11. SYMPHONIEKONZERT S AI SO N 2014 2 015 Vladimir Jurowski Dirigent Gidon Kremer Violine Igor Levit Klavier KLASSIK PICKNICKT O P E N - A I R - KO N Z E R T M I T D E R S TA AT S K A P E L L E D R E S D E N VL ADIMIR JUROWSKI, DIRIGENT P E R A R N E G LO R V I G E N , BA N D O N EO N 11. SYMPHONIEKONZERT SA ISO N 2 01 4 2015 Vladimir Jurowski Dirigent Gidon Kremer Violine Igor Levit Klavier Sächsischer Staatsopernchor Dresden Einstudierung: Jörn Hinnerk Andresen Wir freuen uns, Ihnen bereits zum 8. Mal das beliebte Konzert auf den Wiesen vor der Gläsernen Manufaktur zu präsentieren – gemeinsam mit unserem langjährigen Partner, der Staatskapelle Dresden. PA R T N E R D E R S TA AT S K A P E L L E D R E S D E N 11. SYMPHONIEKONZERT SO N N TAG 2 8 . 6 .15 11 U H R M O N TAG 2 9. 6 .15 20 UHR D IEN STAG 3 0. 6 .15 20 UHR PROGRAMM S E M P ER O P ER DRESDEN Vladimir Jurowski Sofia Gubaidulina (*1931) Dirigent »Offertorium«, Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 (in einem Satz) Gidon Kremer Violine Igor Levit Klavier Sächsischer Staatsopernchor Dresden Einstudierung: Jörn Hinnerk Andresen PAU S E Sergej Tanejew (1856-1915) »Johannes Damascenus«, Kantate für gemischten Chor und Orchester op. 1 1. Adagio ma non troppo 2. Andante sostenuto – attacca: 3. Fuga. Allegro Zum 100. Todestag des Komponisten Spirituelle Botschaften Kaum jemandem dürfte der Solopart von Sofia Gubaidulinas »Offertorium« so vertraut sein wie Gidon Kremer, der das Werk einst uraufführte und damit der Komponistin zum Durchbruch verhalf. Nicht wie in ihrem Falle auf Bach, sondern auf den Heiligen Johannes von Damaskus bezog sich Sergej Tanejew in seinem Opus 1. Religion und Philosophie, Musik und Farbvorstellungen fließen in Alexander Skrjabins »Poème du feu« ineinander, mit dem der musikalische Revolutionär an den Mythos des Prometheus anknüpfte. Alexander Skrjabin (1871-1915) »Promethée. Le poème du feu«, Symphonische Dichtung für großes Orchester und Klavier mit Orgel, gemischtem Chor und Farbenklavier op. 60 Zum 100. Todestag des Komponisten Lichtdesign: Fabio Antoci Kostenlose Konzerteinführungen jeweils 45 Minuten vor Beginn im Foyer des 3. Ranges der Semperoper Das Konzert am 30. Juni 2015 wird ab 20.05 Uhr live bei MDR Figaro übertragen. Igor Levit signiert nach den Konzerten im Unteren Rundfoyer eigene CDs. 2 3 Gesangstext auf Seite 25 Zwischen den Werken von Sergej Tanejew und Alexander Skrjabin findet eine kurze Umbaupause statt. Wir bitten um Ihr Verständnis. 11. SYMPHONIEKONZERT Vladimir Jurowski Dirigent S eit vielen Jahren ist Vladimir Jurowski am Pult der Sächsischen Staatskapelle Dresden ein gern gesehener Gast. International in Konzert wie Oper hochgeschätzt, vereint er in seiner künstlerischen Arbeit mehrere Ämter und Positionen: Seit 2007 steht er als Chefdirigent an der Spitze des London Philharmonic Orchestra; außerdem ist er Principal Artist des Orchestra of the Age of Enlightenment und bekleidet seit 2011 überdies den Posten des Künstlerischen Leiters beim Staatlichen Symphonieorchester von Russland (Swetlanow-Symphonieorchester). Geboren in Moskau als Sohn des Dirigenten Michail Jurowski, begann Vladimir Jurowski seine musikalische Ausbildung zunächst in seiner Heimatstadt. Nach dem Umzug der Familie nach Deutschland setzte er seine Studien in Dresden und Berlin fort. Von 1997 bis 2001 war er Erster Kapellmeister an der Komischen Oper in Berlin. Gleichzeitig debütierte er an weltweit führenden Opernhäusern. Mit »Rigoletto« gab er 1999 seinen gefeierten Einstand an der New Yorker Metropolitan Opera, ebenso folgte er Einladungen an die Mailänder Scala und an das Moskauer Bolschoi Theater. Von 2001 bis 2013 war er Music Director des Glyndebourne Festival. Im Konzertsaal trat Vladimir Jurowski mit Orchestern wie den Berliner und Wiener Philharmonikern, dem Concertgebouw Orchestra Amsterdam und den Klangkörpern von New York, Philadelphia, Cleveland, Chicago und San Francisco auf. Von 2005 bis 2009 war er Erster Gastdirigent des Russischen Nationalorchesters. Die enge Zusammenarbeit Vladimir Jurowskis mit der Sächsischen Staatskapelle reicht zurück in die 1990er Jahre, als er in der Semperoper eine umjubelte Produktion von Krzysztof Pendereckis »Die Teufel von Loudon« leitete. In den Konzerten der Staatskapelle war er zuletzt im November 2012 zu erleben: Damals dirigierte er in der Dresdner Frauenkirche die Uraufführung von Auszügen aus Rudolf Barschais Orchesterbearbeitung der »Kunst der Fuge« von Johann Sebas tian Bach sowie Teile aus dem Requiem von Hans Werner Henze. Erst vor wenigen Tagen gab Vladimir Jurowski mit einem Aufführungsabend sein gefeiertes Debüt bei den Internationalen Schostakowitsch Tagen in Gohrisch. Am 4. Juli 2015 wird er mit »KLASSIK PICKNICKT« erstmals das Open-Air-Konzert der Sächsischen Staatskapelle auf den Wiesen vor der Gläsernen Manufaktur von Volkswagen leiten. 4 5 11. SYMPHONIEKONZERT Gidon Kremer C A P E L L -V I R T U O S 2 014 / 2 015 D E R S Ä C H S I S C H E N S TA AT S K A P E L L E D R E S D E N M it Gidon Kremer wuchs die erlesene Riege der Instrumentalisten, die seit 2010 als Capell-Virtuosen bei der Sächsischen Staatskapelle zu Gast waren, ab Beginn der Spielzeit 2014/2015 um eine weitere herausragende Musikerpersönlichkeit an. Geboren in Riga, war er Meisterschüler von David Oistrach und gewann zu Beginn seiner Karriere u. a. den Tschaikowsky- und den Paganini-Wettbewerb. Es dürfte kein renommiertes Orchester in Europa und den USA, keinen namhaften Dirigenten geben, mit denen Gidon Kremer nicht zusammengearbeitet hat, keinen Konzertsaal von internationaler Geltung, in dem er nicht aufgetreten ist. Seinen Einstand bei der Staatskapelle feierte er 1976, eine erste gemeinsame Tournee führte 2011 nach Wien, Luxembourg, Paris und Brüssel. Das Repertoire Gidon Kremers erstreckt sich von der traditionellen Literatur bis in die musikalische Gegenwart. Als Uraufführungsinterpret adelte er zahllose Werke der Neuen Musik, viele von ihnen sind ihm gewidmet. Führenden zeitgenössischen Komponisten wie Alfred Schnittke, Arvo Pärt, Luigi Nono, Gija Kantscheli, Aribert Reimann, John Adams, Astor Piazzolla und nicht zuletzt Sofia Gubaidulina, der aktuellen Capell-Compositrice, lässt er besondere Aufmerksamkeit zuteilwerden. Nachdem Gidon Kremer 1981 das legendäre Kammermusikfest im österreichischen Lockenhaus gegründet hatte, rief er 1997 die Kremerata Baltica ins Leben – ein aus jungen baltischen Musikerinnen und Musikern bestehendes erstklassiges Kammerorchester, mit dem er in den Konzertzentren weltweit gastiert. Auch im Rahmen seiner Dresdner Residenz war er im September 2014 zusammen mit diesem Ensemble in der Semperoper zu erleben. Darüber hinaus trat er als Solist im 1. Symphoniekonzert der Staatskapelle auf und reiste mit Christian Thielemann und der Kapelle nach Berlin, Frankfurt, Köln und Dortmund sowie nach Wien und BadenBaden. Und schließlich kehrte er – ebenfalls im September vergangenen Jahres – zu den Schostakowitsch-Tagen nach Gohrisch zurück, wo er mit dem Schostakowitsch-Preis ausgezeichnet wurde. Lang ist die Liste der Ehrungen und Auszeichnungen des Weltklassemusikers, darunter der Ernst von Siemens Musikpreis, das Bundesverdienstkreuz, der UNESCO-Preis, der Grammy und der ECHO Klassik. Gidon Kremer spielt auf einer »Nicola Amati« aus dem Jahr 1641. 6 7 11. SYMPHONIEKONZERT Igor Levit Klavier I gor Levit wurde 1987 in Nizhni Nowgorod geboren, übersiedelte im Alter von acht Jahren mit seiner Familie nach Deutschland und absolvierte sein Studium an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover. Für seinen Abschluss erhielt er die höchste Punktzahl in der Geschichte des Instituts. Der Gewinn der Silbermedaille beim Internationalen Arthur-Rubinstein-Wettbewerb in Tel Aviv im Verbund mit diversen Sonderpreisen markierten den Startpunkt für eine Karriere, die mittlerweile ihresgleichen sucht. Höhepunkte der aktuellen Konzertsaison sind eine Porträt-Reihe in der Londoner Wigmore Hall, seine Orchesterdebüts bei den Symphonieorchestern in San Francisco und Cincinnati, beim hr-Sinfonieorchester sowie beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Bei den diesjährigen Osterfestspielen in Baden-Baden gab Igor Levit sein gefeiertes Debüt mit den Berliner Philharmonikern. In den kommenden Wochen ist er bei einigen der wichtigsten deutschen Festivals zu Gast: den Festspielen in Mecklenburg-Vorpommern, beim Kissinger Sommer, dem Klavierfestival Ruhr, bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen sowie beim Rheingau Musik Festival. Bei der Schubertiade in Schwarzenberg setzt er seinen 2013 begonnenen Beethoven-Sonatenzyklus fort. Seit 2012 ist Igor Levit Exklusivkünstler von Sony Classical. Seine erste Einspielung für das Label, die fünf letzten Beethoven-Sonaten, erschien im August 2013. Igor Levit wurde dafür im Frühjahr 2014 mit dem BBC Music Magazine Newcomer of the Year Award, dem Young Artist Award der Royal Philharmonic Society und dem ECHO Klassik 2014 in der Kategorie »Solistische Einspielung des Jahres (19. Jh.) / Klavier« ausgezeichnet. Sein zweites Album für das Label mit den Partiten von Johann Sebastian Bach erschien im August 2014. Eine besondere künstlerische Partnerschaft verbindet Igor Levit mit dem Komponisten Frederic Rzewski, dessen eigentlich als unspielbar geltender Variationszyklus »The People United Will Never Be Defeated« von ihm regelmäßig aufs Programm gesetzt wird – so auch im September 2013 bei den Internationalen Schostakowitsch Tagen in Gohrisch, wo Igor Levit bereits mehrfach zu Gast war. Rzewski widmete Levit acht Sonaten seines Zyklus »Nano-Sonaten« und komponierte den Zyklus »Dreams II« für ihn, den der Pianist beim Heidelberger Frühling 2015 uraufführte. 8 9 11. SYMPHONIEKONZERT Sächsischer Staatsopernchor Dresden CHORDIREK TOR UND EINSTUDIERUNG: JÖRN HINNERK ANDRESEN D er Dresdner Opernchor wurde am 8. Oktober 1817 durch königliches Dekret von Friedrich August dem Gerechten gegründet. Die Erlassung dieses Dekrets war vor allem ein Verdienst Carl Maria von Webers, der als neu engagierter Hofkapellmeister 1817 den Auftrag erhalten hatte, neben der traditionsreichen italienischen Oper am Königlichen Hoftheater in Dresden auch ein deutsches »Opern-Departement« aufzubauen. Weber forderte die Einrichtung eines »stehenden Theaterchors«, der den gestiegenen Anforderungen des dafür neu zu schaffenden Opernrepertoires gewachsen sein würde. In der Folgezeit entwickelte sich das Ensemble zu einem erstrangigen und gefragten Klangkörper, der zu den besten Opernchören Europas zählt. Über die Jahrhunderte hinweg pflegten hervorragende Künstlerpersönlichkeiten wie der Gesangspädagoge Johann Miksch, der Wagner-Freund Christian Wilhelm Fischer und dessen Sohn Carl August Wilhelm Fischer, Karl Maria Pembaur, Ernst Hintze, Hans-Dieter Pflüger, Matthias Brauer und Pablo Assante ein bis heute spezielles, diesem Staatsopernchor zugehöriges Klangideal, das besonders auch durch die rege Konzerttätigkeit des Chores beeinflusst wurde. Seit Februar 2015 hat Jörn Hinnerk Andresen die Position des Chordirektors inne. Der Sächsische Staatsopernchor konzertiert regelmäßig mit der Staatskapelle Dresden. Die Kapell-Chefs, darunter Herbert Blomstedt, Giuseppe Sinopoli und Christian Thielemann, und viele berühmte Gastdirigenten haben mit dem Gesangsensemble zusammengearbeitet. In den Kapell-Konzerten war der Staatsopernchor zuletzt im Dezember und Februar zu hören: im Silvesterkonzert der Staatskapelle mit der konzertanten Aufführung von Emmerich Kálmáns »Die Csárdásfürstin« sowie in den traditionellen Gedenkkonzerten mit dem »Stabat mater« von Gioachino Rossini. Opern- und Konzertreisen sowie eine kontinuierliche Präsenz bei Festspielen sowie in Rundfunk und Fernsehen brachten dem Dresdner Staatsopernchor weltweite Beachtung ein. Tourneen führten die Sängerinnen und Sänger u. a. nach Russland, Italien, Österreich, Spanien, Frankreich sowie nach Japan. Eine Vielzahl von CD- und DVD-Produktionen bezeugen die Qualitäten des Ensembles. 10 11 11. SYMPHONIEKONZERT Sofia Gubaidulina EIN MUSIKALISCHES OPFER * 24. Oktober 1931 in Tschistopol, Tatarische Republik Sofia Gubaidulinas Violinkonzert »Offertorium« »Offertorium« Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 (in einem Satz) G ENTSTEHUNG BESETZUNG zwischen Frühjahr 1979 und März 1980 auf Anregung von Gidon Kremer; da es in der Sowjetunion keine Aufführungsmöglichkeit gab, schmuggelte der Verleger Jürgen Köchel das Manuskript im Herbst 1980 in den Westen. Gubaidulina hat das Werk 1982 und 1986 noch zweimal revidiert. 2 Flöten, Piccoloflöte, 2 Oboen, 2 Klarinetten, Es-Klarinette, 2 Fagotte, 3 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba, Pauken, Schlagzeug (6 Spieler), 2 Harfen, Celesta, Klavier, Streicher DAU ER ca. 40 Minuten U R AU F F Ü H R U N G am 30. Mai 1981 bei den Wiener Festwochen mit Gidon Kremer und dem ORFSymphonieorchester unter Leitung von Leif Segerstam 12 13 idon Kremer hatte freie Wahl. Als die Wiener Festwochen den Geiger einluden, am 30. Mai 1981 in einem Konzert des ORF-Symphonieorchesters Wien aufzutreten, überließen sie ihm die Entscheidung, welches Werk er spielen wolle. Der eigenwillige Kremer schlug daraufhin eine sowjetische Komponistin vor, die im Westen noch völlig unbekannt war: Sofia Gubaidulina, deren »Offertorium« er zur Uraufführung bringen wollte. Gubaidulina? Hätte man Musikfreunden aus Moskau oder Leningrad seinerzeit diesen Namen genannt, wäre die Reaktion wohl ebenfalls Kopfschütteln und Ratlosigkeit gewesen. Denn Sofia Gubaidulina existierte nicht im offiziellen Musikleben ihres Landes – der sowjetische Komponistenverband lehnte ihre Werke ab, er verdammte sie zum Schweigen. Sicher, die Funktionäre wussten, dass diese Komponistin ein perfektes Handwerk besaß, und so ließ man sie etliche Filmmusiken anfertigen, Gebrauchsware, mit der sie sich ihren Lebensunterhalt verdiente. Aber das, was ihr wirklich wichtig war, was ihr nicht als Brotarbeit, sondern als Kunstwerk galt, das schrieb sie einzig und allein für die Schublade. Neu und besonders erschien Sofia Gubaidulina diese Situation allerdings nicht. 1931 wurde sie als Tochter eines Ingenieurs in Tschis topol geboren, in der tatarischen Sowjetrepublik. Damals regierte der Diktator Stalin und überzog das Land alsbald mit einer ersten Welle sogenannter »Säuberungen«: Wer sich der offiziellen Meinung widersetzte und für andere Werte stritt, dem drohten Verfolgung, Inhaftierung oder gar der Tod. Als Gubaidulina Ende der 1940er Jahre ihr Kompositions studium begann, holten Stalins Schergen gerade zu einem weiteren Schlag gegen die Kunst aus. Alles, was die 17-jährige Sofia zu dieser Zeit großartig fand in der Musik, zum Beispiel Werke von Prokofjew oder Schostakowitsch, wurde verdammt und als »formalistisch« oder »westlich-dekadent« gebrandmarkt. Sie musste erleben, dass es in ihrem Studentenwohnheim zu Durchsuchungen kam. Und bei wem etwas 11. SYMPHONIEKONZERT Verdächtiges gefunden wurde – inkriminierte Werke oder zeitgenössische Musik aus dem Westen –, der wurde exmatrikuliert. Gubaidulina aber wollte sich nicht verbiegen lassen, und sie mochte sich erst recht nicht anbiedern mit eingängigen oder volkstümlichen Weisen. Als sie 1959 vier Kompositionen für ihr Abschlussexamen einreichte, wurden in der Prüfungskommission prompt Zweifel laut, ob diese Musik den Maximen des sozialistischen Realismus wirklich entspreche. Man warf ihr etwa vor, das melodiöse Element schmählich zu vernachlässigen und stattdessen zwanghaft nach neuen Mitteln des Ausdrucks zu suchen. Doch dank der Fürsprache von Dmitri Schostakowitsch wurde ihr am Ende sogar die Bestnote zuteil. Schostakowitsch zog sie anschließend allerdings zur Seite und gab ihr einen entscheidenden Rat: »Haben Sie keine Angst, seien Sie Sie-selbst«, legte er ihr nahe. Und: »Ich wünsche Ihnen, dass Sie auf Ihrem eigenen falschen Weg weitergehen.« Das Thema der Opferung Sofia Gubaidulina hat sich diese Empfehlung zeitlebens zu Herzen genommen. Auch wenn sie dadurch in die Fänge der Zensur geriet und es erdulden musste, ihre Musik meist nur im privaten oder halb-öffentlichen Rahmen hören zu können, gespielt von befreundeten Musikern. Etwa im Moskauer Jugend-Musik-Klub, wo sie im Winter 1977/78 bei einem Konzert den Geiger Gidon Kremer traf, mit dem sie sich auf dem Nachhauseweg ein Taxi teilte. Beide waren angeregter Stimmung, und so kam es, dass Kremer sie ganz direkt fragte: »Wollen Sie nicht einmal ein Violinkonzert schreiben?« Er wusste gar nicht, was er damit ausgelöst hatte! Gubaidulina schätzte Kremer über die Maßen, sie besuchte seine Konzerte, wann immer es möglich war, und schwärmte von seinem Spiel. Vor allem seine Tongebung faszinierte sie. Wenn Kremers Finger die Saite der Geige berührten, so glaubte sie, dann ströme seine ganze Energie in den Ton – ein Akt der völligen Selbstentäußerung. »Ich begann zu begreifen«, erklärte Gubaidulina, »dass Kremers Thema das Opferthema ist, die Opferung des Musikers in seiner Selbstaufgabe an den Ton.« Das Violinkonzert für Kremer musste folglich eine Opfergabe werden, ein heiliger Akt, ein Offertorium, wie es zum Beispiel während der Messfeier zelebriert wird. Und zu diesem Stichwort kam Sofia Gubaidulina noch etwas anderes in den Sinn. Sie dachte an jene acht kurzen Takte, über die eines ihrer großen Vorbilder, Johann Sebastian Bach, ein wahres Wunderwerk der Variationskunst und Kontrapunktik geschaffen hatte: das Thema regium, das seinem »Musikalischen Opfer« zugrunde liegt. Wie der Name schon verrät, stammt dieses Thema, das »königliche Thema«, nicht von Bach selbst. Es wurde ihm von Friedrich dem Großen 14 15 Die Komponistin und ihr Interpret: Sofia Gubaidulina und Gidon Kremer in Boston (1988). Mit dem Boston Symphony Orchestra unter Charles Dutoit spielte Kremer damals das Violinkonzert »Offertorium« im Studio ein. vorgelegt, als der Leipziger Thomaskantor 1747 zu Besuch am Preußischen Königshof war. Friedrich II. forderte seinen berühmten musikalischen Gast damals auf, über diesen kurzen musikalischen Gedanken eine Fuge zu improvisieren. Nun stand allerdings eine eher maliziöse Absicht dahinter, denn das streckenweise chromatisch gehaltene Thema lässt sich alles andere als leicht verarbeiten. Bach soll die Aufgabe jedoch bravourös gelöst haben. Er ließ die acht königlichen Takte zum Gegenstand einer dreistimmigen Fuge werden, die er aus dem Stegreif zu Gehör brachte, und musste erst kapitulieren, als Friedrich auch noch eine sechsstimmige Fuge forderte. Diese Bitte aber erfüllte er dann nach seiner Rückkehr ins heimische Leipzig und komponierte die berühmte Sammlung von Ricercari, Fugen und Kanons, die er wenige Monate später als »Musikalisches Opfer« in Druck gab. Diese Grundidee griff Sofia Gubaidulina auf, als sie im Frühjahr 1979 die Arbeit an dem Violinkonzert für Gidon Kremer konkret in Angriff nahm. Denn diesem Werk liegt ebenfalls nichts anderes zugrunde als das legendäre Thema regium, das bis zur völligen Auflösung des Materials variiert wird, um dann in neuem Gewand wiederaufzuerstehen. 11. SYMPHONIEKONZERT Die Opferung des Themas Der Anfang des sechsstimmigen Ricercars aus dem »Musikalischen Opfer« in Johann Sebastian Bachs Autograph. Das anfängliche Thema regium legte Sofia Gubaidulina auch ihrem »Offertorium« zugrunde. Freilich lässt Gubaidulina das Thema schon zu Beginn in leicht veränderter Gestalt erklingen: Sie transponiert es um einen Ganzton nach oben und lässt die einzelnen Töne von verschiedenen Blasinstrumenten intonieren – Posaune, Fagott, Trompete, Horn, Flöte und in der rückläufigen Reihenfolge wieder retour zur Posaune –, bis die Solovioline am Ende der Reihe den Faden aufnimmt und mit der ersten Variation ansetzt. Das Verfahren, die königliche Melodie durch die verschiedenen Instrumente wandern zu lassen, war freilich nicht vollkommen neu. Schon Anton Webern ging genauso vor, als er das sechsstimmige Ricercar aus Bachs »Musikalischem Opfer« in den Jahren 1934/35 »nachkomponierte« und in eine Orchesterfassung brachte. Dass Gubaidulina diese Technik der »durchbrochenen Arbeit« fortführt, ist insofern eine weitere Hommage, eine Verneigung vor Webern, dessen Musik sie erstmals 1957 bei einem Klavierabend von Glenn Gould in Moskau zu hören bekam und die sie seither nicht mehr loslassen sollte. Gubaidulina geht indes sehr viel weiter, sie nutzt das Thema regium nur als Ausgangsmaterial und komponiert ihr »Offertorium« als eine Reihe sehr freier Variationen, in der sie die verschiedensten Stilmittel des 20. Jahrhunderts zum Einsatz bringt: vom Cluster über mikropolyphone Gewebe bis zu stillen, verschwiegenen Momenten, wie man sie etwa aus der Musik des Italieners Giacinto Scelsi kennt. 16 17 Aber diese Freiheit, die wir zu hören glauben, ist nur scheinbar. Die Partitur des Violinkonzerts folgt vielmehr einem minutiösen »Schaltplan«, der den Ablauf des Geschehens Takt für Takt festlegt. Denn es passiert Erstaunliches im Verlaufe der Variationenreihe: Bei jeder neuen Veränderung verkürzt Gubaidulina nämlich das Thema, sie lässt jeweils einen Ton am Anfang und einen am Ende weg, bis schließlich nur noch das zentrale E übrigbleibt. Mit jeder Verkürzung verändern sich dabei der Gehalt und die Bedeutung der Musik. Man bezeichnet dieses Prinzip als Logogriph, als Worträtsel, wie es sich vor allem in den antiken Sprachen ergiebig anwenden lässt. Eine besonders eindrucksvolle Spielart der Sinnverwandtschaft offenbart beispielsweise das hebräische Wort »adama«, das »Erde« heißt: Fällt hier der letzte Buchstabe weg, das a, so bleibt »adam«, der Mann, der aus der Erde geschaffen ist; wird dann auch noch der erste Buchstabe eliminiert, entsteht der Begriff »dam«, und das bedeutet »Blut«, der Saft des menschlichen Lebens. Nach exakt diesem Muster der Reduktion verfährt Sofia Gubaidulina mit dem Thema regium in ihrem Violinkonzert: Sie opfert es. Doch gibt sie es nur preis, um etwas Neues daraus entstehen zu lassen. Ganz so, wie es Jesus Christus einst mit der Metapher des Weizenkorns umschrieben hat, das sterben muss, wenn es neue Frucht bringen soll. Dieses neue Leben, das aus dem verlöschenden hervorgeht, offenbart sich dann im dritten und letzten der drei ineinander übergehenden Formteile des »Offertoriums«. Sofia Gubaidulina stimmt hier eine Art Choral an, in dessen Verlauf sie Bach noch einmal wörtlich zitiert, nämlich mit der Weise »Es ist genug«, die auch Alban Berg in seinem Violinkonzert verwendet hat – abermals eine doppelte Reverenz also. Aber was noch viel entscheidender ist: In den Parts der beiden Harfen, des Klaviers und der Schlaginstrumente wird das königliche Thema zu neuer, anderer Gestalt transformiert, indem es schrittweise von hinten nach vorne wieder aufgebaut wird, um schließlich von der Solovioline komplett in rückläufiger Form gespielt zu werden, im Krebsgang also. Ein Wunder der Verwandlung, der Metamorphose, des ewigen Lebens. Oder, wie es Sofia Gubaidulina selbst formulierte: »Das Erste wird zum Letzten und das Letzte zum Ersten.« Ein dreifaches Opfer erbringt sie mithin in ihrem »Offertorium«: Das königliche Thema wird geopfert; der Geiger hat – getreu dem Vorbild Gidon Kremers – seine Kunst als Opfergabe darzubringen; und schließlich spielt sie im religiösen Sinne auf die Opferung Christi an, die erst das ewige Leben verheißt. S U S A N N E S TÄ H R 11. SYMPHONIEKONZERT Sofia Gubaidulina C A P E L L - C O M P O S I T R I C E 2 014 / 2 015 D E R S Ä C H S I S C H E N S TA AT S K A P E L L E D R E S D E N S ie gilt als eine der großen »Stimmen« in der zeitgenössischen Musik: Sofia Gubaidulina, in dieser Saison Capell-Compositrice der Sächsischen Staatskapelle. Ihre Ausnahmestellung ist an den unzähligen Kompositionsaufträgen durch namhafte Institutionen, an den vielen Einspielungen ihrer Musik durch renommierte Künstler und an der schier endlosen Reihe von Ehrungen ablesbar – eine beeindruckende Karriere, die auch die äußeren Widerstände und Restriktionen in den Anfangsjahren ihres Schaffens nicht aufhalten konnten. Die sowjetische Kritik begegnete der jungen Sofia Gubaidulina mit Skepsis, Musikfunktionäre tadelten ihre Musik, weil ihr die gesellschaftliche Relevanz fehle. Dies bedeutete nicht nur lange Zeit Ruhm hinter vorgehaltener Hand, sondern auch Diffamierungen, Ausreise- und Aufführungsverbote. Offizielle Anerkennung und öffentliches Interesse blieben der am 24. Oktober 1931 in Tschistopol in der Tatarischen Republik geborenen Künstlerin vorerst versagt. Der internationale Durchbruch gelang 1981 mit der Uraufführung ihres ersten Violinkonzerts »Offertorium« in Wien durch Gidon Kremer – nicht zuletzt dank seines Einsatzes hielten ihre Werke rasch Einzug in die Konzertprogramme weltweit. 2011 wurde die Komponistin anlässlich ihres 80. Geburtstags rund um den Globus geehrt: von Moskau bis New York einschließlich eines mehrtägigen Festivals in Hannover. Typisch für Sofia Gubaidulina ist, dass es in ihren Werken fast immer etwas gibt, das über das rein Musikalische hinausgeht: einen dichterischen Text, ein Ritual, eine instrumentale »Aktion«. In ihre Partituren flossen Elemente östlicher Philosophie ein, sie vertonte alt-ägyptische und persische Dichter, aber auch Lyrik des 20. Jahrhunderts. Ihre tiefe Verbundenheit mit der deutschen Musik wirkt sich ebenso auf ihr Schaffen aus wie ihre Religiosität – das Komponieren ist für sie ein sakraler Akt. Eine besondere Affinität besitzt sie zur Musik Bachs, was sich in ihrem Sinn für musikalische Formen und Proportionen, in ihrer Vorliebe für Zahlenspiele und -symbolik spiegelt. »Den größten Einfluss auf meine Arbeit«, bekennt Sofia Gubaidulina indes, »hatten Dmitri Schostakowitsch und Anton Webern. Obwohl dieser Einfluss in meiner Musik scheinbar keine Spuren hinterlassen hat, ist es doch so, dass mich diese beiden Komponisten das Wichtigste gelehrt haben: ich selbst zu sein.« 18 19 11. SYMPHONIEKONZERT Sergej Tanejew EIN RUSSISCHES REQUIEM * 13. (25.) November 1856 in Wladimir † 6. (19.) Juni 1915 in Djudkowo bei Moskau Sergej Tanejews Kantate »Johannes Damascenus« »Johannes Damascenus« Kantate für gemischten Chor und Orchester op. 1 1. Adagio ma non troppo 2. Andante sostenuto – attacca: 3. Fuga. Allegro S ENTSTEHUNG U R AU F F Ü H R U N G in den Jahren 1883 und 1884 am 11. (23.) März 1884 im Rahmen eines Gedenkkonzertes für Nikolai Rubinstein in St. Petersburg T E X T VO R L AG E Auszüge aus dem achten Kapitel des mehrteiligen Gedichts von Alexej Tolstoi (1817-1875) über den Kirchenvater Johannes von Damaskus (ca. 650-754) WIDMUNG dem Pianisten, Dirigenten und Moskauer Konservatoriumsgründer Nikolai Rubinstein (1835-1881) 20 21 BESETZUNG Vierstimmiger gemischter Chor; 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 4 Hörner, 2 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba, Pauken, Streicher DAU ER ca. 20 Minuten ergej Tanejew gehört mit Anton Arenski, Anatoli Ljadow und Alexander Glasunow zu jener Generation russischer Komponisten, die zwischen Mussorgsky, Tschaikowsky und RimskyKorsakow einerseits, Skrjabin, Rachmaninow und Strawinsky andererseits steht. Zwischen Romantik und Moderne, um zwei nur bedingt passende Schlagworte zu wählen. Die Aufmerksamkeit, die ihnen im Westen zukommt, ist gering; allenfalls einige von Glasunows Werken genießen Repertoirestatus. Aber gerade in dieser »Zwischen«-Position liegt Tanejews Bedeutung: als Vermittler, Wegbereiter und somit als »eine der Schlüsselfiguren der russischen Musik« (Andreas Wehrmeyer). 1866, im Alter von knapp zehn Jahren, trat Tanejew ins Moskauer Konservatorium ein, das er 1875 mit Höchstnote verließ. Weitere drei Jahre später wurde er selbst Konservatoriumsdozent – als Nachfolger Pjotr Tschaikowskys. Tanejew war Schüler Tschaikowskys gewesen und wurde nun sein Freund und Kollege; so hob er das zweite und dritte Klavierkonzert des Älteren als Solist aus der Taufe. Bis zum Jahr 1905 unterrichtete er in Moskau; zunächst Harmonielehre und Instrumentation, dann Klavier und Kontrapunkt. Zu seinen Schülern zählten Skrjabin, Rachmaninow und Nikolai Medtner. Was Tanejew gegenüber zeitgenössischen Komponisten und Dozenten auszeichnete, waren seine überragenden Fähigkeiten im Bereich der Kontrapunktik. Er beschäftigte sich nicht nur mit der mehrstimmigen Musik der Renaissance und des Barocks, was an sich schon eine Besonderheit war, sondern sah in ihr auch eine Basis für die Moderne. Frucht seines intensiven Studiums der Werke Josquins, Pales trinas und Bachs war ein Kontrapunkt-Lehrbuch, das er 1909, sechs Jahre vor seinem Tod, veröffentlichte. Kompositorisch galt seine Liebe der Kammermusik – auch dies eine Ausnahme in der russischen Musikszene. 11. SYMPHONIEKONZERT Überragender Kontrapunktiker: Sergej Tanejew (um 1890). Seiner Kantate »Johannes Damascenus« gab er bewusst die Opuszahl 1 – alles vorher Geschriebene erschien ihm unzureichend. Natürlich fehlte es nicht an Kritikern dieses »gelehrten« Stils; Tschaikowsky etwa verzweifelte mitunter angesichts der satztechnischen Überlegenheit seines Freundes, die seiner Meinung nach natürlicher Empfindung und emotionaler Direktheit im Wege stand. Noch ein Umstand aus Tanejews Biografie ist zu erwähnen: sein bewundernswerter Idealismus. Für private Unterrichtsstunden pflegte er kein Geld zu nehmen und lebte bis zu seinem Tod in einem Häuschen ohne fließendes Wasser und Strom. Als die revolutionäre Stimmung des Jahres 1905 auf das Konservatorium übergriff und zum Konflikt mit dem Direktorium führte, stellte er sich auf die Seite der Reformer, was seinen Rücktritt zur Folge hatte. Kurz danach gehörte er zu den Mitbegründern eines »Volkskonservatoriums«, das allen Schichten ein Musikstudium ermöglichen sollte. »In moralischer Hinsicht absolut makellos«: So urteilte Tschaikowsky schon 1887 über seinen Freund Tanejew. Die Chorkantate »Ioann Damaskin« (»Johannes von Damaskus«) nahm Tanejew im Jahr 1883 in Angriff, in dem er erstmals die Gelegenheit hatte, ein Oratorium Händels zu hören, nämlich »Israel in Ägypten« – ein Erlebnis, das, wie er selbst anmerkte, »meine künftigen Kompositionen beeinflussen wird«. Er widmete das Werk dem Andenken Nikolai Rubinsteins, der zwei Jahre zuvor überraschend gestorben war. Der jüngere der beiden Rubinstein-Brüder war als Konservatoriumsgründer, als Pianist und Dirigent eine der einflussreichsten Persönlichkeiten des 22 23 Moskauer Kulturlebens gewesen und in dieser Funktion praktisch unersetzbar. Tschaikowsky drängte Tanejew, Rubinsteins Nachfolge anzutreten, was diesem zumindest teilweise gelang. Als Textgrundlage seines Werks wählte Tanejew Auszüge aus einem Gedicht Alexej Tolstois über den Kirchenvater Johannes von Damaskus (ca. 650-754). Dieser war hoher Beamter am Hof des Kalifen gewesen, bevor er ins Kloster wechselte; durch seine Schriften trug er wesentlich zur Ikonenverehrung innerhalb der orthodoxen Kirche bei. Tolstois Gedicht, offensichtlich autobiografisch grundiert, thematisiert das Verhältnis des Intellektuellen zur Macht, während Tanejews Auswahl wiederum den Abschied vom Leben in den Mittelpunkt stellt – Johannes soll über 100 Jahre alt geworden sein. Selbstzweifel und Hoffnungsschimmer Die Kantate, die auch gelegentlich unter dem Titel »Ein russisches Requiem« firmiert, ist dreiteilig: Auf ein ausgedehntes Adagio folgt ein kurzer Andante-Satz, der in eine bewegte Fuge übergeht. Während der Mittelteil homophon, also im akkordischen Chorsatz angelegt ist, belegen die Rahmenteile eindrucksvoll Tanejews polyphone Meisterschaft. Beides ist in diesem Fall kein Selbstzweck, sondern dient der Textauslegung: Zu den Selbstzweifeln, der düsteren Unruhe der Rahmenteile passt die Mehrstimmigkeit, zum Hoffnungsschimmer des Mittelteils das kontemplativ-gemeinschaftliche Singen. Der Orchestereinleitung zu Beginn des Werks entspricht spiegelbildlich der Ausklang der Kantate, der ganz dem Chor vorbehalten bleibt. In der Einleitung verwendet Tanejew den alten Kirchengesang »In heiliger Ruhe«, vorgestellt von Holzbläsern und tiefen Streichern. Nacheinander setzen nun die vier Stimmen des Chors ein – in Form eines Fugatos, das die Verse des Gedichts gleichzeitig erklingen lässt. Auf dieses »Durcheinandersprechen« antwortet das Orchester (Streicher und Bläser im Wechsel) mit einer Art Rezitationston, als wolle es den Chor zur Ordnung rufen – allerdings ohne Erfolg. Daraufhin stimmen die Posaunen überraschend den Choral der Einleitung an, während der Chor zum Fugato zurückkehrt, nun aber in Engführung, also in beschleunigter Einsatzfolge. Noch einmal erklingt der Rezitationston, bevor auf dem Höhepunkt des Satzes auch der Chor den Einleitungschoral übernimmt, erneut in Kombination mit dem Fugato-Thema. A cappella beginnt der zweite Satz, in dem der Chor gleichsam mit einer Stimme spricht. Aber schon bringt das hinzutretende Orchester Themenfragmente aus dem ersten Satz ins Spiel, die den Weg freimachen für die abschließende Fuge. Unmöglich, alles zu hören, was Tanejew hier 11. SYMPHONIEKONZERT GESANGSTEXT Sergej Tanejew »Johannes Damascenus« op. 1 Der Heilige Johannes von Damaskus (ca. 650-754). Wegen seines Redetalents trug er den Beinamen »Chrysorrhoas« (»der Gold Verströmende«); noch heute wird er in der westund oströmischen Kirche als letzter der Kirchenväter verehrt. Griechische Ikone aus dem 14. Jahrhundert an kontrapunktischen Raffinessen wie Umkehrungen und Engführungen eingeschmuggelt hat. Umso deutlicher vernimmt man den Choral der Einleitung, der – wie schon im ersten Satz – mit dem Fugenthema kombiniert wird. Aber auch das hochromantische Orchestervokabular, von Registerwechseln (Bläser gegen Streicher) bis zu harmonischen Umwegen, wird nicht vernachlässigt. Auf dem Höhepunkt der Entwicklung verwandeln sich die Bläser in einen eigenen Chor, der mit den menschlichen Stimmen in Dialog über die beiden Hauptthemen des Satzes tritt, während die auf- und niederfahrenden Figuren der Streicher die Weite des Kosmos umreißen. Das Ende aber ist still verklingend: Ein letztes Mal beschwört der Chor die »heilige Ruhe« des Einleitungschorals. Kein Zweifel, »Johannes Damascenus« ist ein grandios durchkonstruiertes Werk. Überkonstruiert? Manche zeitgenössischen Kritiker sahen das so; sie wünschten sich eine präzisere Textauslegung und mehr »Sprache des Herzens«. Insgesamt aber erhielt die Kantate viel Beifall, weshalb Tanejew selbstbewusst an Tschaikowsky schreiben konnte, dass »die kontrapunktische Schreibweise die Musik durchaus nicht langweilig oder trocken werden lässt«. In dieser Allgemeinheit mochte Tschaikowsky das zwar nicht akzeptieren, eins aber gab er gern zu: »Sie haben eine vorzügliche Kantate geschrieben.« 24 Text von Alexej Tolstoi (1817-1875) aus dem gleichnamigen, 1859 veröffentlichten Gedicht I. Mein Pfad ins Ungewisse geht, durch Hoffen fahr ich hin und Bangen, der Blick verlöscht, der Hauch verweht, erstarrt die Brust, erbleicht die Wangen. So lieg ich stumm und regungslos, vernehme nicht der Brüder Klagen, nie wird im kühlen Todesschoß das Fest des Herrn für mich ertagen. II. Doch ob der Leib in Schlaf versenkt, es kann die Liebe nie vergehen. Und ihrer, Brüder, treu gedenkt zu Gott erhebend euer Flehen: O Herr! O Herr! III. Am Tage des Gerichts, wenn laut Posaunenruf erdröhnet, in deine Wohnungen des Lichts nimm auf den Sünder mild versöhnet. M ARCUS IMBSWEILER 25 11. SYMPHONIEKONZERT Alexander Skrjabin MUSIKALISCHE GRENZERFAHRUNG * 25. Dezember 1871 (6. Januar 1872) in Moskau † 14. (27.) April 1915 in Moskau Alexander Skrjabin und sein »Prometheus« »Promethée. Le poème du feu« Symphonische Dichtung für großes Orchester und Klavier mit Orgel, gemischtem Chor und Farbenklavier op. 60 A ENTSTEHUNG BESETZUNG begonnen 1908 in Brüssel, vollendet im Herbst 1910 in Moskau Farbenklavier, 3 Flöten, Piccoloflöte, 3 Oboen, Englischhorn, 3 Klarinetten, Bassklarinette, 3 Fagotte, Kontrafagott, 8 Hörner, 5 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba, Pauken, Schlagzeug (7 Spieler), Celesta, 2 Harfen, Orgel, Klavier, gemischter Chor, Streicher U R AU F F Ü H R U N G am 15. März 1911 unter Leitung von Sergej Kussewitzky in Moskau (ohne Farbenklavier); erste Aufführung mit Farbenklavier am 20. März 1915 in der New Yorker Carnegie Hall mit der Pianistin Marguerite Volavy und Modest Altschuler am Pult des Russian Symphony Orchestra 26 27 DAU ER 20 bis 25 Minuten lexander Skrjabin und seine Musik wirken bis heute, hundert Jahre nach seinem Tod, geheimnisumwoben, widersprüchlich und rätselhaft. Der Musiker erscheint immer auch als Mystiker, und den Künder spiritueller Erfahrungen umschwebt der schwüle Parfümduft des Salons. Er war davon überzeugt, kraft seiner Gedanken die Schwerkraft überwinden und fliegen zu können. Wenn er musikalische Werke schuf, sah er sich als Weltenschöpfer, und er legte Wert darauf, auch als solcher verstanden zu werden, sammelte, wo er auch erschien, Jünger um sich und strickte schon zu Lebzeiten an seiner eigenen Legende. Seine Moskauer Wohnung wurde, betreut von seiner Frau und seiner Tochter, nach seinem Tod zum musealen Pilgerort, der auch die Sowjetzeiten überstand. Skrjabins Musik wurzelt bei Chopin und Liszt, doch vieles an seinen Konzepten wirkte als Herausforderung an kommende Komponistengenerationen weiter – über Olivier Messiaens systematische Erforschungen der Beziehungen zwischen Farben und Klängen bis hin zu Karlheinz Stockhausens Raum und Zeit umspannendem »Licht«-Zyklus oder zur Musik der Stille von John Cage. Skrjabins Visionen solch einer musikalischen Paradoxie à la Cage erscheinen in für ihn typischer Weise nicht frei von Ruhmsucht, wenn er, kurz vor dem Beginn der Arbeit am »Prometheus«, schreibt: »Es wird die Zeit kommen, dass jeder Mensch (nicht nur Freund), von einem Pol zum anderen galoppieren wird, um eine Pause aus meinem Schaffen zu hören«. Sucht man nach einem zentralen Begriff für Skrjabins Kunstverständnis, so bietet sich der der »Grenzüberschreitung« an. In seiner Musiksprache werden die Grenzen zwischen Konsonanz und Dissonanz aufgehoben. Die Musik selbst wird bei Skrjabin Teil einer Art von Gesamtkunstwerk, das nicht nur die verschiedenen Künste zusammenführen soll, sondern als eine Totalkunst sinnlicher Wahrnehmung erscheint. Die Partitur des »Prometheus« sprengt die Konzertsaal-Situation durch einen 11. SYMPHONIEKONZERT »Ich bin eine Grenze, ein Gipfel« Die künstlerischen Erforschungen von Korrespondenzen zwischen den Sinnen, wie etwa bei der Wahrnehmung von Farben und Klängen, gehen auf Charles Baudelaire zurück, und sie werden in einem erweiterten Sinn zur bestimmenden Kraft im französischen und russischen Symbolismus. Dieser sucht nach den Verbindungen zwischen belebter und unbelebter Natur, zwischen Geist und Materie, zwischen Innen und Außen, Mikrokosmos und Makrokosmos, letztlich nach dem Wesen der Dinge hinter der Wirklichkeit, einer ganzheitlichen Erfahrung in einer zersplitterten Welt. Die Auflösung der Grenzen zwischen Innen und Außen, Ich und Welt, gleicht für Skrjabin einer Neuschöpfung der Welt als Kunstwerk, wie etwa in dem folgenden Gedicht, das er zur Zeit der »Prometheus«-Komposition schrieb: Von Prometheus über Christus zu sich selbst: Alexander Skrjabin (um 1910). Der Komponist beabsichtigte 1903 zwischenzeitlich, sich in Dresden niederzulassen, zog dann aber 1904 in die Schweiz. 1911 kam es vermutlich zum ersten Kontakt mit dem Dresdner Generalmusikdirektor Ernst von Schuch, der ein Jahr später Skrjabins dritte Symphonie »Le divin poème« in den Konzerten der Königl. musikalischen Kapelle zur Erstaufführung brachte. zweistimmigen Part für »Licht« (eine nicht genau definierte Apparatur, deren Realisierung die Fantasie der Interpreten bis heute herausfordert). Skrjabin verstand dieses Stück als ersten Schritt zu seinem großen utopischen Kompositionsprojekt, dem »Mysterium«, über das er seit 1904 nachdachte. Hier wollte er beispielsweise auch Gerüche einsetzen, Farb-, Tast- und Geschmacksempfindungen neben Sprache und Klang instrumentalisieren, so dass, wie der Skrjabin-Vetraute Boris de Schloezer nach Gesprächen berichtete, »beispielsweise der verbale Faden vom musikalischen Faden unterbrochen werden kann, um darauf, eng verbunden mit dem plastischen Faden, wieder vor uns aufzutauchen: Das Wort kann sich in einer Geste vollenden, und eine Vision kann mit einem Akkord abgeschlossen werden«. Dieses Projekt sollte endgültig die Grenze zwischen Kunst und Leben überschreiten, die Zuhörer zu Eingeweihten, Teilnehmern eines Rituals machen, das ihr Leben und die Welt verändert. Latent ist solch eine Haltung den meisten Stücken von Skrjabin eingeschrieben, und programmatische An- wie Ausdeutungen tragen das Ihre dazu bei. 28 29 Ich bin ein Wunsch Ich bin das Licht Ich bin ganz Schaffensdrang Zärtlich Blendend Tötend Belebend Ein tosender Sturm unerforschter Triebe Ich bin eine Grenze, ein Gipfel. Bin nichts Bin Gefühl Bin die Welt, die Wonne Die Bilderwelt dieser Gedicht-Skizze wird gespeist von prometheischen Fantasien. Das Licht, das Prometheus als Feuer verbotenerweise zu den Menschen brachte, trägt in sich paradoxe Energien (zärtlich-blendend, tötend-belebend), der Schaffensdrang erinnert an den neuen Menschenschöpfer Prometheus, von dem der Mythos auch berichtet, und die sturmumtoste Grenze am Gipfel des Gebirges gleicht der Vision des wie mit dem Felsen verwachsenen, gefesselten Prometheus in der Tragödie des Aischylos. Für Skrjabin war sie eine zentrale Quelle, aber er hat auch betont, dass sein »Prometheus« keine Nacherzählung des Mythos sei. Die Komposition trägt den Untertitel »Poème du feu« (»Poem des Feuers«). Im Feuer erscheint das Licht als sinnlich mächtigster Ausdruck der Energie, die bei der Umwandlung von Materie frei wird, und die sinnlichgeistige Wirkungskraft solcher Verwandlung, die sich als heilsgeschichtliche »Verklärung« deuten lässt, war das, was Skrjabin zu gestalten suchte. 11. SYMPHONIEKONZERT In der Figur des Prometheus sah Skrjabin eine Art Archetypus, er verkörperte für ihn »die aktive Energie des Universums, das schöpferische Prinzip, Feuer, Licht, Leben, Kampf, Kräftigung, Gedanke«. Von Prometheus über Christus bis zu sich selbst spannte Skrjabin seine Auslegung des Mythos. In sein Tagebuch notiert er: »Mit einem Blick, einem Gedanken umfasse ich dich ganz, meine Welt: Wie die Predigt Christi, wie die Tat Prometheus’.« Das Schöpferische, die Tat des Prometheus, erscheint als Aufstand gegen die Götter, gegen das Gesetz, gegen den herrschenden Glauben. Schon der junge Goethe verherrlichte als Vertreter des »Sturm und Drang« den Prometheus als »wahren Schöpfer«, der den alten Gott entthront. Skrjabin war auch fasziniert von Nietzsches »Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik«, in der die PrometheusFigur wie eine Art Leitbild firmiert, das uns, wie Nietzsche schreibt, »die erhabene Ansicht von der aktiven Sünde als der eigentlich prome theischen Tugend vermittelt«. In dieser Vorstellung einer aktiven Sünde als grenzüberschreitender schöpferischer Tat erscheint in der Deutung des Mythos auch etwas Luziferisches, und in der Tat hat der vom Himmel gestürzte Lichtbringer ebenso wie Satan, der wie ein Blitz vom Himmel fällt, für Skrjabin komplexe heilsgeschichtliche Bedeutung. Er schreibt: »Satan ist wie die Hefen des Weltalls, die verhindern, dass alles anhält; dies ist das Prinzip der Aktivität, der Bewegung«. »Keine Note ist zuviel« Titelblatt der Erstausgabe von Skrjabins »Prometheus«, gestaltet von Jean Delville (Russischer Musikverlag, 1911) 30 31 Mit dem »Poème du feu« gewinnt die Feuersymbolik eine zentrale Rolle in Skrjabins Komponieren. Dies zeigen sowohl einzelne andere Werktitel wie auch Eintragungen in Partituren oder Äußerungen des Komponisten. In der Folge entstehen Klavierstücke mit Titeln wie »Verse la flamme« (»Der Flamme entgegen«) oder »Flammes sombres« (»Dunkle Flammen«). In der siebten Klaviersonate sollen Klänge »wie Blitze« klingen, in der zehnten ein Thema »wie eine tiefe, verhüllte Glut«. Und in einer Partiturausgabe des »Prometheus« aus Skrjabins Nachlass, die erst 1978 in Paris wiederentdeckt wurde, finden sich unter Hunderten von handschriftlichen Einträgen viele, die das Licht betreffen. Sie beschwören z. B. einmal im Verlauf von nur vier Takten nacheinander »Funken / Kleine goldene Ströme / Flammenzungen / Lichtströme / metallisch gelbe Feuer«. Und auch die gedruckten Spielanweisungen des »Prometheus« enthalten für einzelne Passagen poetisierende Licht-Metaphern, wie etwa »de plus en plus lumineux et flamboyant« (»mehr und mehr leuchtend und funkelnd«). Skrjabin arbeitete von 1908 bis 1910 an der Komposition des »Prometheus«. Der Orchesterapparat ist gewaltig. Alle Holzbläserstimmen erscheinen als Quartett, zu den drei Flöten kommt eine Piccoloflöte, 11. SYMPHONIEKONZERT Die von Skrjabin vorgegebene Farbenklaviatur, deren Stimme in der Partitur mit »Luce« (ital. Licht) bezeichnet und zweistimmig notiert ist. Klavierkonzert mit Alexander Skrjabin unter der Leitung von Sergej Kussewitzky. Ölgemälde von Robert Sterl (1910), Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Galerie Neue Meister Der Dresdner Maler Robert Sterl lernte Skrjabin 1910 auf einer Konzertreise entlang der Wolga kennen, an der auch der Verleger und UraufführungsDirigent des »Prometheus«, Sergej Kussewitzky, beteiligt war. 1911 lud Sterl den Komponisten zu einem Klavierabend ins Dresdner Künstlerhaus ein. je drei Oboen, Klarinetten und Fagotte werden durch die tieferen Instrumente ihrer Familie ergänzt. Zu acht Hörnern treten fünf Trompeten, drei Posaunen und Tuba. Ihnen wird ein Solo-Klavier gegenübergestellt. Es besitzt nicht nur Bedeutung als Ausdruck der Individualität (tatsächlich kontrastiert sein Part zumindest an der Oberfläche stark zu dem des Orchesters), sondern auch als ein Zeichen der hybriden formalen Anlage des ganzen einsätzigen Werkes, in dem sich frei assoziierende Züge mit solchen der Sonatenhauptsatzform und des Solokonzerts überschneiden. Mit diesen Überblendungen unterschiedlicher traditioneller Formtypen steht Skrjabin in seiner Zeit allerdings nicht allein. Was den »Prometheus« besonders auszeichnet, ist seine Harmonik. Teilweise spekulativ, teilweise intuitiv entwarf Skrjabin für das Stück eine Grund-Tonalität, die er selbst so charakterisierte: 32 33 »Die Prometheus-Harmonie wurde von mir nach einem Prinzip gebaut. Früher wurden die Harmonien doch nach Terzen, oder, was dasselbe ist, nach Sexten, disponiert. Ich aber beschloss, sie nach Quarten, oder, was dasselbe ist, nach Quinten zu konstruieren. Im Prometheus basieren alle Figurationen auf dieser Grundleiter. Keine Note ist zuviel. Das ist strenger Stil«. Quartenakkorde spielten schon in der Musik von Debussy eine wichtige Rolle. Arnold Schönberg, der seine erste Kammersymphonie mit einer Folge aufsteigender Quarten eröffnet, sprach in seiner »Harmonielehre« von den »eigentümlichen Wirkungen der Unberührtheit, die von diesen Akkorden ausgehen«. Skrjabins sechstönige »Prometheus«-Harmonik basiert allerdings nicht auf einer Folge reiner, sondern einer Mischung reiner und alterierter Quarten: In der aufsteigenden Grundgestalt des PrometheusAkkordes, c-fis-b-e-a-d, folgen aufeinander Tritonus, verminderte Quarte, Tritonus und zwei reine Quarten. Skrjabin behandelt diesen Akkord wie eine Konsonanz, seine intervallischen Spannungen bedürfen nicht der Auflösung. Das Fis erscheint schon in der Einleitung als Zentralton, aber dass das Stück dann in strahlendem Fis-Dur endet, einem reinen Terzklang, wirkt als Überraschung, ja Widerspruch. In Skrjabins Farbsystem steht Fis für leuchtendes Blau, die Farbe schöpferischen Geistes, der Kreativität. Um die Schlussw irkung zu unterstreichen, setzt Skrjabin in den letzten 105 Takten auch einen Chor ein, allerdings ohne Text. Teilweise wird mit geschlossenem Mund gesummt und teilweise eine Vokalise vorgetragen: »E-a-o-ho«, wie ein ekstatisches Mantra als Beschwörung eines anderen Seins. MARTIN WILKENING 11. SYMPHONIEKONZERT 11. Symphoniekonzert 2014 | 2015 Orchesterbesetzung 1. Violinen José Maria Blumenschein* 1. Konzertmeister Michael Eckoldt Thomas Meining Federico Kasik Volker Dietzsch Johanna Mittag Jörg Kettmann Susanne Branny Birgit Jahn Wieland Heinze Anett Baumann Roland Knauth Franz Schubert Yoriko Muto Ga-Young Son Anna Kießling* 2. Violinen Reinhard Krauß / Konzertmeister Matthias Meißner Annette Thiem Jens Metzner Ulrike Scobel Olaf-Torsten Spies Alexander Ernst Mechthild von Ryssel Elisabeta Schürer Emanuel Held Robert Kusnyer Yukiko Inose Johannes Hupach** Friedrich-Burkhard Steininger* Bratschen Stephan Blaumer* / Solo Andreas Schreiber Stephan Pätzold Anya Dambeck Ulrich Milatz Ralf Dietze Zsuzsanna Schmidt-Antal Juliane Böcking Milan Líkař Uta Scholl Elizaveta Zolotova Veronika Lauer** Violoncelli Sebastian Bru* / Konzertmeister Friedwart Christian Dittmann / Solo Simon Kalbhenn / Solo Uwe Kroggel Andreas Priebst Jakob Andert Anke Heyn Matthias Wilde Titus Maack Stefano Cucuzzella** Kontrabässe Petr Popelka / Solo Martin Knauer Helmut Branny Christoph Bechstein Reimond Püschel Thomas Grosche Johannes Nalepa Marco-Vieri Giovenzana Flöten Sabine Kittel / Solo Bernhard Kury Cordula Bräuer Dóra Varga Oboen Sebastian Römisch / Solo Andreas Lorenz Sibylle Schreiber Michael Goldammer Klarinetten Christoph Moser* / Solo Egbert Esterl Jan Seifert Christian Dollfuß Fagotte Erik Reike / Solo Hannes Schirlitz Joachim Huschke Andreas Börtitz Hörner Erich Markwart / Solo Jochen Ubbelohde / Solo David Harloff Harald Heim Manfred Riedl Julius Rönnebeck Eberhard Kaiser Miho Hibino** 35 Nicolas Naudot / Solo Guido Ulfig Frank van Nooy Tuba Hans-Werner Liemen / Solo Pauken Manuel Westermann / Solo Schlagzeug Bernhard Schmidt Christian Langer Frank Behsing Jürgen May Dirk Reinhold Stefan Seidl Alexej Bröse* Harfen Vicky Müller / Solo Astrid von Brück / Solo Orchesterklavier / Celesta Ellen Rissinger Orgel Clemens Posselt Farbenklavier Thomas Cadenbach Trompeten Johann Clemens* / Solo Siegfried Schneider Volker Stegmann Sven Barnkoth Gerd Graner 34 Posaunen * als Gast ** als Akademist / in 11. SYMPHONIEKONZERT Vorschau 12. Symphoniekonzert F R EI TAG 10 .7.15 2 0 U H R S A M S TAG 11.7.15 2 0 U H R S O N N TAG 12 .7.15 11 U H R S E M P ER O P ER D R E S D E N Christoph Eschenbach Dirigent Midori Violine Paul Hindemith Symphonische Metamorphosen nach Themen von Carl Maria von Weber Robert Schumann Violinkonzert d-Moll op. posth. Paul Hindemith Symphonie in Es Kostenlose Einführungen jeweils 45 Minuten vor Konzertbeginn im Foyer des 3. Ranges der Semperoper 1. Symphoniekonzert S O N N TAG 13.9.15 2 0 U H R M O N TAG 14 .9.15 2 0 U H R S E M P ER O P ER D R E S D E N 100 95 75 25 5 Christian Thielemann Dirigent Yefim Bronfman Klavier Ludwig van Beethoven Klavierkonzert Nr. 3 c-Moll op. 37 Anton Bruckner Symphonie Nr. 6 A-Dur Kostenlose Einführungen jeweils 45 Minuten vor Konzertbeginn im Foyer des 3. Ranges der Semperoper 0 11. SYMPHONIEKONZERT IMPRESSUM Sächsische Staatskapelle Dresden Künstlerische Leitung/ Orchesterdirektion Sächsische Staatskapelle Dresden Chefdirigent Christian Thielemann Spielzeit 2014 | 2015 H E R AU S G E B E R Sächsische Staatstheater – Semperoper Dresden © Juni 2015 R E DA K T I O N Tobias Niederschlag, Matthias Claudi G E S TA LT U N G U N D L AYO U T schech.net Strategie. Kommunikation. Design. DRUCK Union Druckerei Dresden GmbH ANZEIGENVERTRIEB Christian Thielemann Chefdirigent Juliane Stansch Persönliche Referentin von Christian Thielemann Jan Nast Orchesterdirektor Tobias Niederschlag Konzertdramaturg, Künstlerische Planung Dr. Torsten Blaich Programmheftredaktion, Konzerteinführungen Matthias Claudi PR und Marketing Agnes Monreal Assistentin des Orchesterdirektors EVENT MODULE DRESDEN GmbH Telefon: 0351/25 00 670 e-Mail: [email protected] www.kulturwerbung-dresden.de Sarah Niebergall Orchesterdisponentin B I L D N AC H W E I S Agnes Thiel Dieter Rettig Notenbibliothek Sheila Rock (S. 4); Agenturfoto (S. 6); Felix Broede (S. 9); Matthias Creutziger (S. 11); Deutsche Grammophon GmbH (S. 15); Staatsbibliothek zu Berlin (16); Klaus Rudolph (S. 18); Tanejew-Museum Djudkowo (S. 22); Karl Heinz Uthemann, Johannes von Damaskus, in: BBKL, Bd. 3, Herzberg 1992 (S. 24); Archiv der Sächsischen Staatstheater Dresden (S. 28, 30, 33); Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Galerie Neue Meister (S. 32). T E X T N AC H W E I S Die Einführungstexte von Susanne Stähr, Marcus Imbsweiler und Martin Wilkening sind Originalbeiträge für dieses Programmheft. Matthias Gries Orchesterinspizient 20 15 16 Bach Beethoven Strauss Copland Altes bewahren und Neues wagen. Jung und lebendig seit 1548. Die Saison 2015/2016 der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Urheber, die nicht ermittelt oder erreicht werden konnten, werden wegen nachträglicher Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten. Private Bild- und Tonaufnahmen sind aus urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet. PA R T N E R D E R S TA AT S K A P E L L E D R E S D E N W W W. S TA AT S K A P E L L E - D R E S D E N . D E 38 Mahler Bruckner Zimmermann Schostakowitsch Debussy Henze Kurtág Mozart Trojahn Tschaikowsky Ruzicka Verdi PA R T N E R D E R S TA AT S K A P E L L E D R E S D E N
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