Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Vortragsreihe Der große Crash - Ursachen und Lehren der Weltfinanzkrise 2007/2008 Prof. Dr. Gunther Schnabl Institut für Wirtschaftspolitik, Universität Leipzig Ursachen und Folgen der Weltfinanzkrise aus Sicht der österreichischen Konjunkturtheorie Halle an der Saale, 16. Dezember 2015 Dezember 2015 Gunther Schnabl, Institut für Wirtschaftspolitik, Universität Leipzig 1 Dezember 2015 Gunther Schnabl, Institut für Wirtschaftspolitik, Universität Leipzig 2 Inhalt 1. 2. 3. 4. 5. Einleitung: die neue Normalität in der Geldpolitik Monetäre Überinvestitionstheorie und Boom-Krisen-Zyklen Wachstumseffekte der asymmetrischen Geldpolitik Gesellschaftliche Implikationen (Japan) Wirtschaftspolitische Implikationen Literatur Hoffmann, Andreas /Schnabl, Gunther 2011: A Vicious Cycle of Manias, Bursting Bubbles and Asymmetric Policy Responses – An Overinvestment View. The World Economy 34, 3, 382-403. Schnabl, Gunther 2015a: Monetary Policy and Structural Decline: Lessons from Japan for the European Crisis. Asian Economic Papers 14, 1, 124-150. Schnabl, Gunther 2015b: Goodharts Gesetz und die Wirkungslosigkeit von Inflationszielen als geldpolitische Regelmechanismen. Leviathan 43, 2, 246-269. Schnabl, Gunther 2015c: Wege zu einer stabilitätsorientierten Geldpolitik aus österreichischer Perspektive. Erscheint in Listforum für Wirtschafts- und Finanzpolitik 42. Dezember 2015 Gunther Schnabl, Institut für Wirtschaftspolitik, Universität Leipzig 3 1. Die neue Normalität in der Geldpolitik Stilisierte Fakten zur asymmetrischen Geldpolitik • Gradueller Verfall der kurzfristigen Zinsen auf (unter) Null. • Kontinuierliche Ausweitung der Zentralbankbilanzen. • Klare Signale zur Fortsetzung der Politik des billigen Geldes (Forward Guidance). Ursachen des Zinsverfalls nach Summers (2014), Bernanke (2005) • Alternde Gesellschaften, • struktureller Rückgang der Investitionen, • exogene Veränderung der Einkommensverteilung, • sinkender relativer Preis von Kapitalgütern, • Globalisierung, • globaler Anstieg der Devisenreserven (Global Saving Glut). Geldpolitik drückt Zinsen (mit Nebeneffekten) • Hoffmann und Schnabl (2008, 2011, 2014), • Schnabl (2015a, 2015b, 2015c). Dezember 2015 Gunther Schnabl, Institut für Wirtschaftspolitik, Universität Leipzig 4 G3 Asymmetrischer Leitzinspfad 1980-2015 15 Nominal Real Prozent p. a. 11 9 7 Prozent des BIP 13 80 60 40 Federal Reserve Bank of Japan Europäische Zentralbank 20 0 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 5 3 1 -1 -3 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 Quelle: IWF. Dezember 2015 Gunther Schnabl, Institut für Wirtschaftspolitik, Universität Leipzig 5 Wandernde Blasen (Schnabl und Hoffmann 2008) Japan (l.S.) Malaysia (l.S.) US Nareit Mortgage (l.S.) US Nasdaq (r.S.) 450 400 1985:01=100 350 300 1600 1400 1200 1000 250 800 200 150 1800 600 日本 100 400 50 200 1985:01=100 500 0 0 Jan 85 Mai 88 Sep 91 Jan 95 Mai 98 Sep 01 Jan 05 Mai 08 Quelle: IWF. Dezember 2015 Gunther Schnabl, Dezember 2015 Institut für Prof. Dr. Gunther Schnabl, Institut für Wirtschaftspolitik 6 2. Österreichische Konjunkturtheorie und die Krise Ursachen der Weltwirtschaftskrise nach Hayek • Eine zu expansive Geldpolitik hat Boom (Goldene Zwanziger) und Krise (Weltwirtschaftskrise) verursacht (Prices and Production 1931). • Interventionsspiralen in Reaktion auf die Krise haben die Stagnation verstärkt, was gesellschaftliche und politische Implikationen hatte (Hayek 1944). Verzerrung der Produktionsstruktur • Überinvestitionstheorie: Zu niedrige Zinsen und übermäßiges Kreditwachstum verzerren die Produktionsstruktur (Hayek 1929). • Kumulativer Prozess nach oben bis mehr Inflation die Zentralbank zur geldpolitischen Straffung zwingt. • Die Krise ist unvermeidbar (Überinvestition). • Die Krise als Reinigungsprozess ist Grundlage für die wirtschaftliche Erholung (Schumpeter 1912, Hayek 1933). Dezember 2015 Gunther Schnabl, Institut für Wirtschaftspolitik, Universität Leipzig 7 Gleichgewichte (I=S) i Iii1 in2=izb2=ik2 in1=izb1=ik1 Iii2 S S1=I1 S2=I2 Dezember 2015 Gunther Schnabl, Institut für Wirtschaftspolitik, Universität Leipzig S, I 8 Aufschwung (Geldpolitischer Fehler Typ 1) i Iii1 Iii2 S I2>S2 in2 in1=izb1=ik1 =izb2=ik2 S1=S2 positive Zinsspanne I2 Dezember 2015 Gunther Schnabl, Institut für Wirtschaftspolitik, Universität Leipzig 9 Abschwung (Geldpolitischer Fehler Typ 2) i Iii3 Iii2 S3 izb3=ik3 in3 S S3>I3 negative Zinsspanne I3 Dezember 2015 Gunther Schnabl, Institut für Wirtschaftspolitik, Universität Leipzig 10 Wicksell (1898) und Hayek (1931) heute Geldpolitik als Auslöser des Aufschwungs • Geldpolitische Expansion S2=S1+ΔC1 (Garrison 2006, Hoffmann und Schnabl 2014, Borio 2015), • die (Schein-)Innovationen treibt (Dotcom-Märkte, Emerging Markets, südosteuropäischer Aufholprozess, Subprime-Markt, etc.). Geldpolitische Asymmetrie (Hoffmann und Schnabl 2011, 2014) • Geldpolitische Fehler von Typ 2 werden vermieden • und in geldpolitische Fehler vom Typ 1 transformiert. • Alternative Begründungen: Erfahrungen, der Weltwirtschaftskrise, Global Saving Glut (Bernanke 2005), alternde Gesellschaften (von Weizsäcker 2014), neue Welt (Summers 2014). Unterbrochene Transmission • Die Absenkung der Zinsen und die Ausweitung von Geldbasis und der Kreditaggregaten (Loanable Funds) führt nicht zu Konsumentenpreisinflation (Schnabl 2015b), • sondern zum starken Anstieg von Vermögenspreisen (Schnabl und Hoffmann 2008, 2011, 2014). • Die Konsumentenpreisbasierte Geldpolitik „dreht hohl“ (Schnabl 2015a,b,c). Dezember 2015 Gunther Schnabl, Institut für Wirtschaftspolitik, Universität Leipzig 11 -.5 0 .5 1 Unterbrochene geldpolitische Transmission in Japan Rollender Koeffizient (10 Jahre) für den Einfluss von M0 auf den Konsumentenpreisindex (Schnabl 2015b) 1970q1 Dezember 2015 1980q1 1990q1 end 2000q1 Gunther Schnabl, Institut für Wirtschaftspolitik, Universität Leipzig 2010q1 12 3. Wachstumseffekte der asymmetrischen Geldpolitik Implizite Verstaatlichung der Finanzsektoren • Geldpolitisch bedingte Übertreibungen im Finanzsektor führen zum Aufbau von faulen Krediten in der Krise. • Der versteckte faule Kreditbestand erzwingt die Fortsetzung der Niedrigzinspolitik. • Zombie-Banken entstehen (Caballero, Hoshi and Kashyap 2008). Transmissionskanäle zur expansiven Geldpolitik • Too big to fail / too big to jail • Mögliche Ansteckungseffekte (finanzpolitische Drohpotenzial). Gestörte Kapitalallokation des Bankensektors • Kreditklemme an der Angebotsseite (Posen 2000): Das Abschmelzen des Eigenkapitals erzwingt das Nichtverlängern von Krediten an eigentlich solvente Unternehmen (KMUs). • Kreditklemme an der Nachfrageseite: Großunternehmen schwimmen in Liquidität und bauen Kredite ab (Schnabl 2015b). Die Allokationsfunktion des Bankensektors wird untergraben. Dezember 2015 Gunther Schnabl, Institut für Wirtschaftspolitik, Universität Leipzig 13 Zinsüberschuss in Japan 4 Prozent 3 2 1 0 1980 1984 1988 1992 1996 2000 2004 2008 2012 Quelle: IWF. Dezember 2015 Gunther Schnabl, Institut für Wirtschaftspolitik, Universität Leipzig 14 Transformation des Sparverhaltens in Japan Nettoersparnis nach Sektor 15 P e r c e n -50 50 0 1980 1984 1988 1992 1996 Non-financial corporations 2000 2004 2008 Non-financial corporations Households Money market rate Percent of GDP 10 5 0 -5 -10 1980 1984 1988 1992 1996 2000 2004 2008 2012 Quelle: IWF. Dezember 2015 Gunther Schnabl, Institut für Wirtschaftspolitik, Universität Leipzig 15 Absinken der (Grenzleistungsfähigkeit) der Investitionen Von Sachinvestitionen zu Finanzinvestitionen • Das Risiko für Sachinvestitionen/Innovationen trägt das Unternehmen. • Die asymmetrische Geldpolitik kommt einem impliziten Versicherungsmechanismus für Finanzinvestitionen gleich. Sinkende Grenzleistungsfähigkeit von I • Zombie Banken finanzieren Zombie-Unternehmen (Caballero, Hoshi und Kashyab 2008, Kornai 1993). • Nachsichtige Kreditvergabe (Sekine, Kobayashi und Saita 2003) und Evergreening (Peek and Rosengreen 2008) dämpfen das Streben nach Investition und Innovation. Substitution von Investitionen durch Staatsnachfrage • Schuldenfinanzierte Nachfragepakete (Keynes 1936). • Zentralbank kauft Staatsanleihen und/oder setzt Anreize zum Kauf von Staatsanleihen. Dezember 2015 Gunther Schnabl, Institut für Wirtschaftspolitik, Universität Leipzig 16 Japan: Geldmarktzins, Investitionen und Wachstum 34 8 32 6 30 4 Prozent Prozent p. a. 28 2 26 0 24 22 20 18 1980 Investitionen als Anteil am BIP (linke Achse) -2 reales Wachstum, geglättet (rechte Achse) -4 Geldmarktzins (rechte Achse) -6 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 Quelle: IWF. Dezember 2015 Gunther Schnabl, Institut für Wirtschaftspolitik, Universität Leipzig 17 4. Gesellschaftliche Implikationen Hayek (1944: 166) • „mit jeder Gewährung völliger Sicherheit an eine Gruppe die Unsicherheit der übrigen notwendigerweise größer wird. Garantiert man jemand eine bestimmte Menge eines Kuchens von veränderlicher Größe, so muß notwendig der Anteil, der für alle anderen übrig bleibt, verhältnismäßig stärkeren Schwankungen unterworfen sein als die wechselnde Größe des ganzen Kuchens.“ Umverteilungseffekte und Reallohnrepression • Cantillon (1931)-Effekt: Einkommen der Angestellten im Finanzsektor steigen schneller als Einkommen der Angestellten in anderen Sektoren (USA). • Über den Vermögenspreiskanal begünstigt die asymmetrische / unkonventionelle Geldpolitik von allem die höchsten Einkommensklassen. • Bei steigender Staatsverschuldung (öffentlicher Sektor) und in Krisen (privater Sektor) müssen die Löhne der anderen Einkommensklassen gedrückt werden (unterminierte Verhandlungsmacht der Gewerkschaften). Dezember 2015 Gunther Schnabl, Institut für Wirtschaftspolitik, Universität Leipzig 18 Japan: Geldmarktzins, Investitionen und Wachstum Index (1995 = 100) 350 300 10 Aktienpreise USA (linke Achse) 9,5 Aktienpreise Japan (linke Achse) 9 Top 1% Einkommensanteil (rechte Achse) 250 8,5 200 8 150 7,5 100 7 50 0 1980 6,5 % des Nationaleinkommens 400 6 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 Quelle: IWF. Dezember 2015 Gunther Schnabl, Institut für Wirtschaftspolitik, Universität Leipzig 19 USA: Geldmarktzins, Investitionen und Wachstum Quelle: IWF. Dezember 2015 Gunther Schnabl, Institut für Wirtschaftspolitik, Universität Leipzig 20 Reallohnrepression in Japan 180 160 Index: 1985 = 100 140 120 100 80 60 Wages and Salaries Property Income (Interest, Dividends, Insurances, Rents) 40 1985 1987 1989 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 Quelle: Cabinett Office, Japan. Dezember 2015 Gunther Schnabl, Institut für Wirtschaftspolitik, Universität Leipzig 21 Finanzielle Repression in Japan 10-jährige Staatsanleihen Einlagenzinsen Prozent p. a. 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 Quelle: IWF. Dezember 2015 Gunther Schnabl, Institut für Wirtschaftspolitik, Universität Leipzig 22 Index: Q1 1995 = 100 Reale Lohnentwicklung in Europa 190 180 170 160 150 140 130 120 110 100 90 Q1 1991 Schweiz Griechenland Deutschland Q1 1994 Q1 1997 Q1 2000 Q1 2003 Q1 2006 Q1 2009 Q1 2012 Q1 2015 Quelle: IWF. Dezember 2015 Gunther Schnabl, Institut für Wirtschaftspolitik, Universität Leipzig 23 Anstieg der prekären Beschäftigungsverhältnisse Anteil an Gesamtbeschäftigung (%) 90 80 70 60 50 40 Non-regular employees Regular employees 30 20 10 0 1984 1989 1994 1999 2004 2009 2014 Quelle: Japan, Ministry of Finance. Dezember 2015 Gunther Schnabl, Institut für Wirtschaftspolitik, Universität Leipzig 24 5. Wachstumspolitische Implikationen Japan zeigt • Die unkonventionelle Geldpolitik stabilisiert kurzfristig. • Langfristig hat sie negative Auswirkungen auf die Grundpfeiler der marktwirtschaftlichen Ordnung, insbesondere über die gestörte Allokations- und Signalfunktion von Zinsen. • Vor allem die negativen Wachstums- und Verteilungseffekte der Politik des billigen Geldes tragen zu politischer Instabilität bei. Ausstieg aus der unkonventionellen Geldpolitik • Rückkehr zum traditionellen Bankgeschäft (Allokationsfunktion). • Weniger Spekulation (Risiko) und mehr Sparen. • Mehr Realinvestitionen und Produktivitätsgewinne. • Mehr Wachstum und Reallohnsteigerungen. • Mehr (soziale) Sicherheit für Jung und Alt. • Weniger Verteilungskonflikte und politische Stabilität. Dezember 2015 Gunther Schnabl, Institut für Wirtschaftspolitik, Universität Leipzig 25 Vielen Dank für die Aufmerksamkeit Halle an der Saale, 9. November 2015 Dezember 2015 Gunther Schnabl, Institut für Wirtschaftspolitik, Universität Leipzig 26
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