CONRAD GESSNER IM ZOO ZÜRICH

Notizen zum Medien-Apéro vom
16. März 2016
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CONRAD GESSNER IM ZOO ZÜRICH
Heute Mittwoch hat der Zoo Zürich seine Sonderausstellung «Conrad
Gessner: erster moderner Mensch und Vater der Zoologie» eröffnet. Die
dezentrale Ausstellung an dreizehn Standorten im ganzen Zoogelände ist
bis am 23. Oktober 2016 zu sehen.
2016 jährt sich der Geburtstag des berühmten Zürcher Mediziners, Naturforschers und
Universalgelehrten Conrad Gessner zum 500. Mal. Der Zoo Zürich zeigt aus diesem
Anlass die Sonderausstellung «Conrad Gessner: erster moderner Mensch und Vater
Zoologie». Sie beleuchtet an dreizehn verschiedenen Standorten im Zoo Aspekte der
zoologischen Forschung Conrad Gessners.
Die Ausstellung verfolgt zwei Ziele:

Erstens will der Zoo Zürich dem heutigen Menschen die Denkweise Gessners
näherbringen. Im Zoo kann der Besucher die beschriebenen Tiere mit dem Original
direkt vergleichen;

Zweitens ist Conrad Gessner einer der grössten Wissenschaftler Zürichs und der
Schweiz. Er war einer der ersten, der Zürich zur Wissenschaftsstadt gemacht hat,
unterstützt durch die Humanisten der Reformation, insbesondere durch Zwingli. Noch
stärker als die Ausstellungen im Landesmuseum und im Zoologischen Museum setzt
der Zoo Zürich darauf, die breite Bevölkerung mit diesem ausserordentlichen
Menschen und seinen Leistungen in einer attraktiven Ausstellung bekannt zu machen.
Wettbewerb «Gessner-Trophy»
Zur Gessner-Sonderausstellung im Zoo Zürich gehört weiter ein Wettbewerbs-Parcours.
An zwölf der dreizehn Standorte gibt es eine Frage zu beantworten und den
entsprechenden Lösungsbuchstaben in die Karte der «Gessner-Trophy » einzutragen. Alle
Teilnehmer mit dem richtigen Lösungswort nehmen an einer Verlosung teil, bei der es
Schweizer Museumspässe zu gewinnen gibt.
Die Person Conrad Gessner
Conrad Gessner gilt als Begründer der modernen Zoologie. Wenn man von ihm spricht,
stehen meist seine zoologischen Werke im Vordergrund. 1532 schrieb er «von einem
Heisshunger, von allen Dingen so viel wie möglich kennenzulernen» und: «Woher bezog
Aristoteles seine Kenntnisse so vieler Dinge, der Pflanzen und Tierwelt, wenn nicht einzig
Wer Tiere kennt,
wird Tiere schützen.
und allein vom Reisen her. Es ist doch keineswegs wahrscheinlich, dass ihm das ein Geist
eingab, während er zu Hause hinterm Ofen hockte». Hier wird sein
naturwissenschaftliches Interesse ersichtlich, nicht nur jenes für Pflanzen, sondern auch für
Tiere. Zudem zeigt sich hier, wie der damals 16-jährige Gessner dachte und
Wissenschaft betreiben wollte und, noch wichtiger, seine Entdeckung des für ihn so
wichtigen Aristoteles, auf dessen Grundlage er seine Studien aufbaute.
Für den frommen Gessner waren die Früchte und das Ziel seiner Arbeit die Bewunder ung
der Werke Gottes, auch von «unnützen» Tieren. Es ging ihm um die Kenntnis an sich.
«Ein armer und engdenkender Geist ist einer wirklich, der überall nach Nutzen und Profit
strebt. Viele wundervolle Dinge bringen ihrem Besitzer keinen Nutzen und Profit, gefallen
und faszinieren aber allein durch ihre Schönheit». Gessner vergleicht Tiere mit Juwelen,
die bewundert werden wegen ihrer reinen Schönheit, ihres Funkelns in verschiedenen
Farben – sie sind aber tote, unbewegliche und «inerte» Gegenstände.
Gessner war mit Sicherheit sehr stolz auf seine «Historia animalium». In seiner Widmung
der Icones an Königin Elisabeth von England schreibt er, die Betrachtung aller und
jeglicher Dinge des Universums sollte uns zur besseren Erkenntnis Gottes führen, und
unsere Herzen durch fromme Gesinnung zum Schöpfer erheben.
Für Konrad Gessner galt als Forschungsgrundsatz «observando, dessecando,
peregrinando, scribendo». Gessner stellte die eigene Beobachtung über alles. Nur was
er selbst nachgeprüft hatte, war für ihn Tatsache. Deshalb war die Beobachtung der
Tiere, ihre Anatomie und ihr Verhalten für ihn wichtig.
Conrad Gessners Zoologie
In seiner mehrbändigen «Historia animalium» beschreibt Conrad Gessner Vierbeiner,
Vögel, Wassertiere, Schlangen und Skorpione. Die Sonderausstellung im Zoo Zürich geht
auf eine Auswahl davon ein. Hier folgen vier Beispiele:
Das Kamel oder Trampeltier
Bereits vor Jahrtausenden wurden sie domestiziert und dem Menschen nutzbar gemacht:
Die Wüstenschiffe waren als Transporttiere auf der Seidenstrasse wesentlich dafür
verantwortlich, dass sich unsere europäische Kultur entwickeln konnte. Viele
Handelsgüter, Gewürze und Stoffe wären ohne Trampeltiere erst viel später zu uns
gekommen. Die Tiere sind ausdauernd und nur wenig hitze- und kälteempfindlich.
In der Schlussfolgerung, die weichen Sohlen der Kamele seien empfindlich und müssten
auf langen Strecken geschützt werden, irrte sich Conrad Gessner. Hingegen wusste er
schon recht gut Bescheid über das Verdauungssystem der Tiere: Kamele sind
Wiederkäuer. Parallel zu den eigentlichen Wiederkäuern haben die Kameliden zur
effizienteren Verdauung von Pflanzenmaterial ein vergleichbares Verdauungssystem
entwickelt, das einen dreiteiligen Magen und das Wiederkauen einschliesst.
Die Kamele waren nicht nur wichtig für den Austausch von Kulturgütern, sie haben mit
ihren vielfältigen Anpassungen an harsche Lebensbedingungen dem Menschen die
Wer Tiere kennt,
wird Tiere schützen.
Besiedlung der innerasiatischen Steppen ermöglicht. Nicht nur als Tragtiere sind sie
dabei von Bedeutung, sie tragen mit Milch und Fleisch zur Ernährung bei, liefern
wertvolle Wolle und ihr Kot kann als Brennstoff eingesetzt werden.
Der Mongolische Wolf
Der Wolf ist der grösste Vertreter der Familie der Hundeartigen, das Körpergewicht
variiert je nach Unterart zwischen 15 und 80 Kilogramm. Die Jäger leben in Rudeln mit
komplexer sozialer Organisation. Dank dieser Gruppenstruktur sind sie in der Lage,
Beutetiere zu erlegen, die ihre eigene Körpergrösse wesentlich übertreffen. Nur das
Alpha-Paar pflanzt sich fort. Es wird bei der Aufzucht der Jungen durch die anderen
Gruppenmitglieder unterstützt.
Der Wolf ist das am weitesten verbreitete Säugetier, sein Verbreitungsgebiet umfasste
ursprünglich ganz Eurasien mit Ausnahme der tropischen Regionen sowie Nordamerika.
In verschiedenen Teilen dieses Verbreitungsgebietes ist der Wolf ausgerottet oder sind
seine Bestände durch Bejagung oder Veränderung des Lebensraums stark dezimiert
worden.
Den Wölfen eilt nicht gerade ein guter Ruf voraus. Dieser Ruf basiert in der Regel jedoch
nicht auf eigener Erfahrung, sondern auf (übler) Nachrede. Wohl tritt der Wolf als
Konkurrent auf, wenn er demselben Wild nachstellt wie der Mensch, oder als
«Schädling», wenn er sich an Haustieren gütlich tut. Eine direkte Gefahr für den
Menschen stellt er aber – ausser im Märchen – nicht dar. Ganz im Gegenteil: Der Wolf
ist die Stammform des Haushundes und damit des ältesten und treuesten Wegbegleiters
des Menschen. Und wenn man all die Vorzüge und Qualitäten der Haushunde in
Rechnung stellt, so muss der Wolf als deren Vorfahre ein Säugetier der Superlative sein!
Eventuell ist der Wolf an verschiedenen Orten domestiziert worden. Eine These besagt,
dass der Haushund auf einen kleineren Wolf zurückgeht, der vor 12'000 bis 15‘000
Jahren in China domestiziert worden ist. Sollte die (eine) Wiege des Haushundes
tatsächlich in China liegen, so dürfte der Mongolische Wolf (Canis lupus chanco) die
Ausgangsform gewesen sein für die gegen 200 heute bekannten Hunderassen, vom
Pekinesen bis zur Dogge.
Zu den Mongolischen Wölfen gehören auch die im Zoo Zürich gepflegten Wölfe. A uf die
Eröffnung der neuen Wolfsanlage im Jahr 2002 wurden Tiere aus der Mongolei
importiert. Auch wenn die Viehzüchter dort bis zu zwei Prozent ihrer Haustierbestände
durch Wölfe verlieren, trachteten sie ursprünglich nicht nach deren Ausrottung. Da die
Nachfrage nach den Körperteilen des Wolfes, die in der chinesischen Medizin vielfältige
Verwendung finden, gestiegen ist, sind die Wölfe heute aber in der Mongolei massiven
Jagddruck ausgesetzt.
Der Waldrapp
Erstmals erwähnt finden wir den Waldrappen in der «Historia avium» von Conrad
Gessner. Dort ist eine Abbildung dieses seltsamen Vogels zu finden und Gessner schreibt,
er habe ein «Streuslein hinter sich gricht» und lebe in schroffen Felsen. Jahrhundertlang
Wer Tiere kennt,
wird Tiere schützen.
rätselte man über die Verwandtschaft dieses seltsamen Vogels. Wegen seiner schwarzen
Farbe wurde er insbesondere den Krähen zugeordnet. 1897 stellten die Ornithologen
Rotschild, Hartert und Kleinschmidt fest, dass der Waldrapp identisch ist mit dem 1825
am Roten Meer entdeckten Schopfibis.
Im 16. Jahrhundert war der Waldrapp in der Schweiz offenbar noch häufig anzutreffen.
Anfangs 17. Jahrhundert wurde er in den europäischen Alpen aber ausgerottet.
Einerseits, weil verschiedene für die Nahrungssuche wichtige Sumpfgebiete melioriert
wurden, andererseits, weil vor allem die Jungvögel eine beliebte Speise waren. Auch
dürften Klimaveränderungen zum Rückgang der Bestände beigetragen haben. Als die
Wissenschaft den Waldrapp zu Beginn des 19. Jahrhunderts wieder entdeckte,
beschränkte sich dessen Verbreitungsgebiet auf die Türkei, Algerien und Marokko.
Im deutschen Namen Waldrapp finden sich keine konkreten Hinweise, die eine
Charakterisierung des so genannten Vogels erlauben. Konkreter ist da schon der
lateinische Gattungsname Geronticus: der Greisenhafte. Adulte Waldrappen teilen das
Merkmal vieler insbesondere älterer Leute, nämlich die Glatzköpfigkeit. Das Gefieder des
Waldrapps ist schwarz mit metallisch grünem, purpurfarbenem Glanz. Den
unbefiederten, in der Brutzeit kräftig blutrot gefärbten Kopf säumen lange Nackenfedern
(ein früherer lateinischer Artname lautet comatus: langhaarig, gut frisiert). Mit seinem
langen und gebogenen Schnabel gehört der Waldrapp in die Familie der Ibisse und
Löffler.
Waldrappen sind ausgesprochen soziale Vögel. Sie brüten in Kolonien, gehen in Trupps
auf Futtersuche und finden sich abends in grösseren Gruppen an Schlafplätzen ein. Als
Brutplätze bevorzugen sie steile Felswände, wo sie auf Simsen, in Spalten und Höhlungen
ihre Nester anlegen. Das Gelege umfasst 1 bis 4 Eier und wird während 28 Tagen
bebrütet. Die Jungen werden mit 40 bis 50 Tagen flügge und erreichen mit 2 bis 3
Jahren die Geschlechtsreife. Die Nahrung besteht aus Kleintieren wie Schnecken,
Heuschrecken, Käfern und deren Larven, Reptilien und Krebsen.
Sechs Waldrappen aus dem Zoo Basel haben 1971 den Grundstock für die Kolonie in
Zürich gelegt. Seit ein paar Jahren wird in einem Projekt in Österreich versucht, den
Waldrapp im Alpenraum wieder heimisch zu machen. Handaufgezogene und auf das
Nachfolgen eines Leichtflugzeuges trainierte Vögel wurden von einem Sommereinstand in
Österreich zu einem Überwinterungsgebiet in Italien geleitet. Hier geht es darum, wieder
eine Population mit einer Zugtradition aufzubauen, damit der Alpenraum überhaupt als
Lebensraum genutzt werden kann. Auch Jungvögel aus der Kolonie des Zoo Zürich sind
für dieses Projekt zur Verfügung gestellt worden.
Die Galapagos-Riesenschildkröte
Rund 1000 Kilometer vom ecuadorianischen Festland entfernt erhebt sich eine
Vulkankette aus dem Pazifik. Die erdgeschichtlich sehr jungen Galapagosinseln sind die
Heimat der Riesenschildkröten. Riesenformen dieser Reptilien finden sich heute noch auf
den Seychellen und auf Aldabra. Vor einigen Jahrhunderten lebten Riesenschildkröten im
Wer Tiere kennt,
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Indischen Ozean auch auf Madagaskar, Mauritius, Reunion und Rodriguez, bevor sie
durch menschliche Einflüsse ausgerottet wurden.
Die Chronologie der Ausrottungen verlief auf allen Inseln ähnlich: Mit dem Zeitalter der
Seefahrt wurden die kleinen Inselgruppen von Wal- und Robbenfängern, von Piraten und
Siedlern «entdeckt» und mit ihnen auch das wohlschmeckende Schildkrötenfleisch. Zu
Tausenden wurden die Riesenreptilien in Schiffe verladen, wo sie aufgrund ihrer
Widerstandsfähigkeit als «lebende Konserven» über Monate eine willkommene
Abwechslung zum Schiffszwieback darstellten. Beschrieb schon Conrad Gessner die
Verwendung von Schildkröten in der Küche und in der Heilkunde und bediente sich in
historischer Zeit die Seefahrt dieser Tiere als Proviant, so stellt der Kochtopf bis heute
insbesondere im asiatischen Raum einen ganz erheblichen Gefährdungsfaktor für viele
Schildkrötenarten dar.
Die Seefahrer plünderten nicht nur die Bestände der Riesenschildkröten, sie brachten zu
allem Übel auch noch Schweine, Hunde, Katzen und Ratten mit auf die Inseln, die sich an
den Gelegen und an den frischgeschlüpften Schildkröten gütlich tun. Eingeführte
verwilderte Esel und vor allem Ziegen stellen überdies überlegene Nahrungskonkurrenten
für die pflanzenfressenden Riesenschildkröten dar. Vier Unterarten der GalapagosRiesenschildkröte wurden durch menschliche Einflüsse bereits ausgerottet. Die zehn
verbleibenden Unterarten sind alle sehr stark bedroht.
Links:
Unter www.zoo.ch/medien finden Sie zusätzlich folgende Dateien:
eine Beschreibung aller Standorte der Gessner-Ausstellung im Zoo Zürich
die Gessner-Trophy
den Beitrag von Dr. Alex Rübel im Buch «Facetten eines Universums. Conrad Gessner 1516–2016»
Für weitere Informationen stehen Ihnen gerne zur Verfügung:
Dr. Alex Rübel, Direktor, Zoo Zürich
Dr. Robert Zingg, Senior Kurator, Zoo Zürich
Telefon 044 254 25 00, [email protected]
Text-, Bild- und Videomaterial elektronisch erhältlich unter www.zoo.ch/medien
Informationen zu sämtlichen Gessner-500-Veranstaltungen unter www.gessner500.ch
Wer Tiere kennt,
wird Tiere schützen.