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Deutsches Notarinstitut
Gutachten-Abruf-Dienst
G u t a c h t e n d e s D e u t s c h e n No t a r i n s t i t u t s
Abruf-Nr.:
142826
l e t zt e A k t u a l i s i e r un g :
12. Januar 2016
GBO § 35; BeurkG §§ 9, 10 Abs. 2, 36, 39, 44a
Grundbuchberichtigung und Nachweis der Erbfolge; Prüfungsrecht des Grundbuchamtes;
Nachholung des Vermerks über die Feststellung der Indentität der Beteiligten
I. Sachverhalt
In einem notariellen Testament sind die Eheleute auf Seite 1 aufgeführt, aber nicht, ob bzw. wie
sich diese ausgewiesen haben. Der Urkunde war aber eine Seite angesiegelt, die einen einige
Tage später ausgestellten mit Siegel und Unterschrift des Notars versehener Text enthält, der
lautet:
„Auf Seite 1 der Urkunde wird ein Schreibfehler berichtigt, und
zwar haben sich die Beteiligten durch Vorlage des jeweiligen
amtlichen Lichtbildausweises ausgewiesen. Hierbei handelt es
sich um ein Schreibversehen.“
Das Grundbuchamt verlangt nun für eine Grundbuchberichtigung deswegen einen Erbschein.
II. Frage
Ist das Verlangen des Erbscheins durch das Grundbuchamt korrekt?
III. Zur Rechtslage
1.
Grundsätzlich bedarf es zum Nachweis der Erbfolge gegenüber dem Grundbuchamt der
Vorlage eines Erbscheins (§ 35 Abs. 1 S. 1 GBO). Beruht jedoch die Erbfolge auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, so genügt es, wenn
an Stelle des Erbscheins die Verfügung und die Niederschrift über die Eröffnung der Verfügung vorgelegt werden (§ 35 Abs. 1 S. 2, 1. Hs. GBO). Erachtet das Grundbuchamt die
Erbfolge durch diese Urkunden nicht für nachgewiesen, so kann es gem. § 35 Abs. 1 S. 2,
2. Hs. GBO die Vorlegung eines Erbscheins verlangen.
Soll die Erbfolge – wie hier – durch ein notarielles Testament samt Eröffnungsniederschrift
des Nachlassgerichts nachgewiesen werden, hat das Grundbuchamt zunächst die Formgültigkeit und den Inhalt des Testaments zu prüfen. Es hat dabei die letztwillige Verfügung selbständig auszulegen und rechtlich zu würdigen, auch wenn es sich um rechtlich
schwierige Fragen handelt (vgl. Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 787;
BeckOK-GBO/Wilsch, Stand: 1.4.2015, § 35 Rn. 93 ff. jeweils m. w. N.). Das Grundbuchamt ist aber nicht berechtigt und verpflichtet, eigene Ermittlungen anzustellen. Einen ErbDeutsches Notarinstitut • Gerberstraße 19 • 97070 Würzburg • Telefon (0931) 35576-0 • Fax (0931) 35576-225
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schein kann es nur verlangen, wenn sich bei der Prüfung des Erbrechts begründete
(konkrete) Zweifel ergeben, die nur durch weitere Ermittlungen über den tatsächlichen
Willen des Erblassers oder sonstige tatsächliche Verhältnisse geklärt werden können (vgl.
zum Ganzen: Schöner/Stöber, Rn. 788 m. w. N.).
Fraglich ist, ob sich im Hinblick auf die fehlende Feststellung im notariellen Testament
darüber, wie sich der Notar seinerzeit Gewissheit über die Identität der Erblasser verschafft
hat, begründete Zweifel an der Erbfolge im o. g. Sinne ergeben können, so dass das Verlangen des Grundbuchamtes nach der Vorlage eines Erbscheins gem. § 35 Abs. 1 S. 2, 2. Hs.
GBO berechtigt wäre.
2.
Konkrete Zweifel an der Erbfolge wären jedenfalls dann gegeben, wenn der fehlende Vermerk darüber, wie sich der Notar Gewissheit über die Identität der Beteiligten verschafft hat,
zur Unwirksamkeit der Beurkundung und damit zur Unwirksamkeit des Testaments geführt
hat.
Wie sich aus § 9 Abs. 1 Nr. 1 BeurkG ergibt, gehört neben der Bezeichnung des Notars
auch die Bezeichnung der Beteiligten zum Muss-Inhalt einer notariellen Niederschrift
betreffend die Beurkundung von Willenserklärungen (vgl. hierzu Winkler, BeurkG,
17. Aufl. 2013, § 9 Rn. 7 ff.). Da die Bezeichnung der Beteiligten eine Wirksamkeitsvoraussetzung der notariellen Niederschrift darstellt, führt das Fehlen der Bezeichnung der Beteiligten zur formellen Nichtigkeit der Beurkundung, die dann, wenn das beurkundete
Rechtsgeschäft materiell-rechtlich der notariellen Form bedarf, auch zur materiellen
Nichtigkeit der Erklärungen führt (Winkler, § 9 Rn. 66 f.).
Im vorliegenden Fall steht jedoch außer Zweifel, dass die Vorgaben des § 9 Abs. 1 Nr. 1
BeurkG eingehalten sind. Laut Sachverhalt sind nämlich die Eheleute auf Seite 1 der
notariellen Niederschrift hinreichend konkret bezeichnet worden. Dort fehlt lediglich eine
Feststellung des Notars darüber, wie er sich Gewissheit über die Identität der Beteiligten
verschafft hat (vgl. § 10 Abs. 2 BeurkG).
3.
Gem. § 10 Abs. 2 BeurkG soll sich aus der Niederschrift ergeben, ob der Notar die Beteiligten kennt oder wie er sich Gewissheit über ihre Person verschafft hat. Kann sich der
Notar diese Gewissheit nicht verschaffen, wird aber gleichwohl die Aufnahme der Niederschrift verlangt, so soll der Notar dies in der Niederschrift unter Anführung des Sachverhalts
angeben.
a) Anders als die Vorgaben des § 9 BeurkG (Muss-Inhalt) normiert § 10 BeurkG Aspekte,
die Soll-Inhalt der notariellen Niederschrift sind. § 10 BeurkG stellt damit zwar vom
Notar unbedingt zu beachtende Amtspflichten auf; ein Verstoß hiergegen lässt aber die
Wirksamkeit und die Beweiskraft der notariellen Urkunde unberührt. Mithin wird
bis zum Beweis des Gegenteils (§ 415 Abs. 2 ZPO) bezeugt, dass die Erklärungen in der
Urkunde von den Personen herrühren, die als die Erklärenden aufgeführt sind, selbst
wenn der Vermerk gem. § 10 Abs. 2 BeurkG gänzlich fehlt (vgl. Winkler, § 10
Rn. 91, 92; Piegsa, in: Armbrüster/Preuß/Renner, BeurkG/DONot, 6. Aufl. 2013, § 10
BeurkG Rn. 3). Piegsa führt hierzu aus:
„Wird dem Grundbuchamt eine Urkunde vorgelegt, die keine
Angaben zur Feststellung der Identität enthält, darf es den
gestellten Antrag aus diesem Grund nicht zurückweisen.“
Seite 3
(Piegsa, in: Armbrüster/Preuß/Renner, BeurkG/DONot, 6. Aufl.
2013, § 10 BeurkG Rn. 3).
b) Da es sich bei § 10 Abs. 2 BeurkG um eine Soll-Vorschrift handelt, so dass ein Verstoß
hiergegen die Wirksamkeit der Beurkundung nicht berührt, ist anerkannt, dass der Notar
die Feststellung, wie er sich Gewissheit über die Identität der Beteiligten verschafft hat,
auch nachholen kann. Konnten sich die Beteiligten beispielsweise bei der Beurkundung nicht ausweisen, so entspricht es ganz h. M., dass der beurkundende Notar,
nachdem ihm von den Beteiligten ein amtliches Ausweispapier vorgelegt wurde und er
sich daher nachträglich Gewissheit über ihre Identität verschafft hat, einen Vermerk
gem. §§ 36, 39 BeurkG hierüber anfertigen kann (Winkler, § 10 Rn. 88 m. w. N.;
§ 44a Rn. 27; Piegsa, a. a. O.,§ 10 BeurkG Rn. 14, dort jeweils auch zu dem Problem,
dass die Identitätsfeststellung nur durch die Urkundsperson selbst erfolgen kann).
c) Für den vorliegenden Fall folgt hieraus Folgendes:
Aus dem der Testamentsurkunde angesiegelten Vermerk des beurkundenden Notars
ergibt sich, dass sich die Beteiligten offenbar bereits bei der Beurkundung des Testaments durch ihre amtlichen Lichtbildausweise ausgewiesen haben. Lediglich der Vermerk hierüber (§ 10 Abs. 2 S. 1 BeurkG) ist in die Urkunde nicht aufgenommen
worden. Dies wird mit dem Berichtigungsvermerk jedoch nachgeholt und dort als
Berichtigung eines Schreibfehlers bezeichnet.
Die Berichtigung von Schreibfehlern nach Abschluss der Niederschrift ist in § 44a
Abs. 2 BeurkG geregelt. Die aktuelle Gesetzesfassung beschränkt sich jedoch nicht nur
auf die Berichtigung von Schreibfehlern, sondern spricht weitergehend von „offensichtlichen Unrichtigkeiten“. Die Vorschrift will sicherstellen, dass bei Niederschriften über
Willenserklärungen Änderungen nach der Protokollierung vom Willen der Beteiligten
gedeckt sind. Die Niederschrift über andere Erklärungen als Willenserklärungen
sowie sonstiger Tatsachen oder Vorgänge gem. §§ 36 ff. BeurkG ist jedoch ein Bericht
des Notars über seine Wahrnehmungen, der jederzeit ergänzt oder geändert werden
kann, so dass § 44a BeurkG dort nicht unmittelbar einschlägig ist (vgl. Winkler, § 44a
Rn. 3).
Es kann hier daher dahinstehen, ob es sich vorliegend tatsächlich um einen Schreibfehler i. S. v. § 44a Abs. 2 BeurkG gehandelt hat. Die Feststellung darüber, wie sich der
Notar Gewissheit über die Identität der Beteiligten verschafft hat, stellt nämlich keine
Willenserklärung der Beteiligten, sondern eine Feststellung des Notars über seine
eigenen Wahrnehmungen dar.
Werden also Feststellungen zur Identität der Beteiligten gem. § 10 Abs. 2 BeurkG – bei
der es sich lediglich um eine Soll-Vorschrift handelt, die die Wirksamkeit der Beurkundung unberührt lässt – nachgeholt, ist dies beurkundungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Winkler führt hierzu in seiner Kommentierung von § 44a BeurkG Folgendes aus:
„Wenn schon solche Angaben nicht zwingend in der Niederschrift
enthalten sein müssen und ihr gänzliches Fehlen und damit auch
ihr Nichtvorlesen nicht zur Unwirksamkeit der Beurkundung
führt, kann der Notar solche Tatsachen auch nachträglich und
ohne Mitwirkung der Beteiligten in Niederschrifts- oder Vermerkform berichtigen.“
Seite 4
(Winkler, BeurkG, 17. Aufl. 2013, § 44a Rn. 27, zitiert ohne Fn.)
Wenn daher sogar die nachträgliche Identifizierung der Beteiligten zulässig ist und dies
durch einen Vermerk gem. §§ 36, 39 BeurkG in beurkundungsrechtlich zulässiger
Weise dokumentiert werden kann, muss dies erst recht für den Fall gelten, dass sich der
Notar bereits bei der Beurkundung Gewissheit über die Identität der Beteiligten durch
Vorlage von deren amtlichen Lichtbildausweisen verschafft hat, und lediglich der
Vermerk hierüber gem. § 10 Abs. 2 BeurkG versehentlich in die Niederschrift nicht
aufgenommen wurde.
Ein beurkundungsrechtlich zulässiger Vermerk liegt hier jedenfalls vor, da die Vorgaben des § 39 BeurkG (Zeugnis des Notars über die Vermerktatsache [hier: Feststellung, wie sich der Notar Gewissheit über die Person verschafft hat], Unterschrift und
Siegel des Notars) beachtet wurden. Ferner wären auch die Voraussetzungen für einen
wirksamen Vermerk gem. § 44a Abs. 2 S. 2 BeurkG erfüllt (Nachtragsvermerk entweder am Schluss der Niederschrift nach den Unterschriften oder auf einem besonderen,
mit der Urkunde zu verbindenden Blatt, sowie Angabe des Datums der Richtigstellung).
Dem Grundbuchamt ist damit in der Form des § 29 GBO ein Testament vorgelegt
worden, welches in einer beurkundungsrechtlich wirksamen notariellen Niederschrift (vgl. § 9 BeurkG) enthalten und damit auch materiell-rechtlich wirksam ist.
Selbst ohne den hier vorhandenen Nachtragsvermerk wäre das Grundbuchamt u. E.
wegen § 415 Abs. 2 ZPO bis zum Beweis des Gegenteils nicht berechtigt, die Tatsache
in Frage zu stellen, dass die in der Urkunde enthaltenen Erklärungen tatsächlich von den
Beteiligten herrühren.
Jedenfalls durch den in beurkundungsrechtlich zulässiger Weise mit der Testamentsniederschrift verbundenen Vermerk sind u. E. jedoch etwaige Zweifel ausgeräumt
worden. Der Vermerk ist auch für das Grundbuchamt beachtlich, da er die Form des
§ 29 GBO wahrt. Wir gehen daher davon aus, dass die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1
S. 2, 2. Hs. GBO, wonach das Grundbuchamt bei konkreten Zweifeln am Erbrecht der
durch öffentliches Testament samt Eröffnungsniederschrift ausgewiesenen Erben einen
Erbschein verlangen kann, hier nicht gegeben sind.
Hierbei dürfte auch zu beachten sein, dass im Rahmen des Erbscheinserteilungsverfahrens keine weitergehenden tatsächlichen Feststellungen zu der Frage, ob und
wie sich der Notar Gewissheit über die Person der Erblasser verschafft hat, zu erwarten
sind. Hierzu würde allenfalls die Zeugeneinvernahme des beurkundenden Notars
weitere Aufschlüsse liefern, der seine Kenntnis wiederum – wie regelmäßig bei länger
zurückliegenden Beurkundungsverhandlungen – allein aus der notariellen Niederschrift
ziehen würde.