Südostschweiz» vom 3. März 2016

REGION
Südostschweiz | Donnerstag, 3. März 2016
Noch verschont das Drama
die Bündner Viehställe
Nullentscheid
in Sachen
Wasserzins
In Vorarlberg grassiert derzeit die Rindertuberkulose. Ganze Viehbestände mussten getötet und entsorgt
werden. Gefährlich für Graubünden sind vor allem Wildtiere im Grenzgebiet.
von Olivier Berger
B
ilder von leeren Ställen
und getöteten Tieren wie
in Vorarlberg will man in
Graubünden um jeden
Preis vermeiden. Deshalb
setzen die Bündner Behörden im Umgang mit der Rindertuberkulose (TBC)
auf Vorbeugung und genaue Beobachtung der Wildbestände.
Deutlich über 100 Proben von auf
der Sonderjagd erlegtem Rotwild haben sie in den vergangenen Wochen
untersuchen lassen. «Dabei haben wir
keinen einzigen Fall von TBC festgestellt», sagt der Bündner Kantonstierarzt Rolf Hanimann. Auch bei jenen
gut 70 Tieren aus dem Vorjahr, welche
getestet worden waren, fanden die Labors keine Hinweise auf Tuberkulose.
«Derzeit spricht nichts dafür, dass die
Seuche in Graubünden vorkommt»,
betont Hanimann.
Selbstverständlich ist das nicht.
Das benachbarte Vorarlberg kämpft
derzeit mit einer starken Ausbreitung
der Seuche – und das beileibe nicht
nur bei Wildtieren. «Derzeit sind 30
Höfe gesperrt, weil bei Nutzvieh TBC
festgestellt wurde», bestätigt der Vorarlberger Landesveterinär Norbert
Greber. «Auf acht der Betriebe haben
wir bestätigte Fälle der Krankheit verzeichnet, und auf drei Höfen wurden
bereits alle Tiere getötet.»
Der Kanton beobachtet
Auch wenn Graubünden – wie die übrige Schweiz – weiterhin als TBC-frei
gilt: Ganz ausschliessen, dass die Seuche auch auf Bündner Wild- und Viehbestände übergreift, mag Kantonstierarzt Hanimann nicht. «Wir beobachten die Entwicklung weiterhin sehr
genau.» Dies gilt vor allem für jene
Regionen, wo ein reger Grenzverkehr
von Wildtieren herrscht: insbesondere
das Prättigau und das Unterengadin.
«Die Möglichkeit besteht durchaus,
dass infizierte Tiere aus Vorarlberg
einwandern», sagt auch der oberste
Bündner Jäger, Robert Brunold, Präsi-
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Wie die Wasserzinsen ab
2020 geregelt werden, ist
weiterhin völlig offen.
So will es der Nationalrat.
Die Wasserzinsregelung legt fest, welche Abgaben Wasserkraftwerkbetreiber an Gemeinden und Kantone abliefern müssen. Die aktuelle Regelung
läuft Ende 2019 aus. Gestern hat der
Nationalrat eine Motion mit folgendem
Inhalt abgesegnet: Der Bundesrat soll
die Wasserzinsregelung nach 2019 «zügig an die Hand» nehmen. Dies soll in
Zusammenarbeit mit den involvierten
Kreisen – Kantone, Energiewirtschaft –
und unter Beachtung der «konkreten
Lage der Wasserkraftwerke» und der
Energiestrategie 2050 erfolgen. Nichts,
was der Bundesrat nicht ohnehin täte.
Entscheid auf Nichtentscheid
Schreckensbild aus Vorarlberg: Nach der Tötung aller 18 Rinder steht dieser Stall in Bartholomäusberg leer.
dent des Bündner kantonalen Patentjägerverbands.
Dass das Bündner Wild bisher vor
TBC-Infektionen verschont geblieben
ist, ist aber nicht nur Glück. In Vorarlberg herrscht Revierjagd – und das
Wild wird in den Wintermonaten gefüttert. «Dadurch kommt es zu Massierungen von Tieren, welche eine Ausbreitung von Seuchen erleichtern», erklärt Hanimann. Auch Graubündens
oberster Jäger, Brunold, verweist auf
die Unterschiede. «Bei uns gibt es keine Fütterung mehr.» Das soll so bleiben – und auch das eher fahrlässige
Anlocken von Wildbeständen durch
leicht verfügbares Futter soll laut dem
kantonalen Jagdinspektor Georg Brosi
vermieden werden. «Das kommunizieren wir ganz besonders in den Risikogebieten nahe der Grenze.»
Sollte trotzdem auch in Graubünden ein Fall von TBC bei Wild- oder
Nutztieren festgestellt werden, wären
die Behörden laut Kantonstierarzt Hanimann vorbereitet. Auf Bauernhöfen
wäre das Vorgehen klar: Wie in Vorarlberg würden die entsprechenden Betriebe gesperrt und der Viehbestand
ausgemerzt – wie vor wenigen Tagen
auf einem Hof am Arlberg. «Alle Rinder getötet – TBC-Drama in Dalaas» titelten die «Vorarlberger Nachrichten»
gestern.
Schwieriger gestaltet sich der Umgang mit infizierten Wildbeständen.
In den von TBC besonders betroffenen Gebieten im Silber- und hinteren
Klostertal fasst die Vorarlberger Jägerschaft derzeit eine «Vollbejagung» ins
Auge. Im Klartext: Die jeweiligen Wildbestände sollen möglichst vollständig
Bild VN/Philipp Steurer
abgeschossen werden. Im hinteren
Klostertal ist dies bereits geschehen
– dort ist der Wildbestand nach dem
Abschuss von 20 Tieren praktisch
null. Ähnlich drastische Massnahmen
will Graubünden verhindern.
Für Menschen gefährlich
Das Heimtückische an TBC ist, dass
die Seuche sowohl von Wild- auf Nutztiere wie auch auf Menschen übertragen werden kann. «Die Rindertuberkulose war ein Grund, wieso das
Ausschenken von Rohmilch auf den
Alpen verboten wurde», erklärt Hanimann. Früher hätten sich oft Menschen auf diesem Weg infiziert. Inzwischen ist die Ausgangslage anders, wie
Hanimann erklärt. «In jüngerer Vergangenheit haben eher Menschen das
Vieh angesteckt als umgekehrt.»
Was hat diese Motion zur Folge? «Jetzt
nicht mehr viel», antwortet ein lachender Stefan Müller-Altermatt, Präsident
der vorberatenden Kommission des
Nationalrates. Nicht mehr. Denn gemäss einem zweiten Punkt der ursprünglichen Motion sollte der Bundesrat auch eine Reduktion oder Streichung des Wasserzinses für Anlagen
ins Auge fassen, die vom Bund mit Investitionsbeiträgen unterstützt wurden. «Der Bund soll nicht Geld einwerfen, damit es die Kantone später einstreichen», benennt Müller-Altermatt
den zugrunde liegenden Gedanken.
Nur: Der Ständerat kippte diesen zweiten Punkt im Dezember aus der Vorlage. Das Argument: Den Verhandlungspartnern sollen möglichst keine Vorgaben gemacht werden.
Dieser ständerätlichen Version hat
sich gestern der Nationalrat angeschlossen – und lässt damit offen, wer
für die schwindenden Gewinne der
Wasserkraft aufkommen soll. Die Mittellandkantone sehen sich als Besitzer
der grossen Energiekonzerne mit steigenden Produktionskosten und sinkenden Marktchancen der Wasserkraft
konfrontiert. Die Bergkantone fürchten derweil um die bisher satten
Gewinne aus den Wasserzinsen. In
Graubünden sind dies derzeit jährlich
rund 110 Millionen für Kanton und
Gemeinden. (gmd)
Christian Rathgeb hat seine ersten vier Jahre durch
Der amtierende Bündner Regierungspräsident Christian Rathgeb wurde 2012 als Ersatz für den
in den Ständerat gewählten Martin Schmid gewählt – sein Amtsantritt ist jetzt genau vier Jahre her.
mit Christian Rathgeb
sprach Petar Marjanovic
Am Montag waren es genau vier Jahre
her, als Regierungspräsident Christian
Rathgeb sein Amt in der Bündner Exekutive antrat. Mit der «Südostschweiz»
sprach er über prägende Momente seiner Amtszeit.
Herr Rathgeb, als Sie noch FDP-Präsident waren, sagten Sie immer:
FDP stehe auch für «Freude an der
Politik». Seit vier Jahren sitzen Sie
in der Bündner Regierung. Was bereitete Ihnen am meisten Freude?
CHRISTIAN RATHGEB: Grosse Freude
hatte ich dann, wenn wir als Regierung
im Grossen Rat Erfolge verzeichnen
konnten. Wir konnten für unsere Reformvorschläge etwa bei den Psychiatrischen Diensten oder beim betreuten
Wohnen wichtige Mehrheiten im Parlament finden. Die Freude daran wirkt
sehr stark.
Seit 61 Tagen dürfen Sie sich Regierungspräsident nennen. Eine intensive Zeit, wenn man sich an das
WEF und die Flüchtlingsthematik
erinnert. Was prägte Ihr bisheriges
Präsidialjahr sonst noch?
«Ich durfte
Ideen hören,
die sich die Leute
ganz persönlich
für sich machen.»
Christian Rathgeb
Regierungspräsident
Ganz spannend war das Treffen mit
dem neu gewählten Bundesrat Guy
Parmelin. Ich kannte ihn ja auch nur
aus den Medien. Ein eindrückliches Erlebnis war auch die erste Regierungssitzung im neuen Jahr, die ich leiten
durfte.
Welche anderen Vorteile bringt das
Präsidialamt?
Die Zeit, die man sich nehmen darf,
um die Bevölkerung in ihren unterschiedlichen Facetten kennenzulernen.
Dieses Jahr nahm ich mir vor, die
Nachtarbeit bei den Rettungs- und
Blaulichtorganisationen zu besuchen.
Ich verbrachte als Erstes einen Tag als
Praktikant bei der Rega, und das war
wahnsinnig spannend.
Wieso?
Weil ich vor Ort und in der Praxis sehen konnte, wie das, was wir am Bürotisch beschliessen, praktisch umgesetzt
wird. Das war wirklich cool.
Im Interview mit der «Südostschweiz» Anfang Januar sagten Sie,
dass Sie sich mit den «Visionen»
der Bevölkerung beschäftigen wollen. Wie sieht es da aus?
Ich habe in den letzten Wochen mit
vielen Bürgerinnen und Bürgern Gespräche geführt, wie sie den Kanton im
Jahr 2050 sehen. Die bisherigen Gespräche waren sehr spannend und
kontrovers. Ich durfte da Ideen und Gedanken hören, die sich die Leute ganz
persönlich für sich machen. Diese Eindrücke werden wir dann Ende Jahr zusammenfassen und präsentieren.
Nur Positives? Ihr Amt bringt bestimmt auch Nachteile.
Natürlich. Es gibt immer wieder «Megatage», an denen man um 4 Uhr aufsteht, um 8 Uhr in Bern an einer Sitzung teilnimmt, am Abend noch eine
Veranstaltung in einer Talschaft hat –
und schliesslich nach Mitternacht ins
Bett kommt.
Kommen wir zur Tagespolitik: Im
selben Interview mit der «Südostschweiz» sagten Sie, dass in der
Flüchtlingsthematik die Stimmung
kippen könne, wenn die Transparenz nicht eingehalten wird. Wenn
man sich aber die Olympiapläne
2026 anschaut, dann vermisst man
hie und da die Transparenz. Ebenso wurde das Öffentlichkeitsgesetz
abermals verschoben.
Die Regierung steht hinter dem Öffentlichkeitsprinzip. Transparenz ist ein
fundamentales Prinzip, wenn man
Vertrauen in den Staat und seine Vertreterinnen und Vertreter schaffen
will. Die Regierung war bereit, der
Grosse Rat hat aber aus zeitlichen
Gründen das Geschäft auf die Aprilsession verschoben. Zu Olympia: Bei der
Transparenz gibt es auch immer die
Frage, wann der richtige Zeitpunkt ist.
Das Komitee hat angekündigt, nach
dem 11. März – auch gegenüber uns –
die Pläne offenzulegen.