Predigt Jakobus 4,13-15 - Andreaskirche Schildgen

Predigt Jakobus 4,13-15 Neujahr 2015 Dom
Am Anfang eines neuen Jahres wird geplant: Termine von einem zum anderen Kalender übertragen; alte Kalender abgehängt und der Neue kommt an die Wand. Eigentlich ist es ja nur ein
Datumswechsel wie vom 16. auf den 17. eines Monats. Aber das mit der Silvesternacht und
dem 1. Januar hat etwas Besonderes. Innehalten; nachdenken; eine Art inneres Aufräumen.
Der Episteltext aus dem Jakobusbrief hilft uns dabei. Der Brief ist eine weisheitliche Mahnrede. Er wendet sich gegen ein folgenloses, nicht alltagsrelevantes Christentum. Er hält den
Gemeinden, die den Brief lesen, einen Spiegel vor. Darin sollen sie ihre Selbsttäuschungen
klar erkennen können. Der Glaube an die Liebe Gottes – wie wir sie in der Weihnachtsbotschaft wieder gehört haben – bleibt eine Herausforderung – vor allem, wenn man auf den hört,
der später als erwachsener Mann aus dem Kind in der Krippe geworden ist. Jakobus will zu
einem christlichen Leben aus ‚einem Guss‘ helfen. Er wendet sich gegen offenkundige, den
Inhalten des Glaubens widersprechende Missstände in der Gemeinde. In unserem Abschnitt
sind die selbstsicheren Macher/innen im Blick: 13
Kleine Geschichte: ein 70jähriger verschenkt seinen Terminplaner: Da hast du ihn. Ich brauche
ihn nicht mehr mit meinen 70 Jahren. Meine frühere Firma in Italien hat mir das Ding noch einmal geschenkt. Damit habe ich 20 Jahre gearbeitet. Ich war darauf angewiesen, weil meine
Aufgabe Termingeschäfte waren. 3 Tage Rückstand in der Lieferzeit – da kamen u.U. Millionenbeträge an Konventionalstrafe zustande. Wenn im Kalender ‚Montag, 15.30 h Mailand‘ stand,
musste ich auch da sein. Ich hatte die Jahre fest im Griff mit meiner Planung. Anders wäre es
nicht gegangen. Das geht einem in Fleisch und Blut über. Noch heute, mit 70 kontrolliere ich
meine Verabredungen. Es regt mich furchtbar auf, wenn Leute mit ihrer Zeitplanung nicht klar
kommen. Weißt du, wenn du so lebst, dann wirst du regelrecht gefangen. Du bekommst dein
Leben diktiert; du rennst nur noch hinter deinen Terminen her. Und dann steht im Termin-Plan
‚freie Zeit‘. Die freie Zeit ist genauso geplant wie die geplante Zeit. Jetzt bin ich raus aus dem
Geschäft und habe mit dem Leben in der freien Zeit meine Probleme. Wer einmal angefangen
hat, nach Plan zu leben, kommt da so leicht nicht mehr raus. Ich wünsche mir jemand, der mir
hilft, Abstand zu bekommen von dieser ganzen Termin-Macherei. Jemand, die/der mir sagt: du
bist mehr als deine Termine!
Jakobus packt das damals wie heute heiße Thema ‚planen‘ an. ‚Und nun…‘ er nimmt die
selbstbewusste Sprache der Tatmenschen auf; es sind Leute, die wissen, wie man plant. Er
stellt seine Fragen und entlarvt die dahinterliegenden Motive. Da sind offensichtlich sehr
praktische Kaufleute in der Gemeinde. Sie wissen selbstbewusst ihre Zeit zu gestalten. Sie
wissen genau, wie lange sie brauchen, um Erfolg zu haben, nämlich ein Jahr. Sie kennen den
Ort, wo man sich aufhalten muss: die Stadt. Sie überlegen nur noch, wann sie losziehen.
Recht locker und selbstbewusst beratschlagen sie, ob das heute oder morgen sein soll. Jakobus zeichnet das Bild von Menschen, die sehr von sich überzeugt sind. Kaum ist er mit seiner
Bildbeschreibung fertig, nimmt er den Stift und streicht es durch – kreuz und quer. Ihr wisst
ja nicht, wie es morgen um euer Leben steht – hält er diesen Handelsleuten entgegen. Damit
nicht genug: er führt ihnen bildhaft vor Augen, wie vergänglich alles irdische Leben ist (ein
Hauch – Jes 40: Alles Fleisch ist Gras, und alle seine Güte ist wie eine Blume auf dem Felde.
Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt; denn des HERRN Odem bläst darein. – Ps 103: Denn er
weiß, was für ein Gebilde wir sind; er gedenkt daran, dass wir Staub sind. Ein Mensch ist in
seinem Leben wie Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Felde; wenn der Wind darüber geht, so
ist sie nimmer da, und ihre Stätte kennet sie nicht mehr. Die Gnade aber des HERRN währt von
Ewigkeit zu Ewigkeit über denen, die ihm vertrauen)
Jakobus kritisiert aber nicht nur. ergibt ihnen an die Hand, wie sie planen sollen: 15 Das ist
das Zeitplanungsprogramm von Christenmenschen. Aber stattdessen leben sie vor sich hin,
Predigt Jakobus 4,13-15
als seien sie der Mittelpunkt der Welt. Sie brüsten sich mit ihrer Wichtigtuerei – und versäumen dabei, Gutes zu tun. 16f
Jakobus stellt nicht jeden Kaufmann, jeden Handeltreibenden und jeden Termin-planenden
Pfarrer an den Pranger. Gegen ehrliche Berufe und gute Planungen findet sich kein Vers in
der Bibel. Ohne Geschäftsleute mit guter Planung bekommen wir keine Waren; ohne ausgefeilte Logistik funktionieren kein Fließband und keine Eisenbahn. Ohne Planung wird es leicht
chaotisch. So ganz spontan vor uns hin leben wollen – das klappt vielleicht hier und da im
Urlaub oder an freien Tagen ohne Verpflichtungen. Was Jakobus gar nicht gefällt, ist die weit
verbreitete Lebenshaltung: alles ist planbar; alles ist machbar. Ziele müssen erreicht werden
– koste es, was es wolle. Manchen gehen dabei über die berühmten Leichen! Es gibt sie auch
unter uns; auch in einer Kirchengemeinde, die Haltung, als ginge alles immer so weiter und
als würde alles immer besser! Das Wirtschaftswachstum muss fortschreiten; mehr Autos produziert und verkauft; Firmen fusionieren zu immer größeren Gebilden; Exportüberschüsse
usw. ‚Halt‘, sagt Jakobus. Der Mensch hat sich nicht verändert. Er bleibt vergänglich. Es
kann nicht immer aufwärts, nicht immer schneller, höher, weiter gehen. Klimaforscher / Peru
Konferenz im Nov: wir wissen, was uns erwartet bei immer mehr Energieverbrauch, immer
stärkerem Treibhauseffekt. Und doch fällt es schwer, zu vernünftigen Abmachungen zu kommen. Das ist Realität. In der Kirche und in vielen Gemeinden regiert inzwischen weniger der
Geist Jesu als eben jener der Machbarkeit und der Planbarkeit. Wir führen gerade in der Kirche sie kaufmännische Buchführung ein: es soll effektiver gewirtschaftet werden in der Kirche. Manchmal etwas andersherum: wenn wir jetzt nichts machen, sind wir morgen pleite.
Planungswut und Hektik machen vor der Kirchentür und auch vor dem eigenen Kalender
nicht halt. Wie erleben Sie unseren Gemeindealltag? Gut geplant? Realistisch an den Fragen
und Bedürfnissen der Menschen orientiert oder auch ein immer mehr an Vorzeigbarem,
Messbaren (so viel Geld eingenommen; so viele Menschen im GD…) Nichts gegen eine gute
Jahresplanung einer Kirchengemeinde – da sind wir in A/S wirklich gut. Doch wann hat zum
letzten Mal – mich eingeschlossen – jemand gefragt, ob Gott das denn alles wirklich will?
Manchmal habe ich den Eindruck: Hauptsache, die Kalender sind voll; wir sind wichtig! Wir
werden gebraucht. Wie oft wird in Gruppen und Gremien TFS (das Terminfindungsspiel) gespielt.
‚Halt!‘ sagt Jakobus. Haben wir unsere Planungen im Angesicht Gottes wahrgenommen? Haben wir unsere Grenzen beachtet? Kein Verteufeln ist angesagt. Keine Gemeinde kann ohne
Jahresplan und Haushaltsplan existieren. Jakobus hat die christliche Alternative zu Fatalismus (es ist alles vergänglich, was soll da verantwortliches Planen?) und Schwärmerei (Der Hl
Geist wird es schon richten!) vor Augen: Menschen, die ihr ganzes Leben Gott anvertrauen
und leben s.c.j. 15 Wer demgegenüber meint, er/sie allein sei Herr/in über die eigene Zukunft, verfällt der Sünde der Überheblichkeit 16 In Hektik und in Überfülle von Aufgaben
kann es auch Christen passieren, dass sie vergessen Gutes zu tun.
Wir wollen 2015 lernen, mehr Ruhe und Gelassenheit und Gottvertrauen in unser organisatorisches Tun hineinzubekommen. Jakobus empfiehlt ja den Kaufleuten nicht, zuhause zu bleiben. Sie sollen bei allem Treiben und Terminieren daran denken: die Zukunft ist allein Gottes
Sache. Es gab eine Zeit, da unterschrieben holländisch-reformierte Kaufleute ihre Geschäftsverträge mit dem Kürzel s.c.j. Kann uns heutigen etwas Ähnliches einfallen? In der BP heißt
es: Wer ist unter euch, der seines Lebens Länge eine Spanne zusetzen könnte, wie sehr er sich
auch darum sorgt? (Mt 6,27) Christen können es sich leisten, angstfrei nach vorne zu blicken.
Wir können davon ausgehen: unsere Zeit steht in Gottes Händen und wir gehören zu Gott.
Selbst die Drohung eines nahen plötzlichen Todes hat durch die Auferstehung Jesu ihren
Schrecken verloren: was kann uns trennen von der Liebe Gottes? Ganz bestimmt nicht der
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Predigt Jakobus 4,13-15
nächste Tag mit seinen Unwägbarkeiten! Jakobus lädt zu einer Lebenshaltung ein, die aus der
Verantwortung vor Gott kommt. Planung ja, aber nicht grenzenlos und damit gott-los.
Ich lade zu einer kleinen geistlichen Übung ein. Ich nehme mir den neuen Jahreskalender
2015 und schaue mir die Termine an, die schon drinstehen. Dann lese ich den Satz so Gott
will, werde ich leben und dies oder das tun laut vor – wenn Sie mögen zu jedem Termin. Spüren Sie dem nach: was heißt das für mich?
Hermann Kotthaus
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