Crashkurs Journalismus

Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Prof. Stefan Korol
Crashkurs Journalismus. Version Oktober 2015
HBRS, Prof. Korol: Crashkurs Journalismus
Version: Oktober 2015
Vorwort 1:
Dieses Skript beschreibt meine Einstellung zum und Auffassung vom
Journalismus und von journalistischen Werken. Andere Kollegen und
Journalisten sehen einige Dinge sicher anders – und auch das ist sicher richtig.
Vorwort 2:
Selbst der beste Crashkurs ist und bleibt ein Crashkurs. Und der ist nur eine
Einführung. Die Einzelheiten, Beispiele und Tipps für die journalistische Arbeit
(und für gute Werke, gute Noten) stehen in den jeweiligen Skripten.
Vorwort 3:
Lesen ist immer gut. Für Fakten und Infos reicht das auch. Aber alle hier
beschriebenen Handwerke lernt man nur durch Machen; je mehr, desto besser:
Themen suchen, Konzepte erarbeiten, Schreiben, Töne und Bilder aufnehmen.
Vorwort 4
„Leser“ oder auch „LHZ“ steht immer auch für „Leserinnen, Hörerinnen und
Hörer, Zuschauerinnen und Zuschauer, Onlinerinnen und Onliner“ –
eben für alle Menschen, die Medien nutzen.
Vorwort 5
Wehr Veeler entdäckt oder Vorschläge für weitere Themen machen möchte:
Mail an: [email protected].
Vorwort 6
Ich aktualisiere dieses Skript immer zu Beginn des Wintersemesters.
Vorwort 7
Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Sie dürfen diesen Text für die
eigene journalistische Arbeit nutzen. Es ist aber untersagt, den Text oder
Teile daraus zu kopieren, zu präsentieren oder in anderer Form zu
veröffentlichen. Jeder Verstoß wird strafrechtlich verfolgt.
© Stefan Korol 2016
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Crashkurs Journalismus. Version Oktober 2015
Was ist Journalismus?
Darüber wird diskutiert und gestritten, seitdem es Journalismus und Journalisten gibt. Meine
Definition (die auch meine Lehre hier an der HBRS bestimmt):
Journalismus greift aktuelle und für Leser, Hörer, Zuschauer relevante Ereignisse auf,
recherchiert dazu, berichtet darüber, erklärt und ordnet ein. Journalismus unterscheidet
sich dadurch von zwei ähnlich aussehenden Publikationen:
- PR; aber die ordnet nicht ein, sondern hebt nur die Vorteile eines Produktes hervor,
- Lexikon; das erklärt zwar, orientiert sich aber nicht an der Aktualität.
Journalisten müssen eine für ihre LHZ deutlich erkennbare und für LHZ nutzbare Leistung
erbringen, denn nur dann sind LHZ bereit, für journalistische Produkte zu bezahlen. Diese
erkennbare journalistische Leistung steht im Mittelpunkt der TJ-Lehre, denn nur dafür gibt
es später Geld – und jetzt (gute) Noten.
Die wichtigste Eigenschaft von Journalismus/Journalisten ist, dass Leser, Hörer,
Zuschauer (LHZ) den Journalisten und ihren Werken vertrauen können.
Kein Leser gibt Geld für eine Zeitung aus, wenn er den Eindruck hat, dass
- da nichts Neues drin steht,
- die Autoren von dem Thema keine Ahnung haben,
- die Autoren Texte aus Pressemeldung oder Prospekt übernommen haben,
- die Autoren eine/ihre Meinung durchboxen wollen,
- die Autoren Werbung machen für ein Produkt/Ereignis.
Vergleich: Wenn wir auf der Suche nach einem neuen Handy sind, lesen wir zwar auch den
Prospekt, gucken die Werbung, fragen diejenigen, die das Handy schon haben. Aber am
wichtigsten sind uns (unabhängige!) Testberichte.
Vertrauen in Journalisten/journalistische Werke entsteht durch Regeln, an die sich
Journalisten bei ihrer Arbeit halten:
Journalismus versucht objektiv zu sein. Journalisten
- ergreifen nicht Partei für etwas oder für jemanden (journalistische Distanz),
- versuchen immer, die Vor- UND Nachteile herauszufinden und zu nennen,
- lassen Seite und Gegenseite zu Wort kommen.
Journalismus muss wahr sein. Journalisten
- versuchen so oft es geht, zu überprüfen: Stimmt das?,
- recherchieren alles rund ums Thema, werden Experten für dieses Thema,
- nennen dann alles, was wichtig ist (sie lassen also nichts weg, weder aus Nachlässigkeit,
noch aus Vorsatz, z.B. wenn/weil ihnen bestimmte Fakten nicht gefallen)
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Journalismus muss verlässlich und unabhängig sein. Journalisten
- schreiben nur, was sie selbst vollständig verstanden haben,
- übernehmen keine Formulierungen aus ihren Recherche-Quellen, sondern schreiben ihre
Texte komplett neu. Ausnahmen: siehe „Bericht/Zitate“.
Journalismus muss/sollte exklusiv sein. Journalisten
- müssen an Orten sein, an die normale Menschen nicht kommen,
- müssen mit Menschen sprechen, mit denen normale Menschen nicht sprechen können.
Journalismus muss Ereignisse einordnen. Aber diese Einordnung nimmt in der
Nachricht/im Bericht nicht der Journalist vor, sondern er befragt und zitiert Experten, lässt sie
in Zitaten direkt zu Wort kommen und fasst weitere Experten-Infos in seinem Text
zusammen.
Journalistische Darstellungsformen
Wenn Journalisten einen Text schreiben, dann haben sie nicht das sprichwörtliche leere Blatt
Papier vor sich, sondern immer schon eine Struktur; in unserer digitalen Welt könnte man
auch von CMS sprechen, also von einem Content Management System. Alle journalistischen
Werke haben eine jeweils spezielle Form, an die sich der Journalist halten muss (ja, es gibt
Ausnahmen. Aber die kommen später…) Diese Formen nennt man journalistische
Darstellungsformen.
Journalistische Darstellungsformen werden nicht zufällig produziert/veröffentlicht, sondern
sie stehen in einem logischen Zusammenhang und in einer zeitlicher Abfolge eines
Ereignisses:
- Die Nachricht steht am Anfang, sie nennt das Wichtigste.
- Der Bericht nennt weitere Details, Ursachen, Zusammenhänge, Einordnung, hat Zitate.
- Die Magazinstory ist Bericht plus: sie schreibt szenisch, wertet, stellt eine These auf.
- Das Interview lässt anlässlich des Ereignisses einen Menschen zu Wort kommen.
- Der Kommentar bewertet ein Ereignis, zeigt (neue) Zusammenhänge auf.
- Reportage/Porträt zeigen eine Facette, einen Menschen zu einem Ereignis.
Bis auf den Kommentar ist für diese journalistischen Darstellungsformen ein Produktionsort
erforderlich: Man muss dort sein, um anschließend darüber berichten zu können.
Es gibt noch mehr JDF, auch Mischformen. Im meinen TJ-Veranstaltungen geht es aber um
Nachricht und Bericht sowie Magazinstory.
Die häufigste Darstellungsform in einer Zeitung, aber auch in einer aktuellen Radio-/TVSendung, ist der Bericht. Berichte zu schreiben ist im Journalismus das „Brot-und-ButterGeschäft“. Der Bericht steht deswegen im Mittelpunkt der Lehre hier in der HBRS. Wie jede
Darstellungsform, hat auch der Bericht eine Struktur; einzelne Absätze, in denen jeweils
unterschiedliche journalistische Leistungen erbracht werden müssen. Diese Leistungen
müssen für LHZ klar erkennbar sein.
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Journalistische Leistungen
(In der Reihenfolge ihrer Anwendung und von „einfach“ bis „schwierig“)
- Zu einem Ereignis gehen (von der Redaktion geschickt) und über dieses Ereignis
anschließend zu berichten – der so genannte Tatsachen- oder Ereignisbericht: Eröffnung
des neuen Krankenhauses, Demo auf dem Marktplatz, Streik bei der Beispiel AG. Hingehen,
beobachten, mit den Organisatoren/Verantwortlichen sprechen, zuhören. Anschließend:
Denken, Bewerten („Was ist wichtig, was lasse ich weg?“), Strukturieren. Schreiben.
- Den Tatsachen-/Ereignisbericht ergänzen um den Hintergrund. Diesen Hintergrund kann
nur schreiben, wer nicht am Ereignis „kleben“ bleibt, sondern (Beispiel Krankenhaus) wer
zum Beispiel recherchiert, wie sich die Kosten und Liegezeiten generell entwickelt haben,
was die grundsätzlichen Probleme in einem Krankenhaus sind und wie es anderen
Krankenhäusern in der Region wirtschaftlich geht.
- Infos vom Ereignis, Hintergrund-Infos – und dann noch eine Einordnung: Ist das neue
Krankenhaus wirklich nötig; wie berechtigt/unberechtigt sind die Ziele der Demonstranten;
wie ist die wirtschaftliche Situation der Beispiel AG/der Branche? Aber im Bericht ist es nicht
der Journalist, der einordnet (der darf es nur im Kommentar), sondern der Experte. Das kann
ein Gegner einer Aktion sein oder ein unabhängiger Experte.
- Nicht darauf warten/hoffen, dass man von der Redaktion geschickt wird, sondern selber
Themen finden/entdecken. Das kann ein Ereignis (siehe oben) sein, es kann aber auch ein
Ergebnis der Recherche bei einem an sich banalen Ereignis sein: Bei der jährlichen
Brandschutzübung der Freiwilligen Feuerwehr (FF) könnte ein guter Journalist zum Beispiel
herausfinden, dass die FF keinen Nachwuchs findet; dass die Schläuche morsch sind oder
dass der Brandmeister Alkoholiker ist. Aber eben nur, wenn er sich nicht mit der
Brandschutzübung zufrieden gibt, sondern durch Hingucken, Fragen stellen und Zuhören.
- Auch journalistisch schreiben kann eine journalistische Leistung sein. Sie zählt aber nur
dann als journalistische Leistung, wenn auch journalistische Inhalte geliefert werden. Ein gut
geschriebener Text, aber leider ohne neue Informationen, wird nicht gelesen/gekauft.
Die gemeinsame Eigenschaft aller journalistische Leistungen ist ein im ökonomischen
Sinne entstehender Mehrwert: Die Beschreibungen des Journalisten über ein Ereignis
liefern ebenso neue Informationen wie die Zitate der befragten Menschen. Diese
Informationen gab es bislang nicht, weder im Internet noch bei/in Druckwerken
(Journalismus/PR-Werken). Wer also ausschließlich im Internet recherchiert, kann gar keine
neuen Informationen liefern – und bekommt deswegen kein Geld (und keine guten Noten).
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Journalismus in meiner Lehre:
- Journalismus ist ein Handwerk. Ein Handwerk hat Regeln. Die muss man lernen. Und
dann machen, möglichst oft. Und schließlich kennt man die Regeln und kann das Handwerk.
- Journalismus ist eine Dienstleistung. Es gibt Auftraggeber und Auftragnehmer. Nur wer
als Auftragnehmer weiß (und kann), was Auftraggeber wollen, kann Geld verdienen.
- (Meine) Aufgabe (in) der HBRS ist es, dass möglichst viele Studierende am Ende ihres
Studiums (journalistische) Aufträge annehmen und zur Zufriedenheit der Auftraggeber
ausführen können – und damit Geld verdienen.
- Das Studium Technikjournalismus ist aufgeteilt in: Journalismus/PR und: Ingenieurs/Umweltwissenschaft. Die journalistischen Inhalte müssen deswegen reduziert und
fokussiert werden – es soll ja noch Platz und Zeit sein für die technischen Fächer und für PR.
(Damit kein falscher Eindruck entsteht: Ja, ich bin ein Verfechter des hehren, objektiven und
klassischen Journalismus. Aber ich bin auch ein Fan von PR. Was heute durchaus gang und
gäbe ist. So hat zum Beispiel der Deutsche Journalisten Verband (DJV) eine eigene Rubrik
für PR-ler. Und die HBRS ist nicht die einzige Hochschule, die Journalismus/PR anbietet.
Was aber eben gar nicht geht: Journalismus und PR zu vermischen. Das zerstört das
Vertrauen der LHZ und damit den Journalismus).
Journalismus besteht aus Prozessen und Produkten:
Prozesse – Die müssen Sie können:
- Themen finden: Was interessiert LHZ? Was ist neu und relevant?
- Fachwissen: Sie müssen für das Ereignis, für das neue Produkt Experte werden/sein
- zum Ereignis, Produktionsort hingehen: Sehen, Hören, Denken, Fragen, Antworten finden
- Entscheiden: Was sind die wichtigsten Infos, was wollen LHZ zum Ereignis wissen?
- Schreiben: Die wichtigsten Infos nennen, LHZ-Fragen beantworten
- Einordnen: Zusammenhänge, Kritik, Nachteile, Auswirkungen
- Entdecken: Geheimnisse, Zusammenhänge
Produkte – Das muss dabei herauskommen:
Nachricht, Bericht, Magazinstory – egal ob für Print, Radio, Fernsehen, Online.
Die Zielgruppe für alle journalistischen Werke in der HBRS: Der interessierte, aber fachlich
nicht kundige Tageszeitungsleser. Zum Beispiel: Die Fahrgäste der Linie 66.
Journalisten müssen hart arbeiten –
damit Leser, Hörer und Zuschauer es einfach haben.
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Technikjournalismus – Was ist das (nicht)?
NEIN: Journalismus ist KEIN Lexikon. Technikjournalismus ist KEIN Technik-Lexikon. Und
Fernseh-Technikjournalismus ist KEIN (bebildertes) Technik-Lexikon.
JA:
Technikjournalismus berichtet über Technik, aber dies immer anhand von
Menschen, die diese Technik erfinden, verbessern, nutzen, bekämpfen oder darunter leiden.
Die Einbindung von Menschen in die Berichterstattung über Technik ist unterschiedlich stark:
In der Fachzeitschrift eher weniger, in der Tageszeitung mehr, bei Radio und Fernsehen viel
mehr. Trotz der Einbindung von Menschen gelten die Journalismus-Regeln und -Aufgaben:
Aktualität, Relevanz, Recherche, Fokus, Informationen, Einordnung, Objektivität.
Technikjournalismus berichtet oft über neue Technik; neue Verfahren, neue Produkte. Weil
Journalismus aber eben kein Lexikon ist, soll die neue Technik zwar erklärt werden, aber nur
in dem Maße, dass die Leser sich ein Bild über die Funktion, das Verfahren machen können.
Technikjournalismus darf die Leser nicht mit (Produkt-)Fakten und Funktionen „zumüllen“,
sondern muss vor allem zeigen, dass und in welchem Maße die neue (Aktualität) Technik für
den Leser wichtig ist (Relevanz). Deswegen ist die journalistische Leistung „Einordnung“
im Technikjournalismus besonders wichtig. Vor allem durch die Einordnung können TJ
deutlich machen, dass sie zwar mit den Technik-Unternehmen gesprochen und dort auch
produziert haben, aber keineswegs für die Unternehmen oder deren Produkte Werbung
machen, sondern objektiv und unabhängig berichten. Und nur für diesen objektiven
Journalismus sind Leser bereit zu zahlen, denn Werbung und PR-Texte bekommen sie von
den Unternehmen umsonst (Webseite, Prospekte, Anzeigenblatt, Kundenzeitschrift).
Durch eine umfassende und objektive Einordnung beweist der Technikjournalist auch die
kritische Distanz gegenüber Thema, Produkt, Unternehmen. Auch das ist ein
Qualitätsmerkmal, für das Leser bereit sind zu zahlen.
Einordnung, Objektivität und kritische Distanz können im Technikjournalismus vor allem
durch folgende Recherchen/Informationen erbracht werden:
- die vom Unternehmen gemachten Aussagen nachprüfen (Fachwissen!)
- das neue Produkt/Verfahren auf mögliche Nachteile untersuchen
- über eventuelle (vielleicht sogar bessere) Konkurrenzprodukte berichten
- Experten zum neuen Produkt/Verfahren befragen (Nutzen, Vorteile, Nachteile, Kritik)
Schon an dieser Stelle: Das mit der Einordnung und kritischen Distanz schreibt sich leicht. In
der Realität ist das ziemlich schwierig, denn wie jeder Fachjournalismus erfordert auch
Technikjournalismus die Quadratur des Kreises: Technikjournalisten müssen zu TechnikUnternehmen und -Mitarbeitern gute Kontakte haben, denn nur dann kommen sie an die
relevanten Informationen (und zum Beispiel auch an Drehgenehmigungen, Testgeräte;
Unterstützung generell). Aber gleichzeitig müssen sie eben auch objektiv bleiben, die
Distanz zum Unternehmen und deren Mitarbeitern bewahren und ggf. sehr kritisch oder auch
negativ über Produkt und Unternehmen berichten.
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Journalistisch schreiben
Journalismus ist nicht Kunst, es geht nicht darum, den eigenen (Schreib-)Stil zu entdecken,
zu verfeinern, besonders kreativ zu schreiben oder sich gar schriftstellerisch auszutoben.
Journalistische Texte sind Gebrauchstexte, sie müssen informieren, berichten, einordnen.
Sonst werden sie nicht gelesen und schon gar nicht gekauft.
Journalistisch schreiben heißt, die oben genannten Grundsätze und Regeln im Journalismus
anzuwenden und gleichzeitig einen Text zu schreiben, der interessant und verständlich ist.
Das ist nicht einfach, weil journalistische Regeln sich selten mit Interessantheit vertragen:
„Neue Signale des Fluges MH 370“ (tagesschau.de)
„Flog der Pilot die Geister-Boeing aus Liebeskummer in die Katastrophe?“ (bild.de)
Die Tagesschau-Überschrift ist möglichst objektiv mit journalistischer Distanz; die BildÜberschrift interpretiert, enthält wertende Begriffe, wirkt reißerisch (auch durch das
Fragezeichen) – regt aber sicher mehr Menschen zum Lesen an, als die TagesschauÜberschrift.
Weil Sprechen (Kommunizieren generell) einhergeht mit, häufig unbewussten, Wertungen,
ist es für Journalisten wichtig, diese spontanen und unbewussten Wertungen zu erkennen
und beim journalistischen Schreiben zu vermeiden. Ich lege deswegen großen Wert auf
höchstmögliche Objektivität – auch wenn die Texte dadurch nicht den höchstmöglichen
Leseanreiz bieten. Zudem ist es später einfacher, von objektiven zu wertenden Texten
zurückzufinden, als von wertenden zu objektiven Texten.
Neben der Objektivität geht es um die Verständlichkeit eines Textes. Texte dürfen keine
Stolpersteine enthalten, weder inhaltlich, noch sprachlich. Während bezüglich der
Vereinbarkeit der Gegensätze „objektiv versus interessant“ unendliche Diskussionen geführt
werden, gibt es bei der Verständlichkeit eine klare Linie: Der Kommunikationsforscher
Friedemann Schulz von Thun hat 1981 sein Modell der „vier Verständlichmacher“ vorgestellt,
das seitdem allgemein anerkannt und auch angewendet wird:
einfach, kurz, gegliedert, stimulierend. Fürs journalistische Schreiben bedeutet das:
- einfach: Umgangssprache (ohne vulgär oder populistisch zu schreiben), „Subjekt-PrädiktatObjekt“ (SPO), wenige und allgemein bekannte Fachbegriffe/Fremdworte
- kurz: kurze Worte, kurze Sätze (ohne in den Telegrammstil zu verfallen)
- gegliedert: Absätze, das Wichtigste am Anfang; unterschiedliche Aspekte in verschiedene
Absätze, keine inhaltlichen Sprünge, Absätze einleiten, ggf. Zwischenüberschriften.
- stimulierend: Menschen, Aktionen. Beschreibend, bildhaft („Kino im Kopf“), ggf. szenische
Einstiege und/oder Beschreibungen.
In die Eigenschaft „gegliedert“ fällt auch: Auswahl der Informationen. Informationen nach der
Wichtigkeit bewerten und dann auswählen, was publiziert werden soll und was nicht.
Recherchiert werden 100 Prozent, aber veröffentlicht werden nur die wichtigsten 10 Prozent.
Hinter einem journalistischen Text müssen immer noch die restlichen 90 Prozent Wissen
stecken. Journalisten müssen immer begründen können, warum sie dieses Wort, diesen
Satz geschrieben haben – oder eben nicht. Das gilt natürlich auch für Zitate, Töne und
Bilder.
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Die Nachricht
Nachrichten sind journalistische, nicht-chronologisch erzählte Beschreibungen von
Ereignissen, die für LHZ neu und relevant sind.
Im normalen Leben erzählen wir Geschichten von Anfang zum Ende („Stell dir vor, ich heute
Morgen, stehe auf, putze mir die Zähne. Und dann: ….“). Und wir schmücken unsere
Geschichten mit Bewertungen und Gefühlen aus („Das war total abgedreht, und ich
stinksauer…“). Beginnen wir mit den Bewertungen und Gefühlen: Diese Erzählweise ist
menschlich, weltweit verbreitet, schafft Nähe und Beziehung(en). Aber es ist kein
Journalismus. Journalisten müssen deswegen lernen, Gefühle und Bewertungen im
Journalismus zu erkennen – und lernen, genau das zu vermeiden. Die eigenen Gefühle aus
einem Text herauszulassen, ist in der Regel einfach, weil Gefühlsäußerungen deutlich
erkennbar sind. Bei Bewertungen ist das nicht der Fall: „nur“, „schon“ und „billig“ werten
ebenso wie die Begriffe „Freiheitskämpfer“, „Revolutionär“ und „Rebell“.
Um die journalistische Sprache (objektiv, wahr, verlässlich) zu lernen, eignen sich
Nachrichten sehr gut, denn von allen journalistischen Darstellungsformen gelten für
Nachrichten wenige, dafür aber klare Regeln:
Aktualität und Relevanz
Damit aus einem Ereignis eine Nachricht (oder auch Bericht) wird, braucht es zwei
Voraussetzungen: Aktualität und Relevanz. Aktualität heißt: Etwas ist neu, anders als bisher.
Meistens bedeutet es auch: Es gibt ein Problem, oder ein Problem ist gelöst worden.
Relevanz heißt: Das Thema muss für die Zielgruppe wichtig sein. Es muss die LHZ also
entweder betreffen, zumindest aber interessieren.
Reihenfolge der Informationen
Nachrichten bringen das Wichtigste zuerst. Dann folgen, mit abnehmender Wichtigkeit, die
weiteren Informationen. Um bei einer Nachricht nichts Wichtiges zu vergessen, orientiert
man sich an den sieben „W“: Wer, Was, Wann, Wo, Wie, Warum, ggf. auch noch: Woher
(Quelle).
Nachrichten: Bausteine, Reihenfolge
Überschrift, Leadsatz; Details; Einordnung/Auswirkung; Vorgeschichte; Ausblick
Zusätzlich möglich: Ein Satz vor dem Leadsatz (Auftakt; blind lead); Zitate; Foto oder Grafik.
Eine Nachricht kann von hinten gekürzt werden, ohne dass dadurch wesentliche
Informationen verloren gehen.
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Nachrichten: Zeitformen
- Die (verkürzte) Überschrift steht im Präsens.
- Der Leadsatz steht im Perfekt (natürlich nur: Ereignis liegt in der Vergangenheit).
- Ablauf/Details stehen im Imperfekt (natürlich nur: Ereignis liegt in der Vergangenheit).
- Die Vorgeschichte steht im Plusquamperfekt.
- Die indirekte Rede steht im Konjunktiv.
- Der Ausblick steht im Futur oder Präsens mit Zukunftsverweis.
Eine Beispiel-Nachricht, geschrieben nach diesen Vorgaben
Auftakt: „Große Übelkeit an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.“
Leadsatz, im Perfekt: „Ein Mensa-Koch der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg in Sankt Augustin
hat gestern eine Bohnensuppe versalzen.“
Details, im Präteritum: „Viele Studenten ließen ihr Essen stehen, einige löffelten aber weiter.
Sie klagten danach über Übelkeit und großen Durst. Verletzt wurde niemand.“
Ursache, in diesem Fall indirekte Rede, im Konjunktiv: „Der Koch sagte, er habe
Liebeskummer und beim Essen immer wieder an seine Ex-Freundin denken müssen.“
Ausblick: „Als Entschuldigung für die Studenten will die Mensa morgen Steaks servieren.“
Der Bericht
Berichte sind lange, selbst erlebte und recherchierte Nachrichten, erweitert um die
Bausteine Produktionsort, Hintergrund, Einordnung, Zitate, Foto.
(1. Die Zutaten „Aktualität und Relevanz“ bleiben natürlich Voraussetzung.)
(2. Es gibt auch Berichte, produziert per Mail, Telefon/am Schreibtisch. Die kommen später.)
Der Bericht: Produktionsort und Exklusivität
- Autoren müssen am Ort des Geschehens (Produktionsort) gewesen sein; Dinge erlebt,
gesehen, gehört und mit Menschen (Beteiligten, Betroffenen, Befürwortern, Gegnern,
Experten etc.) gesprochen haben. Und dann darüber berichten.
- Bei aktuellen Berichten können Produktionsorte frei zugänglich sein. Bei HintergrundBerichten sollten die Produktionsorte exklusiv für Journalisten sein, also für normale
Menschen (Leser, Hörer, Zuschauer) nicht erreichbar.
- Zitate müssen in jedem Fall exklusiv sein; LHZ wollen nicht wissen, was Knut Wuchtig oder
Liese Laber zu einem Ereignis sagen, sondern was die Verantwortlichen dazu sagen.
Ein Bericht braucht einen Produktionsort: Man muss dort sein, sehen, hören, fragen,
zuhören. Und kann dann darüber berichten. Die Informationen vom Produktionsort sind
ein wichtiger Teil der journalistischen Leistung; im ökonomischen Sinne wird nur durch die
Informationen und Erkenntnisse vom und am Produktionsort, durch die geführten Gespräche
mit Experten und Betroffenen ein Mehrwert geschaffen. Denn selbst die Zusammenfassung
von Informationen aus unendlich vielen schon vorhandenen Quellen würde nichts Neues
schaffen.
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Ein Bericht braucht einen Hintergrund. Vor und nach der Reise zum Produktionsort holt
man zusätzliche Informationen ein aus Zeitungen, Zeitschriften, Lexika, bei Google und
durch Gespräche mit Experten. Und diese Informationen bilden den Hintergrund des
Berichts. Beispiel Autounfall: Wer nur an diesem Ereignis „kleben“ bleibt, erfährt nicht, dass
es an dieser Stelle schon fünf Mal in diesem Jahr gekracht hat. Und natürlich ist diese Info
wichtig.
Ein Bericht braucht eine Einordnung, das ist neben den Informationen zum Ereignis und
dem Hintergrund eine wesentliche journalistische Leistung. Die gesammelten Informationen
müssen ausgewertet und dann hinsichtlich ihrer Wichtigkeit für den Bericht bewertet werden.
Dann entscheidet der Journalist, welche zusätzlichen Punkte jetzt noch recherchiert und
dann im Bericht auftauchen müssen, damit der Leser das Thema auch einordnen kann: Wie
wichtig ist dieses Thema; welche Auswirkungen wird es haben, wann und wo gibt es das
noch, gibt es Nachteile; was sagen Gegner, Kritiker, unabhängige Experten dazu? Die
Einordnung muss in jedem Fall auf Zitaten von Gegnern, Kritikern, unabhängigen
Experten beruhen. Die Einordnung erfordert Denkarbeit, Recherche, Zielstrebigkeit und
bringt dadurch oft das, was die anderen Kollegen/Medien nicht haben.
Ein Bericht braucht Zitate. Zitate sollen Ereignisse bewerten, einordnen. Zitate sollen nicht
(Technik) erklären – das ist die Aufgabe von (Technik-)Journalisten. Zitate sollen das
sagen, was der Journalist selbst nicht sagen kann: Meinungen, Erlebnisse,
Einschätzungen, Gefühle. Ein Bericht muss mindestens zwei Zitatgeber haben: Die
Hauptperson des Berichts. Und dessen Gegner, Kritiker oder zumindest die Meinung eines
unabhängigen Experten. Die Gründe für die Auswahl des Zitatgebers müssen erkennbar
sein: Er muss Beteiligter, Betroffener, Augenzeuge etc. sein. Zitatgeber, die ein Ereignis
einordnen sollen, müssen nachweislich Experte für dieses Thema sein. Soll es ein
unabhängiger Experte sein, muss auch das deutlich werden. Zitate dürfen/müssen
„geglättet“ werden: Sie sollen sprachlich sauber sein, damit der Zitatgeber sich nicht mit
einem sprachlich unsauberen Zitat blamiert, sie dürfen gekürzt werden – aber der Sinn eines
Zitates darf in keinem Fall verfälscht werden.
Ein Bericht braucht (mindestens) ein Foto: Passend zum Thema, am besten selber
fotografiert, mit einer Bildaussage, die zum Thema passt. Menschen und Technik, Benutzer
und Gerät, Menschenmengen am Messestand. Im Idealfall sieht man auf dem Foto das
Ereignis, über das im Text berichtet wird. Fotos von Unternehmen/Pressestellen zeigen oft
nur das Produkt, womöglich noch mit Unternehmenslogo; wer als Journalist diese Fotos
benutzt, glänzt also nicht gerade durch journalistische Leistung. Fotos immer mit
Bildunterschrift (Aber bitte nicht: „Und so sieht er aus: Der neue Klingklangklong“) und
Bildquelle.
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Der Bericht: Die Magazinstory
Der Bericht wird zur Magazin-Story durch weitere Bausteine:
- Szenischer Einstieg: eine kurze Beschreibung, was der Protagonist gerade macht und
wann und wo das passiert. In der Regel ersetzt der szenische Einstieg den Vorspann.
Die/eine Szene kommt auch im Fließtext immer wieder mal vor.
- Schluss: Hier ist die Geschichte erkennbar zu Ende. Beispielsweise durch die Klammer,
wenn also der Bericht mit der Szene endet, mit der er am Anfang begonnen hat.
- Wertungen: In den Zitaten, aber auch im Fließtext. Das kollidiert zwar mit dem
journalistischen Grundsatz, wonach Information und Meinung immer voneinander getrennt
sein müssen – aber so ist die journalistische Praxis.
Eine Magazin-Story ist eine Gesamtkomposition, bei der NICHT von hinten gekürzt werden
kann.
Themen finden (für den Bericht) in Stichworten
ist m.E. für Journalismus-Einsteiger die schwierigste Aufgabe, zumal diese Aufgabe auch
noch gleich am Anfang des journalistischen Arbeitens steht. Diese Tipps helfen:
Themen abgucken
Singuläre, in sich geschlossene Geschichten: „Das neue Museum“ / „Zunehmendes
Gedränge auf dem Wochenmarkt“ / „Weihnachtsbaum auf dem Marktplatz aufgestellt.“
Schon publizierte Themen bieten in jedem Fall schon einmal Aktualität und Relevanz, sonst
wären sie ja nicht veröffentlicht worden. Solche Themen sind einfach und sicher, aber ohne
große/n journalistische Leistung/Anspruch. Große Anbieter-Konkurrenz.
Themen „runterbrechen”
Globales Ereignis – regional umsetzen. „Wen betrifft das hier in der Region? Warum? Wie?
Welche Alternativen gibt es?“ Oft bei neuen Gesetzen, Verordnungen/Entscheidungen, die in
Berlin/Brüssel erlassen werden, und die alle Menschen betreffen. Aber auch bei globalen
Erfindungen, neuen Produktionsverfahren, neuen Produkten. Mittlere Anbieter-Konkurrenz,
gute journalistische Leistung.
Fach-Themen
Fachwissen, Kontakte. Lange Vorarbeit (Wissen, Kontakte), aufwendige inhaltliche
Umsetzung. Hohe journalistische Leistung. Kaum Anbieter-Konkurrenz. Große Gefahr der
Wertung, Werbung, PR für Produkt oder Unternehmen. Aber bei richtiger Umsetzung: Hohe
journalistische Leistung, wenig Anbieter-Konkurrenz.
Themen weiterdenken
Neue Themen tun sich auf – die beinhalten wieder weitere Themen. Immer fragen: „Was
steckt dahinter, wen betrifft das, entsteht dadurch ein Problem; wird ein Problem gelöst?“
Hohe journalistische Leistung, wenig Anbieter-Konkurrenz.
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Themen-Quellen
Die bekannten Tageszeitungen; die VDI-Nachrichten (voll mit Technik) und andere TechnikPublikationen. Kundenzeitschriften, z.B. ADAC-Motorwelt, Lufthansa-Magazin, die
Zeitschriften der Energieversorger etc. Und natürlich die Webseiten der TechnikUnternehmen. Wer sich in die Presseverteiler einträgt, bekommt automatisch
Pressemeldungen und damit mögliche Themen.
Schwierige Themen (und in meiner Lehre verboten)
PC, Handy, „geplant ist…“; Theorien: Kein Produktionsort, keine Menschen/Aktionen
„Tests”: Ingenieure testen. Journalisten berichten darüber.
„Wir nehmen mal die Kamera und gucken mal…“: Kein Ereignis, keine Infos.
„Wie funktioniert eigentlich…?“: Lexikon-Text ohne Aktualität
(Der Trend-/Modebegriff) Story Telling
…. ist „Alter Wein in neuen Schläuchen“. Kam vor rund zehn Jahren aus den USA zu uns
herübergeschwappt; also zu einer Zeit, in denen Redaktion und Verlagen angesichts der
Bedrohung durch das Internet das Wasser bis zum Halse stand, und in einer Zeit, in der
deswegen selbst ernannte Gurus mit mehr oder weniger brauchbaren Tipps Hochkonjunktur
hatten….(Achtung: Das ist/war ein Kommentar – Meinung pur!) Bedeutet: Wir schreiben zu
einem Ereignis keinen erklärenden Lexikon-Text, sondern wir erzählen die Geschichte
anhand von Menschen (Tätern, Betroffenen). Und wir machen die sogenannte Fallhöhe
deutlich – das bringt Spannung. Das haben gute Journalisten schon immer gemacht – aber
nun gibt es dafür eben einen tollen Begriff.
Wie ein Ereignis/Thema anhand von Menschen zu erzählen ist, bedarf sicher keiner
Erklärung, das sehen wir ja inzwischen selbst in der altehrwürdigen Tagesschau. Dort
beginnt der Bericht zur aktuellen Einbruchstatistik mit „Wenn Peter Meier sein Haus verlässt,
dann hat er immer ein ungutes Gefühl…“.
Aber auch die „Fallhöhe“ ist schnell erklärt. Genauer gesagt, muss es „Emotionale Fallhöhe“
heißen, denn der Begriff meint den Wechsel von emotionaler Spannung und Entspannung.
Die einfachste Art, Fallhöhe zu erzeugen ist: „Beginne die Geschichte mit einem Problem
und beende sie mit der Lösung des Problems.“ Nach diesem Schema funktionieren zum
Beispiel fast alle Filme (und ganz Hollywood), egal ob Thriller (Mord am Anfang –
Überführung des Täters am Ende), Katastrophenfilm (Die Marsmenschen landen – am Ende
sind sie entweder Freunde oder fliegen für immer zurück zum Mars) oder Schmachtfetzen
(Sie und er können sich nicht ausstehen/kommen einfach nicht zusammen – und am Ende
gibt es doch ein Happy End).
Übertragen auf den Journalismus: Ja, wir können ganz technisch über die neuen
Elektroautos berichten – aber wir finden mehr Leser, Hörer, Zuschauer, wenn wir vor oder
auch in dem Bericht auf das Problem (Smog, Umweltverschmutzung, Ozonloch,
Klimawandel etc.) eingehen. Und genau deswegen gibt es die Magazinstory – ein
„aufgepeppter“ Bericht mit einem Mix aus Information und Unterhaltung, aus Technik und
Menschen.
Das Story Telling (und die Magazinstory) spielen in meiner Lehre nur eine geringe Rolle –
erst einmal und vor allem ist der klassische Bericht dran. Aber der darf auch gern einen
sogenannten szenischen Einstieg haben.
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Arbeit nutzen. Es ist aber untersagt, den Text oder Teile daraus zu kopieren, zu präsentieren oder
in anderer Form zu veröffentlichen. Jeder Verstoß wird strafrechtlich verfolgt. © Stefan Korol 2016
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Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Prof. Stefan Korol
Crashkurs Journalismus. Version Oktober 2015
Der Bericht: Die häufigsten Fehler (und wie sie zu vermeiden sind):
KPE: „kein Produktionsort erkennbar“
- nur gegoogelt, vielleicht noch gemailt und telefoniert
(Hinfahren. Sehen, hören, erleben. Weitere Quellen suchen. Berichten)
KJLE: „keine journalistische Leistung erkennbar“
- nur Recherche-Sätze und Interview-Aussagen zusammengefasst
(Recherche-Ergebnisse sortieren, einordnen, mehr Fließtext.)
Bulimie-Journalismus
Ganz viel eingesammelt. Und unreflektiert/unwissend wiedergegeben.
(Nur publizieren, was Sie auch wirklich und komplett verstehen; strukturiert)
Keine Aktualität
- nichts Neues, sondern Vorhandenes (neu) erklärt
(Zum Text eine Nachricht schreiben. Wenn es nicht geht = kein Bericht.)
Keine Relevanz
- zwar neu, aber für den Tageszeitungs-Leser uninteressant
(Interessiert Ihre Geschichte die Linie 66-Fahrgäste? Ausprobieren…)
PR/Pressemeldung, Wertungen
- ein neues Produkt in lobenden Worten vorgestellt.
(Nachteile/Wettbewerber nennen. Unabhängigen Experten suchen; Kritiker)
Text übernommen
Bläh-/Prospektsprache, Abkürzungen, Fachbegriffe, Erklärungen
(Den Text von Grund auf neu schreiben. Mit eigenen Worten.)
Porträt statt Bericht
Unternehmen/Produkte werden vorgestellt. Keine Nachricht/Relevanz.
(Den Unterschied kennen zwischen Porträt und Bericht.)
Interview statt Bericht
Die Antworten/Erzählungen werden „als Bericht“ zusammengefasst
(Den Unterschied kennen zwischen Interview und Bericht)
Foto: Kein Foto, kein eigenes Foto. Schlechtes Foto, passt nicht zum Text. Bildunterschrift
und/oder Bildquelle fehlen.
(Eigenes Foto, Produkt und Mensch, am besten in Aktion. BU, Bildquelle nennen)
Wer Berichte schreiben will, muss Berichte lesen.
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Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Prof. Stefan Korol
Crashkurs Journalismus. Version Oktober 2015
Radio und Fernsehjournalismus: Nachricht, Bericht, Magazinstory
Eine Geschichte ist eine Geschichte. Oder eben nicht - egal ob Print, Radio, Fernsehen,
Online. Deswegen ist Radio- und Fernsehjournalismus kein anderer Journalismus als PrintJournalismus, sondern es ist Print-Journalismus plus Töne (Radio)(Töne) und plus Töne,
Bilder (Fernsehen).
Im Mittelpunkt steht sowohl bei Print als auch bei Radio und Fernsehen ein fokussiertes
Thema mit recherchierten Informationen, verpackt zu einer guten Geschichte (und nur dafür
gibt es später Geld). Für Print muss man diese Geschichte schreiben, für Radio und
Fernsehen mit den entsprechenden Geräten und dem entsprechenden MedientechnikWissen produzieren. Deswegen: Mikrofon und Kamera kommen erst dann zum Einsatz,
wenn die journalistische Geschichte fertig ist. Der einzige Unterschied zwischen Print und
Fernsehen: Fürs Fernsehen muss man möglichst früh klären, ob man für den gewünschten
Produktionsort eine Drehgenehmigung bekommt.
Radio- und Fernsehen unterscheiden sich bei den Darstellungsformen „Nachricht“ und
„Bericht“ hinsichtlich des Journalismus kaum voneinander; was fürs Fernsehen gilt, gilt auch
fürs Radio. (Einzelheiten dazu im Skript „RuTV“.)
Gute Hilfsmittel: Rohtext und Blindfilm
Der Rohtext
ist eine gute Hilfe, um herauszufinden, ob das Thema funktioniert: Man schreibt den Ablauf
der Geschichte und setzt bei Infos und O-Tönen Platzhalter. Dadurch werden Aufbau und
Länge deutlich. Und man kann lesen, ob das überhaupt eine journalistische Geschichte ist.
Der Blindfilm
wird anhand des Rohtextes gedreht – aber nicht am tatsächlichen Drehort, sondern zuhause,
in der HBRS. Und nicht unbedingt mit der TV-Kamera (obwohl das eine gute Übung ist),
sondern es kann auch das Handy sein. Und auch Stativ und externes Mikro sind noch nicht
nötig. Gedreht wird streng nach Rohtext, also in der Reihenfolge der Infoblöcke; das erspart
einen späteren Schnitt. Bei der Produktion merkt man, worauf beim späteren Dreh zu achten
ist. Und beim Angucken sieht man, wie der Film später wirkt.
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Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Prof. Stefan Korol
Crashkurs Journalismus. Version Oktober 2015
Berichte für Radio- und Fernsehen in der HBRS
Medienprodukte müssen formatiert werden; jede Redaktion fordert für ihre Berichte und
anderen Darstellungsformen bestimmte Eigenschaften, einen bestimmten Aufbau, eine
besondere „Handschrift“. Für meine Berichte gilt das folgende Format (der klassische Bericht
mit szenischem Einstieg, siehe auch oben):
- Anmoderation: Hier steht die Nachricht, gesprochen vom Moderator im Studio
Der eigentliche Bericht beginnt mit
- Szenischer Einstieg: Bildeinstellung: Groß. Ton: Atmo (Geräusche). Die Hauptperson
macht etwas, dann beginnt nach drei Sekunden der Off-Text: Wer macht hier wo was?
(Radio muss hier viel beschreiben)
- O-Ton Szenischer Einstieg: Meinung, Gefühl der Hauptperson
- Infoblock 1: Die wichtigsten Details zum Ereignis
- O-Ton 1: Das sagt die Hauptperson (oder Kollege)
Infoblock 2: Hintergrund: Entwicklung, ähnliche Ereignisse/Produkte. Eben Hintergründe.
- O-Ton 2: Hauptperson/Kollege oder ein anderer O-Ton-Partner zum Hintergrund
Infoblock 3: Einordnung: Kritik, Nachteile, Auswirkung. Eben Einordnung des Themas.
- O-Ton 3: unabhängiger Experte oder Gegner, Kritiker
Infoblock 4: (ursprünglicher Drehort): Weitere Infos / ggf. Bezug zum Infoblock 2
ggf. O-Ton 4; noch einmal Hauptperson
Schluss: Ausblick, Wie geht es weiter?
An dieser Stelle: Umfragen sind keine journalistische Darstellungsform. In den meisten
Fällen sind sie noch nicht einmal eine journalistische Leistung. Umfragen sind nur deswegen
so oft in Radio und Fernsehen, weil die Autoren mit wenig (Denk-)Arbeit viel Sendezeit
herausschlagen können.
Radio- und Fernsehberichte: Ablauf der Produktion
- Thema finden: Ereignis, Aktualität, Relevanz, Menschen, Aktionen (Bilder und Töne)
- Zum Thema einen Produktionsort finden (Drehgenehmigung?)
- Zum Thema eine Nachricht schreiben. Wenn das nicht klappt – ist es kein Thema.
- Rohtext schreiben und prüfen
- Wenn es möglich ist: Drehort/e besichtigen
- Wer ganz sicher gehen will: Blindfilm/Blindradio produzieren
- Drehtermin absprechen, Drehplan erstellen (Zeiten, Orte)
- Technik ausleihen und noch einmal proben
- Drehen (nach Plan/Rohtext)
- Schneiden (nach Plan/Rohtext)
- Senden. Fertig!
Je genauer die Planung, desto leichter Dreh und Schnitt.
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Crashkurs Journalismus. Version Oktober 2015
Die häufigsten Fehler bei Radio- und Fernsehberichten
(Fast immer sind die Ursachen: kein Journalismus, kein Rohtext, kein definiertes Ziel.)
Fehler im Journalismus
- kein Ereignis, keine Aktualität/Relevanz
- kein Bericht, sondern nur O-Töne zusammengeschnitten („Interview“)
- kein Bericht, sondern Aktionen beschrieben (in Text und Bild („Reportage“)
- Quelltexte/-meinungen übernommen: Pressemeldung, PR-Texte
- werbender, wertender Eindruck
- Der Autor versteht das Thema selber nicht, scheint keine Ahnung zu haben.
- keine/kurze Einordnung (mögliche Nachteile, ähnliche Produkte, Experte)
- (lange) Erklärende O-Töne, nur kurze Info-Blöcke
- vorgegebenes Format nicht umgesetzt
- lange (Print-)Sätze.
Fehler im Journalismus beim/fürs Radio:
- kein „Kino im Kopf“, weil keine Beschreibungen von Szenen, Aktionen.
-kein Antext (der Satz in dem gesagt wird, wer gleich spricht (O-Ton).
Keine journalistische Leistung erkennbar!
Fehler bei der Medienproduktion fürs Fernsehen
- langweilige Bilder (kein exklusiver Produktionsort, keine Menschen, keine Aktionen)
- zu lange Standbilder (ein Standbild steht zwischen 2 und 5 Sekunden)
- Wackelbilder (weil das Team keine Lust hatte, das Stativ zu tragen/aufzubauen…)
- kein Standbild vor/nach einer Kamera-Bewegung
- zu viele (belanglose) Totalen, zu wenige (interessante) Große
- Bildsprünge, vor allem vor und nach den O-Tönen
- Gegenlicht-Aufnahmen
- O-Töne sind schwer zu verstehen (weil das Mikro zu weit weg war)
Keine Sicherheit in der Medienproduktion erkennbar!
Fehler bei der Medienproduktion fürs Radio
- keine Atmo zu Beginn des Berichts
- keine einheitliche Lautstärke
- O-Töne schwer zu verstehen (weil das Mikrofon/Aufnahmegerät zu weit weg war)
Wer Fernsehen machen will – muss Fernsehen gucken.
Wird fortgesetzt.
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