Kugelstoßpendel („Newtonsche Wiege“) Ein Kugelstoßpendel (Abb. 1) ist eine Anordnung von hintereinander aufgehängten Kugeln gleicher Masse und Pendellänge, wobei die Pendelabstände gleich den Kugeldurchmessern sind. Die Wirkungen zwischen den Kugeln wird meist mit Hilfe elastischer Stöße beschrieben, bei denen die kinetische Energie und der Impuls erhalten bleiben. Abb. 1 Kugelstoßpendel („Newtonsche Wiege“) Gelten diese idealisierenden Bedingungen nicht exakt (z. B. unterschiedliche Kugelmassen oder Pendelabstände), verhält sich das Kugelstoßpendel anders. Dann kann das Verhalten m. H. eines mathematischen Modells, dessen Herleitung im Folgenden beschrieben wird, ermittelt werden. 1 Modell 1 Der 1. Schritt: Die geometrischen Verhältnisse für ein Kugelstoßpendel mit n Kugeln zeigt Abb. 2. Die Bewegung wird zunächst als translatorische Annäherung beschrieben. • Die beim Auslenken des Pendels entstehenden Rückholkräfte infolge der Schwerkraft werden als Federkräfte FRHi beschrieben: FRHi = c0i ⋅ si . (1) • Die Materialdämpfung der Kugeln wird zunächst vernachlässigt. • Der Luftwiderstand der Kugeln wird als Kraft FLWi berücksichtigt. 1 a12 a23 ϕ1 a34 ϕ2 an-1 n ϕ3 ϕn l m1 m2 m3 s1,v1 c01 c1 s2,v2 c2 b12 d1 c02 c2 s3,v3 c3 b23 d2 mn c03 sn,vn c3 cn b34 d3 bn-1 n c0n cn dn Abb. 2 Allgemeines Schema eines Kugelstoßpendels mit n Kugeln bei vernachlässigter Materialdämpfung der Kugeln Die Kugel 2 (als Repräsentant der inneren Pendel). Der 2. und 3. Schritt: Das Blockschaltbild des 2. und 3. Schrittes der Modellierung der Kugel 2 kann aus Abb. 4.12 entnommen werden. Die Eingangsgrößen sind hier die resultierenden Federkräfte FF12 und FF23 bei Berührung mit den benachbarten Kugeln FF12 - FRH2 FF23 - FB2 - 1 m2 s v2 1 s2 s FLW2 Abb. 3 Blockschaltbild des 2. und 3. Schrittes der Modellierung der Kugel 2 Der 4. Schritt: Die Kugel 2 ist über die Federn mit den Federkonstanten c1, c2, c3 und damit über die Wege s1, s2 und s3 mit den Kugeln 1 und 3 verkoppelt. Da sich die Kugeln nur zeitweise berühren, entstehen nichtlineare Funktionen der Federkräfte FF12 und FF23. Die nichtlinearen Beziehungen lauten: 0 für s1 − s2 − b12 < 0 FF12 = , c12 ⋅ (s1 − s2 − b12 ) für s1 − s2 − b12 ≥ 0 (2 a) 0 für s2 − s3 − b23 < 0 FF 23 = . c23 ⋅ (s2 − s3 − b23 ) für s2 − s3 − b23 ≥ 0 (2 b) Die Federkonstanten c12 und c23 sind die Ersatzfederkonstanten der Reihenschaltungen der beteiligten Federn: c12 = c1 ⋅ c2 . c1 + c2 (2 c) 2 c2 ⋅ c3 . c2 + c3 c23 = (2 d) Die beim Auslenken des Pendels entstehenden Rückholkräfte infolge der Schwerkraft ist gemäß Gl. (1): FRH 2 = c02 ⋅ s2 . Die Federkonstante c02 ist in erster Näherung c02 = m2 ⋅ g l (3) (Herleitung: Das Rückholmoment ist M RH 2 = m2 ⋅ g ⋅ l ⋅ sin ϕ 2 . Mit sin ϕ 2 = s2 M und FRH 2 = RH 2 l l ergibt sich Gl. (3).) Der Luftwiderstand eines bewegten Körpers wächst in erster Näherung quadratisch mit der Geschwindigkeit (s. Abschn. 4.1.1). Es wird angesetzt: FLW 2 ≈ k ⋅ v22 ⋅ sign(v2 ) . (4) Die Weg-Winkelbeziehung lautet: s2 l ϕ 2 = arcsin . (5) Das führt auf das Blockschaltbild der Kugel 2 in Abb. 4. m2 . g s1 s2 b12 - FF12 - FRH2 FF23 - FB2 FLW2 arcsin (s 2 / l ) l 1 m2 s v2 1 s2 b 23 - ϕ2 FF23 s - f(v2) s3 Abb. 4 Blockschaltbild 1 der Kugel 2 Die meisten Kugelstoßpendel besitzen n = 5 Kugeln. Das allgemeine Blockschaltbild für die getroffenen Annahmen zeigt Abb. 5. Folgende Parameter werden für eine erste Simulation festgelegt (sie wurden teilweise für ein reales Pendel ermittelt, bei dem die Kugelmassen geringfügig schwanken): 3 • • • • • • • • l = 80 mm = 0,08 m, di = 22 mm = 0,022 m, g ≈ 10 m/s², m1 = m3 = m5 = 44 g = 0,044 kg = 0,044 N s²/m, m2 = m4 = 42 g = 0,042 kg = 0,042 N s²/m, cj = 100000 N/m, bjj = 0 m, k = 0,01 N s²/m². Damit sind c0i = mi ⋅ g 0,044 N s ² / m ⋅ 10 m / s ² = ≈ 3 N / m und cij = 50000 N / m . l 0,15 m FRH1 m . g 1 - l FB1 - - FLW1 FF12 1 m1 s v1 1 b12 s1 - f(v1) - - FLW2 FF23 1 m2 s v2 1 b23 s2 - - - FLW3 FF34 1 m3 s v3 1 b34 s3 - - - FLW4 FF45 1 m4 s v4 1 f(v4) FLW5 1 m5 s FF34 b45 s4 - arcsin (s 4 / l ) ϕ4 FF45 s5 - l FB5 ϕ3 s FRH5 m . g 5 - arcsin(s3 / l ) s4 - f(v3) l FB4 FF23 s FRH4 m . g 4 - ϕ2 s3 - f(v2) l FB3 arcsin (s 2 / l ) s FRH3 m . g 3 - FF12 s2 - l FB2 ϕ1 s FRH2 m . g 2 - arcsin (s1 / l ) s5 arcsin(s5 / l ) ϕ5 v5 1 s f(v5) Abb. 5 Blockschaltbild 1 des Kugelstoßpendels mit n = 5 Kugeln 4 Simulationsergebnisse. Anfangswerte: s1 = -0,05 m (ϕ1 ≈ -0,675), s2 = … = s5 = 0, alle vi = 0. Abb. 6 Simulationsergebnisse des Modells 1 Fazit: Die Vernachlässigung der Materialdämpfung der Kugeln führt dazu, dass die Kugeln nicht das im Experiment entstehende Verhalten zeigen, da kleinste Berührungen die Federkräfte ungedämpft wirken lassen. .2 Modell 2 Der 1. Schritt: Die Veränderungen bei berücksichtigter Materialdämpfung der Kugel 2 (Repräsentant) zeigt Abb. 2. m2 c2 k2 s2,v2 c02 c2 k2 Abb. 7 Schema der Kugel 2 bei berücksichtigter Materialdämpfung der Kugel 5 Das Blockschaltbild des 2. und 3. Schrittes der Modellierung der Kugel 2 entspricht der Abb. 3. Die Eingangsgrößen sind hier keine Federkräfte, sondern allgemeiner die Berührungskräfte F12 und F23 bei Berührung mit den benachbarten Kugeln. Der 4. Schritt: Die Beschreibung der Federkräfte FF12 und FF23. und der Rückholkraft FRH2 erfolgt wie in Abschn. .1. Die Dämpfungskräfte FD12 und FD23 werden analog Abschn. 4.1.3 modelliert. 0 für s1 − s2 − b12 < 0 FD12 = , k12 ⋅ (v1 − v2 ) für s1 − s2 − b12 ≥ 0 (6 a) 0 für s2 − s3 − b23 < 0 FD 23 = , k 23 ⋅ (v2 − v3 ) für s2 − s3 − b23 ≥ 0 (6 b) k12 = k1 ⋅ k 2 , k1 + k 2 (6 c) k23 = k 2 ⋅ k3 . k 2 + k3 (6 d) Die Berührungskräfte F12 und F23 sind unter der Annahme, dass nur Druckkräfte auftreten, 0 für FF12 + FD12 < 0 F12 = , FF12 + FD12 für FF 12 + FD12 ≥ 0 (7 a) 0 für FF 23 + FD 23 < 0 F23 = . FF 23 + FD 23 für FF 23 + FD 23 ≥ 0 (7 b) Das Blockschaltbild 1 in Abb. 4 ändert sich entsprechend, es entsteht Blockschaltbild 2 in Abb. 8. Im Sinne der einfacheren Darstellung werden die Geschwindigkeiten aus den Wegdifferenzen berechnet (Differenziation bzw. Multiplikation mit dem Differenzialoperator s). Es ist z. B. v1 − v2 = s ⋅ ( s1 − s2 − b12 ) . b12 s1 s2 (8) s . k12 π 1 FF12 FD12 F12 - FRH2 FB2 - F23 - FLW2 l 1 m2 s ϕ2 arcsin (s 2 / l ) m2 . g v2 1 s2 b 23 - s . k23 π 1 FD23 F23 s - f(v2) FF23 s3 Abb. 8 Blockschaltbild 2 der Kugel 2 Das Gesamtblockschaltbild 2 des Kugelstoßpendels mit n = 5 Kugeln zeigt Abb. 9. 6 Die hinzukommenden Parameter wie folgt festgelegt: ki = 22 Ns/m. FRH1 m . g ϕ2 1 l - FB1 - F12 FLW1 v2 1 1 m1 s s - F23 FLW2 v2 1 1 m2 s - F34 FLW3 1 m3 s FB4 - F45 FLW4 v4 1 - - FLW5 s . k34 π s5 - F23 arcsin (s3 / l ) FD34 s . k45 π F34 arcsin (s4 / l ) FD45 ϕ4 F45 FF45 m5 . g arcsin (s5 / l ) v5 1 ϕ3 FF34 1 f(v4) 1 m5 s FD23 ϕ2 FF23 s4 - s4 b 45 - F12 arcsin (s 2 / l ) 1 s l FB5 π m4 . g 1 m4 s FRH5 - s3 b 34 - s l - s . k23 s3 - f(v3) FRH4 FD12 FF12 m3 . g v2 1 arcsin(s1 / l ) 1 s l FB3 s2 b 23 - f(v2) FRH3 - s2 - m2 . g l FB2 π 1 f(v1) FRH2 - s1 b 12 - s . k12 s5 s f(v5) Abb. 9 Blockschaltbild 1 des Kugelstoßpendels mit n = 5 Kugeln 7 ϕ5 Simulationsergebnisse. Anfangswerte: s1 = -0,05 m (ϕ1 ≈ -0,675), s2 = … = s5 = 0, alle vi = 0. Abb. 10 Simulationsergebnisse des Modells 2 Das Verhalten des Modells 2 kommt dem des realen Pendels nahe. Mit dem Modell können nun vielfältige Parametervariationen vorgenommen werden, z. B.: 1. Endliche Abstände bij > 0 zwischen den Kugeln. 2. Eine oder mehrere Kugeln sind nicht aus Stahl, sondern aus Plastik 8 Modifikationen (weitere Simulationsergebnisse). 1. Anfangswerte: s1 = s2 = -0,05 m (ϕ1 ≈ ϕ2 ≈ -0,675), s3 = … = s5 = 0, alle vi = 0. Abb. 11 Verhalten des Modells 2 in der Anfangsphase, zwei Kugeln ausgelenkt 2. Anfangswerte: s1 = -0,05 m (ϕ1 ≈ -0,675), s2 = … = s5 = 0, alle vi = 0, alle bij = 0,006 m. Abb. 12 Verhalten des Modells 2 in der Anfangsphase, alle bij = 0,006 m 3. Anfangswerte: s1 = -0,05 m (ϕ1 ≈ -0,675), s2 = … = s5 = 0, alle vi = 0, Kugel 2 plastisch (c12 = c23 = 50 N/m, k12 = k23 = 500 N s/m). Abb. 13 Verhalten des Modells 2 in der Anfangsphase, Kugel 5 plastisch (c45 = 50 N/m, k45 = 500 N s/m) 9
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