Brigitte, Nr.8, Mi 1.4.2015 dossier Psychologie Kann ich mich wirklich neu erfinden Ein anderer Mensch werden? Mutiger, kompromissloser oder auch unbeschwerter? Oft denken wir: Es steht doch fest, wer man ist. Dabei ist Veränderung fast immer möglich. Diese fünf Frauen wissen, warum Br ig it t e. de 8/ 2 015 105 dossier Es spricht überhaupt nichts dagegen, der Mensch zu bleiben, der man ist. Richtig spannend wird das Leben aber erst, wenn man sich fragt, wer man alles sein könnte M enschen brauchen Sicherheit. Deswegen ist es ja auch so beruhigend zu wissen, wer man ist. Was man kann und was nicht, wie einen andere einschätzen, in welchen Situationen man die Nerven verliert und wann man ganz ruhig bleibt. Man spielt auf seiner Gefühls- und Talente-Klaviatur, ohne dabei den falschen Ton anzuschlagen. Meistert Beziehungen, Konflikte, das Leben. Bis sich irgendwann die uralte Frage stellt: Ist das eigentlich alles? Bin das ich? Kann ich an diesem Ich, das mich seit zwanzig, dreißig, fünfundsechzig Jahren durchs Leben begleitet, etwas entdecken, das mich überrascht? Welche Sehnsüchte, Fähigkeiten, Abgründe stecken eigentlich in mir? Und wieso lebe ich nicht wie dieser Typ, der letztens beim Abend essen mit Freunden dabeisaß? Der zwar seit Jahren keinen festen Wohnsitz, da- für aber einen ziemlich coolen Rucksack hat. Dieser Typ, dem man neugierigwehmütig zuhörte, und die ganze Zeit dachte man: „Könnte das nicht auch ich sein?“ Genauso wie die Sicherheit brauchen wir nämlich auch die Veränderung. Aber wie genau oder ob sie tatsächlich stattfindet – darüber streitet sich die Wissenschaft. Sehr strenge Hirnforscher meinen: Der Mensch ist, wie er ist – daran lässt sich durch nichts und wieder nichts etwas drehen. Dennoch einigen sich in den letzten Jahren mehr und mehr Wissenschaftler auf den Kompromiss, dass die Persönlichkeit und ihre Fähigkeit, sich zu verändern, zwar eine Sache von Veranlagung, aber eben auch der Erfahrungen ist, die wir machen. Der bekannte Neurologe Joachim Bauer ist jedenfalls überzeugt davon, dass wir einen freien Willen und damit die Fähigkeit zu Selbstbestimmung besitzen. in uns steckt mehr als die person, die wir zeigen 106 B r i git te .de 8 /2 015 Ich verschwand sofort in der letzten Reihe, wenn fremde Menschen zu sammenkamen. Egal ob Familienfest, Konferenz oder Elternabend. Nur nicht auffallen, nicht diskutieren müssen! Meine Unsicherheit konnte man mir regelrecht ansehen: Ich trug fast aus schließlich Grautöne. Einmal kaufte mein Mann mir spontan ein farbenfro hes Outfit. Zu Hause schaute ich ihn ratlos an. Wie konnte er glauben, dass ich solche Farben tragen würde? Einen Tag später brachte ich die Sachen kleinlaut zurück. Dann kam Kilian auf die Welt. Mein Sohn war von Geburt an mehrfach schwerstbehindert. Er lernte nie sprechen und laufen und musste über eine Sonde ernährt werden. Mein Leben änderte sich radikal. Und ich mich gezwungenermaßen auch. Ich spürte tief in meinem Herzen, dass diesem Kind meine Liebe und Fürsorge allein nicht reichen würden. Dass Kilian eine Mutter brauchte, die mutig und selbstbewusst für seine Bedürfnisse einstand. Denn je älter er wurde, desto häufiger kam es zu Konflikten mit Ärzten und Ämtern. So verfrachtete ihn die Schulbehörde liegend mit dem Krankenwagen in eine Sonderschule. Obwohl man ihm die Strapazen deut lich ansehen konnte. Einige Ärzte woll ten ihn wieder und wieder operieren. Ungerührt davon, dass sich sein Zu stand damit verschlechterte. Aus Liebe zu meinem Sohn lernte ich, nach vorn zu treten und lautstark „Nein!“ zu sa gen. Von Mal zu Mal fiel es mir leichter. Bei einem integrativen Zirkusprojekt, das ich ehrenamtlich unterstützte, verliebte ich mich in die Haltung des Clowns: Er darf scheitern und jammern. Aber dann steht er auf und macht wei ter. So wie ich. Heute stehe ich selbst mit roter Nase auf der Bühne, gehe in Kinderhospize und spreche auf Tagungen über die Kraft des Humors. Als Kilian mit 16 Jahren starb, hatte ich gelernt, dass ich meiner Unsicherheit am besten mit Gelassenheit und Humor entgegentrete. »früher war ich unsicher, heute bin ich selbstbewusst« tanja landes F oto matt hi as schmi e del protoko ll s il i a wi eb e »Der Weg zu dir fuhrt durch das Ganze« Tanja Landes, 46, Künstlerin aus Heilbronn, veränderte sich durch die Geburt ihres behinderten Sohnes dossier »früher war ich ein sorgenmensch, heute vertraue ich auf mein schicksal« Judith Döker, 41, Schauspielerin aus Berlin, entdeckte sich neu, als sie durch eine Krise ging* F ot o m a r c u s h ö h n Lo c a t i o n „t h e b e r l i n S t o r e “ P r ot o ko ll M e i k e W e r k m e i s t e r judith döker Als ich beschloss, dass ich etwas ändern muss, hatte ich gerade eine schmerzhafte Trennung hinter mir, auch beruflich lief es nicht. Ich machte mir viele Sorgen, war ängstlich, unentspannt. Heute, drei Jahre später, bin ich positiv, unbeschwert und fröhlich. Wie ich mich so verändert habe? Indem es mir in der Krise gelang, mein Leben aus einem anderen Blickwinkel zu sehen: Ich hatte keinen Partner, kein Kind, keinen Job, aber ich war unglaublich frei. Ich lernte nach und nach, Schwierigkeiten nicht mehr persönlich zu nehmen, sondern sie als eine Art Rätsel zu betrachten. Vorher habe ich mich oft ohnmächtig gefühlt, wenn etwas schiefging. Nun versuchte ich zu hinterfragen: Was hat das mit mir zu tun? Was kann ich daraus lernen? Und erkannte: Wenn ich ruhig und optimistisch bleibe, öffnet sich eine andere Tür. Eine davon führte mich nach Mumbai, wo ich zwei Jahre lang lebte. Mein bester Lehrer in dieser Zeit war Nakul, ein indischer Schauspieler, in den ich mich verliebte. Ich habe nie zuvor jemanden getroffen, der über so viel Vertrauen ins Schicksal verfügt. Wenn ich ins Grübeln verfiel, bat er mich, mir zwei Fragen zu stellen: „Hast du alles Nötige getan?“ Und: „Kannst du heute noch irgendetwas tun?“ Wenn ich dann verstünde, dass ich die Sache nicht mehr beeinflussen könne, sollte ich mich lieber um schöne Dinge kümmern. Mit eiserner Disziplin hielt ich mich daran und tatsächlich: Die meisten Probleme lösten sich in Luft auf. Seitdem mache ich mich nicht länger verrückt. Durch meine neue Entspanntheit trat viel mehr Leichtigkeit und Freude in meinen Alltag, sogar, als ich nach der Trennung von Nakul nach Berlin zurückkehrte. Manchmal meldet sich zwar noch mein alter Alarmknopf, dann halte ich inne und denke: Früher hätte diese Situation mir den Tag verdorben, heute weiß ich es zum Glück besser. *Judith Döker: „Judith goes to Bollywood. Wie ich in Indien den Erfolg suchte und die Liebe fand“ (320 S., 14,99 Euro, btb Verlag) Und schätzt: „Dass der ‚Text‘ der Gene etwa 30 Prozent ausmacht und die ‚Erfahrungen‘ rund 70 Prozent.“ Unsere Persönlichkeit mag also geprägt sein durch unsere Biologie, durch die Menschen, die uns umgeben und die Umstände, in denen wir leben. Zeit und Erlebnisse hinterlassen ihre Spuren, manches, was in uns steckt, verwischt, manches wird unsichtbar. Entweder, weil wir es nicht brauchen. Oder, weil es konträr zu dem Bild steht, das andere von uns haben sollen. Oder das wir selbst gern von uns hätten. Dennoch – die Strahlkraft, die von der Idee des Neubeginns ausgeht, ist groß. Egal, wie oft schon Menschen daran scheiterten – sie nutzt sich einfach nicht ab. Der Wunsch nach echter Veränderung sitzt tiefer, als dass man ihn mit einer neuen Frisur, einem neuen Mann oder einem neuen Job dauerhaft befriedigen könnte. Dabei erscheint der Unterschied zwischen „Sich-verändern“ und „Sich-neuerfinden“ nur auf den ersten Blick mar ginal. Es bedeutet jedoch etwas gewaltig anderes, sich vorzunehmen, von nun selbstbestimmter, kompromissloser oder liebevoller zu leben, als einfach nur pünktlicher im Büro zu erscheinen. sehnen. Dafür müssen wir schon tiefer schürfen, ehrlich mit uns und unseren Bedürfnissen sein, um danach Schicht für Schicht freizulegen. All das, was wir in uns spüren, aber nicht trauen zu leben. Denn das ist die eigentliche Entdeckung, darauf kommt es an. Schon der Dramatiker Friedrich Hebbel sagte: „Der Weg zu dir führt durch das Ganze“. Das Problem ist nur: Je länger wir mit unseren Schichten leben, desto lieber glauben wir, dass sie tatsächlich zu uns gehören – dass wir das sind. Oder wir reden uns ein, dass wir uns vielleicht noch mit 20, aber doch nicht mehr mit 52 ändern können. Blödsinn! Und nichts als eine Ausrede. Die Entdeckung unseres neuen Ichs ist nämlich nicht allein unserem jugendlichen Alter Ego vorbehalten – gerade später, mit 60 oder 70 Jahren, befinden wir uns noch einmal in einer Phase, in der wir unser Leben und unsere Art, es zu füllen, neu bewerten. Und gegebenenfalls ändern (siehe auch das Interview ab Seite S. 110). Weil wir angesichts unserer eigenen Endlichkeit verstehen, dass es nichts bringt, andere verändern zu wollen – sondern, dass wir damit nur bei uns selbst anfangen können. Vielleicht geht es also letztendlich gar nicht darum, uns wirklich neu zu erfinden, sondern eben nur darum, uns neu zu entdecken. Also, holen Sie die Schaufel heraus und fangen Sie an zu graben. nichts ist fur immer. auch unser selbstbild nicht – zum gluck N ur verändern wir uns ehrlicherweise meistens erst dann, wenn es nicht mehr anders geht: Weil das Herz in letzter Zeit zu oft stolpert und der Arzt Bewegung fordert. Weil der Job schlecht bezahlt ist, aber das Leben teuer. Weil der Partner mit Auszug droht, wenn wir nicht endlich anfangen, gelassener aufs Leben zu blicken. Diese Art der Veränderung wird von außen an uns herangetragen, wir können uns ihrer nicht erwehren, und sie ist auch nicht immer unbedingt das, wonach wir uns Merle Wuttke, 39, arbeitet seit Jahren daran, ihre Ungeduld in den Griff zu bekommen. Sie dachte, drei eigene Kinder würden dabei helfen und sie quasi nebenbei lehren, eine Art Zen-Haltung zum Leben zu entwickeln. Leider musste sie feststellen, dass eher das Gegenteil der Fall ist Br ig it t e. de 8/ 2 015 109 dossier Marla Doe, 27, Burlesque-Tänzerin aus Köln, veränderte sich durch ihre Bühnen-Auftritte Veränderungen begleiten unser Leben. Wie sehr wir sie zulassen, bestimmen wir selbst, sagt die Psychologin Prof. Dr. Jule Specht BRIGITTE: Kann man sich als Erwachsener noch grundlegend verändern? JULE SPECHT: Ja. Es gibt unterschiedli che Arten der Veränderung: die beabsich tigte und die, die mehr oder weniger von selber kommt. Mit Letzterer beschäftige ich mich als Persönlichkeitsforscherin vorwiegend. Aber eine Person, die sich ändern will, kann das auch. Wirklich? Millionen von uns scheitern doch ständig an ihren Vorsätzen. Man kommt im Leben immer wieder in Situationen, in denen man merkt: So wie ich bin, habe ich Schwierigkeiten, mit etwas klarzukommen. Wenn ich ins Be rufsleben einsteige, wird von mir erwar tet, dass ich gewissenhaft bin. Der Chef guckt komisch, wenn ich zu spät komme; ich kriege Probleme mit den Kunden, wenn ich unzuverlässig bin. Da baut sich ein gewisser sozialer Druck auf, der dazu führt, dass Menschen sich verändern, in diesem Fall gewissenhafter werden. Wie läuft so etwas genau ab? Nicht so, dass Sie sich abends überlegen: Ab morgen ändere ich meine Persönlich keit. Es ist ein Prozess. Meistens beginnt er in einem Lebensbereich: Jemand nimmt sich vor, pünktlicher zu sein, und macht das bei der Arbeit. Wenn er darü ber hinaus seinen Schreibtisch im Büro in Ordnung hält und sich das auf andere Lebensbereiche überträgt, er also pünkt lich zu Verabredungen kommt und auch daheim sein Bett macht – dann kann man von Persönlichkeitsveränderungen 110 B r i git te .de 8 /2 015 sprechen. In diesem Fall hätte sich also die Gewissenhaftkeit der Person erhöht. Gibt es Phasen im Leben, in denen sich der Mensch besonders stark ändert? An sich ist die Persönlichkeit eines Men schen sehr stabil. Grundlegende Per sönlichkeitseigenschaften variieren nur leicht. Aber es gibt Altersphasen, in denen man besonders sensibel ist für Veränderungen. Die eine geht bis zum Alter von ungefähr 30 Jahren – da verän dern sich viele Personen besonders stark. Wenn man dann seine erwachsene Rolle gefunden hat – das dauert heutzutage oft auch länger, bis 35, 40 – kommt eine vergleichsweise stabile Phase im mittle ren Alter. Diese ist stabiler als das junge und hohe Alter, aber nicht so sehr, als dass keine Veränderungen möglich sind. Und ab 60, 70 kommt es bei vielen noch mal zu starken Veränderungen. Tatsächlich, noch einmal im Alter? Da verändert sich der Mensch oft sehr viel mehr, als man denken würde. Ältere Personen sind verträglicher als jüngere, also altersmilde, aber auch in der Regel weniger offen für neue Erfahrungen, also konservativer. Was verstehen wir überhaupt unter diesem Begriff „Persönlichkeit“? Das ist die individuelle Besonderheit im Denken, Fühlen und Handeln. Persön lichkeitsmerkmale wurden systemati siert und „Big Five“ genannt: Extraversion, Neurotizismus, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit, Offenheit für neue »früher fühlte ich mich einfach nur dick, heute bin ich sinnlich« marla doe F ot o s e l i n a p f r ü n e r p r ot o ko l l m e r l e w u t t k e Bin das wirklich ich? In meiner Kindheit und Jugend war das Verhältnis zu meinem Körper geprägt von dummen Sprüchen, in denen sehr oft das Wort „fett“ vorkam. Ich trug mit zehn Jahren Klamotten, die für 14-Jährige waren. Um schlank zu sein, machte ich Diäten und blickte wahn sinnig kritisch auf meinen Körper, entwickelte eine starke Strenge gegenüber mir selbst. Das Problem ist: Wenn man nicht der „Norm“ entspricht und deswegen zur Zielscheibe wird, igelt man sich entweder ein, oder man erfindet sich neu. Ich tat beides. Als Jugendliche versteckte ich mich unter „Gothic“-Klamotten, und als Erwachsene entwickelte ich ein neues Verhältnis zu meinem Körper. Vor drei Jahren sprang ich, nachdem ich ein paar Burlesque-Workshops gemacht hatte, ins kalte Wasser und tanzte das erste Mal auf der Bühne. Es war eine winzige Bar, der Abstand zum Publikum betrug gerade mal einen halben Meter. Ich war nervös, doch sobald ich mein Kostüm anhatte und Marla Doe (mein Künstlername) wurde, passierte etwas in mir: Die Sorge, dass das Publikum mich zu dick finden könnte, rückte ins Abseits. Es ist furchtbar anstrengend, sich nicht von außen erschüttern zu lassen, wenn Menschen fragen, ob man sich selbst dick findet. Ich möchte auch gar nicht propagieren, dass Burlesque der Schlüssel zur Selbstliebe ist. Aber für mich war es eine große Stütze und Prüfung. Heute akzeptiere ich mich. Ich mag meine Kurven – und meinen Hintern ganz besonders. Genuss ist für mich sehr wichtig, das Leben ist zu kurz, um sich zu geißeln. Natürlich achte ich auf meine Ernährung und mache Sport, aber ich habe nicht mehr das Bestreben, Kleidergröße 34/36 zu erreichen. Dita van Teese sagte mal: „Du kannst der süßeste, saftigste Pfirsich sein, und es wird dennoch immer Menschen geben, die keine Pfirsiche mögen.“ So sehe ich das auch. Es gibt Menschen, die mögen mich, und es gibt Menschen, die finden mich unattraktiv. Das ist in Ordnung, solange ich bei mir bleibe. Sicher fühle ich mich auch nicht immer sexy. Aber heute bin ich dankbar, dass ich mich nicht mehr für meinen Po schäme, sondern dafür sogar Komplimente bekomme. dossier »früher war ich fremdbestimmt, Christine Finke, 48, wie pünktlich und wie strukturiert sie auftritt. Komme ich mit meiner ganz individuellen Ausprägung dieser Persönlichkeitsmerkmale auf die Welt? Einige Wissenschaftler meinen, die Persönlichkeit sei durch Gene und Gehirn weitestgehend vorbestimmt und kaum veränderbar. Andere glauben an die Prägungen der Umwelt. Ich denke, dass der genetische Einfluss etwa genau so groß ist wie der Einfluss der Umwelt. Das lässt sich aus Zwillingsstudien folgern. Wer mehrere Kinder hat, weiß: Das eine ist schon als Baby fröhlicher, das andere sorgenvoller. Bleibt das so? Nein, die Persönlichkeit ändert sich über die gesamte Lebensspanne. Die „Big Five“ lassen sich bereits im Alter von zehn, zwölf Jahren gut erkennen, aber die Ausprägung wird sich danach bei den meisten Menschen noch weiterentwickeln. Es heißt doch immer, mit sechs Jahren sei die Persönlichkeit quasi ausgereift. Wir wissen mittlerweile, dass das nicht stimmt. Es kommt darauf an, was man erlebt. Welche Ereignisse gibt es in meinem Leben? Welche Erwartungen werden an mich gestellt? Man verändert sich am ehesten, wenn man sich konkrete Ziele vornimmt. Zum Beispiel: „Beim nächsten Treffen werde ich lieber zehn Minuten zu früh als zu spät dran sein.“ Wer das eine Zeit lang übt, kann seine Eigenschaften durchaus ändern. Und wenn man merkt: Das kommt gut an bei meiner Umgebung, dann versucht man es auch in andere Lebensbereiche zu übertragen. Aber ein ewiger Nörgler grantelt doch garantiert auch noch mit 72. Nein, nicht unbedingt! Denn gerade im hohen Alter finden oft massive Umbewertungen statt. Vielen Menschen ist dann besonders wichtig, sich zu fragen: alles lässt sich uben. auch neue eigen schaften 112 B r i git te .de 8 /2 015 heute entscheide ich« Früher war ich wie gehirngewaschen, es zählte nur das, was mein Mann für wichtig hielt. Mein Mann und ich bildeten eine Meinungseinheit. Wobei es nur seine Meinung gab. Ich bin 1966 geboren, damals galt: Ein gutes Mädchen muckt nicht auf. Die Meinung der anderen war mir wichtig. Bei meinem Mann fing es schleichend an. Ich war verliebt, er fand blond gut, also kamen Strähnchen in mein Haar. Mir gefiel es, wenn er mich bewunderte und umsorgte. Dass er das nur tat, wenn ich seinem Bild von mir entsprach, merkte ich erst spät. Er war sehr charismatisch, übervoll mit Ideen, lustig. Aber es musste nach ihm gehen. Er bestimmte sogar, welches Küchenpapier ich zu kaufen hatte. Fand ich eine seiner Ideen nicht gut, knallten Türen. Manchmal redete er tagelang nicht mit mir, manchmal wollte er einen Gegenvorschlag hören. Aber wenn man nur macht, was der andere will, wird man leer. Ich wusste bald nicht mehr, was ich will, schon gar nicht auf Knopfdruck. Das war Wasser auf seine Mühlen: Na, dann muss ich ja entscheiden! Ich zog mir den Schuh an. Dachte, ich sei negativ, langweilig, ideenlos. Seine Manipulationen durchschaute ich lange nicht. Sicherlich auch, weil es bequem war: Kaum Entscheidungen zu treffen, nimmt einem Lebenslast. Mir aber nahm es auch meine Lebensfreude. Als ich das verstand, was mehrere Jahre dauerte, wohl auch, weil wir drei Kinder haben, trennte ich mich. Vor diesem Schritt hatte ich Angst, schwer fiel er mir nicht – keine Sekunde lang. Ich erkläre mir das so: Das Negative und Ideenlose in mir war er gewesen. Er hatte mir dieses Siegel übergestülpt, und ich nahm die Rolle an. Als ich meinen Mann abstülpte, verschwand auch das Negative. Heute entscheide ich. Ich mache nichts mehr, hinter dem ich nicht stehe. Manchmal verletzt das andere. Aber ich habe so lange im eisig kalten Wasser gelegen – es gab nur zwei Möglichkeiten: erfrieren oder eben ganz neu anfangen. christine finke F oto matt hi as schmi e del protoko ll m adl e n ot t ensc hläge r Erfahrungen. Diese Eigenschaften hat jeder, aber in unterschiedlichen Ausprägungen. Wie kam man auf diese „Big Five“? Viele Psychologen haben versucht, die Persönlichkeit zu beschreiben. Dann gab es mehrere Kollegen, die sich dachten: Um eine Persönlichkeit zu beschreiben, nutzt der Mensch Wörter. Also griffen sie zu Wörterbüchern und suchten all die Wörter raus, die Denken, Fühlen, Handeln von Menschen beschreiben, etwa: schüchtern, draufgängerisch, jähzornig, verklemmt, schlampig usw. Unterscheiden sich die Begrifflichkeiten in anderen Sprachen, Kulturen und Zeiten denn gar nicht? Interessanterweise gleichen sie sich weltweit sehr stark. Natürlich wissen wir alle, dass fünf Oberbegriffe nicht ausreichen, um eine individuelle Persönlichkeit zu beschreiben. Aber grob können wir damit gut hantieren. Was beschreiben die „Big Five“? Da ist erstens die emotionale Stabili tät. Sie beschreibt, wie gut eine Person mit Stress umgehen kann, wie selbstsicher sie ist, wie wenig Sorgen, Angst und Ärger sie verspürt. Den Gegenpol nennen wir Neurotizismus. Dann haben wir zweitens die Extraversion, also ob jemand eher extra- oder introvertiert ist. Es geht hier auch um soziale Dominanz, Geselligkeit, Fröhlichkeit usw. Drittens, die Offen heit für neue Erfahrungen: Ist jemand offen gegenüber anderen Ideen, Kul turen, Denkweisen – oder hängt die Person eher konservativ an dem, was sie kennt. Viertens, die Verträglichkeit: Wie sehr vertraut eine Person anderen, wie freundlich ist sie – oder wie dickköpfig oder egozentrisch. Und fünftens die Gewissenhaftigkeit, also wie or dentlich eine Person, wie pflichtbewusst, Journalistin, Bloggerin (mama-arbeitet.de) und Stadträtin in Konstanz, entdeckte sich neu, als sie ihren Mann verließ dossier »früher dachte ich, mein Leben sei bereits vorbei, susann till, 72, machte sich vor drei Jahren mit einer kleinen Feinkost-Produktion selb ständig – und lernte ganz neue Seiten an sich kennen heute stecke ich wieder mittendrin« F ot o i lo n a h a b b e n p r ot o ko l l m e r l e w u t t k e susann till 114 B r i git te .de 8 /2 015 Vor ein paar Jahren hatte ich eine sehr schlechte Phase, körperlich ging es mir überhaupt nicht gut. Ich musste mich schwierigen Operationen unterziehen und wusste nicht, ob ich noch einmal auf die Beine kommen würde. Ich sah mich selbst schon im Pflegeheim sitzen und dachte, mein Leben sei vorbei. Meine Kinder und Freunde machten sich große Sorgen um mich. Doch dann spürte ich etwas in mir, einen großen Willen: „Nein, das kann es jetzt nicht gewesen sein.“ Und weil ich gern koche und zu Weihnachten an meine Familie immer selbst gemachte Chutneys verschenkt habe, fing ich wieder damit an – auch um mich von meinen Sorgen und Schmerzen abzulenken. Ich bestellte 100 Gläser im Internet und legte los: Stellte mich beim Amt für Lebensmittelhygiene vor, ließ mich von einer Unternehmerhilfe beraten, schnippelte Gemüse und Obst und kochte. Freunde probierten die Chutneys, mein Sohn meldete mich bei Facebook an, ein Freund half mir bei der Vermarktung meiner Produkte. Plötzlich konnte ich meine Sachen zur Verkostung in Feinkostläden in Hamburg und Berlin anbieten. Meine Beschwerden standen nicht länger im Vordergrund, sondern mein Leben und das, was ich noch mit ihm vorhatte. Vor knapp drei Jahren machte ich mich dann mit meiner eigenen Firma BySusann (www.bysusann.de) richtig selbständig, mittlerweile arbeiten fünf Minijobber abwechselnd bei mir. Das alles fordert meinen Kopf, aber ich möchte unbedingt diese neuen Erfahrungen machen. Weil ich merke, dass sie mich verändern: Ich gehe heute ganz anders auf Menschen zu, fühle mich viel freier und jünger. Wenn auf Food-Messen Ältere zu mir an den Stand kommen, dann sagen sie oft: „Ach, ich hatte auch mal so einen Traum.“ An mir sieht man, was dabei herauskommen kann – auch noch mit 69. Vor einem Jahr hätte ich mir nicht zugetraut, allein mit dem Auto und einem Anhänger voller Gläser nach Berlin zu fahren. Jetzt mache ich das. Mit 80 möchte ich schließlich mein Imperium aufgebaut haben. ‚Was täte mir jetzt eigentlich gut? Wie kann ich glücklich sein?‘ und sich ent sprechend zu verhalten. Ist die Persönlichkeit alles? Bin das wirklich „Ich“? Die Persönlichkeit beschreibt die indivi duelle Besonderheit einer Person im Ver gleich zu anderen. Wenn man die Persön lickeit breit auffasst, dann könnte man sagen, dass sie das gesamte Ich umfasst. Häufig wird die Persönlichkeit aber enger gefasst, und es werden etwa körperliche Unterschiede, wie die Attraktivität, oder Leistungsunterschiede, die Intelligenz, ausgeklammert. Darüber hinaus macht uns natürlich auch aus, mit welchen Menschen wir zu tun haben, in welcher Kultur wir leben und welchen Beschäfti gungen wir im Alltag nachgehen. Aber es gibt Geschich ten von Erweckungs erlebnissen: Saulus wurde zum Paulus. Es gibt tatsächlich Lebensereignisse, die unsere Persönlichkeit verändern können wie Krankheiten, Tren nungen, Krisen, aber auch positive Dinge wie eine neue Beziehung, die Geburt eines Kindes. Darüber hinaus gibt es den berühmten Fall von Phineas Gage. Das war ein Bahnarbeiter, dem bei einem Arbeitsunfall eine Eisenstange durch den Kopf schoss. Er überlebte und war da nach ein komplett anderer Mensch. Doch nicht wegen des traumatischen Erlebnis ses. Sondern weil sein Präfrontalkortex beeinträchtigt wurde, das ist das Areal im Stirnbereich, in dem viele Informationen über die Persönlichkeit gespeichert sind. Macht es Sinn, mir einen Partner zu suchen, der mir charakterlich ähnelt? Es gibt Studien, wonach Paare, deren Persönlichkeiten eher ähnlich sind, eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, eine stabile Beziehung zu führen. Aber die Effekte sind sehr gering. Was ist eine starke Persönlichkeit? Den Begriff nutzen wir in der Persön lichkeitspsychologie nicht. Im Alltag ge meint ist vielleicht etwas, das wir Extra version oder soziale Dominanz nennen. Es geht dauernd um Selbstoptimierung, und deren Ideal ist: extrovertiert, offen, gewissenhaft, stabil zu sein etc. Schafft es eine starke Persönlichkeit, diesem Anpassungsdruck zu widerstehen? Ich würde sagen: Manche Menschen passen sich leichter an als andere, weil sie eine große Bandbreite an Verhaltens weisen haben, die im Laufe des Tages wechseln können. Es gibt Personen mit einer großen Variabilität und welche, die sich in unterschiedlichen Situationen ähnlich sind. An sich ist Anpassungs fähigkeit aber meist von Vorteil. Eine starke Persön lichkeit, die nicht glaubt, sich dauernd ändern zu müssen, weil es die anderen von ihr erwarten – so jemand gilt in der Regel als integer. So jemand hat für mich die Merkmale einer gewissenhaf ten Persönlichkeit: Er bleibt seinen Prinzipien treu und verhält sich nicht opportunistisch. Das heißt nicht, dass es von Nachteil ist, unter Freunden be sonders verträglich zu sein, im Job aber auch den einen oder anderen Konflikt auszutragen, um wichtige berufliche Vorstellungen durchzusetzen. INTERVIEW: Nataly Bleuel * man kann nett zu seinen freunden sein, aber hart im job Online-Tipp Sind Sie bereit für Veränderungen? Testen Sie sich: www.brigitte.de/aendern * Interviewerin Nataly Bleuel hat selbst ein Buch zum Thema geschrieben: „Ich will raus hier: Anstiftung zum guten Leben“ (208 S., 18 Euro, Herder-Verlag) Jule Specht, 28, forscht als Psychologin an der Freien Universität Berlin zur Persönlichkeitsentwicklung. Auf www.jule-schreibt.de bloggt sie zu psychologischen Themen MYWAY, 5/2015 MYWAY, 5/2015 MYWAY, 5/2015 stern, Nr.25, 11.6.2015 extra Genuss 1 4 2 makellose Fleischspieße und stattliche Porterhouse-Steaks. Das Fleisch für seine Produkte kommt von benachbarten Höfen in einer picobello sauberen Natur. Die Kunden kommen von weit her gefahren, aber Frei verschickt seine Ware auch – gut vakuumiert und bestens gekühlt – deutschlandweit. Preise: 48 Euro/kg fürs Porterhouse* Kontakt: Meesiger Manufaktur, 17111 Meesiger, Tel. 039994/79 97 33, www.meesiger-manufaktur.de 3 4I 5 Daneben und Drum herum ● Natürlich ist die Qualität des Grillguts wichtig für das Vergnügen. Aber richtig glücklich werden Ihre Gäste mit guten Beilagen 1I Besser als Brühe Reste wegwerfen, das konnte Michael Ziffels in seiner Küche noch nie. Aber immer nur Brühe aus den Gemüseabschnitten kochen? Nein, sprach Ziffels, und versuchte sich an einem Chutney. Und machte sodann ein Geschäft daraus. Seine Pickles und Chutneys, wir sagen es frei heraus, sind eine Wucht: Angenehm saure Zitronen, feine Ingwerstückchen, pikant abgewürzt mit grünen Chilischoten, Kreuz- und Schwarzkümmel – so muss ein Pickle schmecken. Das Ananas-Chutney? Eine Aromabombe: Die Süße bringt die Frucht (und etwas Rohrzucker), für die leichte Schärfe zeichnen wieder Chilis verantwortlich, abgemixt ist alles mit einer Zitronen-Zimt-Marinade. Schmeckt toll – und viel besser als schnöde Gemüsebrühe. 82 11.6.2015 Preise: Ananas-Chutney 6,90 Euro/67 ml; Zitrone-IngwerPickles 6,90 Euro/151 ml* Kontakt: Ziffels Feinkost‑ manufaktur, 10961 Berlin, Tel. 030/69 59 95 79, www.ziffelsfeinkost.de tungszeit – und fühlen sich auf dem Grill durchaus wohl. Dazu gibt es bitte Hummus, die KichererbsenSesampaste, die ist ebenfalls vegan! Und wir klecksen Joghurt daneben – der ist nur vegetarisch. Sei’s drum: Wir können damit leben. 2I Preise: Falafel fertig: 3,49 Euro/ 200-g-Packung; Hummus: 2,99 Euro/165 g* Kontakt: Veganbasics, 24106 Kiel, Tel. 0431/97 99 74 00, www.vegan basics.de/hersteller/peijo So werden wir Veganer Wir erwähnten das schon mal: Wir sind keine Veganer. Aber gut – jeder nach seiner Fasson. Was wir allerdings gar nicht mögen, sind Gäste, die beim Grillen nach Tofu-Schnitzeln oder SeitanWürsteln fragen. Nein, nein, nein: Wer kein Fleisch mag, kriegt auch keinen Ersatz aus Soja. Falafel aber essen wir alle gern – und es stört gar nicht, dass sie vegan sind. Diese drei vorgebackenen Versionen (klassisch/Paprika/ Curry) sind handwerklich gut gemacht, sparen enorm Zuberei- 3I Unser liebster Flüchtling Die Schweizer Metzger sind berühmt, ihre Kunden anspruchsvoll und die Preise entsprechend. Nur selten verirrt sich ein Standesvertreter nach Deutschland. Hier ist einer: Ulrich Frei. Am Kummerower See wohnend, stopft er ausnahmslos gute Würste, präpariert Gewürzte Strandküche Die Norddeutschen – immer beim Segeln. Markus Kolberg liebt das Wasser auch, das Kochen sowieso, und deshalb verzweifelte er am Gewürzmangel auf seinem Boot – es fehlte schlicht der Platz. Also mischte er die Gewürze zusammen, so raffiniert, dass auch andere etwas davon haben sollten: Mediterran wird’s zum Beispiel mit „Anholt“, wo Salbei, Rosmarin und Zitronenthymian die Hauptrollen spielen. „Klitmøller“ ist ein Grillgewürz mit Chili, Knoblauch, Ingwer und Koriander. Das Masala-Gewürz „Strandby“ ist ideal für Geflügelmarinaden. Die Namen sind allesamt Dänisch – hier oben im Norden ist das die Zweitsprache. Preise: 4,90 Euro/20-g-Dose; 20 Euro/3 Gewürze/Holzkasten* Kontakt: Strandküche, 24850 Schuby, Tel. 04621/94 97 54, www.strandkueche.de 5I Perfekte Pflaume Weil Sie was lernen sollen: „Coulis“ heißt in der Küchensprache Französisch nichts anderes als „Püree“ – woraus auch immer. „Pflaumen-Püree“ klingt aber langweilig, und darüber reden wir hier auch nicht: Dieses Coulis wird aus kleinwüchsigen, fleischigen Früchten hergestellt, mit Rohr zucker und diversen Gewürzen abgerundet – und schmeckt völlig abgefahren. Können Sie zu allem Grillgut essen, wir empfehlen: Das Fleisch kurz vor Ende der Garzeit aus der Hitze nehmen und damit glasieren. Parfait! Preise: 4,90 Euro/180 g* Kontakt: Gourmandiserie, 77966 Kappel-Grafenhausen, Tel. 07822/440 18 08, www.gourmandiserie.de 4 *Preis zzgl. Versandkosten extra Genuss 7 8 6 11 9 10 So wird Senf zur Sauce Schon die Chinesen würzten vor 3000 Jahren mit Senf, seitdem ist das eine einfache Sache geblie ben: Senfkörner zermahlen, Essig, Wasser, Salz dazu, fertig ist unsere liebste Paste. Wobei wir fast aus schließlich industriell hergestellten Senf essen, das ist nicht schlimm, bei einem derart einfachen Rezept kann man nichts verkehrt machen. Man kann aber trotzdem meckern, so wie Kai Schärtel: Dem Hobby koch fehlte immer irgendetwas in den Supermarktgläsern – ein Aroma, ein Pfiff, eine Geschmacksüber raschung. Der Schwabe begann zu tüfteln, entwickelte immer mehr Sorten und hat inzwischen einen Kundenstamm bis in die SterneGastronomie. Sein Stoff? Himmlisch – von Mango-Curry bis zu Kirsch paprikasenf. Zum Grillen aber empfehlen wir die Senfsaucen, die sind großes Kino – vor allem die Orangenvariante, sie eignet sich auch als Salatdressing. Preise: Senf ab 2,30 Euro/40 ml; Senfsaucen 6,50 Euro/250 ml* Kontakt: Remstaler Senf manufaktur, 73655 Plüderhausen, Tel. 07181/884 94 27, www.remstalsenf.de nur Essig, in einer säurearmen Ver sion. Ireneus Frost, junger Bursche aus Freiburg, bietet fünf Balsame: Brombeere, Cranberry, Cassis, Him beere und Erdbeere, bei den Essi gen sind es noch mehr. Die Balsame aber, versprochen, passen zu Fleisch und Salaten – wir würden damit unser Nachtisch-Eis veredeln. Preise: Beerenbalsame 12,80 Euro/ 250 ml; Balsamessige 10,80 Euro/ 250 ml* Kontakt: Ireneus Frost, 79117 Freiburg, Tel. 0761/214 74 21, www.ireneus-frost.de 8I Mehr Gemüse! Begriffserklärung, Teil II: der Unterschied zwischen Relish und Chutney. Es ist so: Ein Relish wird nicht gekocht, es bleibt stückig, wird mit Zucker und Essig konserviert und säuerlich-scharf gewürzt. Ein Chutney dagegen wird gekocht und eher pikant abgeschmeckt. Das alles wusste Katharina Schwirschke schon von ihrer Mutter, nach deren Rezepten hat sie ihr toskanisches Relish ( 84 Prozent Gemüseanteil) gemacht und ihr Sweet India Chutney auch. Stellen Sie beide Gläser neben das Grillgut auf den Tisch, zählen Sie von 20 runter – und ersetzen Sie sodann die Gläser durch neue. Geschmack ist durchaus betörend: Das Öl aus der Olivensorte Manaki ist schön fruchtig und leicht, wie das milde Öl der Sorte Athinolia passt es sehr gut in den Sommer salat. Das Produkt aus der Koronei ki-Olive dagegen ist etwas für Geübte: Schön kräftig, mit guter Pfeffernote – bestreichen Sie unbedingt ein Rindersteak damit. Preise: 4,20 Euro/150 g* Kontakt: Kathi’s, 42659 Solingen, Tel. 0212/244 30 16, www.kathis.eu Preise: ab 4 Euro/250 ml* Kontakt: Terra Sacra, 13503 Berlin, Tel. 030/57 70 02 55, www.olive-joy.com 9I Sortenrein, kalt gepresst Anna Pouskouri-Reiche und Johannes Hofmann importieren ihr Öl von kleinen Bauern auf der Peloponnes. Die Öle werden vor Ort kalt gepresst und abgefüllt, ein jedes ist sortenrein. Das Sorti ment ist klein, schon das ein gutes Zeichen – da begrenzt jemand sein Geschäft, um die Qualität des Produkts nicht zu verlieren. Der 10I Unerträglich gut Wir lassen jetzt mal beiseite, dass Daniela Marotti in der Küche ihres toskanischen Bauernhofs auch ziemlich gute Konfitüren kocht. Wir haben nämlich in ihrem Sortiment etwas gefunden, also das kannten wir noch nicht: Rosmarin gelee! Wir haben es auf Brot gegessen, auf Würsten und Kote 13 12 15 7I Balsam auf die Koteletts Das kennen Sie von Grillfest mahlen: Am liebsten sind Gästen jene Saucen, die zu allem schme cken, in die man ganz leger auch den Salat tunken kann. Nun, da hätten wir etwas für Sie: Beeren balsame – richtig gute. Um Begriffswirrwarr zu vermeiden: Beerenbalsame mischt man aus dem Essig der Frucht und ihrem Saft – Balsamessige dagegen sind 84 11.6.2015 14 Text: Stephan Draf, Bert Gamerschlag, Beate Wieckhorst; Fotos: Kumicak + Namslau 6I letts verteilt und auf unsere gegrillten Doraden geträufelt – da passten Zitronennote und Kräuteraroma am besten. Was schließlich noch übrig war, haben wir umstandslos aus dem Glas gelöffelt. Jetzt ist es also leer – ein sehr trauriger Anblick. Ertragen wir nicht. Holen wir uns neu. Preise: 4,10 Euro/106 g* Kontakt: Yoofood/ToscaBio, 97078 Würzburg, Tel. 0931/32 24 60, www.yoofood.de 11I Über den Wolken? Grillen! Das kommt dabei raus, wenn man seinen Job einfach hinwirft: Eigentlich sollte Paul Gardner Jumbos konstruieren, jedenfalls tun das Luftfahrtingenieure im Allgemeinen. Nicht so Gardner – zwischen Auftrieb und Abflug kreierte er: Grillsaucen. Verkaufte sie zunächst in seiner Stadt, dann reiste er damit durchs Land. Nun ist der Mann auch aus dem Saucen-Geschäft ausgeschieden, seine Kreationen bleiben: Wir haben uns in die Aprikosen-Ingwer-Variante verguckt – funktioniert als Beilage, aber auch zum Glasieren von Grillgut. Preise: 6,95 Euro/396 ml* Kontakt: Pepperworld, 28844 Weyhe-Dreye, Tel. 04203/785 99 22, www.pepperworldhotshop.de 12I Chutney, ganz weit oben Die Wahrheit ist: Original indische Chutneys könnten die meisten von uns nicht schlucken – zu scharf, zu pikant, zu anders. Diese Mischungen aber kommen aus Stade, aus dem Norden, wo die Menschen ausgeglichener sind – und so ist auch ihr Obst verarbeitet: Die Äpfel aus dem alten Land werden in einem wunderbar zurückhaltend abgeschmeckten Chutney verwendet. Insgesamt gibt es 15 Sorten, und Achtung: Spargel-Chutney – saisonal, ganz großartig – ist bald aus! Preise: 7,50 Euro/150 g* Kontakt: BySusann, 21680 Stade, Tel. 04141/642 69, www.bysusann.de 13I Feuermelder Und falls Sie sich doch mal im Wortsinn das Maul verbrennen wollen, bitte sehr: Kaufen Sie sich Günther Maierhofers Ketchup sorte „Burner“ – die Arztrechnung allerdings geht dann auf Sie. Seine anderen Kreationen aber können vernünftige Menschen essen, auch weil sie alle ohne Geschmacksverstärker und Verdickungsmittel hergestellt sind. Und das ist neben dem umwerfenden Geschmack bei Ketchup etwas Besonderes. Preise: ab 4,95 Euro/250 ml* Kontakt: Tomate7, 84034 Landshut, Tel. 0871/330 82 32, www.tomate7.de 14I Wurst ohne Ende Was wir uns beim Ver kosten oft fragen: Himmel, warum schmeckt das so gut? Im Falle dieser Würste ging das noch weiter: Woher kommt dieser wunderbare Biss? Warum schrumpeln diese Würste auf dem Grill um keinen Millimeter? Wir dachten, das geschehe bei Würsten naturgemäß. Es mag daran liegen, dass dem Gourmetfleisch offensichtlich kein Wasser zugesetzt wurde, was leider bei jeder Menge Supermarktwürsten – zwecks Gewichtserhöhung – oft der Fall ist. Es mag auch daran liegen, dass hier Ibérico-Fleisch verarbeitet wurde, von jener Schweinerasse also, die in Spanien noch frei laufen und sich wahrhaftig an Eicheln sattfressen darf. Wir könnten noch seitenweise über die leckeren Angus-Rindswürste schreiben – aber ehrlich, wir fänden kein Ende. Vorschlag: Probieren Sie einfach. Preise: Iberico 8,95 Euro/5 x 100 g; Black Angus 7,95 Euro/5 x 100 g* Kontakt: Gourmetfleisch.de, 41199 Mönchengladbach, Tel. 02166/ 96 86 49, www.gourmetfleisch.de 15I Neunmal gut Zum guten Schluss eine schöne Geschichte: Zwei Mütter mit sieben Kindern steuern ihr Business aus der eigenen Küche. Und lassen sich vom Nachwuchs auch nicht ablenken: Ihre Chutneys sind nämlich keineswegs zu Brei verkocht (und das kommt auch in kinderlosen Haushalten vor), sondern sehr schön stückig belassen. Ob Aprikose/Thymian, Kürbis oder die dann doch erwachsen-scharfe Habanero-Salsa, alle schmecken ausgezeichnet – mit oder ohne Beilagen. Preise: Chutneys 7,50 Euro/228 ml; Salsas 7,50 Euro/260 ml* Kontakt: Annis Made by Mums, 22926 Ahrensburg, Tel. 0176/84 26 42 52, www.madebymums.de 11.6.2015 85 stern, viva!, Juli/ August 2015 stern, viva!, Juli/ August 2015 WELT AM SONNTAG, 21. Dezember 2014 DIE ZEIT, 2014 bella, Nr.21, 12. Mai 2015 en Mein LeFb rauen Starke Diese zwei Frauen haben eine neue Herausforderung gesucht und gefunden „Hallo Leben, hier bin ich“ Es ist nie zu spät – das ist das Motto dieser beiden Frauen. sie starten in der Lebensmitte noch mal richtig durch. ihre idee: ein altes hobby wiederzubeleben. Mit großem Erfolg! Texte: Uta Dietsch und sibylle royal Susann Till (71) „Ich entspanne bei der Arbeit. Nichtstun ist nichts für mich!“ 12 bella allen schwierigkeiten in meinem Leben habe ich auch viel Glück gehabt. inzwischen führe ich ein team von sieben Leuten, die mich unterstützen, allein schaffe ich das gar nicht alles. ich beliefere mittlerweile 300 Feinkostläden in Deutschland. Die verkostungen mache ich immer selbst, das würde ich mir nie nehmen lassen. ich träume davon, ein Kochbuch mit chutneys zu schreiben. aber ich komme zu nichts, habe kein freies wochenende mehr. an manchen tagen arbeite ich 20 stunden. wenn meine sechsjährige Enkelin Lena anruft und eine Geschichte hören möchte, klemme ich mir den hörer unters ohr und erzähle eine, während ich mit dem Kochlöffel in der anderen hand im Kochtopf rühre. Bis 80 möchte ich mein imperium aufgebaut haben.“ Sobald sie eine Leinwand und Farbe hat, ist Ulrike glücklich „Malen ist heute mein Lebenselixier“ „Ich habe mit 68 Jahren ein Unternehmen gegründet. Ehrlich gesagt habe ich nie darüber nachgedacht, ob ich zu alt sein könnte“ Ulrike verlor ihren langjährigen Arbeitsplatz. Dann besann sie sich auf ihre Leidenschaft. Heute hat sie gar keine Zeit mehr, der Vergangenheit nachzutrauern. „Mein Job war wirklich toll: assistentin des kaufmännischen Leiters in einem großen Unternehmen, viel Eigenverantwortung, 27 Jahre lang. Das Drama begann, als ein neuer vorgesetzter kam. Plötzlich wurde ich gemobbt – und von meinem arbeitsplatz verdrängt. während dieser Zeit starb auch noch mein Mann. ich stürzte in ein tiefes Loch. Da ich aber wusste, welche Kräfte in mir stecken, begann ich zu kämpfen – mit Erfolg. ich zog einen schlussstrich unter dieses düstere Lebenskapitel, ich wollte wieder nach vorn blicken. Meine entscheidende Frage war: was hat dir denn früher immer viel Freude gemacht? Und die antwort hatte ich schnell: Es war das Malen – lange der perfekte ausgleich zu meinem stressigen Berufsalltag. vor drei Jahren verwandelte ich das obere stockwerk meines hauses in ein Malstudio und baute die Garage zu einer lichtdurchfluteten werkstatt um. Montagnachmittags stehe ich jetzt mit vier Frauen zwischen Ende 30 und Mitte 60 an der staffelei. wir hören entspannende Musik, malen – je nach stimmung – in acryl, Öl, mit Kohle oder Bleistift, lachen viel und lernen voneinander. oft arbeite ich aber auch allein in der werkstatt, säge und poliere zum Beispiel specksteine. Und das alles mit der kilometerweiten sicht auf die menschenleere Feldmark. Einsam fühle ich mich hier in tespe nie, denn durch das Malen habe ich einen großen Freundeskreis gefunden. 2013 gründeten wir den Kulturverein ,wir‘, organisieren workshops oder den tag der offenen ateliers. Es war ein furchtbar harter weg für mich – aber jetzt spüre ich, dass ich auf der Glück bringenden Zielgeraden bin.“ Gu T zu w is se n Geheim-Tipps für kreative Köpfe Sind Sie ein Genussmensch? Am liebsten verwendet Susann Till Obst aus der Region. Infos auf ihrer Homepage: www.bysusann.de 20 Sorten Chutneys hat Susann Till mittlerweile im Sortiment Fotos: Myway-archiv Es war ein gesundheitlich schwieriges Jahr, das Susann Till beinahe jede Kraft gekostet hätte. Bis ihr eine Idee und ganz viel Glück mehr als nur neuen Lebensmut brachten. „Mama, du kannst doch so gut kochen“, sagte mein jüngster sohn im März 2012 zu mir. Es lag ein scheußliches Jahr hinter mir, ich hatte zwei schwere operationen und fühlte mich alt. Eine Zukunft im seniorenheim war mein horrorszenario. Und dann mit diesem satz meines sohnes war plötzlich eine idee geboren, bei der ich nicht mal sicher war, ob sie funktionieren würde: ich wollte chutneys machen. so bestellte ich kurzerhand hundert Gläser und kochte grünes chutney mit Kiwis, stangensellerie, weintrauben, grünen oliven, Feigen, Birnen und allerlei Kräutern. Dann begann ich verkostungen bei mir zu hause zu veranstalten, für Frauengruppen, Firmenfeiern, Geburtstage. alle waren begeistert von meinen Kreationen. innerhalb der ersten drei Monate merkte ich schon: Das wird was Größeres. Mein sohn hat für mich die homepage gemacht, meine schwiegertochter das lustige, farbige Logo entworfen. wenn ich etwas mache, dann richtig. so war ich schon immer. ich hatte eine Modeschule besucht, habe viel genäht, zwischenzeitlich ein hotel geführt, dann wurde ich schwanger. ich habe zwei söhne großgezogen. Meine beiden Männer sind gestorben, aber ich habe mich nie unterkriegen lassen. im Gegenteil: Denen werde ich’s zeigen!“ war immer meine Devise. Bei Ulrike Hoepfner-Mahnke (60) wer sich kulinarisch austoben möchte, kann sich ganz viele anregungen im internet holen. Es gibt tolle Foodblogs im Netz, auf denen amateure und Profis ihr wissen preisgeben. wir haben drei ausgesucht. aber achtung, es könnte ihnen schon beim anklicken das wasser im Munde zusammenlaufen. Für süßes: www.zuckerzimtundliebe.de Für herzhaftes: www.chefhansen.de Für Experimentelles: www.ziiikocht.at Schlägt Ihr Herz für die Kunst? haben sie früher auch mal gemalt und bekommen nun Lust, ihr altes hobby wieder aufleben zu lassen? Es gibt neben den üblichen Malkursen auch Kurse, die von Museen angeboten werden. oder aber sie besuchen eine akademie, wie zum Beispiel die Leipziger sommerakademie. sieben tage unter professioneller Leitung malen kostet 360 €. Der Kurs richtet sich an anfänger und Fortgeschrittene. infos und termine auf www.leipzig-sommerakademie.de bella 13 Lust auf Landküche, Nr.3, Mai/ Juni 2015 Land & Leute – By Susann Susann Till hat eine Marktlücke entdeckt Mit Chutneys auf Erfolgskurs In einer nur fünf Quadratmeter großen Küche kreiert Susann Till (71) fruchtig-scharfe Soßen, die in Norddeutschland zurzeit der Renner sind. Feinkostgeschäfte reißen sich um ihre eingekochten Spezialitäten. Wir durften probieren und erlebten eine wahre Geschmacksexplosion. E Susann Till startet mit ihrem Feige-OlivenChutney, das aus über 20 Zutaten besteht igentlich könnte Susann Till schon lange die Füße hochlegen und ihren Ruhestand genießen. Doch das war ihr zu langweilig. „Fotos von Enkelkindern auf dem Kaffeeklatsch herumzuzeigen und über Krankheiten zu diskutieren, das ist nicht so mein Ding“, sagt die 71-Jährige. Sie hat schon immer gern gekocht. Das war familiär bedingt: Bereits ihr Vater sammelte historische Rezepte und verwöhnte seine Familie mit köstlichen Gerichten. Nach der Geburt ihres ersten Sohnes durfte Susann wegen dessen Erkrankung nur frische Zutaten verwenden, und auch ihr zweiter Mann brauchte eine besondere Kost. „Ich esse selbst kaum Süßes, mag es eher pikant“ Rechts: Martina Prohaska ist eine der vier Mitarbeiterinnen 42 Lust auf Landküche 3/2015 Söhne (heute 48 und 50) bei einer Familienfeier mal wieder nach ihren pikanten Soßen fragten und sagten: „Mama, wenn du etwas kannst, dann ist es kochen“, kam ihr die Geschäftsidee: Ich mache meine Leidenschaft zum Beruf! Also wagte die damals 69-Jährige erneut den Schritt in die Selbstständigkeit. „Meine Jungs haben mich zwar für verrückt erklärt“, erinnert sie sich lachend, „aber das hat mich nicht abgehalten.“ Der Erfolg gab ihr Recht: Mittlerweile lieben nicht nur Susanns Söhne und Enkel Omas Chutneys – auch 300 Wein- und Feinkost läden sowie ausgewählte Supermärkte in Norddeutschland zählen zu ihren Abnehmern. Zum Sortiment gehören neben 17 verschiedenen Chutneysorten pikante Pralinen sowie Cantuccini, das italienische Mandelgebäck, das wie Zwieback zweimal gebacken wird. In ihrer Fassung ist es jedoch nicht übertrieben süß wie das Original, sondern es enthält eine leicht scharfe Note. Alles Die Biokräuter zerkleinert Susann Till stets frisch in ihrem Mixer Lust auf Landküche 3/2015 43 ▲ Ganz rechts: Das Kochen, Würzen und Abschmecken ist Sache der Chefin „Liebe geht eben durch den Magen“, erklärt die ehemalige Modedesignerin. „Ich habe bereits vor dreißig Jahren anders gekocht als andere. Fertigprodukte waren bei uns tabu. Außerdem sind sie entweder zu süß oder geschmacklich nicht rund. Ich esse selbst auch kaum Süßes, bin eher fürs Pikant-Würzige zu haben. Entsprechend sah unser Speiseplan aus.“ Schon seit Langem kochte sie Chutneys ein, über die sich die Verwandtschaft zu Weihnachten stets sehr freute. Als ihre beiden Eine Auswahl der insgesamt 20 verschiedenen Chutneys „By Susann“ Land & Leute – By Susann Frische Peperoni schneidet Susann vor dem Mixen mit der Schere klein. Die geben ein tolles Aroma! Der 20-Liter-Topf ist leer, die Gläschen voll – Susann und Martina strahlen nach getaner Arbeit Martina Prohaska ist fürs Schnippeln zuständig: alles akkurat in gleich große Stücke Die Zutaten fürs Feige-Oliven-Chutney auf einen Blick. Die Oliven lagen bereits im Topf Selbst Sterneköche wie Heinz Wehmann vom Landhaus Scherrer in Hamburg sind begeistert von so viel Aroma Schätze in Boxen: Das Würzen ist bei den fruchtig-scharfen Soßen das A und O 44 Lust auf Landküche 3/2015 Rosmarin und Thymian von den Stielen zu trennen ist wahre Fummelarbeit – für die geschickte Martina Prohaska jedoch kein Problem Die Soßen eigenen sich zu Brot, Käse, kurz gebratenem Fleisch und Fisch, Pasta, Salat, Kartoffeln, Fondue, Raclette, Desserts und als Grundlage für Suppen. Die würzigen Soßen stammen aus Indien Sie sind handgekocht, aus frischen, saisonalen Produkten und ohne Farb-, Konservierungsstoffe oder Geschmacksverstärker. Doch ohne familiäre Hilfe geht es nicht: „Einer meiner Söhne kümmert sich ums Unternehmerische“, erklärt Susann Till. „Meine Schwiegertochter ist Webdesignerin und hat mein Label entworfen. Dafür stand mein Name Pate: By Susann.“ Für jedes Chutney hat sie eine eigene Farbe und Nummer kreiert, damit sich die Kunden ihren Favoriten besser merken können. Geöffnet sind die scharfen Soßen im Kühlschrank bis zu sechs Monate haltbar. Chutneys stammen ursprünglich aus Indien. Während der Kolonialzeit wurden grüne Mangos in Holzkisten auf dem Schiffsweg erstmals nach England gebracht. Nach sechs Monaten waren die Früchte reif und eigneten sich für das perfekte Mango chutney. Es wurde 1964 im Berliner Restaurant „Kalkutta“ eingeführt. Aber erst 30 Jahre Lust auf Landküche 3/2015 45 ▲ Limonensaft gibt die fruchtige Frische. Gar nicht so einfach, die kleinen Hälften auszupressen entsteht in ihrer winzigen, nur fünf Quadratmeter großen Küche. Als sie damals in dieses Haus gezogen ist, konnte sie schließlich noch nicht ahnen, dass dort eine Produktionsstätte für die deutsche Feinkostbranche entstehen würde. Im Garten hinter dem Haus wachsen viele Kräuter, die sie für ihre Chutneys braucht. Und in den Kisten im ehemaligen Atelier, in dem sie früher für die Haute Couture Hochzeitskleider und Abendroben schneiderte, lagern nun Gewürze aus aller Welt. Nebenan in der Garage hortet Susann Till Obstkästen mit Mangos, Äpfeln, Birnen und Feigen, dazu hunderte von Chutneygläsern à 150 g, die für 7,50 Euro bei den Händlern verkauft werden. Land & Leute – By Susann Wieder ist eine Lieferung für die Läden fertig. Susann kommt mit der Produktion kaum hinterher Finale: Susann Till befüllt die noch warmen, gereinigten Gläser mit der gekochten Masse Zum Schluss wird alles etikettiert. Auch das macht die Chefin mit ruhiger Hand selbst Fisch auf Zitronen-ChutneySchaum. Chutneys sind toll zum Verfeinern Ganz links: Würzige Pralinen sind die neueste Kreation von Susann Till Links: Neben Pralinen in verschiedenen Verpackungen gibt es auch Cantuccini auch Kochkurse an, ist häufiger Gast auf Messen, und ganz nebenbei schreibt sie an einem eigenen Kochbuch. Aktuell gibt es wieder saisonale Exoten wie das Spargel chutney. Das Gemüse dafür stammt wie Nach dem Befüllen müssen die Gläschen in Teamarbeit schnell geschlossen werden später hat sich das Chutney in deutschen Küchen etabliert – mit immer neuen Sorten. Susann Tills Produkte sind nicht zu süß, weil sie den Zucker nur in homöopathischen Dosen verwendet: ein Kilo auf 100 Gläser. „Die Natur kommt pur ins Glas“, sagt sie. Zu den Grundzutaten gehören Zwiebeln, Essig, Zucker und Gewürze, außerdem gemahlene Senfsamen. Dazu kommen Obst- und Gemüsesorten der Saison. „Beides sollte man immer kombinieren, dann entsteht dieses besondere Aroma. Eine Feige, die aromatisch ja eher verhalten ist, braucht 46 Lust auf Landküche 3/2015 zum Beispiel die Frische in Form von Limette, Trauben oder Kiwi. Um deren Süße noch herauszukitzeln, benötigt man die Bitterstoffe der Sellerie und der Paprika. Manchmal landen ihre Kreationen im Abfluss Ich habe beispielsweise ein tolles Aprikosen chutney, das braucht den Chicorée als Gegenspieler. Weil ich ja auch die Schale mitverwende, muss ich gutes Obst haben.“ Dazu kommen verschiedene Kräuter, je nach Geschmacksrichtung. Zunächst wird der Essig mit wenig Zucker und Zwiebeln eingekocht. Danach gibt sie je nach Chutney die entsprechenden Zutaten hinzu. Mehr wird nicht verraten. Firmengeheimnis! „Es kommt schon mal vor, dass eine neue Kreation den Weg in den Ausguss findet“, gesteht Susann Till. „Manches passt einfach nicht zusammen, oder es schmeckt nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe. Dann fange ich eben noch einmal von vorn an.“ Bis zu 2000 Gläser werden im Monat produziert. Zu Hause bietet die Chutneyexpertin Vor knapp zwei Jahren erhielt Susann Till eine Auszeichnung des Stader Gründungsnetzwerks so oft aus den Hofläden in der Nähe, dem Alten Land. Anschließend steht das Apfel chutney auf dem Plan – viel Arbeit, die die Frühaufsteherin allerdings nicht scheut. „Ich gehe jeden Morgen um fünf Uhr eine Stunde laufen“, sagt sie. noch einkochen, aber für Susann ist Chutney sowieso die beste Verjüngungskur! ❦ Weitere Infos unter: www.bysusann.de „Mit 80 mache ich mit meiner Familie eine Weltreise“ Niedersachsen Von der Gelassenheit ihrer Chefin profitieren auch die vier Mitarbeiterinnen. „Ich bin begeistert“, sagt Martina Prohaska, „vor allem von ihrer Energie. Da kann ich als Frau mittleren Alters noch viel lernen, wenn jemand mit 71 noch so viel Power hat. Hier herrscht eine lockere lustige Stimmung. Wir arbeiten zwar fleißig, aber es macht viel Spaß. “ Susann Till meint: „Bis 80 steht mein Imperium. Dann mache ich mit meiner ganzen Familie eine Weltreise. Das ist mein Traum.“ Einige scharfe Soßen muss sie dafür wohl Von Ann-Christin Baßin By Susann Susann Till Harsefelder Str. 62 21680 Stade Tel. 0 4141/6 42 69 Fax 0 41 41/4113 38 E-Mail: [email protected] Lust auf Landküche 3/2015 47 deli, Nr.3 2015 deli, Nr.3 2015 SAVOIR-VIVRE, März/April 2015 SAVOIR-VIVRE, März/April 2015 Business & People, Juli 2014 tina, Nr.25, 10.Juni 2015 ANZEIGE Aktuell Unser Gesundheits-Tipp Susann Till (71) ist unsere -Frau der Woche Neustart statt Ruhestand M ama, wenn du eins kannst, dann ist das kochen“, sagte ihr jüngster Sohn im März 2012 zu Susann Till und brachte damit einen Stein ins Rollen. Sie hatte ein scheußliches Jahr hinter sich. „Gesundheitlich ging es mir überhaupt nicht gut“, erinnert sich Susann Till. „Ich war mir nicht sicher, ob ich überhaupt wieder auf die Beine komme.“ Was also tun? Umzug ins Seniorenheim? Für sie der blanke Horror. Stattdessen bestellt sie 100 Schraubgläser und fängt an, in ihrer Küche in Stade Chutneys zu kochen. Aus Kiwis, Stangensellerie, Weintrauben, grünen Oliven, Feigen, Birnen und allerlei Kräutern. Sie veranstaltet Verkostungen, für Frauengruppen, Firmenfeiern, Geburtstage. Ihre Kunden sind von ihren würzigen Soßen begeistert. „Innerhalb der ersten drei Monate merkte ich schon: Das wird was Größeres“, sagt sie. Ihr Sohn richtet ihr eine Homepage (www.bysusann.de) ein, die Schwiegertochter entwirft ein Logo. Schon bald brummt die kleine Firma: Heute gibt es 17 verschiedene Sorten Chutney, und Susann Till beliefert mehr als 300 Feinkostläden in Deutschland. Ihr Haus ist schon fast zu klein, und ohne Mitarbeiter würde sie es gar nicht mehr schaffen. „Wenn ich etwas mache, dann richtig“, sagt sie. „Früher habe ich eine Modeschule besucht, habe viel genäht, zwischenzeitlich ein Hotel geführt, dann wurde ich schwanger.“ Zwei Söhne hat sie großgezogen. Ihre beiden Ehemänner sind gestorben. „Aber ich habe mich nie unterkriegen lassen.“ Im Gegenteil … Die Staderin hat aus ihrer Küche eine Chutney-Manufaktur gemacht. Die würzigen Soßen sind bundesweit gefragt Text: Uta Dietsch „Ich entspanne bei der Arbeit. Nichtstun ist nichts für mich!“, sagt die 71-jährige Susann Till Vorsicht bei chemischsynthetischen Schlafmitteln: Diese können zur Abhängigkeit und zum gefürchteten HangOver führen! Ganz anders wirkt der Extrakt der Baldrianwurzel: Dieser fördert den Schlaf ganz natürlich und erzwingt ihn nicht. Schluss mit schlechtem Schlaf und innerer Unruhe Was wirklich hilft! W Susann Till mit ihrer Helferin Martina, die sie beim Kochen unterstützt „Denen werde ich’s zeigen!“ Das war immer ihre Devise. „Bei allen Schwierigkeiten in meinem Leben habe ich auch viel Glück gehabt“, sagt sie mit Dankbarkeit in der Stimme. Sie hat noch viele Ideen, träumt zum Beispiel davon, ein Chutney-Kochbuch zu schreiben. Doch bislang fehlt dafür die Zeit. „Wenn meine sechsjährige Enkelin Lena anruft und eine Geschichte hören möchte, klemme ich mir den Hörer unters Ohr und erzähle eine, während ich mit dem Löffel im Kochtopf rühre.“ n Fotos: MYWAY Archiv (2), PR Ihr Vorbild 8 christian rach „Ich bewundere ihn, weil er mit seiner besonderen Art, Ernährung ganz wunderbar erklären kann. Er bringt das klar und sehr glaubhaft rüber. Ein Traum von mir wäre, mal gemeinsam mit ihm zu kochen.“ Kennen Sie auch jemanden, der für Sie die tina-Frau der Woche sein könnte? Eine Nachbarin oder Freundin? Dann schreiben Sie uns mit Foto an: Brieffach 3 08 35, 20067 Hamburg, E-Mail: [email protected] er eine erholsame Nacht hinter sich hat, ist am nächsten Morgen buchstäblich ausgeschlafen: gut erholt, körperlich und geistig leistungsfähig, kann Stress einem kaum etwas anhaben. Anders ist es, wenn der Schlaf mal wieder zu kurz kommt. Millionen Menschen mit Schlafproblemen sind am Tag danach müde, unkonzentriert, wie gerädert. Innere Unruhe wird zum täglichen Begleiter. Was Ihnen dann wirklich hilft: Hochdosierter Baldrian. Ganz natürlich in den Schlaf finden Die schlaffördernde Wirkung des Arzneibaldrians beruht auf der Gesamtheit seiner Inhaltsstoffe. Er steht als wissenschaftlich erprobtes, sicheres Präparat zur Verfügung, mit dem die Übererregbarkeit der Nerven, Hauptursache von innerer Unruhe und Schlaflosigkeit, ganz natürlich reguliert werden kann: Der in Baldriparan® Stark für die Nacht enthaltene hochdosierte Extrakt aus der echten europäischen Baldrianwurzel sorgt für ausreichend Gamma-Amino-Buttersäure (GABA) im Körper. GABA ist der natürliche „Müdemacher“: Er dämpft wahrgenommene Reize im zentralen Nervensystem. So finden Sie nachts rasch in den Schlaf und die Schlafqualität wird verbessert. Baldriparan® Stark für die Nacht ist wirksam und verträglich, eine Abhängigkeit ist nicht zu befürchten. Ein Dragee genügt Im Gegensatz zu vielen anderen Schlafhilfen reicht 1 Dragee aus, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Ein- und Durchschlafprobleme werden so natürlich gelöst, Körper und Geist können sich ungestört erholen und Sie starten ausgeschlafen, frisch und leistungsfähig in den neuen Tag. Zusätzlicher Pluspunkt: Die Dragees sind frei von Lactose und Gelatine. Baldriparan® Stark für die Nacht gibt es rezeptfrei in Ihrer Apotheke. Unser Tipp: Hochdosierter Baldrian. Baldriparan® Stark für die Nacht. Wirkstoff: Baldrianwurzeltrockenextrakt. Bei nervös bedingten Schlafstörungen. Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker. 9
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