DE Fäden der Macht 14. juli bis 20. september 2015 »Es erscheint von vornherein als eine höchst undankbare Aufgabe, den Reichtum und die Schönheit dieser Sammlung [der Tapisseriensammlung des Kunsthistorischen Museums] mit Worten zu schildern, undankbar schon deshalb, weil den wenigsten bewußt ist und bewußt sein kann, welch ergreifende und beglückende Wirkung von Werken der Bildwirkerei ausgehen kann. Es handelt sich keineswegs nur um die Freude des Kunsthistorikers, dem sich plötzlich unerwarteterweise ein überreiches, ganz unbekanntes Studienmaterial eröffnet, sondern um einen Kunstgenuß reinster und höchster Art, der sich auch dem wissenschaftlich ganz Unvorbereiteten mitteilen muß.« Aus: Ludwig Baldaß, Die Wiener Gobelinsammlung, Wien [1920] einführung Die Verwendung luxuriöser Textilien zum Schmuck besonderer Räumlichkeiten ist bereits für die ältesten Kulturkreise belegt. Im Mittelalter waren kostbare Textilien vorrangig im höfischen Bereich zu finden, wo sie dem hohen repräsentativen Anspruch der jeweiligen Regenten und des Adels entsprachen. Insbesondere Tapisserien erfreuten sich großer Beliebtheit. Ihr luxuriöser Charakter kam allein schon durch die Verwendung wertvoller Materialien wie Gold- und Silberfäden, Seide und Wolle sowie die langjährige und damit kostenintensive Anfertigung zum Ausdruck. Die in den Tapisserien dargestellten Themen hatten dem repräsentativen und zugleich propagandistisch instrumentalisierten Charakter dieses narrativen Mediums zu entsprechen. Das Leben bei Hofe war dabei ebenso beliebt wie historische Ereignisse, mythologische Themen oder antike Geschichten; hinzu traten Erzählungen aus dem Alten oder Neuen Testament sowie Heiligenlegenden. Die bisweilen in zeitgenössischer Tracht nahezu lebensgroß dargestellten Inhaltsträger dienten als Identifikationsfiguren. Sie fungierten als Repräsentanten eines höfisch-elitären Kreises, zu dem auch die Besitzer solcher Tapisserien zählten. Für den heutigen Betrachter sind die monumentalen Wandbehänge wichtige Zeugnisse des höfischen Lebens sowie der bei Hofe propagierten Ideale. Insbesondere Brüssel konnte sich im 16. Jahrhundert einen Namen als Hochburg der Tapisserieproduktion machen. Namhafte Künstler wie Barend van Orley, Pieter Coecke van Aelst, Michiel Coxcie und Jan Cornelisz. Vermeyen schufen die Entwürfe für die monumentalen Textilien. Einige ihrer Arbeiten sind in der Ausstellung zu sehen. Die Käufer entstammten einem elitären Kreis, der sich die kostspieligen Artefakte leisten konnte. Zu ihnen zählten auch Mitglieder des Hauses Habsburg. Insbesondere die exzeptionellen Tapisserieankäufe Kaiser Karls V. (1500–1558) gelten als legendär und setzten für die übrigen europäischen Höfe einen entsprechend hohen Maßstab. Sie sind bezeichnend für den einstigen Stellenwert der Tapisserie, die höher geschätzt wurde als die Malerei. Dieses Booklet, das mit freundlicher Unterstützung des Vereins der Freunde des KHM erscheint, bietet Ihnen detaillierte Objektbeschreibungen bei freier Bewegung aus unterschiedlichen Entfernungen in den Ausstellungsräumen. 1 Die dem Neuen Testament entlehnten Darstellungen aus dem Leben des Apostels Paulus gehören zu den populärsten Tapisseriepro- Der Apostel jekten des 16. Jahrhunderts. Sie wurden über Paulus vor König einen Zeitraum von etwa 30 Jahren nicht we- Agrippa niger als neun Mal ausgeführt. Der französi- Serientitel: Szenen aus dem Leben des Apostels Paulus Entwurf: Pieter Coecke van Aelst, um 1529/30 Hergestellt unter Paulus van Oppenem (?), Brüssel, um 1535 Wolle, Seide, Lahn Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, Inv.-Nr. T III/3 sche König Franz I., der englische König Heinrich VIII. sowie Maria von Ungarn zählten eine solche Serie zu ihrem Bestand. Das hier gezeigte Objekt gehört zu einer Serie aus ehemals herzoglich-lothringischem Besitz. Als Christenverfolger war Paulus zunächst bei der Steinigung des später heiliggesprochenen Stephanus zugegen. Durch seine Begegnung mit dem auferstandenen Jesus wurde er jedoch bekehrt und verbreitete fortan als Missionar das Evangelium. In der Tapisserie steht er im Vordergrund auf den Stufen der Loggia, in der Gericht gehalten wird. Ihm gegenüber thront König Herodes II. Agrippa mit seiner Schwester Königin Berenike und Porcius Festus. 1A Diese Vorstudie zur im selben Raum ausgestellten Tapisserie ist an der Basis der vordersten Säule mit dem Schriftzug »Pieter van Vorbereitende Aelst« bezeichnet. Die Tapisserie gibt die Vor- Studie für die lage – dem Herstellungsprozess geschuldet – Tapisserie Der spiegelverkehrt wieder. Sie reduziert die Kom- Apostel Paulus position zudem und fokussiert nur auf die vor Agrippa mittlere Szene, wodurch die massive Loggia, Pieter Coecke van Aelst, um 1529/30 Feder in Braun auf bräunlich getöntem Papier, laviert, weiß gehöht Wien, Albertina, Inv.Nr. 7851 in der Gericht gehalten wird, gewichtig das Bildfeld füllt. Diese verrät deutlich Coeckes frühes Interesse an klassischer Architektur. Die Skizze schließt inhaltlich an die Ankunft des Paulus in Caesare (Kapadokien) nach seinem Aufenthalt in Jerusalem an und zeigt im Gegensatz zur Tapisserie zwei weitere Begebenheiten: Die Erzählung beginnt im rechten Bildhintergrund, wo Paulus mit dem römischen Procurator von Judea, Antonius Felix, und seiner Frau Drusilla zusammentrifft. Im linken Bildhintergrund findet die Episode mit der Einschiffung des Paulus nach Rom ihren Abschluss. 2 Abraham ist als Stammvater Israels eine der bedeutendsten Figuren des Alten Testaments. Sein unerschütterlicher Glaube wie auch sei- Abraham und ne Loyalität und Charakterstärke hatten eine Melchisedek große Vorbildfunktion. Der englische König Serientitel: Geschichte des Patriarchen Abraham Entwurf: Pieter Coecke van Aelst, zugeschrieben, um 1537/38 Hergestellt unter Willem de Kempeneer und einer unidentifizierten Manufaktur, Brüssel, um 1550 Wolle, Seide Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, Inv.-Nr. T II/4 Heinrich VIII. besaß eine dem Patriarchen Abraham gewidmete Serie. Die Wiener Serie trägt hingegen das Wappen von Karl, Herzog von Chevreuse (1524–1574), einem Cousin Herzog Karls III. von Lothringen. Im linken Bildhintergrund beginnt die Erzählung mit den kriegerischen Auseinandersetzungen, um den gefangen genommenen Lot, Abrahams Neffen, aus den Händen des Königs von Elam zu befreien. Im Zentrum stehen Abraham und Melchisedek von Salem (Jerusalem), der »König der Gerechtigkeit«. Letzterer hat seine rechte Hand zum Segensgestus erhoben. Die von den Kämpfen erschöpften Krieger werden im linken Bildmittelgrund versorgt. 3 Das Buch Josua, das sechste Buch des Alten Testaments, berichtet von der kriegerischen Eroberung Kanaans durch die israelitischen Die Gibeoniter Stämme. Der hier gezeigte Behang bildet den bereden Josua, Bund zwischen Josua und einer Gesandtschaft mit ihnen einen der Gibeoniter ab. Diese gaben mittels ver- Bund zu schlissener Kleidung, altem Brot und zerris- schlieSSen senen Weinschläuchen eine weite Anreise vor, Serientitel: Darstellungen aus dem Buch Josua Entwurf: Pieter Coecke van Aelst, vor 1538 Hergestellt unter Jan Dermoyen und/ oder Gielis Imbrechts, Brüssel, vor 1544 Wolle, Seide, Lahn Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, Inv.-Nr. T XIX/5 um den Feldherrn zum Abschluss eines Bundes zu bewegen. Als Josua drei Tage später nach Gibeon kam und den Betrug entdeckte, musste er die Gibeoniter auf Grund seines Schwurs verschonen. Die Wiener Josua-Serie ist die einzig erhaltene dieses Themas. Sie gehörte wahrscheinlich ehemals Kaiser Karl V. Der repräsentative Anspruch des textilen Mediums zeigt sich gerade in den zerschlissenen Kleidern der Gibeoniter, die unter verschwenderischer Fülle kostbarer Edelmetallfäden hergestellt wurden. 4 In Darstellungen der Todsünden standen den Betrachtern die Folgen eines lasterhaften Lebens beredt vor Augen. Der belehrende Cha- Die Trägheit rakter prägt auch den vorliegenden Behang. (Acedia) Die personifizierte Trägheit sitzt auf einem Serientitel: Die sieben Todsünden Entwurf: Pieter Coecke van Aelst, um 1533/34 Hergestellt unter Willem de Pannemaker, Brüssel, um 1548/49 Wolle, Seide, Lahn Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, Inv.-Nr. T XXXV/5 von zwei lustlosen Eseln gezogenen Triumphwagen. Angeführt wird der Zug von Somnus, dem Schlaf, der auf seiner Fahne eine Schnecke trägt. Drei Opfer werden vom Wagen der Trägheit überrollt. Die beiden monumentalen Figuren eines älteren und eines jüngeren Mannes im rechten Bildvordergrund könnten Alexander den Großen und seinen Lehrer Aristoteles darstellen, welcher den jungen makedonischen Prinzen vor einem von Faulheit und Hemmungslosigkeit geprägten Leben bewahrte. Die editio princeps dieser Serie gehörte König Heinrich VIII. von England. Bei der in Wien erhaltenen Serie handelt es sich um eine spätere nach denselben Vorlagen gefertigte Auflage. 5 Der von Pieter Coecke van Aelst kreierte Holzschnittfries war wohl ursprünglich als Vorlage zur Überführung in Tapisserien ge- Ces moeurs et dacht. Diese wurden allerdings niemals ange- fachons de fair fertigt. Seine Inspiration hat Coecke einer Rei- de Turcz (Sitten se nach Konstantinopel im Jahr 1533 zu ver- und Gebräuche danken, die er wohl im Auftrag mehrerer der Türken) Brüsseler Manufakturen unternahm, um Sultan Süleyman den Prächtigen zum Ankauf von Entwurf: Pieter Coecke van Aelst 1553 publiziert von Mayken Verhulst Holzschnitt Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, Inv.-Nr. KK 6624, Nr. 134 Tapisserien zu bewegen. Liest man den Fries von links nach rechts, so beginnt er mit der Darstellung eines Feldlagers bei Nacht. Am vorderen Bildrand im Zentrum hat Coecke sich möglicherweise selbst porträtiert. Mit Beginn der vierten Szene widmet er sich ganz der Welt der Osmanen, um im abschließenden Segment Sultan Süleyman den Prächtigen zu Pferd vor der Kulisse Konstantinopels abzubilden. Nahezu die gleiche exotische Figur hat versatzstückartig in die in diesem Raum ausgestellte Tapisserie mit Darstellung der Trägheit Eingang gefunden (Nr. 4). 6 Die Metamorphosen Ovids übten eine große Faszination aus und wurden in der bildenden Kunst vom Mittelalter bis zum Barock viel- Vertumnus naht fach zitiert. Im 14. Buch findet sich die Erzäh- Pomona als Win- lung von Pomona, einer römischen Göttin der zer Baumfrüchte, die nichts mit Männern im Sinn Serientitel: Vertumnus und Pomona nach den Metamorphosen des Ovid Entwurf: Pieter Coecke van Aelst, Brüssel, um 1544 Hergestellt in Brüssel, zwischen ca. 1548 und 1575 Wolle, Seide, Lahn Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, Inv.-Nr. T XX/4 hatte. Sie wurde von Vertumnus, einem Gott der Jahreszeiten, verehrt. Der Verwandlungskünstler erschien vor ihr in acht verschiedenen Gestalten – etwa wie hier als Winzer –, sein Werben blieb jedoch erfolglos. Erst als er die Gestalt einer alten Frau annahm und eine ermahnende Geschichte erzählte, konnte er ihr Herz erweichen und gab sich ihr schließlich zu erkennen. Der besondere Reiz der Serie liegt in der Ansiedlung der einzelnen Episoden in Gartenlandschaften der Renaissance. Hängen alle neun Tapisserien der Serie in einem Raum, formieren sie sich zu einer fiktiven Landschaftskulisse im Innenraum. 7 Die Große Galerie im Schloss Fontainebleau, 70 km südlich von Paris gelegen, wurde 1528 bis 1530 vornehmlich von den italienischen Danae Serientitel: Mythologische Darstellungen, sog. Fontainebleau-Serie Vorlage: Francesco Primaticcio Karton: Claude Badouin u. a., 1539/40 Hergestellt von Jean Le Bries, Pierre Le Bries u. a., Fontainebleau, 1540/47 Wolle, Seide, Lahn Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, Inv.-Nr. T CV/1 Künstlern Francesco Primaticcio und Rosso Fiorentino entworfen. Um sich an jedem beliebigen Ort mit dieser modernen Kulisse umgeben zu können, ließ Franz I. die Architektur – zumindest teilweise – in Tapisserien überführen. Bei der Umsetzung in das textile Medium wurden sowohl die Fresken als auch Stuckatur und Holzverkleidung der Galerie berücksichtigt. Ebenso wie die Galerie selbst sollten auch die Tapisserien Franz I. als Person und als französischen König idealisieren sowie den universellen Anspruch seiner Herrschaft legitimieren. Dass eine bereits existierende Innenarchitektur als Vorlage für Wandbehänge diente, ist einzigartig in der Tapisseriekunst des 16. Jahrhunderts. Dieses Objekt finden Sie in der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums, Saal XXIX. 8 Ein integraler Bestandteil des Herrscherzeremoniells war der Thronbaldachin. Er dominierte in der Regel den Raum, zog die Blicke Thronbaldachin Entwurf: Hans Vredeman de Vries und Michiel Coxcie (Figuren) Manufaktur: FNVG, Brüssel, um 1561 1561 datiert Wolle, Seide, Lahn Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, Inv.-Nr. T XLV/1-8 auf sich und diente der unzweifelhaften Identifizierung des Potentaten. Beim Wiener Objekt handelt es sich um eines der seltenen vollständig erhaltenen, in Tapisserietechnik hergestellten Exemplare dieser Art. Im Zentrum der von Hans Vredeman de Vries entworfenen illusionistischen Architektur thronen Pluto, der Gott der Unterwelt, und seine Gemahlin Proserpina, die Tochter der Ceres. Die beiden Inschriften beziehen sich auf den Mythos von der Entstehung der Jahreszeiten durch Plutos Entführung der von ihm begehrten Proserpina in die Unterwelt. In den vier Medaillons werden demzufolge die vier Jahreszeiten mittels ihnen zugeordneter Szenen dargestellt. 9 Die immerwährende Aktualität der Jahreszeiten und Monate prädestinierte sie geradezu als Sujets für eine Überführung in Tapisse- Juni – Merkur mit rien in Form von vier- bzw. zwölfteiligen Seri- dem Zeichen des en. Eine besondere Ausprägung findet die Dar- Krebses stellung der Monate im 16. Jahrhundert in der Serientitel: Die zwölf Monate, sog. Groteskenmonate Entwurf: nach 1556 Hergestellt in Brüssel, um 1560/70 Wolle, Seide, Lahn Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, Inv.-Nr. T XI/6 Entwicklung der sog. Groteskenmonate, zu denen auch das vorliegende Objekt gehört. Dieses wird durch den markanten roten Hintergrund sowie die groteske Motivik geprägt. Der Monat steht unter dem Schutz des römischen Gottes Merkur, der als Symbol für seine Schirmherrschaft über die Gelehrsamkeit von einem Hahn begleitet wird. Von den einst so üppigen Attributen sind dem Götterboten der Flügelhelm und der Caduceus geblieben. In seiner linken Hand hält er das Sternzeichen des Krebses. Die kleinen links und rechts neben Merkur platzierten Szenen bilden die Schafschur, als deren Erfinder Merkur galt, sowie eine Kirschenernte ab. Weitere Tapisserien dieser Serie können Sie im Gemälde von Josef Jungwirth in Kabinett 14 sehen (Nr. 20). 10 Die in Wien erhaltene Tugendserie umfasst den Glauben, die Hoffnung, die Liebe, die Klugheit, die Gerechtigkeit, die Mäßigung so- Fortitudo Serientitel: Die sieben Tugenden Entwurf: Michiel Coxcie, um 1545 Hergestellt unter Frans Geubels, Brüssel, vor 1549 Wolle, Seide, Lahn Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, Inv.-Nr. T XVII/7 wie die hier präsentierte Stärke. Die personifizierte, gerüstete Fortitudo sitzt im Zentrum der Komposition. Zu ihren Füßen liegt der sie bewachende Löwe, allgemein ein Zeichen für Stärke. In der umgebenden Landschaft ist links Jaël gezeigt, die gemäß der biblischen Erzählung (Buch der Richter) mit einem Hammer einen Zeltpflock in den Schädel des schlafenden Sisera treibt. Rechts findet sich Simson, eine weitere Figur aus dem Buch der Richter, der den Tempel der Philister zum Einsturz bringt. Im Hintergrund ist schließlich Judith zu sehen, die den assyrischen Feldherrn Holofernes enthauptet (Buch Judith). Bei den Protagonisten der marginalen Szenen handelt es sich, so grausam ihre Taten auch erscheinen mögen, um biblische Helden mit Vorbildcharakter. Ihr Mut und ihre Stärke wurden auf die Besitzer der Objekte übertragen. 11 Die Taten des aus der griechischen Mythologie bekannten Herkules waren vom 15. bis zum 17. Jahrhundert beliebte Sujets in der flä- Herkules mischen Kunst. Die Besitzer solcher Tapisse- schlägt mit der rienserien identifizierten sich mit dem Hel- Keule die Köpfe denmut und der Kraft dieses Heros. Manche der lernäischen Potentaten stilisierten sich sogar als von Her- Hydra ab kules abstammend. Serientitel: Die Taten des Herkules Entwurf: um 1550/60 Hergestellt unter Michiel van Orley, Oudenaarde, um 1550/65 Wolle, Seide Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, Inv.-Nr. T CI/2 Nachdem Herkules den nemëischen Löwen erwürgt hatte, dessen Fell er sodann als Panzer und dessen Kopf er als Helm trug, galt die zweite der ihm abverlangten Aufgaben der Bezwingung der Hydra von Lerna, eines neunköpfigen Ungeheuers. Es galt als unbesiegbar und unsterblich, denn wenn einer der Köpfe abgeschlagen wurde, wuchsen zwei neue nach. Herkules ist im direkten Kampf mit der Hydra zu sehen, während sein Cousin Iolas eine Fackel in die blutenden Wunden stößt und so das Nachwachsen der abgetrennten Köpfe verhindert. 12 Mit dem in der Renaissance wachsenden Interesse am antiken Rom und der vermehrten Publikation von Texten römischer Geschichts- Der Raub der schreiber stieg auch die Popularität der Grün- Sabinerinnen dungsgeschichte Roms bzw. der Zwillingsbrü- Serientitel: Szenen aus der Sage von Romulus und Remus Entwurf: um 1560 Hergestellt unter Frans Geubels, Brüssel, ab 1560 Wolle, Seide, Lahn Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, Inv.-Nr. T XXI/8 der Romulus und Remus. In Tapisserienserien wurde zumeist der Heldenmut der Brüder gepriesen, die zu Vorbildern und Identifikationsfiguren der Fürsten avancierten. Romulus regierte die von ihm gegründete Stadt sehr umsichtig. Der wachsenden Zahl männlicher Einwohner stand jedoch ein Defizit an Frauen gegenüber. Er lud die benachbarten Städte zu einem Kampfspiel ein, bei dem sich die Römer der anwesenden jungen Sabinerinnen bemächtigten. Die beiden Paare im Vordergrund der Tapisserie muten im Umgang miteinander allerdings eher liebevoll an. Der repräsentative Charakter des mit zahlreichen Edelmetallfäden ausgeführten Objektes steht eindeutig im Vordergrund. 13 Die militärischen Leistungen des 1545 zum Gouverneur und 1548 zum Vizekönig von Portugiesisch-Indien ernannten Dom João de Cas- Vorführung der tro waren für Portugal von weitreichender his- erbeuteten torischer Bedeutung. In Anlehnung an die gro- Rüstungen und ßen Tapisserie-Projekte seiner Zeit – etwa die Waffen Glorifizierung des erfolgreichen Tunis-Kriegs- Serientitel: Taten und Triumph des Dom João de Castro Entwurf: um 1550/57 Hergestellt unter Bartholomeeus Adriaensz. (?), Brüssel, nach 1557 Wolle, Seide, Lahn Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, Inv.-Nr. T XXII/9 zuges Kaiser Karls V. (Nr. 14) – dürfte Castro selbst den Plan für eine Serie mit Darstellung seiner eigenen Erfolge entwickelt haben. Der unbekannte entwerfende Künstler erhielt offenbar genaue Berichte der militärischen Unternehmungen sowie des Triumphzugs und des feierlichen Empfangs in Goa nach der Befreiung der Festung Diu, die über Monate von der Armee des Königs von Cambaia belagert worden war. Er war aber selbst wohl nie vor Ort. Vielmehr fängt er den Charakter des fernen Landes durch exotisch anmutende Motive wie Turban, Elefanten oder Kamele ein, die nicht zuletzt durch die spektakulären Tapisserien und Holzschnitte Pieter Coeckes van Aelst bekannt waren. Eine weitere Tapisserie dieser Serie finden Sie in der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums, Saal XXV. 13 a Nach den erfolgreichen Kampfhandlungen zieht Dom João de Castro am 22. April 1547 triumphierend in Goa ein. Der kleinformati- Der Triumph ge Entwurf zeigt den Marsch der portugiesi- des Dom João de schen Krieger verschiedener Waffengattun- Castro in Goa gen. Sie werden von Musikern begleitet. Flämisch, nach 1550 Federzeichnung auf Papier, braun laviert, auf Karton kaschiert Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, Inv.-Nr. KK 9996 Gleichzeitig werden voller Stolz – wie im Kontext feierlicher Triumphzüge üblich – die Gefangenen und Trophäen (Rüstungen, Helme und Lanzen) vorgeführt. In zwei kleinen Karren der mittleren Bildebene sitzen in vegetabilem Umfeld wahrscheinlich die Ehepaare, die Dom João bei seinem Kriegszug unterstützten, indem sie u. a. finanzielle Mittel anboten, die Festung bewachten und Soldaten verköstigten. Die im selben Raum ausgestellte Tapisserie gibt die Skizze seitenverkehrt wieder. Sie dürfte also auf einem Flachwebstuhl von der Rückseite hergestellt worden sein. 14 Die Popularität der Tapisserien mit Darstellungen des Kriegszuges Kaiser Karls V. gegen Tunis spiegelt sich in ihrer vielfachen Repro- Ein erfolgloser duktion. Noch im 18. Jahrhundert wurde nach Ausfall der den erhaltenen zehn Kartons (zwei waren ver- Türken aus loren) eine Serie für Kaiser Karl VI. (reg. 1711– La Goleta 1740) angefertigt, der sich gerne mit Karl V. Serientitel: Der Kriegszug Kaiser Karls V. gegen Tunis 1535 Entwurf: Jan Cornelisz. Vermeyen Hergestellt unter Jodocus de Vos, Brüssel, zwischen 1712 und 1721 Wolle, Seide, Lahn Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, Inv.-Nr. T X/9 verglich und in vielerlei Hinsicht dessen Tradition fortführte. Im vorliegenden, zu dieser Serie gehörenden Stück, ist das Kap von Karthago mit Blick gen Osten zu sehen. Im Hintergrund wird man der Lagune von Tunis und der Festung La Goleta ansichtig. Karl V. ist zu Pferd in der hinteren Bildebene gezeigt. Der Vordergrund wird hingegen von berittenen Osmanen beherrscht, die beherzt in die Schlacht ziehen. Die grausame Vorgehensweise der kaiserlichen Feinde steht am rechten vorderen Bildrand beredt vor Augen, wo osmanische Fußsoldaten ihrem Anführer die abgeschlagenen Köpfe zweier Gegner als Trophäen präsentieren. . 14 a Erfolgreiche militärische Unternehmungen waren beliebte Sujets für Tapisserien. Ein prominentes Beispiel ist die Serie zum Kriegszug Zehn Tapisserie- Kaiser Karls V. gegen Tunis 1535. Sie huldigt Kartons: Der den strategischen Qualitäten des Kaisers, sei- Kriegszug Kaiser nem Mut und seiner Stärke und feiert ihn als Karls V. gegen Beschützer der christlichen Welt gegen die Tunis Osmanen. Die Entwürfe für die insgesamt Jan Cornelisz. Vermeyen und Pieter Coecke van Aelst Brüssel, 1546/50 Kohlestift, koloriert mit Aquarell bzw. Gouachefarben Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Inv.Nrn. 2038–2047 zwölf Tapisserien wurden erst elf Jahre nach dem Kriegszug vom Hofmaler Jan Cornelisz. Vermeyen angefertigt. Da dieser den Kaiser als zeichnender Kriegsberichterstatter nach Tunis begleitet hatte, standen ihm am Ort des Geschehens angefertigte Zeichnungen und Skizzen zur Verfügung. Bei der Ausführung der originalgroßen Vorlagen für die Wirker wurde Vermeyen vom flämischen Maler Pieter Coecke van Aelst unterstützt. Von den ursprünglichen zwölf Kartons sind zehn erhalten. Sie bilden jeweils eine oder mehrere Phasen des Kriegszuges ab. Die Kartons befinden sich im 2. Obergeschoss des Kunsthistorischen Museums. 14 B Die von Jan Cornelisz. Vermeyen entworfenen Tapisserien mit Darstellungen des Kriegszugs Kaiser Karls V. gegen Tunis waren der- Die Landung des art populär, dass sie nicht nur über Jahrhun- Heeres am Kap derte wiederholt gewirkt wurden, sondern von Karthago bereits im 16. Jahrhundert auch als grafische Frans Hogenberg nach Jan Cornelisz. Vermeyen Um 1555/60 Kupferstich Aus: Michael Aitsinger, De leone Belgico, 1583 (?) Wien, Kunsthistorisches Museum, Bibliothek, Inv.-Nr. 13.189 Reproduktionen des Kupferstechers und Radierers Frans Hogenberg (1535–1590) in Umlauf kamen. Das vorliegende Blatt ist der Ankunft des Heeres an der tunesischen Küste im Juni 1535 gewidmet. Die Stadt ist im Bildhintergrund zu erkennen. Sie wird von der in der Lagune gelegenen Festung La Goleta geschützt. Das im Vordergrund platzierte Flaggschiff ist dasjenige des kommandierenden Admirals Andrea Doria. Er selbst sitzt in Begleitung einer Frau in der Achterdeckkanzel, während der Bootsmann vom Bug aus mit der Maatenpfeife das Einholen der Latinersegel befehligt. 15 Heraldische Behänge waren fixe Bestandteile einer herrschaftlichen Tapisseriensammlung. Deutlicher als bei jedem anderen Sujet Tapisserie mit äußert sich in diesen Stücken der politische Wappen Kaiser und dynastische Anspruch des Eigentümers. Karls V. So auch im vorliegenden, aus dem Besitz Kai- Entwurf: um 1540 Hergestellt unter Willem de Pannemaker, Brüssel, um 1540 Wolle, Seide, Lahn Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, Inv.-Nr. T XXXIII/3 ser Karls V. stammenden Wandbehang. Er zeigt den kaiserlichen doppelköpfigen Adler mit dem gevierten Wappen Karls: im gespaltenen Herzschild Flandern und Tirol. Das erste Geviert ist nochmals geviert in Kastilien und León. Daneben gespalten in Aragón und Sizilien. Dazwischen in eingebogener Spitze der Granatapfel Granadas. Das dritte Geviert ist geteilt in Österreich und Alt-Burgund, das vierte in Neu-Burgund und Brabant. Der florale Hintergrund symbolisiert das im wahrsten Sinne des Wortes blühende Reich des Kaisers. Auch bei seiner Abwesenheit konnten Behänge dieser Art seinen territorialen Anspruch vertreten. Eine weitere Tapisserie dieser Serie finden Sie in der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums, Saal XXX. 16 Medaillen sind in einem umfassenden Sinn als »soziales Medium« zu verstehen: Sie signalisieren nicht nur den gesellschaftlichen Sta- Medaille auf tus, sondern konnten als intellektuelle Sam- Kaiser Karl V. mel-, Tausch- und Geschenkobjekte auch so- Hans Reinhart d. Ä. 1537 Gold (Guss) Wien, Kunsthistorisches Museum, Münzkabinett, Inv.-Nr. 696bβ ziale Bindungen und politisch-diplomatische Netzwerke etablieren und stärken. Sie dienen in besonderer Weise der Erinnerung an Personen und dokumentieren das gesteigerte Interesse am Individuum seit der Renaissance. Der Porträtkunst gelang es überzeugend, den Eindruck vermeintlicher Lebensechtheit und damit Wirkungen, Assoziationen und Botschaften beim Betrachter zu erzielen, selbst wenn die dargestellte Person und damit ihr Bildnis frei erfunden war. Aus Medaillenporträts lässt sich hingegen ablesen, wie eine Person ihrer Um- und Nachwelt erscheinen wollte oder sollte. Dadurch gewährt die Medaillenkultur Einblicke in das Selbstverständnis der Menschen. Die Medaillenkunst stand stets im Schatten der »größeren« Künste, weshalb sie in Kunstausstellungen immer wieder übersehen oder vergessen wird bzw. nur als Illustration vorkommt. Das Kunsthistorische Museum bemüht sich daher seit vielen Jahren, gerade dieses Medium immer wieder in seine Ausstellungen einzubeziehen. Unter den Medaillen ist ein 1537 entstandenes Stück auf Kaiser Karl V. hervorzuheben. Es zeigt auf der Vorderseite das Brustbild des Herrschers mit Szepter und Reichsapfel, auf der Rückseite einen feldfüllenden doppelköpfigen Adler mit einem Wappenschild auf der Brust. Dieser entspricht, abgesehen von der zusätzlich angebrachten Vliescollane, weitgehend jenem Adler, der die Tapisserie mit dem Wappen Kaiser Karls V. (Nr. 15) ziert, die etwa zeitgleich in Brüssel angefertigt wurde. Gerade diese Medaille entspricht in besonderer Weise den Intentionen der Ausstellung: Die Darstellung des Herrschers ist raumgreifend und repräsentativ, das Wappen auf der Gegenseite steht stellvertretend für den Potentaten. Auch die Ausführung ist kostbar. Allerdings ist die sorglose Nacharbeit augenscheinlich. Entsprechende Stücke ermöglichten es neben ihrer repräsentativen Funktion, große Summen ohne Verlust des Ansehens zu verschenken, wobei die Qualität eben zweitrangig war – es war unverfänglicher, eine einzelne Medaille als 50 Dukaten und somit »Geld« zu übergeben. 17 Giovanni Paolo Negroli schuf für Erzherzog Ferdinand II. von Österreich, den späteren Landesherrn von Tirol, die sogenannte »Ro- Romanische manische Rüstung« für Mann und Ross. Zum Rüstung überwiegenden Teil besteht die Rüstung aus Art des Giovanni Paolo Negroli Mailand, 1545/50 Eisen, Messing, vergoldete und versilberte Metallteile, Leder Wien, Kunsthistorisches Museum, Hofjagd- und Rüstkammer, Inv.Nr. A783 einem Kettenhemd, welches aus zwei Arten von Ringen – mattgrauen aus Eisen und golden blitzenden aus Messing – besteht. Diese Kettenringe sind zu Mustern zusammengefügt. Ergänzt wird das Kettenhemd mit aus Eisen getriebenen Verstärkungsstücken mit phantastischen Formen. Die Schulterstücke und die offene Sturmhaube haben die Form phantasievoller Gesichter, die Kniebuckel erscheinen als Löwenköpfe und die vergoldeten Kappen der Panzerstiefletten sind als nackte Zehen ausgebildet. Die Rüstung all’antica gibt dem Künstler die Möglichkeit zum spielerischen Umgang mit einzelnen Elementen der antiken Welt und vermag den Betrachter mit phantasievollen Gebilden und realistischen Details zu überraschen. 18 Wir wissen zwar nicht, ob dieses Kupferbild ein bestimmtes Ereignis verewigt, kennen aber zumindest den Ort, an dem der aus Nord- Nächtliches deutschland gebürtige Maler Wolfgang Heim- Bankett bach (um 1613 – nach 1678) sein nächtliches Wolfgang Heimbach Wien (?), 1640 Kupfer Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 599 Bankett angesiedelt hat: die Ritterstube der Wiener Hofburg. Das 1640 datierte Gemälde nimmt sofort durch den geheimnisvollen Zauber des Lichtes gefangen, das den langen Tisch und die Gesichter der um ihn versammelten Gäste in eine gleißende Helligkeit taucht, während die Rückenfiguren gespenstische Schatten im Vordergrund werfen. Es lässt nicht zuletzt die Tapisserien, die zwischen den Fenstern angebracht sind, kräftig aufscheinen, so dass nicht nur einige der Bildthemen, sondern sogar zwei von Heimbachs Vorlagen selbst identifiziert werden konnten. So gehören die beiden linken Wandbehänge, die den Triumph der Nächstenliebe (links außen) sowie den Triumph der Mäßigkeit darstellen, zu einer um 1560 in Brüssel gewirkten Folge der sieben Tugenden. 19 Das Gemälde zeigt ein großes Festmahl Kaiser Leopolds I. und seiner Gemahlin Margarita Teresa. Der Anlass dieser sog. »Wirt- Hoftafel unter schaft« ist nicht mehr bekannt. Schauplatz ist Kaiser Leopold I der damalige Tanzsaal, der in der Mitte des Jan Thomas Flämisch, 1666 Leinwand Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 7660 17. Jahrhunderts der wichtigste Ort für Feiern und Theateraufführungen in der Wiener Hofburg war. Rechts im Hintergrund ist ein Ofen zu sehen, in der Mitte der Durchgang zum Vorsaal. Die zwei sichtbaren Wände und die Fensterfront in Richtung des Rosstummelplatzes, des heutigen Josefsplatzes, sind zu diesem Anlass mit Tapisserien behängt. Jan Thomas (1617–1678) gelang es in beeindruckender Weise, eine wimmelnde Menge mit mehr als sechzig Porträts darzustellen, wobei jede besondere Tracht und jedes wichtige Schmuckstück erkennbar ist. Zudem hat der Maler genau beschrieben, welche Speisen gerade aufgetragen sind. Das Bild ist auf Lichteffekte berechnet. Beim Schein der vielen Kerzen, die vom Plafond bis in den Bereich der Tapisserien abgehängt sind, schimmern die bei deren Anfertigung verwendeten Edelmetallfäden und schaffen somit ein glanzvolles höfisches Ambiente. 20 Indem der Wiener Stadtrat Kaiser Karl I. und Kaiserin Zita huldigt, erkennt er in Form eines Staatsaktes die Autorität des Monarchen Huldigung des an und gelobt Treue. Als Rahmen dieses Ze- Wiener remoniells dient ein mit Tapisserien ausgestat- Stadtrates vor teter Raum. Dabei spielen die Einzelheiten Kaiser Karl I. der jeweiligen Darstellung eine geringere Rol- Josef Jungwirth 1917 Leinwand Privatbesitz le als die repräsentative Funktion der Tapisserien zur Betonung des staatsrechtlichen Vorganges und als Statussymbol des hohen Ranges des Kaisers. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts fand keine wesentliche Produktion von Wandbehängen für den Wiener Hof mehr statt, aber es wurden die Jahrhunderte alten Tapisserien der Vorfahren genutzt, um dadurch dynastische Kontinuität zu suggerieren. Das Kaiserpaar stellt sich somit in die Tradition ihrer Vorgänger und erhält dadurch herrschaftliche Legitimation. Wie zahlreiche ältere Darstellungen ähnlicher Rituale halten auch Gemälde wie dieses den bedeutungsvollen Moment fest und vermitteln die glanzvolle Inszenierung der Zeremonie, die hier anhand wertvoller und althergebrachter Tapisserien aufgewertet wurde. 21 Freydal ist eines der prachtvollsten Turnierbücher der Renaissance. Es entstand um 1512/15 für Kaiser Maximilian I. und enthält Freydal – Ein 255 reich vergoldete Miniaturen. Diese zeigen Turnierbuch Kai- 64 ritterliche Turniere, die jeweils aus zwei ser Maximilians I. Kämpfen zu Pferd sowie einem Fußkampf be- Süddeutsch, um 1512/15 Papierklebeband, 273 Blätter, davon 255 mit aufgeklebten Miniaturen Temperaund Aquarellmalerei über Federzeichnung, Gold- und Silberhöhung Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, Inv.-Nr. KK 5073 stehen. Jedes dieser Turniere endet mit einem Tanz- und Kostümfest, einer sog. Mummerei. Das Turnierbuch Freydal zählt zu den großen grafischen Projekten, die Kaiser Maximilian I. zu propagandistischen Zwecken schaffen ließ. Neben der Ehrenpforte und dem Triumphzug gehören dazu auch die Bücher Weisskunig und Theuerdank. Freydal bildet mit diesen beiden Büchern eine Trilogie, in der die Biografie des Kaisers in literarisch-allegorisch überhöhter Form wiedergegeben wird. 22 1508 lud Kurfürst Friedrich III. zu einem Turnier in Wittenberg. Dieses Ereignis wurde von Lucas Cranach d. Ä. (1472–1553), der seit 1505 Das Turnier mit als Hofmaler des Fürsten tätig war, in einer dem Simson- Serie von Holzschnitten festgehalten. In die- Teppich sem Blatt ist der enge Turnierplatz wiederge- Lucas Cranach d. Ä. 1509 Holzschnitt Wien, Albertina, Inv.Nr. DG 1929/126 geben, in der Mitte zwei Ritter im Lanzengefecht; umgeben werden sie von zahlreichen anderen Rittern zu Pferd und zu Fuß. Ein Teil der Balustraden mit dem exklusiven Publikum ist ebenfalls zu sehen. Von einem dieser Balkone hängt eine Tapisserie herunter, die Simson bei seinem Kampf mit dem Löwen zeigt. Turniere waren oft Teil eines bedeutenden höfischen Ereignisses. Tapisserien spielten dabei als bewegliche, kostbare Dekorationselemente eine ganz besondere Rolle und dienten der Schaustellung von Macht, Reichtum und höfisch-ritterlicher Eleganz. Zu den Aufgabengebieten eines Hofmalers gehörte häufig auch die Planung und Ausstattung solcher Festlichkeiten. Gut möglich, dass Lucas Cranach das hier geschilderte Ereignis nicht nur im Bild, sondern auch in der Realität selbst so in Szene gesetzt hat. 23 // 24 In seinem Turnierbuch beschreibt der kaiserliche Ehrenherold Francolin die Ereignisse anlässlich des 1560 zu Ehren Kaiser Ferdi- Das groSSe festli- nands I. und Herzog Albrechts V. von Bayern che Bankett in in Wien und Umgebung ausgerichteten pom- der Tafelstube pösen Festes. Dieses dauerte vom 24. Mai bis der Hofburg zum 24. Juni an. Begleitet von Einzügen der anlässlich des Teilnehmer in die Stadt, Jagden, Turnieren mit Wiener Turniers Tanz und Mummerei (Maskerade), Schein- 1560 // kämpfen, Festessen etc. handelte es sich bei Der groSSe Hof- diesem Ereignis sicher um eines der spekta- ball im Festsaal kulärsten im Österreich des 16. Jahrhunderts. Die erste Illustration (Nr. 23) zeigt ein Prandi- Hans Sebald Lautensack Radierungen Aus: Hans Francolin, Warhafftiger Ritterlicher Thate […], 1560 Wien, Theatermuseum, Inv.-Nrn. GS GFeS4242 und GS GFeS4243 um, ein zweites Frühstück bzw. Mittagessen, in der großen Tafelstube der Hofburg in Wien. Am Kopf der langen Tafel sitzen der Kaiser und seine Gemahlin Anna unter einem Baldachin. Ihnen gegenüber ist ein Schaubuffet aufgebaut, das im Kontext einer solchen repräsentativen Begebenheit nicht fehlen durfte. Beeindruckend ist auch der Dekor mit repräsentativen Tapisserien, die bis zum Deckenansatz reichen. Die zweite Illustration (Nr. 24) bildet den eigens für die Begebenheit auf der Spanischen Bastei (Burgbastei) errichteten Festsaal ab. Auch hier sind die Wände mit Tapisserien dekoriert. Der Kaiser sitzt zentral im Bild mit seinen Töchtern und weiblichen Gästen auf einer Tribüne, wiederum unter einem Baldachin aus kostbarem Gewebe. 25 Am 25. Oktober 1555 empfing König Philipp II. von Spanien aus den Händen seines Vaters, Kaiser Karls V., in der Aula Magna des Schlos- Die Abdankung ses Binche in Brüssel die Souveränität über Karls V. 1555 die Niederlande. Diese Amtshandlung des Kai- Frans Hogenberg Um 1556/72 Kupferstich Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. RP-P-OB-78.784-10 sers fand, wie viele zuvor, vor einem angemessenen textilen Dekor statt. An den Wänden sind Tapisserien aus Tournai montiert, die für die Kapitel des Ordens vom Goldenen Vlies angefertigt worden waren. Der Thron des Kaisers ist durch einen Baldachin ausgezeichnet, auf dem der doppelköpfige Adler, Symbol des Kaisertums, zu sehen ist. Er wird von der Collane des Ordens vom Goldenen Vlies umgeben. Philipp kniet vor dem Thron. Unter den Anwesenden befinden sich nicht nur Exponenten diverser Höfe, sondern auch der Staatsmann und spätere Kardinal Antoine Perrenot de Granvelle sowie die Schwester des Kaisers, Maria von Ungarn, welche die Statthalterschaft der Niederlande 25 Jahre lang innehatte. 26 Von besonderem Interesse im Hinblick auf den in Wien verwahrten Tapisserienbestand sind die Sammelaktivitäten der Herzöge von Die Vermählung Lothringen. Ein Teil der Wandbehänge, die in Maria Theresias den Besitz des letzten lothringischen Herzogs Wien, 1736 Radierung Wien, Albertina, Wiener Historische Blätter, Bd. 2, Nr. 35 Franz Stephan (1708–1765) übergegangen waren, ist noch heute im Kunsthistorischen Museum erhalten. In diesem Kontext ist Franz Stephans Eheschließung mit Maria Theresia, der Thronerbin des letzten habsburgischen Kaisers Karl VI., im Jahr 1736 maßgeblich. Wie im Bild zu sehen, war anlässlich der Vermählung die Augustinerkirche in Wien mit Tapisserien geschmückt. Als Franz I. Stephan 1765 starb, fiel sein Erbe an das Haus Habsburg-Lothringen. Ein zu diesem Erbe gehörendes spektakuläres Objekt ist der in dieser Ausstellung präsentierte Thronbaldachin (Nr. 8). Dieser ist wahrscheinlich auf Herzog Karl III. von Lothringen (1543–1608) zurückzuführen, der 63 Jahre die Geschicke des Landes bestimmt hatte. Einen Einblick in Karls umfangreichen Tapisserienbestand geben die anlässlich seines Todes angefertigten Stiche nach Vorlagen von Friedrich Brentel, von denen sich einer ebenfalls in diesem Raum befindet (Nr. 29). 27 A–C Séance de S. M. des Ducs et de tous les Officiers de la Couronne (Die Vorstellung seiner Majestät Illustrationen des Herzogs und der Amtsträger zur Krönung der Krone) Ludwigs XIV. Aus: Jean le Pautre, Cérémonies du Sacre de Louis XIV, 1654 Kupferstiche Wien, Albertina, Historische Blätter, Bd. 11, Nrn. 34 bis 36 Jean Le Pautre (1618–1682) gehört zu den bedeutendsten Dekorationskünstlern und Kupferstechern seiner Zeit. Seine Illustrationen zur Krönung Ludwigs XIV. (1638–1715) im Jahr 1654 stellen eine einzigartige Quelle zum Ablauf dieses komplexen Zeremoniells dar. Der Kupferstich zeigt die Vorstellung des zu krönenden Königs in der Kathedrale zu Reims. In Anwesenheit der Herzöge und Träger der Großämter der französischen Krone leistet der zukünftige König den Eid. Danach werden die versammelten Adeligen gefragt, ob sie Ludwig als König akzeptieren wollen. Nach erfolgter Zustimmung werden die königlichen Insignien gesegnet. Die Illustration gibt den Blick auf einen Teil des Langhauses der Kathedrale frei. Nicht nur die eigens errichteten Tribünen, sondern vor allem die Wände selbst sind vollständig mit Tapisserien verkleidet, die – wie Nr. 27 B zeigt – sogar bis in die Zone der Triforien reichen. Sacre et Couronnemens du roi (Salbung und Krönung) Die wichtigste Zeremonie im Zuge der Krönungsfeierlichkeiten zum französischen König ist die Salbung (Sacre). Nur dieser Akt ist für die Gültigkeit der Krönung entscheidend. Er stellt das von Gott gegebene Recht zu regieren und die symbolische Vereinigung des Königs mit der christlichen Kirche dar. Der Kupferstich zeigt den Blick durch das Langhaus der Kathedrale von Reims zum Chor, wo der zu krönende König vor dem Altar kniet. Weltliche und geistliche Würdenträger sowie die Hofgesellschaft, für die im Langhaus eigens Logen errichtet wurden, nehmen an den Feierlichkeiten teil. Die Langhaus- und Chorwände sind unterhalb der Triforien mit kostbaren Tapisserien, die in zwei Reihen übereinander aufgehängt wurden, geschmückt. Weitere Wandteppiche umkleiden die mächtigen Pfeiler. Auch das Gestühl im Langhaus ist von textilem Dekor hinterfangen. Die reiche Verwendung dieser repräsentativen Ausstattungsobjekte verwandelt die bischöfliche Kathedrale in eine königliche Krönungskirche. Le roi séant dans son trône pendans la célébration de la messe, après son sacre (Der König sitzt nach seiner Salbung während der Pontifikalmesse auf seinem Thron) Dieses Blatt ist das letzte in der Serie der Illustrationen zur Krönung Ludwigs XIV. In feierlichem Geleit schreitet der König nach dem Sacre (Nr. 27 B) zum Aufgang auf eine lettnerartige Tribüne, wo er unter einem Baldachin thronend an der Pontifikalmesse teilnehmen wird. Links und rechts davon erwarten den Souverän bereits jene sechs geistlichen und sechs weltlichen Hochadeligen, die dem Erzbischof während des Sacre assistierten. Im linken vorderen Eck des Kupferstiches steht die Loge der Königinmutter, Anne d’Autriche (1601–1666), in der sie zusammen mit ihrem Gefolge dem Ablauf der Zeremonie beiwohnt. Wie schon auf den beiden anderen Blättern ist auch hier die reichhaltige Wandverkleidung durch Tapisserien gut zu erkennen. Bei der Auswahl der dargestellten Szenen waren neben historischen und mythologischen vor allem die Taten der Apostel nach Raffael besonders geschätzt. Zusätzlich zeigt dieser Kupferstich eine weitere Verwendung von textilem Dekor, die Logen- und Thronverkleidung. 28 Seit dem 16. Jahrhundert nobilitierten kostbare Wandbehänge Staatsakte und andere zeremonielle Anlässe. Sie schmückten nicht nur Le Roy allant à Innenräume, sondern auch Straßenzüge und l’Eglise (Der Plätze, wie dieser Kupferstich aus einem der König auf seinem prunkvollsten französischen Zeremonienbü- Weg zur Kirche) cher eindrucksvoll veranschaulicht. Aus: Pierre Dulin u. a., Le Sacre de Louis XV, Roy de France et de Navarre, dans l’Eglise de Reims, 1722 Kupferstich Wien, Albertina, Inv.Nr. Cim.I.30. Dieses Blatt zeigt den feierlichen Krönungszug des damals 12-jährigen Ludwig XV. (1710– 1774) zur Kathedrale von Reims. Der zukünftige König und sein Gefolge schreiten auf einem Laufsteg, der mit kostbarem Stoff ausgelegt ist. Links und rechts wird er von behelfsmäßigen Stellwänden flankiert, die innenseitig, nur für die Teilnehmer des Krönungszuges sichtbar, vollständig mit luxuriösen Tapisserien dekoriert sind. Damit ist dem Volk, wie im Krönungsritus vorgeschrieben, vor dem Ende der offiziellen Zeremonie der Blick auf den König versagt. Erst nach den Feierlichkeiten können alle Untertanen des Königs die prachtvolle Dekoration bestaunen, die damit nun zwei weitere wichtige Funktionen erfüllt: die königliche Repräsentation und die politische Machtdemonstration. 29 Die lothringischen Herzöge verfügten ebenso wie andere europäische Fürstenhäuser über eine umfangreiche Tapisseriensammlung. Ei- Der Leichnam nen Einblick in den qualitätsvollen Bestand Karls III. von und seine Verwendung gewährt eine 1609 pu- Lothringen blizierte Stichfolge mit Texten des Zeremoni- Aus: Friedrich Brentel, Les Pompes Funèbres de Charles III (1608) Publiziert von Jean Savine, Nancy, 1609 Kolorierter Kupferstich Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Inv.-Nr. 839501-I enmeisters Claude de La Ruelle. Sie dokumentiert die Trauerfeierlichkeiten anlässlich des Todes von Herzog Karl III. Im herzoglichen Palast in Nancy wurde eine Bühne aufgebaut, auf der unter einem Baldachin der Leichnam des Herzogs aufgebahrt war. An den Wänden waren zwei Tapisserienserien mit biblischen Themen montiert: Szenen aus dem Leben Moses sowie Szenen aus dem Leben des Apostels Paulus. Auf dem Stich kann die Moses-Thematik eindeutig identifiziert werden. Wahrscheinlich handelt es sich um die noch heute in Wien erhaltenen Tapisserien desselben Inhalts aus dem Nachlass Kaiser Franz I. Stephans. 30 Der Kupferstich bildet die Fronleichnamsprozession am 12. Juni 1648 in Paris ab. Gezeigt ist eine im Hof des Palais Royal aufgebaute Le reposoir du Festarchitektur, zu deren Seiten Tapisserien Saint Sacrement unter freiem Himmel hängen. Es handelt sich (Das Fronleich- um eine spätere Auflage der berühmten Apos- namsfest in Paris teltapisserien. Die Entwürfe dazu waren 1515 am 12. Juni 1648) von Papst Leo X. bei Raffael in Auftrag gege- Stefano della Bella Um 1648 Kupferstich Privatbesitz ben worden. Die Entscheidung, die erste als Dekor für die Sixtinische Kapelle gedachte Auflage in einer Brüsseler Manufaktur anfertigen zu lassen, war von weitreichender Bedeutung für die flämische Tapisserieproduktion. Der erstmalige intensive Kontakt mit den Errungenschaften der italienischen Renaissance führte nämlich zu einer Stilrevolution auf dem textilen Sektor. Bei den im Kupferstich della Bellas zu sehenden Tapisserien handelt es sich um eine spätere Auflage der berühmten vatikanischen Serie. Sie gehörte zum Besitz der französischen Krone und implizierte die Anwesenheit des Potentaten. Obwohl es sich um einen kirchlichen Festtag handelt, wird durch ihre Präsentation demnach eindeutig ein weltlicher Bezug hergestellt. 31 Eine leicht verblichene historische Tapisserie, wohl aus dem späten 18. Jahrhundert, zeigt eine verführerisch schöne Landschaft mit Bäu- gone Nives Widauer (*1965 in Basel, lebt und arbeitet in Wien) 2011 Videoprojektion auf einer Tapisserie Leihgabe der Künstlerin men, Reihern, einem Ibis. Darauf projiziert Nives Widauer in einer Endlosschleife die Videosequenz einer mit einem Mantel bekleideten Frau, die ruhig in die Tiefe der Landschaft schreitet, in der sie schließlich ganz verschwindet, gefolgt von einem eigentümlichen Schatten. Bevor sich diese Szene wiederholt, gibt sich kurz die braun-beige-grüne Farbigkeit der Tapisserie zu erkennen – der eben noch stimmungsbildende Blauton ist also ein wichtiges Element des Videos, das sich wieder und wieder über das unbewegte Relikt legt. Mit dieser sensiblen filmischen Überlagerung lädt die Künstlerin suggestiv zur Identifikation mit der Rückenfigur ein und schafft ein subtiles Spannungsfeld zwischen Zeiten und Realitäten, dem historischen Material und dem ganz heutigen, immateriellen Video, zwischen Gegenwärtigkeit und Verschwinden. Die digitale Pixelstruktur des Videos überblendet das analoge Fadenraster der Tapisserie und die daraus resultierende Unschärfe erzeugt eine Offenheit der Deutung, die lange in uns nachwirkt. 32 Wie eine Piratin plündert Margret Eicher mehr oder weniger aktuelle Medienbilder unterschiedlichster Herkunft, collagiert und mon- GroSSe See- tiert sie am Bildschirm und lässt die hybriden schlacht Resultate sodann in Flandern, dem Ursprungs- Margret Eicher (*1955 in Viersen, lebt und arbeitet in Ladenburg) 2003 Digitale Montage/ Jacquardgewebe (Auflage 3) Karlsruhe, ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie land der historischen Tapisseriekunst, auf einem digital gesteuerten mechanischen Webstuhl in das textile Medium übertragen. Mit dem Thema der Seeschlacht begibt sie sich auf ein klassisches Terrain machtpolitischer Repräsentation und unterstreicht dies noch durch das Zitat einer offensichtlich historischen Tapisserie-Bordüre, die das Kampfgeschehen umrahmt. Dieses aber stammt aus einer ganz anderen Epoche: Pearl Harbour 1941! Die Künstlerin zitiert jedoch nicht ein Foto des realen Geschehens, sondern sie verarbeitet einen Film-Still aus der wegen mangelnder Authentizität viel kritisierten Verfilmung von Michael Bay (Hauptdarsteller: Ben Affleck) aus dem Jahr 2001. Die Kombination mit Fantasy-Flugsauriern und dem ein Krokodil bändigenden Tarzan nach einem Bild des einflussreichen Fantasy- und Science-FictionIllustrators Frank Frazetta (1928–2010) offenbart die kritische Ironie, mit der Eicher gleichermaßen zeitgenössische und historische Bildmedien befragt. 33 Die außerordentlich unbehagliche Wirkung dieses Werkes verdankt sich nicht nur dem zentralen Motiv, einem sein Maschinengewehr Das groSSe Rasen- abfeuernden Soldaten, sondern ebenso der ir- stück ritierenden Kombination von Bildgegenstän- Margret Eicher (*1955 in Viersen, lebt und arbeitet in Ladenburg) 2013 Digitale Montage/ Jacquardgewebe (Auflage 3) Karlsruhe, ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie den und Bildebenen. Während die Hintergrundlandschaft wohl auf einer historischen Tapisserie beruht, sind einige der Pflanzen im Vordergrund Zitate aus einem der berühmtesten Aquarelle Albrecht Dürers: Das große Rasenstück (1503)! Die umgebende Bordüre überlagert unten die Menüleiste eines Ego-Shooter-Computerspiels, wodurch der Realitätsgrad des Kriegers unterminiert wird. Sein Gewehr trägt die Aufschrift »SIMULATION«, während in der Menüleiste eine Textzeile die Ununterscheidbarkeit von Zeichen und Realität behauptet. Eicher bezieht sich hier direkt auf die gesellschaftskritische Simulationstheorie Jean Baudrillards. Und dies im Medium der Machtrepräsentanz schlechthin, der Tapisserie bzw. der Simulation einer solchen! Diese aggressive Kombination von high and low, von Affirmation und Subversion lässt geradezu halluzinatorisch alle Maßstäbe verschwimmen; hierauf verweisen ebenso unübersehbar wie humorvoll die gewaltigen Fliegenpilze. VORTRAGSREIHE* Do, 16.7. Tapestries from the era of Charles V and The 17.30 Uhr Notre-Dame du Sablon in Brussels Dr. Ingrid De Meûter Königliche Museen für Kunst und Geschichte – Jubelparkmuseum, Brüssel Vortrag in englischer Sprache Do, 30.7. Tapisserien – fragile Kunstwerke! Zur Herstel- 17.30 Uhr lung, Konservierung und Pflege André Brutillot Tapisseriekonservator, ehemals Bayerisches Nationalmuseum, München Do, 3.9. Warum Tapisserie? Die Macht eines repräsentati- 17.30 Uhr ven und politischen Mediums im 16. Jahrhundert Dr. Katja Schmitz-von Ledebur Kunsthistorisches Museum Wien Di, 8.9. Aus der Reihe »Alte Meister im Gespräch« (in 19 Uhr Kooperation mit dem Dorotheum) Flanders and Italy. Italian artists as designers of flemish tapestries in the 16th century (1510–1550) Prof. Dr. Guy Delmarcel Emeritus Professor für Kunstgeschichte der Katholischen Universität Leuven Vortrag in englischer Sprache Bitte um Anmeldung unter [email protected] MITTAGS- Beginn 12.30 Uhr FÜHRUNGEN* Dauer ca. 30 Min. Treffpunkt: Vestibül di, 7.7. Der Triumph der Liebe Dr. Rotraut Krall di, 14.7. Triumphzug des João de Castro Dr. Rotraut Krall di, 21.7. Herkules und die lernäische Hydra Mag. Andreas Zimmermann di, 28.7. Jaël tötet Sisera Mag. Andreas Zimmermann di, 4.8. Die Schlacht in den Ruinen von Karthago Mag. Barbara Herbst di, 11.8. Baldachin Mag. Daniel Uchtmann di, 18.8. Danae Mag. Barbara Herbst di, 25.8. Raub der Sabinerinnen Mag. Daniel Uchtmann * Teilnahme frei mit gültigem Museumsticket, Anmeldung nicht erforderlich (Ausnahme 8.9.) kuratorinnen- Mi, 22.7., 16 Uhr führung* Mit Dr. Katja Schmitz-von Ledebur Treffpunkt: Vestibül überblicks- Do, 19 Uhr führungen Sa/So 11 und 15 Uhr Dauer: ca. 60 Min., Teilnahme € 3 Treffpunkt: Vestibül SPEZIAL- Mi, 9.9. und 16.9. FÜHRUNGEN* jeweils 16 Uhr Dauer: ca. 60 Min. Mit Mag. Andreas Zimmermann Treffpunkt: Vestibül KINDER- Sa, 5.9. und 19.9. FÜHRUNGEN** Wolle an der Wand – Teppiche als Bilder 5- bis 8-Jährige: 15 Uhr 9- bis 12-Jährige: 16 Uhr * Teilnahme frei mit gültigem Museumsticket, Anmeldung nicht erforderlich ** Eintritt für Kinder gratis, ermäßigter Eintritt für begleitende Erwachsene, Führung gratis, Anmeldung nicht erforderlich PRIVATE Wünschen Sie eine private FÜHRUNGEN Führung in der Sonderausstellung oder in unseren Sammlungen? T +43 1 525 24 - 5202 Mo–Fr, 9–16 Uhr [email protected] öffnungszeiten 14. Juli bis 20. September 2015 Di–So, 10 bis 18 Uhr; Do bis 21 Uhr Juli und August täglich geöffnet! katalog Katja Schmitz-von Ledebur, Fäden der Macht. Tapisserien des 16. Jahrhunderts aus dem Kunsthistorischen Museum ISBN 978-3-99020-098-8 T +43 1 525 24 - 6904 www.khm.at/unterstuetzen/freunde-des-khm Dieses Booklet erscheint mit freundlicher Unterstützung des Vereins der Freunde des KHM Grüsse aus dem Wir verschicken die Karte innerhalb der EU Kunsthistori- für Sie. Einwurf in der Ausstellung oder im schen Museum Shop! Außen: Herkules schlägt mit der Keule die Köpfe der lernäischen Hydra ab // Tapisserie aus der Serie »Die Taten des Herkules« (Ausschnitt) // Hergestellt um 1550/65 Herausgeber Dr. Sabine Haag, Generaldirektorin Kunsthistorisches Museum Wien Burgring 5, 1010 Wien © KHM-Museumsverband konzept Katja Schmitz-von Ledebur autoren Barbara Herbst (Nr. 22) Rotraud Krall (Nrn. 27, 28) Stefan Krause (Nr. 21) Guido Messling (Nr. 18) Matthias Pfaffenbichler (Nr. 17) Katja Schmitz-von Ledebur (Einführung, Nrn. 1, 1 A, 2–13, 13 A, 14, 14 A, 14 B, 15, 23–26, 29, 30) Daniel Uchtmann (Nrn. 19, 20) Heinz Winter (Nr. 16) Andreas Zimmermann (Nrn. 31–33) lektorat Annette Schäfer grafik Nina Fuchs Partner
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