Faktenblatt zur Ernährungssicherheit

Eidgenössisches Departement für
Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF
Bundesamt für Landwirtschaft BLW
Januar 2016
Faktenblatt zur Ernährungssicherheit
Nr. 4:
1
Zustand der von der Landwirtschaft
beeinflussten Umwelt
Umweltzustand und Landwirtschaft
Um ihrer Aufgabe der Nahrungsmittelproduktion nachzukommen, nutzt die Landwirtschaft mehr als
einen Drittel der Landesfläche und verwendet verschiedene Produktionsmittel. Eine allzu intensive
und ineffiziente Verwendung der Produktionsmittel beeinflusst den Umweltzustand hinsichtlich des
Bodens, des Wassers, der Luft und der Biodiversität negativ (vgl. Faktenblatt Nr. 3). Im Rahmen
seines Agrarumweltmonitorings und in Zusammenarbeit mit dem BAFU verfolgt und entwickelt das
BLW Agrarumweltindikatoren, die den Zustand der von landwirtschaftlichen Praktiken beeinflussten
Umwelt misst. Es gilt zu beachten, dass die Indikatoren zur Intensität rasch auf politische
Veränderungen reagieren, während jene zum Umweltzustand langsamer reagieren. Sie haben dafür
den Vorteil, die im Feld gemessene Realität wiederzugeben. Das vorliegende Faktenblatt illustriert
anhand von Beispielen die Entwicklung der Qualität des Wassers, des Bodens und der Biodiversität.
Das BAFU und das BLW haben aus bestehenden Rechtsgrundlagen Umweltziele für die
Landwirtschaft abgeleitet, welche den angestrebten Zustand für verschiedene Zielbereiche
beschreiben (BAFU und BLW 2008).
2
Facts & Figures
Qualität des Grundwassers:
-
Nitrat: Die Nationale Grundwasserbeobachtung (NAQUA) des BAFU zeigt, dass die NitratKonzentrationen über den natürlichen Gehalten (<25 mg/l gemäss Gewässerschutzverordnung
GSchV) in erster Linie in Gebieten mit intensiver Landwirtschaft gemessen werden. 2011 wurden
bei 16% der Messstationen, wo der Ackerbau die Hauptnutzung des Bodens darstellte,
Konzentrationen von mehr als 40 mg/l eruiert. Von 1995 bis 2002 sank die Nitrat-Konzentration an
vielen Messstellen um 10-20%. Danach war ein Anstieg der Nitrat-Konzentration zu verzeichnen,
der v. a. an Messstellen mit landwirtschaftlich genutztem Einzugsgebiet ausgeprägt war. Seit 2007
geht die Nitrat-Konzentration an der Mehrzahl der Messstellen wieder leicht zurück.
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-
Pflanzenschutzmittel (PSM): Die NAQUA misst auch die PSM-Konzentration. Der
Anforderungswert gemäss GSchV von 0,1 µg/l für PSM wurde an 2% der beprobten NAQUAStationen überschritten. Der in der GSchV festgeschriebene Anforderungswert für Wirkstoffe wurde
am häufigsten in Stadtzonen überschritten. 2011 lag die Konzentration dieser Stoffe an 4% der
Messstationen in der Stadtzone und an 1% der Messstationen in der Landwirtschaftszone bei über
0,1 µg/l. Die Bewertung des toxikologischen Risikos einer Verwendung von PSM soll gemäss der
Pflanzenschutzmittelverordnung gewährleisten, dass diese Produkte keine unannehmbaren
Nebenwirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder auf die Umwelt haben.
Qualität der Oberflächengewässer:
-
Phosphor-Konzentration in Seen: Die P-Konzentration in Seen ist ein wichtiger Indikator der
Wasserqualität. Ein hoher P-Gehalt begünstigt die Produktion von Biomasse, die ihrerseits beim
Abbau Sauerstoff verbraucht. Ein Überschuss an Biomasse führt so zu Sauerstoffmangel und
belastet die Wasserqualität. Liegt die Belastung bei weniger als 20 µg/l Phosphor, ist die
gesetzliche Anforderung einer mittleren Produktion von Biomasse in der Regel erfüllt. Ende des
20. Jahrhunderts ging der P-Gehalt der Seen deutlich zurück. Der Rückgang des P-Eintrags aus
der Landwirtschaft hat zu diesem Fortschritt beigetragen. Davor war der P-Gehalt der Seen ein
gesamtschweizerisches Problem; heute werden noch in einzelnen Seen mit Einzugsgebieten, in
denen die Landwirtschaft stark vertreten ist, übermässige Belastungen gemessen. Von solchen
Situationen betroffen sind namentlich der Baldeggersee, der Hallwilersee, der Murtensee und der
Zugersee, aber auch zahlreiche kleinere Seen.
-
Pflanzenschutzmittel (PSM): Verschiedene Studien zeigen, dass in kleinen und mittleren
Fliessgewässern in landwirtschaftlich intensiv genutzten Gebieten Überschreitungen von
ökotoxikologisch bestimmten Qualitätskriterien zu Pflanzenschutzmitteln vorkommen (u.a. Wittmer
et al., 2014; Braun et al., 2015; Knauer, 2014). Das Ausmass der Ziellücke kann zurzeit nicht
abschliessend bestimmt werden, da kein Monitoring besteht, das den stark schwankenden
Gehalten angepasst ist.
Bodenqualität:
-
Schwermetalle im Boden: Die vom BLW und dem BAFU gemeinsam durchgeführte nationale
Bodenbeobachtung (NABO) misst die Schwermetallbelastung im Boden an 104 Orten in der
ganzen Schweiz. Bei der Belastung mit Schwermetallen spielen aus landwirtschaftlicher Sicht
insbesondere Kupfer und Zink eine bedeutende Rolle. Bei Zink und Kupfer wurden an einigen
Standorten deutliche Zunahmen gemessen. Diese Zunahmen treten vorwiegend unter intensiv
genutztem Grasland auf.
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2/4
Dunkelgrün: Intensiv genutztes Grasland / Hellgrün: wenig intensiv bis extensiv genutztes Grasland
Qualität der Biodiversität im Kulturland:
-
ALL-EMA: Das Monitoringprogramm «Arten und Lebensräume Landwirtschaft – Espèces et milieux
agricoles (ALL-EMA)» wurde kürzlich lanciert und ergänzt den landwirtschaftlichen Bereich des
Biodiversitätsmonitorings Schweiz (BDM). Ziel des ALL-EMA ist es, den Ist-Zustand und die
künftige Entwicklung der Arten- und Lebensraumvielfalt auf der landwirtschaftlichen Nutzfläche
gesamthaft zu beurteilen. Die Biodiversitätsförderflächen (BFF) erhöhten sich von 116 000 Hektar
im Jahr 2004 auf 153 900 Hektar im Jahr 2014 (+33 %). Damit wurde das vom Bundesrat im
Rahmen der Agrarpolitik für die Jahre von 2014 bis 2017 (AP 14–17) gesetzte Ziel quantitativ
erreicht. Indes besteht bei der Qualität der BFF und deren Vernetzung noch Handlungsbedarf. Das
ALL-EMA wird auch die Auswirkung der BFF beurteilen. Der erste Messzyklus von 2015 bis 2019
läuft. Eine erste vollständige Analyse des Zustands der Biodiversität in der Landwirtschaftszone ist
für 2020 geplant.
-
Swiss Bird Index (SBI): Der SBI liefert anhand der Beurteilung der Populationsentwicklung von
Vogelarten in den Landwirtschaftszonen weitere Informationen zum Zustand der Biodiversität.
Diese Indizes werden jedes Jahr von der Schweizerischen Vogelwarte Sempach berechnet und
erlauben eine Beurteilung der Entwicklung seit 1990. Berücksichtigt man die Ziel- und Leitarten
gemäss den «Umweltzielen Landwirtschaft im Bereich Biodiversität», verfolgt der Index seit 1990
einen Abwärtstrend (ca. –25 %).
3
Internationaler Vergleich
Bei den Massnahmen zum Umweltzustand sind Vergleiche schwierig. Die Häufigkeit und Methoden
der Messungen weichen in den einzelnen Ländern stark voneinander ab. Auf internationaler Ebene
gibt es keine regelmässig publizierten Berichte, die einen umfassenden Überblick bieten. Die OECD
führt ein Agrarumweltmonitoring durch und publizierte 2013 dazu einen Bericht; dieser weist noch eine
grosse Heterogenität bezüglich Qualität und Verfügbarkeit der Daten auf. Anhand dieses Berichts
kann dennoch eine Klassierung der Schweiz gegenüber ihren vier Nachbarländern (DE, FR, IT, AT)
vorgenommen werden:
Indikatoren des Umweltzustands
CH
Nitrat im Grundwasser (Anzahl Messstationen, die
Werte über den empfohlenen Grenzen angeben)1
Pflanzenschutzmittel im Grundwasser (Anzahl
Messstationen, die Werte über den empfohlenen
Grenzen angeben)2
Biodiversität (Entwicklung der Vogelpopulation von
Leitarten in Landwirtschaftszonen – allgemeiner
Rückgang in allen 5 Ländern)3
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Klassierung
DE
FR
IT
AT
1
–
3
4
2
2
2
3
–
1
1
4
3
2
5
3/4
1
Daten 2003 für IT, 2008 für FR, 2009 für CH und 2010 für AT, 2 Daten 2000 für DE, 2002 für FR, 2009 für CH und 2008/10 für
AT, 3 Zeitraum 1998/2000 bis 2008/2010.
Gemäss dieser Klassierung und dem aktuellen Wissensstand ist die Schweiz im Vergleich mit ihren
vier Nachbarn ziemlich gut positioniert. Bei der Qualität des Grundwassers bleibt die Anzahl
Messstationen mit kritischen Nitrat- oder Pflanzenschutzmittel-Werten unter dem Durchschnitt. Die
Vogelpopulationen sind zwar rückläufig, doch fällt der Rückgang in der Schweiz am schwächsten aus.
4
-
Für fundierte Aussagen zum Umweltzustand braucht es weitere Monitoring-Anstrengungen,
insbesondere in den Bereichen Boden und Biodiversität.
Gemäss dem aktuellen Wissensstand und obwohl die Schweizer Landwirtschaft nach wie vor
relativ intensiv ist (vgl. Faktenblatt Nr. 3), kann man davon ausgehen, dass der allgemeine Zustand
der von der Landwirtschaft beeinflussten Umwelt heute nicht schlecht ist, auch wenn bei den
Umweltzielen noch Lücken bestehen. Punktuelle Vergleiche mit unseren vier Nachbarländern (DE,
FR, IT, AT) scheinen diese Tendenz zu bestätigen.
Sollte sich die Landwirtschaft weiter intensivieren, besteht die Gefahr, dass die Errungenschaften
beim heutigen Umweltzustand verloren werden.
Der Umweltzustand hat sich verbessert; allgemeine Probleme konnten auf lokalen Probleme
reduziert werden. Es gibt nach wie vor Umweltprobleme, doch sind diese vorwiegend in ganz
spezifischen regionalen Kontexten anzutreffen. Die politischen Massnahmen müssen sich daher
nach gezielten und diesen Kontexten angepassten Lösungen ausrichten.
Die landwirtschaftliche Fläche der Schweiz geht zurück; die demografischen und städtebaulichen
Prognosen bringen die Landwirtschaft stark unter Druck. Jedes Verbesserungspotenzial muss
optimal ausgeschöpft werden, um den Agrarumweltzustand der Schweiz zu wahren.
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-
5
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Folgerungen
Quellen
NAQUA (BAFU): Nationale Grundwasserbeobachtung
NABO (BAFU): Nationale Bodenbeobachtung
Agrarberichte 2012 bis 2015 (BLW).
BAUF und BLW 2008: Umweltziele Landwirtschaft.
OECD 2013: Compendium of Agri-environmental indicators.
Knauer K., 2014: Pflanzenschutzmittel in Oberflächengewässern – Vergleich mit regulatorisch
akzeptablen Konzentrationen (RAC) aus dem Zulassungsverfahren. AQUA & GAS 5/2014.
Braun C, Gälli R, Leu C, Munz N, Schindler Wildhaber Y, Strahm I, Wittmer I. 2015.
Mikroverunreinigungen in Fliessgewässern aus diffusen Einträgen. Situationsanalyse. Bundesamt
für Umwelt (BAFU), Bern.
Wittmer I, Moschet C, Simovic J, Singer H, Stamm C, Hollender J, Junghans M, Leu C. 2014. Über
100 Pestizide in Fliessgewässern - mit vielen Pestiziden belastet - nachgewiesene Wirkstoffe im
Rahmen von NAWA SPEZ. Aqua & Gas 3:32–43.
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