)5$1=.1,(36 AUSGABE 1-2/2015 Präventionsgesetz 4.0 – Betriebskrankenkassen wollen mehr zielgerichtete Präventionsaktivitäten, lehnen aber Zentralisierung ab Franz Knieps, Vorstand des BKK Dachverbandes Auch wenn es mehrere Anläufe gebraucht KDWLQGLHVHP-DKUVFKHLQWGHU*URHQ.RDlition der Durchbruch für ein PräventionsgeVHW]]XJHOLQJHQ*UXQGVlW]OLFKEHJUWGHU FÜR GESUNDHEITSPOLITIK 1-2/15 BKK Dachverband den Gesetzentwurf zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention (Präventionsgesetz – PrävG). 6FKOLHOLFKVLQGGLH%HWULHEVNUDQNHQNDVVHQ 31 PERSPEKTIVEN PRÄVENTION schon traditionell durch ihre Nähe zu den Un- XQVHUHP/DQG,P9HUJOHLFK]XJURHQ%HWULHternehmen der zentrale Partner beim Be- EHQPVVHQ.08XQWHUDQGHUHQ5DKPHQEHtrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM). dingungen wirtschaften. So gibt es gerade in den Kleinstbetrieben für das Thema Ge'HUGHPRJUDÀVFKH:DQGHOXQGVHLQH$XV- sundheit keine besondere Zuständigkeit, keiwirkungen auf die Arbeitsmärkte sowie die nen Betriebsarzt oder eine Anlaufstelle für wachsende Bedeutung chronischer Erkran- betriebliches Gesundheitsmanagement. Oft kungen machen eine Neuausrichtung der lässt es das Tagesgeschäft nicht zu, strategiPrävention erforderlich. Unternehmen sind VFKHXQGRUJDQLVDWRULVFKH0DQDKPHQYRUsich längst der Verantwortung bewusst, die zunehmen, um den Betrieb gesundheitsförVoraussetzungen für eine längere Lebensar- GHUOLFK]XJHVWDOWHQ+lXÀJIHKOHQKLHUIUGLH beitszeit zu schaffen. Denn der Fachkräfte- SHUVRQHOOHQXQGÀQDQ]LHOOHQ5HVVRXUFHQXP mangel ist real. Längst fragen die Bewerber Betriebliches Gesundheitsmanagement sysin Unternehmen nicht mehr nur nach dem tematisch zu planen und umzusetzen. Auf Gehalt. Immer wichtiger werden auch die der anderen Seite sind gerade in den famisogenannten weichen Faktoren. Dazu ge- liengeführten Kleinunternehmen Zusammenhören die Angebote des Betrieblichen Ge- halt und Teamgeist selbstverständlich. Als Teil sundheitsmanagements (BGM) und die Prä- des Tagesgeschäfts kümmert sich der Unterventionsleistungen eines Unternehmens. nehmer selbst um die sozialen Belange seiner Denn die Betriebe müssen nicht nur ihre älter Angestellten. Viel Verantwortung! Hinzu werdende Belegschaft gesund erhalten, kommt, dass die familien- und inhabergeVRQGHUQDXFKIUTXDOLÀ]LHUWH%HUXIVHLQVWHLJHU führten Unternehmen in Zeiten von Fachkräfinteressant sein. Das kann gelingen, indem WHPDQJHOPLWGHQJURHQ.RQ]HUQHQNRQNXUBelastungen minimiert und zusätzliche Anrei- rieren. Auch hier ist Gesundheitsmanageze geschaffen werden. Firmen, die sich um ment am Arbeitsplatz längst zum Wettbeihre Fachkräfte kümmern, sind im Vorteil im werbsvorteil geworden. Wettbewerb um Talente. Betriebliche Gesundheitsförderung und Prävention bei KMU $XVGUFNOLFKEHJUHQGLH%HWULHEVNUDQNHQkassen, dass auch die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) mehr Unterstützung bei der Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) oder gar beim Gesundheitsmanagement bekommen sollen. Sie beschäftigen 60 Prozent der Erwerbstätigen und 83 Prozent aller Auszubildenden in Deutschland und sind daher der Motor für Wachstum in 32 Das Projekt „Gesund. Stark. Erfolgreich – Der Gesundheitsplan für Ihren Betrieb“ Ein Ansatz, um mehr Betriebliches Gesundheitsmanagement in den kleineren Betrieben zu implementieren, ist das Programm „Gesund. Stark. Erfolgreich – Der Gesundheitsplan für Ihren Betrieb“. Ein Programm, das von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), entwickelt und gefördert wird. Ziel dabei ist es, dass regionale Partner gemeinsam mit 1-2/15 FÜR GESUNDHEITSPOLITIK )5$1=.1,(36 AUSGABE 1-2/2015 kleineren Unternehmen Projekte zur BetriebOLFKHQ *HVXQGKHLWVI|UGHUXQJ DQVWRHQ Handlungshilfen, wie zum Beispiel ein e-learQLQJ7RROIU%HVFKlIWLJWH3UD[LVRUGQHUIUXQterschiedliche Branchen, sowie Tipps für den Transfer der verschiedenen Handlungshilfen in die Betriebe werden von Praktikern erarEHLWHWXQGZHLWHUJHJHEHQ$XHUGHPZHUden zusammen mit den Betriebskrankenkassen neue Zugangswege durch Einbindung regionaler Partner erprobt. Dazu zählen insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, regionale Verbände der Sozialpartner, die Innungen, kommunale und regionale Wirtschaftsverbände sowie Fachverbände und -vereinigungen. Damit das Projekt „Gesund. Stark. Erfolgreich – Der Gesundheitsplan für Ihren Betrieb“ auch Erfolg hat, sind allerdings ausreichende Handlungsspielräume in der Prävention für die gesetzlichen Krankenkassen erforderlich. So müssten zum Beispiel bessere steuerliche Anreize geschaffen werden. Derzeit ist die steuerliche Berücksichtigung von BGF0DQDKPHQQRFK]XEURNUDWLVFKXQG]X aufwändig. Das verhindert damit oft ein stärkeres Engagement der Arbeitgeber. Hier muss Abhilfe geschaffen werden. Für kleinere Unternehmen muss es möglichst bürokraWLHDUPH5HJHOXQJHQJHEHQGDPLWEHVWHhende Initiativen nicht gestört werden und neue Innovationen entstehen können. Auch für kleine und mittlere Unternehmen müssen Mittlerweile haben zwölf Betriebskrankenkas- Netzwerke vor Ort aufgebaut werden, denn sen und der BKK Dachverband gemeinsam es reicht nicht aus, hin und wieder Gesundmit ihren Partnern aus der Wirtschaft rund heitstage anzubieten. 1.000 kleine und mittlere Betriebe erreicht und gemeinsame Projekte angeschoben. Beim Betrieblichen Gesundheitsmanagement Dabei haben die Kassen ihr Know-how, das muss Nachhaltigkeit einziehen. Denn SeminaVLHKlXÀJLQHQJHU$EVWLPPXQJPLWJURHQ re und andere Weiterbildungsangebote sind Unternehmen erworben haben, an kleine nur dann erfolgreich, wenn eine Verbesseund mittelständische Betriebe weitergege- rung in der Arbeitsstruktur erkennbar ist. Dazu ben. Denn es sind vor allem die Betriebskran- ist es nötig, die Arbeitsabläufe in den Unterkenkassen, die die Gesundheitsförderung in nehmen zu analysieren und danach Ange'HXWVFKODQGPDJHEOLFKHQWZLFNHOWXQGHU- bote für Betriebliche Gesundheitsförderung folgreich in der Arbeitswelt etabliert haben. und Präventionskonzepte zu entwickeln. Eine Es ist ihnen gelungen, Netzwerke auf betrieb- zentrale Botschaft der Betriebskrankenkassen licher und überbetrieblicher Ebene aufzu- ist, dass die BGF auch nur dann gelingt, wenn bauen. Mit diesen Instrumenten kann Prä- sich die Führungsebene dafür stark macht. ventionsarbeit vor Ort in den Firmen gestärkt Nur so wird das Thema Gesundheitsmanagewerden. Denn gerade durch die Betriebliche ment im Unternehmen vorangetrieben. Hier Gesundheitsförderung sind viele Menschen haben gerade mittelständische Unterneherreichbar, die ansonsten zum Beispiel keinen PHQHLQHQJURHQ9RUWHLO'LH(QWVFKHLGHU Arzt oder Vorsorgeuntersuchungen in An- sind direkt unter der Geschäftsführung angespruch nehmen würden. siedelt oder die Geschäftsleitung kümmert sich selbst darum. Es ist wichtig, dass immer mehr kleine und mittlere Unternehmen das FÜR GESUNDHEITSPOLITIK 1-2/15 33 PERSPEKTIVEN PRÄVENTION betriebliche Gesundheitsmanagement als Finanzierung des Präventionsgesetzes ist wichtigen Teil einer zukunftsorientierten Perso- nicht alleine Kassenaufgabe nalpolitik erkennen. Mit dem Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und Prävention sollen GeDas Projekt „psyGA“ sundheitsförderung und Prävention in die sogenannten Lebenswelten wie KiTas, Schulen, Die Betriebskrankenkassen unterstützen die :RKQTXDUWLHUHRGHU3ÁHJKHLPHJHWUDJHQ KMU auch mit dem Projekt „psyGA“ (psychi- und damit gestärkt werden. Zudem will der sche Gesundheit in der Arbeitswelt). Insge- *HVHW]JHEHUGLH5DKPHQEHGLQJXQJHQIU samt sieben Betriebskrankenkassen beteili- die BGF verbessern und die Leistungen zur JHQVLFKDQGHP3URMHNWGDVLP5DKPHQGHU Früherkennung von Krankheiten bei Kindern, Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) Jugendlichen und Erwachsenen fortentwivom Bundesministerium für Arbeit und Sozia- ckeln. les (BMAS) gefördert wird. Das Thema psychische Gesundheit am Arbeitsplatz ist in 'LH%HWULHEVNUDQNHQNDVVHQEHJUHQGLHVHV den letzten 20 Jahren immer bedeutsamer Ziel. Denn vor dem Hintergrund des Anstiegs geworden. Psychische Erkrankungen und der chronischen Erkrankungen und dem AnSV\FKLVFKH6W|UXQJHQVLQGKHXWHGLHKlXÀJV- stieg der Krankheitstage, die zu wachsenden te Ursache für lange Krankschreibungen und Kosten im Gesundheitssystem führen, ist es krankheitsbedingte Frühverrentungen. Die notwendig, Gesundheitsförderung und PräAuswirkungen sind beträchtlich für Betroffe- vention einen höheren Stellenwert einzuräune, ihre Familien, für die Unternehmen und men. Eine effektive Prävention unserer heudie Volkswirtschaft. Das Projekt „psyGA“ zeigt tigen Lifestyle-Erkrankungen muss bereits im Lösungsansätze für den Arbeitsalltag auf und Kindesalter mit Angeboten für Familien zu gibt Handlungshilfen für die Firmen. den Themen Ernährung und Bewegung beginnen. So werden für den Einzelnen die Mit den richtigen Partnern und der richtigen Grundlagen für ein gesundes Leben geBotschaft lassen sich ehrgeizige Ziele errei- schaffen und kostspielige Fehlentwicklungen chen – allerdings nur, wenn vor Ort individu- für die Gesellschaft vermieden. elle Lösungen erarbeitet werden. Eine Stärke der Betriebskrankenkassen. Daher muss der Handlungsspielraum bei Betrieblicher Ge- Erhöhung des Richtwertes für sundheitsförderung und Prävention in den Präventionsausgaben Händen der Krankenkassen liegen und darf nicht durch zentrale Vorgaben erdrückt wer- 'DKHUEHJUHQGLH%HWULHEVNUDQNHQNDVVHQ den. GLH(UK|KXQJGHV5LFKWZHUWHVIUGLH$XVJDben für Prävention und Gesundheitsförderung auf 7,00 Euro. Damit wird den Kassen im BKK System, die sich bisher bereits stark bei 34 1-2/15 FÜR GESUNDHEITSPOLITIK )5$1=.1,(36 AUSGABE 1-2/2015 Prävention und BGF engagiert haben, ein JU|HUHUÀQDQ]LHOOHU6SLHOUDXPHU|IIQHW=Xdem können Kostensteigerungen im Gesundheitssystem sowie volkswirtschaftliche Verluste minimiert werden, wenn konsequent und intensiv in Gesundheitsförderung und Prävention investiert wird. Kritisch sieht das BKK System, dass in Zukunft die Gelder für Prävention, die im Grunde einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe entspricht, zum überwiegenden Teil von den Beitragszahlern der Krankenkassen aufgebracht werden sollen. Bund und Länder, aber auch andere Träger bleiben bei diesem Gesetzentwurf weitgehend von den Kosten befreit. Die Stärkung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) soll von den .UDQNHQNDVVHQÀQDQ]LHUWZHUGHQ Nicht verausgabte Mittel verteilen – aber wie? Als ebenfalls nicht hinnehmbar bewerten die Betriebskrankenkassen, dass nicht ausgegebene Gelder für die Betriebliche Gesundheitsförderung dem GKV-Spitzenverband zur Verfügung gestellt werden sollen, der diese dann wiederum verteilt. Dieser Zwang zur Abgabe schafft ungewollte AnUHL]H0LWWHOQDFKGHP*LHNDQQHQSULQ]LS und damit nicht zielgerichtet und bedarfsgerecht auszugeben. Stattdessen sollte geregelt werden, dass die Gelder, die in einem Jahr nicht für BGF ausgegeben worden sind, zunächst innerhalb einer Kasse auf das Folgejahr zu übertragen sind. Können sie dann auch nicht ausgegeEHQZHUGHQÁLHHQVLHLP]ZHLWHQ-DKUGHP Eine derartige Quersubventionierung einer jeweiligen Kassenartensystem zu, dessen VerBundesbehörde, die dem Bundesministerium bände dann die Gelder für Betriebliche Gefür Gesundheit unterstellt ist, lehnen wir strikt sundheitsförderung einsetzen können. So ab. Wenn der Bund mehr für Patienten tun wird zum einen gewährleistet, dass keine unwill, müssen auch die anderen Player bei der nötige Bürokratie beim GKV-Spitzenverband Finanzierung mit ins Boot genommen wer- aufgebaut wird. Zum anderen werden die den. Finanzmittel vor Ort nach den regionalen Bedürfnissen gezielt eingesetzt. Von rund 510 Millionen Euro sollen 480 Millionen Euro alleine von den Kassen geschultert Wir wünschen uns hier vernünftige gesetzliwerden. Das ist im Vergleich zu heute mehr FKH5DKPHQEHGLQJXQJHQNHLQHhEHUEURals eine Verdoppelung der Ausgaben in der kratisierung und Überregulierung. Letztendgesetzlichen Krankenversicherung. Wir als lich verwalten wir treuhänderisch die Beiträbetriebliche Krankenversicherung sehen das ge unserer Mitglieder und erwarten daher positiv. Aber der Gesetzgeber muss dann auch, dass wir unsere Mittel auch da einsetDXFKIUHLQHDXVN|PPOLFKH5HÀQDQ]LHUXQJ zen dürfen, wo unsere Versicherten Unterstütaus dem Gesundheitsfonds sorgen. Sonst zung benötigen. NRPPWHV]XZHLWHUHQÀQDQ]LHOOHQ9HUZHUIXQgen zwischen den Krankenkassen. FÜR GESUNDHEITSPOLITIK 1-2/15 35 PERSPEKTIVEN PRÄVENTION Kompetenz der Betriebsärzte verstärkt nutzen Betriebliches Gesundheitsmanagement mit gezielter medizinischer Beratung ist langfristig immer ein Gewinn für Unternehmen und Mitarbeiter. Die Betriebskrankenkassen begrüHQGHVKDOEDXFKGHQ9RUVWRGDVVNQIWLJ Betriebsärzte, Krankenkassen und niedergelassene Ärzte besser kooperieren können. Wir sind überzeugt davon, dass sich weitaus bessere Präventions- und Versorgungsergebnisse erzielen lassen, wenn Betriebsärzte, Krankenkassen und niedergelassene Ärzte vernetzt zusammenwirken. Dafür ist es allerdings notwendig, dass die Befugnisse der Betriebsärzte erweitert werden und zum Beispiel bei Früherkennungen stärker herangezogen werden können. GHPRJUDÀVFKHQ:DQGHOVGXUFKYHUEHVVHUWHJHVHW]OLFKH5DKPHQEHGLQJXQJHQLQGHU Prävention antworten. Die Betriebskrankenkassen erwarten eine konzertierte Vorgehensweise zwischen Staat und Krankenversicherung bei der Entwicklung eines gemeinsamen Zielrahmens, der eigenverantwortliches Handeln und koordinierte Zusammenarbeit der Akteure sicherstellt. Nationale Präventionsstrategie Mit der nationalen Präventionsstrategie und einer Präventionskonferenz greift der Gesetzgeber einen Vorschlag der BetriebskrankenNDVVHQDXI'DVHLQPDOMlKUOLFKVWDWWÀQGHQGH Präventionsforum berät die Präventionskonferenz durch Einbeziehung der Fachöffentlichkeit. Die institutionelle Verankerung von Gesundheitsförderung und Prävention sind wichtige Säulen im Gesundheitswesen. Nun besteht die Chance, soziale und demographische Herausforderungen für die gesundheitliche Zukunft anzugehen. Fazit: Wir brauchen deutlich mehr Spielräume in der Krankenversicherung, um alle Akteure wirksam und nachhaltig im Bereich BGM und Prävention zu erreichen. Die Politik muss auf die Herausforderungen des 36 1-2/15 FÜR GESUNDHEITSPOLITIK
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