1/5 Jona 4 Tillmann, Michael | Werkstatt für Liturgie und

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Jona 4
Tillmann, Michael | Werkstatt für Liturgie und Predigt
21.06.2015
3. Sonntag nach Trinitatis | Herausfordernde Fragen (Reihe IV)
Vorbemerkung:
In der vermutlich ab Advent 2017 geltenden neuen Perikopenordnung wird
das Buch Jona an drei Sonntagen 1., 2. und 3. nach Trinitatis Predigttext
der Reihe IV sein.
Lesen des Textes nach Beginn der Ansprache
1.
„Als aber Gott ihr Tun sah, wie sie sich bekehrten von ihrem bösen Wege,
reute ihn das Übel, das er ihnen angekündigt hatte, und er tat’s nicht.“ Ein
schönes Ende. „Ende gut, alles gut“, möchte man sagen. Doch die
Geschichte ist noch nicht zu Ende. Es gibt ein weiteres, ein viertes Kapitel:
Lesen von Jona 4.
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Ich will offen sagen: Jona, der von allen christlichen Konfessionen am 21.
bzw. 22. September verehrt wird, war ein unsympathischer Zeitgenosse.
Umso erstaunlicher und auch tröstlich, dass Gott gerade ihn erwählt. Im
letzten Kapitel des Jonabuches zeigt Jona sich rechthaberisch: „Ich hab’s
schon immer gewusst“, sagt er zu Gott; ein Satz, der mich ärgert. Deutlich
wird auch, warum er Gottes Auftrag nicht erfüllen wollte. Jona zeigt sich hier
wahrscheinlich als engstirniger Nationalist. Der Verdacht liegt nahe, dass er
die Zerstörung Ninives wünscht, damit Assyrien als die Macht, die Israel
beherrscht, geschwächt wird. Doch Gottes Wege sind andere. Er verschont
Ninive – auch auf die Gefahr hin, dass Israel, sein auserwähltes Volk, weiter
unter Fremdherrschaft zu leiden hat. Gott lässt sich nicht vereinnahmen,
nicht im Großen, im Politischen, erst recht nicht im Militärischen. Aber auch
nicht von mir im Kleinen – für meine vielleicht kleinlichen Wünsche und
Pläne. Er steht über diesen Dingen – und ist dennoch ganz nah bei jedem
Menschen: Bei Jona trotz seines Ungehorsams und seiner Engstirnigkeit, bei
den Bewohnern Ninives, bei mir, bei Ihnen trotz Schwächen und dunkler
Seiten. Er ist gerade bei denen, die – wie es von den Bewohnern Ninives
heißt – nicht wissen, was rechts oder links ist. Bei denen, die die
Orientierung verloren haben, die sich nicht mehr zurechtfinden, denen alles
zu viel ist, die nicht um das Gesetz Gottes wissen.
2.
Das versucht er Jona nahezubringen. Mit großer Geduld. Das Gejammere
Jonas, lieber sterben als leben zu wollen, weil Gott Ninive verschont hat, ist
starker Tobak. Doch Gott gibt Jona nicht auf. Mit dem Beispiel der
Rhizinusstaude versucht er, ihm seine Güte zu erklären. Ob Jona fähig und
bereit ist zu verstehen, bleibt unklar, denn das Jonabuch endet mit einer
offenen Frage, die heute uns gestellt wird.
Jesus verweist in seinen Reden dreimal auf den Propheten Jona. Zweimal
beim Evangelisten Matthäus (12,38-41 und 16,4), einmal beim Evangelisten
Lukas (11,29-32). Jedes Mal fordern Pharisäer und Schriftgelehrte ein
Zeichen von Jesus, das sein Auftreten und seine Worte legitimiert. Jesus
weist diese Forderung zurück und verweist auf das Zeichen des Jona.
Gemeint ist, wie Jona drei Tage im Bauch des Fisches verbringt. Die
Parallele zu den drei Tagen, die Jesus im Grab ist, liegt auf der Hand.
Deshalb finden sich in Kirchen gelegentlich Darstellungen Jesu als neuer
Jona.
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3.
Kein anderes Zeichen haben wir. Darauf gründet sich unser Glaube. Wie
gehe ich damit um, wenn ich wie Jona von Gott gerufen werde und einen
Auftrag erhalte, der meinen eigenen Plänen und Absichten widerspricht? Als
Christ habe ich ja schon längst einen Auftrag erhalten: Meinen Nächsten zu
lieben, barmherzig zu sein, zu vergeben, wie Gott vergibt. Wie gehe ich
damit um, wenn andere Menschen Schuld auf sich laden? Freue ich mich
über ihre Umkehr? Hoffe und bete ich, dass sie Vergebung erfahren? Oder
erhoffe ich mir, dass Gott sie straft? Wie gehe ich damit um, wenn ich selbst
schuldig werde? Jesus stellt uns die Bewohner Ninives als leuchtendes
Beispiel vor Augen. Kann ich so radikal wie sie bereuen, Buße tun,
umkehren?
Das sind herausfordernde Fragen. Ich höre in ihnen den Anspruch Gottes,
den er an Jona und an die Bewohner Ninives hatte. Doch in der
Jonageschichte lese ich zugleich auch vom Zuspruch Gottes. Von seiner
Geduld und seiner Barmherzigkeit mit Jona, mit den Bewohnern Ninives.
Darauf darf ich hoffen, darauf darf ich vertrauen, darauf kann ich mein
Leben bauen.
Michael Tillmann
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Herausgeber
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