokalen Arbeitsbedingungen summarisch und ohne grossen Aufwand für die Unternehmen erfolgen können. Zudem muss bei den Grenzgängern grundsätzlich auf Bundeskontingente verzichtet werden. Da die Gegebenheiten in den verschiedenen Grenzregionen unterschiedlich sind, muss eine kantonale Lösung umgesetzt werden. Und nicht zuletzt bin ich der Meinung, dass eine Kontingentierung der Kurzaufenthalter bereits ab vier Monaten den Handlungsspielraum der Firmen zu stark einschränkt. Um für temporäre Projekte kurzfristig ausländische Angestellte zu erhalten, schlägt Swissmem vor, dass diese Frist auf 12 Monate ausgedehnt wird. Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 2015 Spezialthema Interview Wie schätzen Sie das Potenzial bei den Zielgruppen über 50-Jährige und Frauen ein? Welche Hebel sehen Sie bei der Bildungspolitik? Bei der Zielgruppe 50 plus besteht durchaus ein gewisses Potenzial, auch wenn dieses Bevölkerungssegment bereits einen überdurchschnittlichen Beschäftigungsgrad aufweist. Sorgen bereitet mir, dass wir in der MEM-Industrie eine leicht überdurchschnittliche Frühpensionierungsrate haben. Hier geht unnötigerweise viel Fachwissen verloren. Es braucht neue Konzepte, um ältere Mitarbeitende fachlich sowie gesundheitlich fit zu halten, um sie dann in angepasster Art und Weise länger im Arbeitsprozess zu halten. Vielleicht wollen sie ab 60 zum Beispiel nicht mehr 40 Stunden in der Woche arbeiten, dafür aber mit eingeschränktem Pensum über das gesetzliche Pensionsalter hinaus. Den grössten Nachholbedarf hat die MEM-Industrie zweifellos bei den Frauen. Der Frauenanteil liegt bei gewissen Berufen unter zehn Prozent – obwohl sie diese Jobs genauso gut erledigen könnten wie Männer. Den Frauenanteil können wir aber nicht kurzfristig erhöhen. Da liegt ein langer Weg vor uns. Er beginnt bereits in den Köpfen der Eltern junger Mädchen. Dem alten Rollenbild gilt es Adieu zu sagen. Jungen Mädchen muss bereits im Primarschulalter die Freude an Technik vermittelt werden. Sie müssen in der Haltung bestärkt werden, dass sie ein genauso gutes technisches Wissen und Geschick entwickeln können wie die Jungen. Wenn es dann gelingt, Frauen für technische Berufe zu gewinnen, braucht es spezielle Anstrengungen, um sie später in der Branche zu halten. Hier sind neue Arbeitszeitmodelle notwendig, die es Müttern und Vätern erlauben, Beruf und Familie besser unter einen Hut zu bringen. Stellen Sie ein gewisses Umdenken fest bei den Unternehmen in Bezug auf ihre Rekrutierungspolitik? Ich stelle durchaus ein Umdenken fest. Bis dieses Umdenken die Verhaltensweisen flächendeckend ändert, braucht es allerdings Zeit. Das geht nicht auf Knopfdruck. Erschwerend kommt aktuell hinzu, dass die Unternehmen unserer Branche durch die erneute, massive Aufwertung des Frankens in anderen Themen extrem gefordert sind. Wie hat sich die Lage seit der Aufhebung des Mindestkurses des Frankens gegenüber dem Euro verändert? Fast 60 Prozent der Exporte der Schweizer MEM-Industrie gehen in die EU. Durch den Wertverlust des Euros sind seit 2008 unsere Produkte im Euroraum um einen Drittel teurer geworden. Das ist ein massiver Konkurrenznachteil. Gemäss unserer jüngsten Umfrage haben neun von zehn Firmen mit negativen Auswirkungen zu kämpfen, konkret mit Auftrags-, Umsatz- und Margenverlusten. Besonders ins Gewicht fallen die Margenrückgänge, weshalb fast ein Drittel der MEM-Betriebe für 2015 mit einem operativen Verlust rechnen. Welche Fachkräfte werden auch in den nächsten zehn Jahren noch gefragt sein, welche weniger? Die Bedeutung von Fachkräften wird weiter steigen, und zwar auf allen Stufen. Damit die Industrie innovativ und international erfolgreich bleiben kann, braucht es einen guten Mix von kompetenten und leistungsstarken Lehrlingen, Berufsfachleuten, Fachhochschul- sowie Hochschulabsolventen. Zunehmend Schwierigkeiten, einen Job zu finden, werden nur diejenigen haben, welche sich beruflich nicht aus- und weiterbilden. Was haben Sie Ihrer Tochter und Ihrem Sohn bezüglich ihrer Ausbildungsentscheidungen und ihrer Berufspläne geraten? Meine beiden Kinder haben ihren Werdegang mit einer Berufslehre begonnen. Davon profitieren sie heute noch. Und mit einem Berufsabschluss stehen ihnen nach wie vor alle Weiterbildungs- und Karrieremöglichkeiten offen. Viele CEOs in der Industrie haben ihren Werdegang über eine Berufslehre begonnen. Irene Tschopp, Kommunikation AWA Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 2015 11 Spezialthema Bericht Fehlende Fachkräfte – Ausmass und Risikofaktoren Das Thema Fachkräftemangel wird aktuell viel diskutiert, sowohl auf politischer Ebene als auch in Unternehmenskreisen. Immer mehr Arbeitgebende melden Probleme bei der Rekrutierung von qualifiziertem Personal. Eine aktuelle Studie der Arbeitsmarktbeobachtung Ostschweiz, Aargau, Zug und Zürich zeigt das Ausmass des Mangels, aber auch Risiken und Potenziale stellensuchender Fachkräfte. Wer sich mit dem Thema Fachkräftemangel beschäftigt, denkt nicht primär an die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV). Dennoch verzeichnen die RAV zunehmend gut qualifizierte Fachkräfte aus unterschiedlichen Berufen, die eine Stelle suchen. Von 2002 bis 2013 ist der Anteil an Stellensuchenden mit tertiären Bildungsabschlüssen im AMOSA-Gebiet von 10 auf 17 % gestiegen. Vor diesem Hintergrund haben sich die Arbeitsmarktbehörden von zehn Kantonen dazu entschlossen, das Thema Fachkräftemangel im Rahmen ihrer Arbeitsmarktbeobachtung AMOSA aufzugreifen und das Fachkräftepotenzial unter den Arbeitslosen genauer zu untersuchen. AMOSA-Fachkräftemangelindikator: Ingenieur- und Informatikberufe an der Spitze Daten: BESTA, SAKE, AVAM, jobagent.ch / x28 2013, AMOSA-Gebiet, Auswahl an Berufen SBN 2000 12 2.21 Übrige Ingenieure 2.08 Programmierer 2.02 Informatikingenieure 1.60 Elektroingenieure 1.56 Maschineningenieure 1.52 Sanitärplaner / Installateure 1.40 Architekten 1.25 Bauingenieure 1.15 Andere Berufe der Informatik 1.09 Physiotherapeuten / Ergotherapeuten 1.03 Grafiker / Plakatmaler 0.86 Sonstige Berufe des Bauhauptgewerbes 0.80 Heizungs- und Lüftungsinstallateure 0.72 Einkäufer 0.72 Informatiker / Analytiker 0.70 Krankenpfleger 0.61 Maurer 0.59 Mechaniker 0.55 Elektromonteure / -installateure 0.55 Hoch- und Tiefbautechniker / Bauführer 0.46 Übrige Techniker 0.44 Boden- und Plattenleger 0.17 Medizinische Praxisassistenten 0.15 Hoch- und Tiefbauzeichner 0.09 Maler / Tapezierer − 0.22 Sonstige Monteure − 0.29 Küchenpersonal − 0.54 Kaufmännische Angestellte − 0.72 Gärtner − 0.76 Coiffeure − 1.16 Leitende Beamte im öffentlichen Dienst − 1.23 Spitalgehilfen − 1.26 Hauswarte / Raum- und Gebäudereinigung − 1.79 Magaziner / Lageristen − 1.95 Personentransport − 2.61 Top 5 Indikator Ärzte Bottom 5 * In die statistischen Auswertungen konnten nur Berufe mit genügend Beobachtungen in der SAKE-Stichprobe aufgenommen werden. Ein Teil der existierenden Berufe musste daher in der Analyse unberücksichtigt bleiben. Ausgewählte Berufe * Fachkräftemangel Der AMOSA-Fachkräftemangelindikator basiert auf den Berufscodes der schweizerischen Berufsnomenklatur (SBN 2000) und stützt sich auf vier Teilindikatoren: die berufsspezifische Einwanderungsquote von qualifizierten Arbeitskräften, das Verhältnis von Stellensuchenden und ausgeschriebenen Stellen, branchenspezifische Probleme bei der Personalrekrutierung sowie die Dauer der Stellensuche. Mithilfe eines faktoranalytischen Verfahrens wird versucht, die Intensität des Fachkräftemangels innerhalb von Berufsarten vergleichbar zu machen. Hohe Werte deuten auf überdurchschnittlichen Fachkräftemangel hin, während Berufe mit weniger ausgeprägtem Fachkräftemangel tiefere oder negative Indikatorwerte aufweisen. Der Mangelindikator hat den Vorteil, dass er auf fast allen Hierarchieebenen der schweizerischen Berufsnomenklatur anwendbar ist. Die Grafik weist Indikatorwerte für einzelne Berufsarten aus. Bei der Interpretation des Mangelindikators gilt es, zu bedenken, dass es sich um eine Schätzung der momentanen Intensität des Fachkräftemangels handelt. Aussagen über die konkrete Anzahl fehlender Fachkräfte in bestimmten Berufen oder Prognosen zum zukünftigen Bedarf können nicht abgeleitet werden. Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 2015 Spezialthema Bericht Fachkräftemangel im AMOSA-Gebiet Um ein genaueres Bild über den Fachkräftemangel zu erhalten, hat AMOSA einen Fachkräftemangelindikator entwickelt (siehe Kasten). Der Mangelindikator zeigt, dass insbesondere Berufe mit tertiären Bildungsabschlüssen eine höhere Intensität des Fachkräftemangels aufweisen als Berufe, die primär eine berufliche Grundbildung erfordern. So sind beispielsweise Ingenieure oder auch Ärzte eher von einem Mangel an Fachkräften betroffen als ungelerntes Pflegepersonal oder kaufmännische Angestellte. Bei Berufen mit Lehrabschlüssen sind vor allem techniknahe Berufe wie Mechaniker oder Sanitärplaner verstärkt von Fachkräftemangel betroffen. Deutlich weniger Probleme bei der Personalrekrutierung scheint es in Lehrberufen aus dem Bereich der persönlichen Dienstleistungen, beispielsweise bei Coiffeuren oder Hauswarten, zu geben. Risikofaktoren der Arbeitslosigkeit: Alter und Bildung Die Arbeitslosigkeit von Fachkräften mit Mangelberufen ist erwartungsgemäss tief. Im Jahr 2013 lagen im AMOSA-Gebiet die Stellensuchendenquoten von Ingenieuren und Technikern mit 1 % weit unter der Gesamtstellensuchendenquote von 3.5 %. Das bestätigt einerseits das Bild von Berufen mit hoher Nachfrage nach Arbeitskräften. Andererseits zeigen die Ergebnisse, dass auch in diesen sehr gefragten Berufen Stellensuchende auf den RAV gemeldet sind. Für Informatiker lag die Stellensuchendenquote 2013 im AMOSA-Gebiet bei 2.3% und hat in den vergangenen Jahren – trotz Fachkräftemangel, der medial immer wieder thematisiert wird – kontinuierlich zugenommen. Personen mit Bauberufen und Metallverarbeitungsund Maschinenbauberufen waren mit 5.3 % und 3.7 % wesentlich stärker von Arbeitslosigkeit betroffen. Als Risikofaktor für die Arbeitslosigkeit sticht bei Technikern und Informatikern das Alter hervor. Personen über 50 Jahre weisen in beiden Berufen ein höheres Risiko auf, arbeitslos zu werden, als andere Altersklassen. Auch das Bildungsniveau beeinflusst das Arbeitslosigkeitsrisiko. Generell weisen über alle von AMOSA untersuchten Berufe Personen mit tertiären Ausbildungen ein unterdurchschnittliches Risiko auf, arbeitslos zu werden. Auffällig ist, dass in den untersuchten Berufen Personen mit Berufslehre teilweise ein höheres Arbeitslosigkeitsrisiko aufweisen als Personen mit nur obligatorischer Schulbildung. Dr. Julia Casutt ist Leiterin der Arbeitsmarktbeobachtung Ostschweiz, Aargau, Zug und Zürich (AMOSA). AMOSA führt im Auftrag der Arbeitsmarktbehörden der genannten Kantone wissenschaftliche Studien zu praxisorientierten Fragestellungen des Arbeitsmarktes und der Arbeitsmarktpolitik durch. Aufbauend auf den Studienerkenntnissen erarbeitet AMOSA Massnahmen zur Reintegration von Stellensuchenden in den Arbeitsmarkt. Mehr Infos unter www.amosa.net Julia Casutt, Leiterin AMOSA Fachkräftemangel – eine Unternehmenssicht Arbeitgeber im Raum Zürich und Ostschweiz sind vorwiegend von einem Fachkräftemangel bei Informatikern, Ingenieuren und Technikern betroffen. In diesen Bereichen und vor allem aber bei den Informatikern wird zudem überdurchschnittlich häufig im Ausland rekrutiert. Ursache dafür dürfte einerseits ein effektiver Mangel an entsprechend ausgebildeten Arbeitskräften sein. Vermutlich spielen aber auch unterschiedliche Lohnvorstellungen zwischen Arbeitgebern und -nehmern eine nicht zu unterschätzende Rolle. Dies zeigt eine aktuelle Umfrage bei 130 Unternehmen im Raum Zürich / Ostschweiz. Im Rahmen des Projekts zur Arbeitsmarktmobilität und zum Fachkräftemangel befragte die AMOSA Unternehmen. Die befragten Arbeitgeber registrieren vor allem bei Ingenieuren, Technikern und Informatikern einen erhöhten Mangel an Fachkräften. Also vorwiegend bei Arbeitskräften mit tertiärem Bildungsniveau. Auch bei Arbeitskräften mit einer Berufslehre zeigt sich ein Fachkräftemangel. Er fällt aber geringer aus als bei den tertiär ausgebildeten Arbeitskräften. Auffällig ist dabei, dass Unternehmen bei breiter Auswahl in grösserem Ausmass Personen mit einer anderen Ausbildung rekrutieren würden, als sie einen Mangel aufweisen. Bei der höheren Fachschule geben beispielsweise gut 16 % der Unternehmen einen Mangel an, aber nur gut 13 % würden auch tatsächlich einen solchen Bewerber rekrutieren, wenn er ihnen zur Verfügung stünde (siehe Grafik). Dieses Bild ist für Fachhochschul- und Universitätsabgänger ähnlich. Zürcher Wirtschaftsmonitoring, März 2015 Juni Unter Arbeitskräften mit tertiärem Bildungsniveau werden Personen verstanden, welche mindestens einen Abschluss der höheren Berufsbildung (höhere Fachschulen, eidg. Fachausweis, Meisterdiplom), einer Fachhochschule oder einer Universität / ETH aufweisen. 13 Spezialthema Bericht Im Rahmen des Projekts zu Arbeitsmarktmobilität und Fachkräftemangel von AMOSA wurde eine Unternehmensbefragung zum Fachkräftemangel aus Sicht von Arbeitgebern durchgeführt. Bei der Auswahl der Unternehmen wurde darauf geachtet, dass vom AMOSA-Indikator identifizierte Mangelberufe für die Unternehmen von Bedeutung sind. An der Umfrage haben 130 Unternehmensvertreter teilgenommen. Über 90 % der befragten Unternehmen gaben an, dass sie von Fachkräftemangel betroffen sind. Arbeitgeberbefragung 15 16.1 14.0 13.3 13.3 11.2 12.2 10 9.8 5 7.7 Betriebsinterne Strategien bei Fachkräftemangel Ein Unternehmen hat verschiedene Möglichkeiten, um Fachkräfte zu rekrutieren. So kann es anders qualifizierte Arbeitskräfte für eine Aufgabe einsetzen (Substitution), die gesuchten Arbeitskräfte im Betrieb ausbilden (Höherqualifikation) oder betriebsintern beziehungsweise -extern rekrutieren (Rekrutierung). Die Antworten aus der Arbeitgeberbefragung sprechen sehr stark dafür, dass die befragten Arbeitgeber die Varianten «Höherqualifizierung» und «Rekrutierung» oder auch eine Kombination der beiden in Form der Rekrutierung von für Höherqualifizierung besonders geeigneten Kandidaten wählen. Zwischen 46 und 60 % der Unternehmen geben denn auch an, dass sie in Bereichen, welche vom Fachkräftemangel betroffen sind, ihre Belegschaft substanziell weiterbilden. 2.1 0.3 0 Prozent der Antworten (%) Arbeitsmarktmobilität und Fachkräftemangel Diese Diskrepanz zwischen Mangel und Rekrutierung nach Fachkräften mit entsprechenden Qualifikationen zeigt sich bei allen tertiären Ausbildungen. Neben den Möglichkeiten, dass die antwortenden Unternehmen sich nicht ganz vorstellen konnten, dass die Auswahl bei Fachkräften aller Ausbildungsstufen tatsächlich so gross ist wie gewünscht oder dass die Differenz rein zufällig so entstanden ist, weist dies auf verschiedene betriebsinterne Strategien der Unternehmen hin, sich aus neu rekrutierten Mitarbeitenden zukünftige Fachkräfte zu sichern, wie nachfolgend ausgeführt wird. 0.0 0.0 Bildungsstufen, wo Unternehmen aktuell Fachkräftemangel haben und wo bei grosser Auswahl rekrutiert würde: Berufslehre Berufsmaturität Gymnasiale Maturität Höhere Fachschule / Höhere Berufsausbildung Fachhochschule Rekrutierung Mangel Universität oder ETH / EPFL Lesebeispiel: 11.2 % der Unternehmensantworten geben an, aktuell von Fachkräftemangel auf der Ausbildungsstufe Berufslehre betroffen zu sein. Hingegen würden Häufige Rekrutierung im Ausland bei Informatikern, Technikern und Ingenieuren Bemerkenswert sind weiter die deutlichen Unterschiede bei den Antworten zur Rekrutierung im Ausland. Während bei den Berufen aus dem Baugewerbeund aus dem Dienstleistungsbereich selten bis nie im Ausland rekrutiert wird, ist dies bei Informatikern, Technikern und Ingenieuren relativ häufig der Fall. Die Rekrutierung scheint grundsätzlich vor allem bei Ingenieuren und Technikern schwierig zu sein, etwas weniger hingegen bei Informatikern, wie die Befragung zeigt. Geben die Unternehmen an, bei den Informatikberufen einen Fachkräftemangel zu haben, und sind sie zudem der Meinung, die Lohnvorstellungen der Bewerbenden seien zu hoch, dann rekrutieren 76 % der befragten Unternehmen «häufig» oder «manchmal» im Ausland. Dieser Wert ist wesentlich höher als bei den anderen Berufsgruppen. Auffallend sind zudem die Einschätzungen der Befragten zu den Lohnvorstellungen bei den Berufen mit einem Fachkräftemangel. Sie werden bei den Informatikern häufiger als zu hoch eingeschätzt als beispielsweise bei den Ingenieuren. bei einer grossen Auswahl 14 % der Antworten auf dieser Ausbildungsstufe rekrutieren. Fazit Abschliessend lässt sich festhalten, dass die divergierenden Lohnvorstellungen von gewissen Fachkräften wie Informatikern und Technikern und ihren Arbeitgebern beim Fachkräftemangel eine wichtige, aber noch genauer zu untersuchende Rolle spielen. Der Fachkräftemangel an Informatikern dürfte einerseits zu höheren Lohnforderungen im Inland führen, könnte aber auch die höhere Rekrutierungshäufigkeit der Unternehmen bei diesen Berufen im Ausland erklären. Die vorliegenden Daten erlauben es nicht, hier präzisere und gut abgestützte Schlussfolgerungen zu ziehen. Die These, dass gewisse Unternehmen die Rekrutierung von Fachkräften im Ausland zu Kosteneinsparungen nutzen, kann daher weder bestätigt noch widerlegt werden. Die Unterschiede zwischen den Unternehmensstrategien zur Bewältigung des Fachkräftemangels scheinen zudem gross zu sein, wobei die betriebsinterne Strategie zur Gewinnung von Fachkräften durch Höherqualifizierung von geeigneten Kandidaten offenbar verbreitet ist. Aram Bishop, Fachstelle Volkswirtschaft Thomas Bauer, Fachstelle Volkswirtschaft 14 Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 2015 Wirtschaftsmonitoring Kanton Zürich Konjunktur Quelle Bruttoinlandprodukt, real BAK Basel, VgV. 2014 III/2014 IV/2014 I/2015 2.3 – – – Warenexporte, nominell, saisonbereinigt Eidg. Zollverwaltung, VgV. − 0.5 0.5 4.8 − 4.7 Bauvorhaben SBV, Vjp. − 7.5 − 9.9 −15.1 − 21.8 Logiernächte (Hotel- und Kurbetriebe) BfS, Vjp. 2.2 3.3 6.0 2.7 BfS, VgV. 0.9 0.5 0.1 − 0.2 Beschäftigung und Arbeitsmarkt Beschäftigte, saisonbereinigt Arbeitslose SECO, Vjp. 3.0 1.2 2.2 3.3 Arbeitslosenquote SECO 3.3 3.1 3.4 3.6 Creditreform, VgV. 2.1 − 5.8 9.2 0.3 Unternehmen Neueintragungen im Handelsregister Branchenentwicklung Zürich Branche Quelle 2013 2014 2015 2016 Finanzsektor, reale Bruttowertschöpfung BAK Basel, VgV. 8.1 3.5 1.4 2.8 Unternehmensbez. Dienstleistungen, reale Bruttowertschöpfung BAK Basel, VgV. 0.1 2.2 1.6 2.2 Öffentliche Dienstleistungen, reale Bruttowertschöpfung BAK Basel, VgV. 1.8 2.3 2.3 2.0 Grosshandel, reale Bruttowertschöpfung BAK Basel, VgV. 5.5 1.7 − 0.8 1.8 Investitionsgüterindustrie, reale Bruttowertschöpfung* BAK Basel, VgV. − 2.5 1.9 1.9 2.4 Baugewerbe, reale Bruttowertschöpfung BAK Basel, VgV. 1.5 2.6 1.2 − 0.5 2014 III/2014 IV/2014 I/2015 2.0 2.4 2.0 − 0.8 3.6 3.9 5.1 −1.3 Schweiz Konjunktur Quelle Bruttoinlandprodukt, real SECO, VgV., annualisiert Warenexporte, nominell, saisonbereinigt Eidg. Zollverwaltung, VgV. Bauvorhaben, saisonbereinigt Schw. Baumeisterverband, Vjp. 1.3 1.4 − 7.7 −12.6 Logiernächte (Hotel- und Kurbetriebe) BfS, Vjp. 0.9 0.4 3.8 −1.0 Detailhandelsumsätze, Index, real, ohne Treibstoffe, saisonbereinigt BfS, VgV. 1.1 − 0.5 0.5 − 2.2 Beschäftigte, saisonbereinigt BfS, VgV. 0.9 0.2 0.4 0.1 Arbeitslose SECO, Vjp. 0.2 −1.1 −1.3 0.1 Arbeitslosenquote SECO 3.2 3.0 3.2 3.5 Löhne, Quartalsschätzung nominell BfS, Vjp. 0.8 0.8 0.8 – Beschäftigung und Arbeitsmarkt VgV. = Veränderung gegenüber der Vorperiode in % Vjp. = Veränderung gegenüber Vorjahresperiode in % * Investitionsgüterindustrie: Herstellung von Metallerzeugnissen, Maschinenbau, Elektro, Feinmechanik, Optik, Fahrzeugbau Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 2015 15 Wirtschaftsmonitoring Schweiz (Fortsetzung) Preise Quelle 2014 III/2014 IV/2014 I/2015 Konsumentenpreise LIK BfS, VgV. 0.0 − 0.3 − 0.1 − 0.8 Mietpreisindex BfS, VgV. 1.2 0.4 0.3 0.2 Geld, Zins und Währungen Rendite 10-J.-Bundesobligationen SNB, Sqe. 0.73 0.59 0.38 0.00 Wechselkurs EUR/CHF SNB, Sqe. 1.20 1.21 1.20 1.04 Wechselkurs USD/CHF SNB, Sqe. 0.98 0.96 0.99 0.97 Realer Wechselkursindex SNB* SNB, Sqe. 111.33 110.95 110.37 119.73 Handelspartner Bruttoinlandprodukt Deutschland, real, saisonbereinigt Destatis, VgV., annualisiert 1.6 0.4 2.8 1.2 Bruttoinlandprodukt USA, real, saisonbereinigt BEA, VgV., annualisiert 2.4 5.0 2.2 − 0.7 Prognosen Konjunktur, Arbeitsmarkt, Preise Quelle 2013 2014 2015 2016 Bruttoinlandprodukt Schweiz, real SECO, VgV., ESVG 2010 1.9 2.0 0.9 1.8 Arbeitslosenquote Schweiz SECO, VgV., ESVG 2010 3.2 3.2 3.3 3.4 Konsumententeuerung Schweiz SECO, VgV. − 0.2 0.0 − 0.4 − 0.2 Bruttoinlandprodukt Kanton Zürich, real BAK Basel, VgV. 2.6 2.3 1.3 1.9 VgV. = Veränderung gegenüber der Vorperiode in % Sqe. = Stand bei Quartalsende * Realer Wechselkursindex SNB: Gewichtet die Veränderungen verschiedener Währungen im Vergleich zum CHF nach Wichtigkeit des Handelspartners, preisbereinigt; Abnahme entspricht einer relativen Vergünstigung von Schweizer Produkten Datenquellen Kanton Zürich Schweiz Internationale Wirtschaft Impressum Herausgeber BAK Basel, KOF Konjunkturforschungsstelle Thomson Reuters Datastream, KOF Konjunkturforschungsstelle, Schweizerische Nationalbank (SNB) Thomson Reuters Datastream, Bureau of Economic Analysis (BEA), Bureau of Labor Statistics (BLS), Statistisches Bundesamt Deutschland (Destatis) Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) Walchestrasse 19 Postfach 8090 Zürich Telefon 043 259 26 26 Fax 043 259 51 04 Redaktionelle Verantwortung Dr. Aniela Wirz, Fachstelle Volkswirtschaft www.awa.zh.ch/monitoring Bildnachweis Alessandro Della Bella (S. 1), zVg (S. 10 ) Produktion Druck Solms Grafik, Winterthur Spillmann Druck AG, Zürich 16 Erscheinungsdaten Vierteljährlich, Publikationsdatum dieser Ausgabe: 22. Juni 2015 Datenstand: 3. Juni 2015 Die nächste Ausgabe erscheint Mitte September 2015 Bezugsbedingungen Das Zürcher Wirtschaftsmonitoring kann kostenlos beim Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich abonniert oder bezogen werden: Thomas Bauer [email protected] Telefon 043 259 49 37 Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 2015
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