Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Prof. Stefan Korol Crashkurs Journalismus. Version Oktober 2015 HBRS, Prof. Korol: Crashkurs Journalismus Version: Oktober 2015 Vorwort 1: Dieses Skript beschreibt meine Einstellung zum und Auffassung vom Journalismus und von journalistischen Werken. Andere Kollegen und Journalisten sehen einige Dinge sicher anders – und auch das ist sicher richtig. Vorwort 2: Selbst der beste Crashkurs ist und bleibt ein Crashkurs. Und der ist nur eine Einführung. Die Einzelheiten, Beispiele und Tipps für die journalistische Arbeit (und für gute Werke, gute Noten) stehen in den jeweiligen Skripten. Vorwort 3: Lesen ist immer gut. Für Fakten und Infos reicht das auch. Aber alle hier beschriebenen Handwerke lernt man nur durch Machen; je mehr, desto besser: Themen suchen, Konzepte erarbeiten, Schreiben, Töne und Bilder aufnehmen. Vorwort 4 „Leser“ oder auch „LHZ“ steht immer auch für „Leserinnen, Hörerinnen und Hörer, Zuschauerinnen und Zuschauer, Onlinerinnen und Onliner“ – eben für alle Menschen, die Medien nutzen. Vorwort 5 Wehr Veeler entdäckt oder Vorschläge für weitere Themen machen möchte: Mail an: [email protected]. Vorwort 6 Ich aktualisiere dieses Skript immer zu Beginn des Wintersemesters. Vorwort 7 Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Sie dürfen diesen Text für die eigene journalistische Arbeit nutzen. Es ist aber untersagt, den Text oder Teile daraus zu kopieren, zu präsentieren oder in anderer Form zu veröffentlichen. Jeder Verstoß wird strafrechtlich verfolgt. © Stefan Korol 2016 Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Sie dürfen diesen Text für die eigene journalistische Arbeit nutzen. Es ist aber untersagt, den Text oder Teile daraus zu kopieren, zu präsentieren oder in anderer Form zu veröffentlichen. Jeder Verstoß wird strafrechtlich verfolgt. © Stefan Korol 2016 1 Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Prof. Stefan Korol Crashkurs Journalismus. Version Oktober 2015 Was ist Journalismus? Darüber wird diskutiert und gestritten, seitdem es Journalismus und Journalisten gibt. Meine Definition (die auch meine Lehre hier an der HBRS bestimmt): Journalismus greift aktuelle und für Leser, Hörer, Zuschauer relevante Ereignisse auf, recherchiert dazu, berichtet darüber, erklärt und ordnet ein. Journalismus unterscheidet sich dadurch von zwei ähnlich aussehenden Publikationen: - PR; aber die ordnet nicht ein, sondern hebt nur die Vorteile eines Produktes hervor, - Lexikon; das erklärt zwar, orientiert sich aber nicht an der Aktualität. Journalisten müssen eine für ihre LHZ deutlich erkennbare und für LHZ nutzbare Leistung erbringen, denn nur dann sind LHZ bereit, für journalistische Produkte zu bezahlen. Diese erkennbare journalistische Leistung steht im Mittelpunkt der TJ-Lehre, denn nur dafür gibt es später Geld – und jetzt (gute) Noten. Die wichtigste Eigenschaft von Journalismus/Journalisten ist, dass Leser, Hörer, Zuschauer (LHZ) den Journalisten und ihren Werken vertrauen können. Kein Leser gibt Geld für eine Zeitung aus, wenn er den Eindruck hat, dass - da nichts Neues drin steht, - die Autoren von dem Thema keine Ahnung haben, - die Autoren Texte aus Pressemeldung oder Prospekt übernommen haben, - die Autoren eine/ihre Meinung durchboxen wollen, - die Autoren Werbung machen für ein Produkt/Ereignis. Vergleich: Wenn wir auf der Suche nach einem neuen Handy sind, lesen wir zwar auch den Prospekt, gucken die Werbung, fragen diejenigen, die das Handy schon haben. Aber am wichtigsten sind uns (unabhängige!) Testberichte. Vertrauen in Journalisten/journalistische Werke entsteht durch Regeln, an die sich Journalisten bei ihrer Arbeit halten: Journalismus versucht objektiv zu sein. Journalisten - ergreifen nicht Partei für etwas oder für jemanden (journalistische Distanz), - versuchen immer, die Vor- UND Nachteile herauszufinden und zu nennen, - lassen Seite und Gegenseite zu Wort kommen. Journalismus muss wahr sein. Journalisten - versuchen so oft es geht, zu überprüfen: Stimmt das?, - recherchieren alles rund ums Thema, werden Experten für dieses Thema, - nennen dann alles, was wichtig ist (sie lassen also nichts weg, weder aus Nachlässigkeit, noch aus Vorsatz, z.B. wenn/weil ihnen bestimmte Fakten nicht gefallen) Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Sie dürfen diesen Text für die eigene journalistische Arbeit nutzen. Es ist aber untersagt, den Text oder Teile daraus zu kopieren, zu präsentieren oder in anderer Form zu veröffentlichen. Jeder Verstoß wird strafrechtlich verfolgt. © Stefan Korol 2016 2 Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Prof. Stefan Korol Crashkurs Journalismus. Version Oktober 2015 Journalismus muss verlässlich und unabhängig sein. Journalisten - schreiben nur, was sie selbst vollständig verstanden haben, - übernehmen keine Formulierungen aus ihren Recherche-Quellen, sondern schreiben ihre Texte komplett neu. Ausnahmen: siehe „Bericht/Zitate“. Journalismus muss/sollte exklusiv sein. Journalisten - müssen an Orten sein, an die normale Menschen nicht kommen, - müssen mit Menschen sprechen, mit denen normale Menschen nicht sprechen können. Journalismus muss Ereignisse einordnen. Aber diese Einordnung nimmt in der Nachricht/im Bericht nicht der Journalist vor, sondern er befragt und zitiert Experten, lässt sie in Zitaten direkt zu Wort kommen und fasst weitere Experten-Infos in seinem Text zusammen. Journalistische Darstellungsformen Wenn Journalisten einen Text schreiben, dann haben sie nicht das sprichwörtliche leere Blatt Papier vor sich, sondern immer schon eine Struktur; in unserer digitalen Welt könnte man auch von CMS sprechen, also von einem Content Management System. Alle journalistischen Werke haben eine jeweils spezielle Form, an die sich der Journalist halten muss (ja, es gibt Ausnahmen. Aber die kommen später…) Diese Formen nennt man journalistische Darstellungsformen. Journalistische Darstellungsformen werden nicht zufällig produziert/veröffentlicht, sondern sie stehen in einem logischen Zusammenhang und in einer zeitlicher Abfolge eines Ereignisses: - Die Nachricht steht am Anfang, sie nennt das Wichtigste. - Der Bericht nennt weitere Details, Ursachen, Zusammenhänge, Einordnung, hat Zitate. - Die Magazinstory ist Bericht plus: sie schreibt szenisch, wertet, stellt eine These auf. - Das Interview lässt anlässlich des Ereignisses einen Menschen zu Wort kommen. - Der Kommentar bewertet ein Ereignis, zeigt (neue) Zusammenhänge auf. - Reportage/Porträt zeigen eine Facette, einen Menschen zu einem Ereignis. Bis auf den Kommentar ist für diese journalistischen Darstellungsformen ein Produktionsort erforderlich: Man muss dort sein, um anschließend darüber berichten zu können. Es gibt noch mehr JDF, auch Mischformen. Im meinen TJ-Veranstaltungen geht es aber um Nachricht und Bericht sowie Magazinstory. Die häufigste Darstellungsform in einer Zeitung, aber auch in einer aktuellen Radio-/TVSendung, ist der Bericht. Berichte zu schreiben ist im Journalismus das „Brot-und-ButterGeschäft“. Der Bericht steht deswegen im Mittelpunkt der Lehre hier in der HBRS. Wie jede Darstellungsform, hat auch der Bericht eine Struktur; einzelne Absätze, in denen jeweils unterschiedliche journalistische Leistungen erbracht werden müssen. Diese Leistungen müssen für LHZ klar erkennbar sein. Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Sie dürfen diesen Text für die eigene journalistische Arbeit nutzen. Es ist aber untersagt, den Text oder Teile daraus zu kopieren, zu präsentieren oder in anderer Form zu veröffentlichen. Jeder Verstoß wird strafrechtlich verfolgt. © Stefan Korol 2016 3 Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Prof. Stefan Korol Crashkurs Journalismus. Version Oktober 2015 Journalistische Leistungen (In der Reihenfolge ihrer Anwendung und von „einfach“ bis „schwierig“) - Zu einem Ereignis gehen (von der Redaktion geschickt) und über dieses Ereignis anschließend zu berichten – der so genannte Tatsachen- oder Ereignisbericht: Eröffnung des neuen Krankenhauses, Demo auf dem Marktplatz, Streik bei der Beispiel AG. Hingehen, beobachten, mit den Organisatoren/Verantwortlichen sprechen, zuhören. Anschließend: Denken, Bewerten („Was ist wichtig, was lasse ich weg?“), Strukturieren. Schreiben. - Den Tatsachen-/Ereignisbericht ergänzen um den Hintergrund. Diesen Hintergrund kann nur schreiben, wer nicht am Ereignis „kleben“ bleibt, sondern (Beispiel Krankenhaus) wer zum Beispiel recherchiert, wie sich die Kosten und Liegezeiten generell entwickelt haben, was die grundsätzlichen Probleme in einem Krankenhaus sind und wie es anderen Krankenhäusern in der Region wirtschaftlich geht. - Infos vom Ereignis, Hintergrund-Infos – und dann noch eine Einordnung: Ist das neue Krankenhaus wirklich nötig; wie berechtigt/unberechtigt sind die Ziele der Demonstranten; wie ist die wirtschaftliche Situation der Beispiel AG/der Branche? Aber im Bericht ist es nicht der Journalist, der einordnet (der darf es nur im Kommentar), sondern der Experte. Das kann ein Gegner einer Aktion sein oder ein unabhängiger Experte. - Nicht darauf warten/hoffen, dass man von der Redaktion geschickt wird, sondern selber Themen finden/entdecken. Das kann ein Ereignis (siehe oben) sein, es kann aber auch ein Ergebnis der Recherche bei einem an sich banalen Ereignis sein: Bei der jährlichen Brandschutzübung der Freiwilligen Feuerwehr (FF) könnte ein guter Journalist zum Beispiel herausfinden, dass die FF keinen Nachwuchs findet; dass die Schläuche morsch sind oder dass der Brandmeister Alkoholiker ist. Aber eben nur, wenn er sich nicht mit der Brandschutzübung zufrieden gibt, sondern durch Hingucken, Fragen stellen und Zuhören. - Auch journalistisch schreiben kann eine journalistische Leistung sein. Sie zählt aber nur dann als journalistische Leistung, wenn auch journalistische Inhalte geliefert werden. Ein gut geschriebener Text, aber leider ohne neue Informationen, wird nicht gelesen/gekauft. Die gemeinsame Eigenschaft aller journalistische Leistungen ist ein im ökonomischen Sinne entstehender Mehrwert: Die Beschreibungen des Journalisten über ein Ereignis liefern ebenso neue Informationen wie die Zitate der befragten Menschen. Diese Informationen gab es bislang nicht, weder im Internet noch bei/in Druckwerken (Journalismus/PR-Werken). Wer also ausschließlich im Internet recherchiert, kann gar keine neuen Informationen liefern – und bekommt deswegen kein Geld (und keine guten Noten). Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Sie dürfen diesen Text für die eigene journalistische Arbeit nutzen. Es ist aber untersagt, den Text oder Teile daraus zu kopieren, zu präsentieren oder in anderer Form zu veröffentlichen. Jeder Verstoß wird strafrechtlich verfolgt. © Stefan Korol 2016 4 Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Prof. Stefan Korol Crashkurs Journalismus. Version Oktober 2015 Journalismus in meiner Lehre: - Journalismus ist ein Handwerk. Ein Handwerk hat Regeln. Die muss man lernen. Und dann machen, möglichst oft. Und schließlich kennt man die Regeln und kann das Handwerk. - Journalismus ist eine Dienstleistung. Es gibt Auftraggeber und Auftragnehmer. Nur wer als Auftragnehmer weiß (und kann), was Auftraggeber wollen, kann Geld verdienen. - (Meine) Aufgabe (in) der HBRS ist es, dass möglichst viele Studierende am Ende ihres Studiums (journalistische) Aufträge annehmen und zur Zufriedenheit der Auftraggeber ausführen können – und damit Geld verdienen. - Das Studium Technikjournalismus ist aufgeteilt in: Journalismus/PR und: Ingenieurs/Umweltwissenschaft. Die journalistischen Inhalte müssen deswegen reduziert und fokussiert werden – es soll ja noch Platz und Zeit sein für die technischen Fächer und für PR. (Damit kein falscher Eindruck entsteht: Ja, ich bin ein Verfechter des hehren, objektiven und klassischen Journalismus. Aber ich bin auch ein Fan von PR. Was heute durchaus gang und gäbe ist. So hat zum Beispiel der Deutsche Journalisten Verband (DJV) eine eigene Rubrik für PR-ler. Und die HBRS ist nicht die einzige Hochschule, die Journalismus/PR anbietet. Was aber eben gar nicht geht: Journalismus und PR zu vermischen. Das zerstört das Vertrauen der LHZ und damit den Journalismus). Journalismus besteht aus Prozessen und Produkten: Prozesse – Die müssen Sie können: - Themen finden: Was interessiert LHZ? Was ist neu und relevant? - Fachwissen: Sie müssen für das Ereignis, für das neue Produkt Experte werden/sein - zum Ereignis, Produktionsort hingehen: Sehen, Hören, Denken, Fragen, Antworten finden - Entscheiden: Was sind die wichtigsten Infos, was wollen LHZ zum Ereignis wissen? - Schreiben: Die wichtigsten Infos nennen, LHZ-Fragen beantworten - Einordnen: Zusammenhänge, Kritik, Nachteile, Auswirkungen - Entdecken: Geheimnisse, Zusammenhänge Produkte – Das muss dabei herauskommen: Nachricht, Bericht, Magazinstory – egal ob für Print, Radio, Fernsehen, Online. Die Zielgruppe für alle journalistischen Werke in der HBRS: Der interessierte, aber fachlich nicht kundige Tageszeitungsleser. Zum Beispiel: Die Fahrgäste der Linie 66. Journalisten müssen hart arbeiten – damit Leser, Hörer und Zuschauer es einfach haben. Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Sie dürfen diesen Text für die eigene journalistische Arbeit nutzen. Es ist aber untersagt, den Text oder Teile daraus zu kopieren, zu präsentieren oder in anderer Form zu veröffentlichen. Jeder Verstoß wird strafrechtlich verfolgt. © Stefan Korol 2016 5 Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Prof. Stefan Korol Crashkurs Journalismus. Version Oktober 2015 Technikjournalismus – Was ist das (nicht)? NEIN: Journalismus ist KEIN Lexikon. Technikjournalismus ist KEIN Technik-Lexikon. Und Fernseh-Technikjournalismus ist KEIN (bebildertes) Technik-Lexikon. JA: Technikjournalismus berichtet über Technik, aber dies immer anhand von Menschen, die diese Technik erfinden, verbessern, nutzen, bekämpfen oder darunter leiden. Die Einbindung von Menschen in die Berichterstattung über Technik ist unterschiedlich stark: In der Fachzeitschrift eher weniger, in der Tageszeitung mehr, bei Radio und Fernsehen viel mehr. Trotz der Einbindung von Menschen gelten die Journalismus-Regeln und -Aufgaben: Aktualität, Relevanz, Recherche, Fokus, Informationen, Einordnung, Objektivität. Technikjournalismus berichtet oft über neue Technik; neue Verfahren, neue Produkte. Weil Journalismus aber eben kein Lexikon ist, soll die neue Technik zwar erklärt werden, aber nur in dem Maße, dass die Leser sich ein Bild über die Funktion, das Verfahren machen können. Technikjournalismus darf die Leser nicht mit (Produkt-)Fakten und Funktionen „zumüllen“, sondern muss vor allem zeigen, dass und in welchem Maße die neue (Aktualität) Technik für den Leser wichtig ist (Relevanz). Deswegen ist die journalistische Leistung „Einordnung“ im Technikjournalismus besonders wichtig. Vor allem durch die Einordnung können TJ deutlich machen, dass sie zwar mit den Technik-Unternehmen gesprochen und dort auch produziert haben, aber keineswegs für die Unternehmen oder deren Produkte Werbung machen, sondern objektiv und unabhängig berichten. Und nur für diesen objektiven Journalismus sind Leser bereit zu zahlen, denn Werbung und PR-Texte bekommen sie von den Unternehmen umsonst (Webseite, Prospekte, Anzeigenblatt, Kundenzeitschrift). Durch eine umfassende und objektive Einordnung beweist der Technikjournalist auch die kritische Distanz gegenüber Thema, Produkt, Unternehmen. Auch das ist ein Qualitätsmerkmal, für das Leser bereit sind zu zahlen. Einordnung, Objektivität und kritische Distanz können im Technikjournalismus vor allem durch folgende Recherchen/Informationen erbracht werden: - die vom Unternehmen gemachten Aussagen nachprüfen (Fachwissen!) - das neue Produkt/Verfahren auf mögliche Nachteile untersuchen - über eventuelle (vielleicht sogar bessere) Konkurrenzprodukte berichten - Experten zum neuen Produkt/Verfahren befragen (Nutzen, Vorteile, Nachteile, Kritik) Schon an dieser Stelle: Das mit der Einordnung und kritischen Distanz schreibt sich leicht. In der Realität ist das ziemlich schwierig, denn wie jeder Fachjournalismus erfordert auch Technikjournalismus die Quadratur des Kreises: Technikjournalisten müssen zu TechnikUnternehmen und -Mitarbeitern gute Kontakte haben, denn nur dann kommen sie an die relevanten Informationen (und zum Beispiel auch an Drehgenehmigungen, Testgeräte; Unterstützung generell). Aber gleichzeitig müssen sie eben auch objektiv bleiben, die Distanz zum Unternehmen und deren Mitarbeitern bewahren und ggf. sehr kritisch oder auch negativ über Produkt und Unternehmen berichten. Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Sie dürfen diesen Text für die eigene journalistische Arbeit nutzen. Es ist aber untersagt, den Text oder Teile daraus zu kopieren, zu präsentieren oder in anderer Form zu veröffentlichen. Jeder Verstoß wird strafrechtlich verfolgt. © Stefan Korol 2016 6 Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Prof. Stefan Korol Crashkurs Journalismus. Version Oktober 2015 Journalistisch schreiben Journalismus ist nicht Kunst, es geht nicht darum, den eigenen (Schreib-)Stil zu entdecken, zu verfeinern, besonders kreativ zu schreiben oder sich gar schriftstellerisch auszutoben. Journalistische Texte sind Gebrauchstexte, sie müssen informieren, berichten, einordnen. Sonst werden sie nicht gelesen und schon gar nicht gekauft. Journalistisch schreiben heißt, die oben genannten Grundsätze und Regeln im Journalismus anzuwenden und gleichzeitig einen Text zu schreiben, der interessant und verständlich ist. Das ist nicht einfach, weil journalistische Regeln sich selten mit Interessantheit vertragen: „Neue Signale des Fluges MH 370“ (tagesschau.de) „Flog der Pilot die Geister-Boeing aus Liebeskummer in die Katastrophe?“ (bild.de) Die Tagesschau-Überschrift ist möglichst objektiv mit journalistischer Distanz; die BildÜberschrift interpretiert, enthält wertende Begriffe, wirkt reißerisch (auch durch das Fragezeichen) – regt aber sicher mehr Menschen zum Lesen an, als die TagesschauÜberschrift. Weil Sprechen (Kommunizieren generell) einhergeht mit, häufig unbewussten, Wertungen, ist es für Journalisten wichtig, diese spontanen und unbewussten Wertungen zu erkennen und beim journalistischen Schreiben zu vermeiden. Ich lege deswegen großen Wert auf höchstmögliche Objektivität – auch wenn die Texte dadurch nicht den höchstmöglichen Leseanreiz bieten. Zudem ist es später einfacher, von objektiven zu wertenden Texten zurückzufinden, als von wertenden zu objektiven Texten. Neben der Objektivität geht es um die Verständlichkeit eines Textes. Texte dürfen keine Stolpersteine enthalten, weder inhaltlich, noch sprachlich. Während bezüglich der Vereinbarkeit der Gegensätze „objektiv versus interessant“ unendliche Diskussionen geführt werden, gibt es bei der Verständlichkeit eine klare Linie: Der Kommunikationsforscher Friedemann Schulz von Thun hat 1981 sein Modell der „vier Verständlichmacher“ vorgestellt, das seitdem allgemein anerkannt und auch angewendet wird: einfach, kurz, gegliedert, stimulierend. Fürs journalistische Schreiben bedeutet das: - einfach: Umgangssprache (ohne vulgär oder populistisch zu schreiben), „Subjekt-PrädiktatObjekt“ (SPO), wenige und allgemein bekannte Fachbegriffe/Fremdworte - kurz: kurze Worte, kurze Sätze (ohne in den Telegrammstil zu verfallen) - gegliedert: Absätze, das Wichtigste am Anfang; unterschiedliche Aspekte in verschiedene Absätze, keine inhaltlichen Sprünge, Absätze einleiten, ggf. Zwischenüberschriften. - stimulierend: Menschen, Aktionen. Beschreibend, bildhaft („Kino im Kopf“), ggf. szenische Einstiege und/oder Beschreibungen. In die Eigenschaft „gegliedert“ fällt auch: Auswahl der Informationen. Informationen nach der Wichtigkeit bewerten und dann auswählen, was publiziert werden soll und was nicht. Recherchiert werden 100 Prozent, aber veröffentlicht werden nur die wichtigsten 10 Prozent. Hinter einem journalistischen Text müssen immer noch die restlichen 90 Prozent Wissen stecken. Journalisten müssen immer begründen können, warum sie dieses Wort, diesen Satz geschrieben haben – oder eben nicht. Das gilt natürlich auch für Zitate, Töne und Bilder. Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Sie dürfen diesen Text für die eigene journalistische Arbeit nutzen. Es ist aber untersagt, den Text oder Teile daraus zu kopieren, zu präsentieren oder in anderer Form zu veröffentlichen. Jeder Verstoß wird strafrechtlich verfolgt. © Stefan Korol 2016 7 Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Prof. Stefan Korol Crashkurs Journalismus. Version Oktober 2015 Die Nachricht Nachrichten sind journalistische, nicht-chronologisch erzählte Beschreibungen von Ereignissen, die für LHZ neu und relevant sind. Im normalen Leben erzählen wir Geschichten von Anfang zum Ende („Stell dir vor, ich heute Morgen, stehe auf, putze mir die Zähne. Und dann: ….“). Und wir schmücken unsere Geschichten mit Bewertungen und Gefühlen aus („Das war total abgedreht, und ich stinksauer…“). Beginnen wir mit den Bewertungen und Gefühlen: Diese Erzählweise ist menschlich, weltweit verbreitet, schafft Nähe und Beziehung(en). Aber es ist kein Journalismus. Journalisten müssen deswegen lernen, Gefühle und Bewertungen im Journalismus zu erkennen – und lernen, genau das zu vermeiden. Die eigenen Gefühle aus einem Text herauszulassen, ist in der Regel einfach, weil Gefühlsäußerungen deutlich erkennbar sind. Bei Bewertungen ist das nicht der Fall: „nur“, „schon“ und „billig“ werten ebenso wie die Begriffe „Freiheitskämpfer“, „Revolutionär“ und „Rebell“. Um die journalistische Sprache (objektiv, wahr, verlässlich) zu lernen, eignen sich Nachrichten sehr gut, denn von allen journalistischen Darstellungsformen gelten für Nachrichten wenige, dafür aber klare Regeln: Aktualität und Relevanz Damit aus einem Ereignis eine Nachricht (oder auch Bericht) wird, braucht es zwei Voraussetzungen: Aktualität und Relevanz. Aktualität heißt: Etwas ist neu, anders als bisher. Meistens bedeutet es auch: Es gibt ein Problem, oder ein Problem ist gelöst worden. Relevanz heißt: Das Thema muss für die Zielgruppe wichtig sein. Es muss die LHZ also entweder betreffen, zumindest aber interessieren. Reihenfolge der Informationen Nachrichten bringen das Wichtigste zuerst. Dann folgen, mit abnehmender Wichtigkeit, die weiteren Informationen. Um bei einer Nachricht nichts Wichtiges zu vergessen, orientiert man sich an den sieben „W“: Wer, Was, Wann, Wo, Wie, Warum, ggf. auch noch: Woher (Quelle). Nachrichten: Bausteine, Reihenfolge Überschrift, Leadsatz; Details; Einordnung/Auswirkung; Vorgeschichte; Ausblick Zusätzlich möglich: Ein Satz vor dem Leadsatz (Auftakt; blind lead); Zitate; Foto oder Grafik. Eine Nachricht kann von hinten gekürzt werden, ohne dass dadurch wesentliche Informationen verloren gehen. Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Sie dürfen diesen Text für die eigene journalistische Arbeit nutzen. Es ist aber untersagt, den Text oder Teile daraus zu kopieren, zu präsentieren oder in anderer Form zu veröffentlichen. Jeder Verstoß wird strafrechtlich verfolgt. © Stefan Korol 2016 8 Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Prof. Stefan Korol Crashkurs Journalismus. Version Oktober 2015 Nachrichten: Zeitformen - Die (verkürzte) Überschrift steht im Präsens. - Der Leadsatz steht im Perfekt (natürlich nur: Ereignis liegt in der Vergangenheit). - Ablauf/Details stehen im Imperfekt (natürlich nur: Ereignis liegt in der Vergangenheit). - Die Vorgeschichte steht im Plusquamperfekt. - Die indirekte Rede steht im Konjunktiv. - Der Ausblick steht im Futur oder Präsens mit Zukunftsverweis. Eine Beispiel-Nachricht, geschrieben nach diesen Vorgaben Auftakt: „Große Übelkeit an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.“ Leadsatz, im Perfekt: „Ein Mensa-Koch der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg in Sankt Augustin hat gestern eine Bohnensuppe versalzen.“ Details, im Präteritum: „Viele Studenten ließen ihr Essen stehen, einige löffelten aber weiter. Sie klagten danach über Übelkeit und großen Durst. Verletzt wurde niemand.“ Ursache, in diesem Fall indirekte Rede, im Konjunktiv: „Der Koch sagte, er habe Liebeskummer und beim Essen immer wieder an seine Ex-Freundin denken müssen.“ Ausblick: „Als Entschuldigung für die Studenten will die Mensa morgen Steaks servieren.“ Der Bericht Berichte sind lange, selbst erlebte und recherchierte Nachrichten, erweitert um die Bausteine Produktionsort, Hintergrund, Einordnung, Zitate, Foto. (1. Die Zutaten „Aktualität und Relevanz“ bleiben natürlich Voraussetzung.) (2. Es gibt auch Berichte, produziert per Mail, Telefon/am Schreibtisch. Die kommen später.) Der Bericht: Produktionsort und Exklusivität - Autoren müssen am Ort des Geschehens (Produktionsort) gewesen sein; Dinge erlebt, gesehen, gehört und mit Menschen (Beteiligten, Betroffenen, Befürwortern, Gegnern, Experten etc.) gesprochen haben. Und dann darüber berichten. - Bei aktuellen Berichten können Produktionsorte frei zugänglich sein. Bei HintergrundBerichten sollten die Produktionsorte exklusiv für Journalisten sein, also für normale Menschen (Leser, Hörer, Zuschauer) nicht erreichbar. - Zitate müssen in jedem Fall exklusiv sein; LHZ wollen nicht wissen, was Knut Wuchtig oder Liese Laber zu einem Ereignis sagen, sondern was die Verantwortlichen dazu sagen. Ein Bericht braucht einen Produktionsort: Man muss dort sein, sehen, hören, fragen, zuhören. Und kann dann darüber berichten. Die Informationen vom Produktionsort sind ein wichtiger Teil der journalistischen Leistung; im ökonomischen Sinne wird nur durch die Informationen und Erkenntnisse vom und am Produktionsort, durch die geführten Gespräche mit Experten und Betroffenen ein Mehrwert geschaffen. Denn selbst die Zusammenfassung von Informationen aus unendlich vielen schon vorhandenen Quellen würde nichts Neues schaffen. Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Sie dürfen diesen Text für die eigene journalistische Arbeit nutzen. Es ist aber untersagt, den Text oder Teile daraus zu kopieren, zu präsentieren oder in anderer Form zu veröffentlichen. Jeder Verstoß wird strafrechtlich verfolgt. © Stefan Korol 2016 9 Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Prof. Stefan Korol Crashkurs Journalismus. Version Oktober 2015 Ein Bericht braucht einen Hintergrund. Vor und nach der Reise zum Produktionsort holt man zusätzliche Informationen ein aus Zeitungen, Zeitschriften, Lexika, bei Google und durch Gespräche mit Experten. Und diese Informationen bilden den Hintergrund des Berichts. Beispiel Autounfall: Wer nur an diesem Ereignis „kleben“ bleibt, erfährt nicht, dass es an dieser Stelle schon fünf Mal in diesem Jahr gekracht hat. Und natürlich ist diese Info wichtig. Ein Bericht braucht eine Einordnung, das ist neben den Informationen zum Ereignis und dem Hintergrund eine wesentliche journalistische Leistung. Die gesammelten Informationen müssen ausgewertet und dann hinsichtlich ihrer Wichtigkeit für den Bericht bewertet werden. Dann entscheidet der Journalist, welche zusätzlichen Punkte jetzt noch recherchiert und dann im Bericht auftauchen müssen, damit der Leser das Thema auch einordnen kann: Wie wichtig ist dieses Thema; welche Auswirkungen wird es haben, wann und wo gibt es das noch, gibt es Nachteile; was sagen Gegner, Kritiker, unabhängige Experten dazu? Die Einordnung muss in jedem Fall auf Zitaten von Gegnern, Kritikern, unabhängigen Experten beruhen. Die Einordnung erfordert Denkarbeit, Recherche, Zielstrebigkeit und bringt dadurch oft das, was die anderen Kollegen/Medien nicht haben. Ein Bericht braucht Zitate. Zitate sollen Ereignisse bewerten, einordnen. Zitate sollen nicht (Technik) erklären – das ist die Aufgabe von (Technik-)Journalisten. Zitate sollen das sagen, was der Journalist selbst nicht sagen kann: Meinungen, Erlebnisse, Einschätzungen, Gefühle. Ein Bericht muss mindestens zwei Zitatgeber haben: Die Hauptperson des Berichts. Und dessen Gegner, Kritiker oder zumindest die Meinung eines unabhängigen Experten. Die Gründe für die Auswahl des Zitatgebers müssen erkennbar sein: Er muss Beteiligter, Betroffener, Augenzeuge etc. sein. Zitatgeber, die ein Ereignis einordnen sollen, müssen nachweislich Experte für dieses Thema sein. Soll es ein unabhängiger Experte sein, muss auch das deutlich werden. Zitate dürfen/müssen „geglättet“ werden: Sie sollen sprachlich sauber sein, damit der Zitatgeber sich nicht mit einem sprachlich unsauberen Zitat blamiert, sie dürfen gekürzt werden – aber der Sinn eines Zitates darf in keinem Fall verfälscht werden. Ein Bericht braucht (mindestens) ein Foto: Passend zum Thema, am besten selber fotografiert, mit einer Bildaussage, die zum Thema passt. Menschen und Technik, Benutzer und Gerät, Menschenmengen am Messestand. Im Idealfall sieht man auf dem Foto das Ereignis, über das im Text berichtet wird. Fotos von Unternehmen/Pressestellen zeigen oft nur das Produkt, womöglich noch mit Unternehmenslogo; wer als Journalist diese Fotos benutzt, glänzt also nicht gerade durch journalistische Leistung. Fotos immer mit Bildunterschrift (Aber bitte nicht: „Und so sieht er aus: Der neue Klingklangklong“) und Bildquelle. Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Sie dürfen diesen Text für die eigene journalistische Arbeit nutzen. Es ist aber untersagt, den Text oder Teile daraus zu kopieren, zu präsentieren oder in anderer Form zu veröffentlichen. Jeder Verstoß wird strafrechtlich verfolgt. © Stefan Korol 2016 10 Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Prof. Stefan Korol Crashkurs Journalismus. Version Oktober 2015 Der Bericht: Die Magazinstory Der Bericht wird zur Magazin-Story durch weitere Bausteine: - Szenischer Einstieg: eine kurze Beschreibung, was der Protagonist gerade macht und wann und wo das passiert. In der Regel ersetzt der szenische Einstieg den Vorspann. Die/eine Szene kommt auch im Fließtext immer wieder mal vor. - Schluss: Hier ist die Geschichte erkennbar zu Ende. Beispielsweise durch die Klammer, wenn also der Bericht mit der Szene endet, mit der er am Anfang begonnen hat. - Wertungen: In den Zitaten, aber auch im Fließtext. Das kollidiert zwar mit dem journalistischen Grundsatz, wonach Information und Meinung immer voneinander getrennt sein müssen – aber so ist die journalistische Praxis. Eine Magazin-Story ist eine Gesamtkomposition, bei der NICHT von hinten gekürzt werden kann. Themen finden (für den Bericht) in Stichworten ist m.E. für Journalismus-Einsteiger die schwierigste Aufgabe, zumal diese Aufgabe auch noch gleich am Anfang des journalistischen Arbeitens steht. Diese Tipps helfen: Themen abgucken Singuläre, in sich geschlossene Geschichten: „Das neue Museum“ / „Zunehmendes Gedränge auf dem Wochenmarkt“ / „Weihnachtsbaum auf dem Marktplatz aufgestellt.“ Schon publizierte Themen bieten in jedem Fall schon einmal Aktualität und Relevanz, sonst wären sie ja nicht veröffentlicht worden. Solche Themen sind einfach und sicher, aber ohne große/n journalistische Leistung/Anspruch. Große Anbieter-Konkurrenz. Themen „runterbrechen” Globales Ereignis – regional umsetzen. „Wen betrifft das hier in der Region? Warum? Wie? Welche Alternativen gibt es?“ Oft bei neuen Gesetzen, Verordnungen/Entscheidungen, die in Berlin/Brüssel erlassen werden, und die alle Menschen betreffen. Aber auch bei globalen Erfindungen, neuen Produktionsverfahren, neuen Produkten. Mittlere Anbieter-Konkurrenz, gute journalistische Leistung. Fach-Themen Fachwissen, Kontakte. Lange Vorarbeit (Wissen, Kontakte), aufwendige inhaltliche Umsetzung. Hohe journalistische Leistung. Kaum Anbieter-Konkurrenz. Große Gefahr der Wertung, Werbung, PR für Produkt oder Unternehmen. Aber bei richtiger Umsetzung: Hohe journalistische Leistung, wenig Anbieter-Konkurrenz. Themen weiterdenken Neue Themen tun sich auf – die beinhalten wieder weitere Themen. Immer fragen: „Was steckt dahinter, wen betrifft das, entsteht dadurch ein Problem; wird ein Problem gelöst?“ Hohe journalistische Leistung, wenig Anbieter-Konkurrenz. Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Sie dürfen diesen Text für die eigene journalistische Arbeit nutzen. Es ist aber untersagt, den Text oder Teile daraus zu kopieren, zu präsentieren oder in anderer Form zu veröffentlichen. Jeder Verstoß wird strafrechtlich verfolgt. © Stefan Korol 2016 11 Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Prof. Stefan Korol Crashkurs Journalismus. Version Oktober 2015 Themen-Quellen Die bekannten Tageszeitungen; die VDI-Nachrichten (voll mit Technik) und andere TechnikPublikationen. Kundenzeitschriften, z.B. ADAC-Motorwelt, Lufthansa-Magazin, die Zeitschriften der Energieversorger etc. Und natürlich die Webseiten der TechnikUnternehmen. Wer sich in die Presseverteiler einträgt, bekommt automatisch Pressemeldungen und damit mögliche Themen. Schwierige Themen (und in meiner Lehre verboten) PC, Handy, „geplant ist…“; Theorien: Kein Produktionsort, keine Menschen/Aktionen „Tests”: Ingenieure testen. Journalisten berichten darüber. „Wir nehmen mal die Kamera und gucken mal…“: Kein Ereignis, keine Infos. „Wie funktioniert eigentlich…?“: Lexikon-Text ohne Aktualität (Der Trend-/Modebegriff) Story Telling …. ist „Alter Wein in neuen Schläuchen“. Kam vor rund zehn Jahren aus den USA zu uns herübergeschwappt; also zu einer Zeit, in denen Redaktion und Verlagen angesichts der Bedrohung durch das Internet das Wasser bis zum Halse stand, und in einer Zeit, in der deswegen selbst ernannte Gurus mit mehr oder weniger brauchbaren Tipps Hochkonjunktur hatten….(Achtung: Das ist/war ein Kommentar – Meinung pur!) Bedeutet: Wir schreiben zu einem Ereignis keinen erklärenden Lexikon-Text, sondern wir erzählen die Geschichte anhand von Menschen (Tätern, Betroffenen). Und wir machen die sogenannte Fallhöhe deutlich – das bringt Spannung. Das haben gute Journalisten schon immer gemacht – aber nun gibt es dafür eben einen tollen Begriff. Wie ein Ereignis/Thema anhand von Menschen zu erzählen ist, bedarf sicher keiner Erklärung, das sehen wir ja inzwischen selbst in der altehrwürdigen Tagesschau. Dort beginnt der Bericht zur aktuellen Einbruchstatistik mit „Wenn Peter Meier sein Haus verlässt, dann hat er immer ein ungutes Gefühl…“. Aber auch die „Fallhöhe“ ist schnell erklärt. Genauer gesagt, muss es „Emotionale Fallhöhe“ heißen, denn der Begriff meint den Wechsel von emotionaler Spannung und Entspannung. Die einfachste Art, Fallhöhe zu erzeugen ist: „Beginne die Geschichte mit einem Problem und beende sie mit der Lösung des Problems.“ Nach diesem Schema funktionieren zum Beispiel fast alle Filme (und ganz Hollywood), egal ob Thriller (Mord am Anfang – Überführung des Täters am Ende), Katastrophenfilm (Die Marsmenschen landen – am Ende sind sie entweder Freunde oder fliegen für immer zurück zum Mars) oder Schmachtfetzen (Sie und er können sich nicht ausstehen/kommen einfach nicht zusammen – und am Ende gibt es doch ein Happy End). Übertragen auf den Journalismus: Ja, wir können ganz technisch über die neuen Elektroautos berichten – aber wir finden mehr Leser, Hörer, Zuschauer, wenn wir vor oder auch in dem Bericht auf das Problem (Smog, Umweltverschmutzung, Ozonloch, Klimawandel etc.) eingehen. Und genau deswegen gibt es die Magazinstory – ein „aufgepeppter“ Bericht mit einem Mix aus Information und Unterhaltung, aus Technik und Menschen. Das Story Telling (und die Magazinstory) spielen in meiner Lehre nur eine geringe Rolle – erst einmal und vor allem ist der klassische Bericht dran. Aber der darf auch gern einen sogenannten szenischen Einstieg haben. Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Sie dürfen diesen Text für die eigene journalistische Arbeit nutzen. Es ist aber untersagt, den Text oder Teile daraus zu kopieren, zu präsentieren oder in anderer Form zu veröffentlichen. Jeder Verstoß wird strafrechtlich verfolgt. © Stefan Korol 2016 12 Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Prof. Stefan Korol Crashkurs Journalismus. Version Oktober 2015 Der Bericht: Die häufigsten Fehler (und wie sie zu vermeiden sind): KPE: „kein Produktionsort erkennbar“ - nur gegoogelt, vielleicht noch gemailt und telefoniert (Hinfahren. Sehen, hören, erleben. Weitere Quellen suchen. Berichten) KJLE: „keine journalistische Leistung erkennbar“ - nur Recherche-Sätze und Interview-Aussagen zusammengefasst (Recherche-Ergebnisse sortieren, einordnen, mehr Fließtext.) Bulimie-Journalismus Ganz viel eingesammelt. Und unreflektiert/unwissend wiedergegeben. (Nur publizieren, was Sie auch wirklich und komplett verstehen; strukturiert) Keine Aktualität - nichts Neues, sondern Vorhandenes (neu) erklärt (Zum Text eine Nachricht schreiben. Wenn es nicht geht = kein Bericht.) Keine Relevanz - zwar neu, aber für den Tageszeitungs-Leser uninteressant (Interessiert Ihre Geschichte die Linie 66-Fahrgäste? Ausprobieren…) PR/Pressemeldung, Wertungen - ein neues Produkt in lobenden Worten vorgestellt. (Nachteile/Wettbewerber nennen. Unabhängigen Experten suchen; Kritiker) Text übernommen Bläh-/Prospektsprache, Abkürzungen, Fachbegriffe, Erklärungen (Den Text von Grund auf neu schreiben. Mit eigenen Worten.) Porträt statt Bericht Unternehmen/Produkte werden vorgestellt. Keine Nachricht/Relevanz. (Den Unterschied kennen zwischen Porträt und Bericht.) Interview statt Bericht Die Antworten/Erzählungen werden „als Bericht“ zusammengefasst (Den Unterschied kennen zwischen Interview und Bericht) Foto: Kein Foto, kein eigenes Foto. Schlechtes Foto, passt nicht zum Text. Bildunterschrift und/oder Bildquelle fehlen. (Eigenes Foto, Produkt und Mensch, am besten in Aktion. BU, Bildquelle nennen) Wer Berichte schreiben will, muss Berichte lesen. Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Sie dürfen diesen Text für die eigene journalistische Arbeit nutzen. Es ist aber untersagt, den Text oder Teile daraus zu kopieren, zu präsentieren oder in anderer Form zu veröffentlichen. Jeder Verstoß wird strafrechtlich verfolgt. © Stefan Korol 2016 13 Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Prof. Stefan Korol Crashkurs Journalismus. Version Oktober 2015 Radio und Fernsehjournalismus: Nachricht, Bericht, Magazinstory Eine Geschichte ist eine Geschichte. Oder eben nicht - egal ob Print, Radio, Fernsehen, Online. Deswegen ist Radio- und Fernsehjournalismus kein anderer Journalismus als PrintJournalismus, sondern es ist Print-Journalismus plus Töne (Radio)(Töne) und plus Töne, Bilder (Fernsehen). Im Mittelpunkt steht sowohl bei Print als auch bei Radio und Fernsehen ein fokussiertes Thema mit recherchierten Informationen, verpackt zu einer guten Geschichte (und nur dafür gibt es später Geld). Für Print muss man diese Geschichte schreiben, für Radio und Fernsehen mit den entsprechenden Geräten und dem entsprechenden MedientechnikWissen produzieren. Deswegen: Mikrofon und Kamera kommen erst dann zum Einsatz, wenn die journalistische Geschichte fertig ist. Der einzige Unterschied zwischen Print und Fernsehen: Fürs Fernsehen muss man möglichst früh klären, ob man für den gewünschten Produktionsort eine Drehgenehmigung bekommt. Radio- und Fernsehen unterscheiden sich bei den Darstellungsformen „Nachricht“ und „Bericht“ hinsichtlich des Journalismus kaum voneinander; was fürs Fernsehen gilt, gilt auch fürs Radio. (Einzelheiten dazu im Skript „RuTV“.) Gute Hilfsmittel: Rohtext und Blindfilm Der Rohtext ist eine gute Hilfe, um herauszufinden, ob das Thema funktioniert: Man schreibt den Ablauf der Geschichte und setzt bei Infos und O-Tönen Platzhalter. Dadurch werden Aufbau und Länge deutlich. Und man kann lesen, ob das überhaupt eine journalistische Geschichte ist. Der Blindfilm wird anhand des Rohtextes gedreht – aber nicht am tatsächlichen Drehort, sondern zuhause, in der HBRS. Und nicht unbedingt mit der TV-Kamera (obwohl das eine gute Übung ist), sondern es kann auch das Handy sein. Und auch Stativ und externes Mikro sind noch nicht nötig. Gedreht wird streng nach Rohtext, also in der Reihenfolge der Infoblöcke; das erspart einen späteren Schnitt. Bei der Produktion merkt man, worauf beim späteren Dreh zu achten ist. Und beim Angucken sieht man, wie der Film später wirkt. Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Sie dürfen diesen Text für die eigene journalistische Arbeit nutzen. Es ist aber untersagt, den Text oder Teile daraus zu kopieren, zu präsentieren oder in anderer Form zu veröffentlichen. Jeder Verstoß wird strafrechtlich verfolgt. © Stefan Korol 2016 14 Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Prof. Stefan Korol Crashkurs Journalismus. Version Oktober 2015 Berichte für Radio- und Fernsehen in der HBRS Medienprodukte müssen formatiert werden; jede Redaktion fordert für ihre Berichte und anderen Darstellungsformen bestimmte Eigenschaften, einen bestimmten Aufbau, eine besondere „Handschrift“. Für meine Berichte gilt das folgende Format (der klassische Bericht mit szenischem Einstieg, siehe auch oben): - Anmoderation: Hier steht die Nachricht, gesprochen vom Moderator im Studio Der eigentliche Bericht beginnt mit - Szenischer Einstieg: Bildeinstellung: Groß. Ton: Atmo (Geräusche). Die Hauptperson macht etwas, dann beginnt nach drei Sekunden der Off-Text: Wer macht hier wo was? (Radio muss hier viel beschreiben) - O-Ton Szenischer Einstieg: Meinung, Gefühl der Hauptperson - Infoblock 1: Die wichtigsten Details zum Ereignis - O-Ton 1: Das sagt die Hauptperson (oder Kollege) Infoblock 2: Hintergrund: Entwicklung, ähnliche Ereignisse/Produkte. Eben Hintergründe. - O-Ton 2: Hauptperson/Kollege oder ein anderer O-Ton-Partner zum Hintergrund Infoblock 3: Einordnung: Kritik, Nachteile, Auswirkung. Eben Einordnung des Themas. - O-Ton 3: unabhängiger Experte oder Gegner, Kritiker Infoblock 4: (ursprünglicher Drehort): Weitere Infos / ggf. Bezug zum Infoblock 2 ggf. O-Ton 4; noch einmal Hauptperson Schluss: Ausblick, Wie geht es weiter? An dieser Stelle: Umfragen sind keine journalistische Darstellungsform. In den meisten Fällen sind sie noch nicht einmal eine journalistische Leistung. Umfragen sind nur deswegen so oft in Radio und Fernsehen, weil die Autoren mit wenig (Denk-)Arbeit viel Sendezeit herausschlagen können. Radio- und Fernsehberichte: Ablauf der Produktion - Thema finden: Ereignis, Aktualität, Relevanz, Menschen, Aktionen (Bilder und Töne) - Zum Thema einen Produktionsort finden (Drehgenehmigung?) - Zum Thema eine Nachricht schreiben. Wenn das nicht klappt – ist es kein Thema. - Rohtext schreiben und prüfen - Wenn es möglich ist: Drehort/e besichtigen - Wer ganz sicher gehen will: Blindfilm/Blindradio produzieren - Drehtermin absprechen, Drehplan erstellen (Zeiten, Orte) - Technik ausleihen und noch einmal proben - Drehen (nach Plan/Rohtext) - Schneiden (nach Plan/Rohtext) - Senden. Fertig! Je genauer die Planung, desto leichter Dreh und Schnitt. Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Sie dürfen diesen Text für die eigene journalistische Arbeit nutzen. Es ist aber untersagt, den Text oder Teile daraus zu kopieren, zu präsentieren oder in anderer Form zu veröffentlichen. Jeder Verstoß wird strafrechtlich verfolgt. © Stefan Korol 2016 15 Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Prof. Stefan Korol Crashkurs Journalismus. Version Oktober 2015 Die häufigsten Fehler bei Radio- und Fernsehberichten (Fast immer sind die Ursachen: kein Journalismus, kein Rohtext, kein definiertes Ziel.) Fehler im Journalismus - kein Ereignis, keine Aktualität/Relevanz - kein Bericht, sondern nur O-Töne zusammengeschnitten („Interview“) - kein Bericht, sondern Aktionen beschrieben (in Text und Bild („Reportage“) - Quelltexte/-meinungen übernommen: Pressemeldung, PR-Texte - werbender, wertender Eindruck - Der Autor versteht das Thema selber nicht, scheint keine Ahnung zu haben. - keine/kurze Einordnung (mögliche Nachteile, ähnliche Produkte, Experte) - (lange) Erklärende O-Töne, nur kurze Info-Blöcke - vorgegebenes Format nicht umgesetzt - lange (Print-)Sätze. Fehler im Journalismus beim/fürs Radio: - kein „Kino im Kopf“, weil keine Beschreibungen von Szenen, Aktionen. -kein Antext (der Satz in dem gesagt wird, wer gleich spricht (O-Ton). Keine journalistische Leistung erkennbar! Fehler bei der Medienproduktion fürs Fernsehen - langweilige Bilder (kein exklusiver Produktionsort, keine Menschen, keine Aktionen) - zu lange Standbilder (ein Standbild steht zwischen 2 und 5 Sekunden) - Wackelbilder (weil das Team keine Lust hatte, das Stativ zu tragen/aufzubauen…) - kein Standbild vor/nach einer Kamera-Bewegung - zu viele (belanglose) Totalen, zu wenige (interessante) Große - Bildsprünge, vor allem vor und nach den O-Tönen - Gegenlicht-Aufnahmen - O-Töne sind schwer zu verstehen (weil das Mikro zu weit weg war) Keine Sicherheit in der Medienproduktion erkennbar! Fehler bei der Medienproduktion fürs Radio - keine Atmo zu Beginn des Berichts - keine einheitliche Lautstärke - O-Töne schwer zu verstehen (weil das Mikrofon/Aufnahmegerät zu weit weg war) Wer Fernsehen machen will – muss Fernsehen gucken. Wird fortgesetzt. Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Sie dürfen diesen Text für die eigene journalistische Arbeit nutzen. Es ist aber untersagt, den Text oder Teile daraus zu kopieren, zu präsentieren oder in anderer Form zu veröffentlichen. Jeder Verstoß wird strafrechtlich verfolgt. © Stefan Korol 2016 16
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