Sozialhilfe nach SGB XII für EU

EU‐Ausländer können deutsche Sozialhilfe bekommen Nach deutschem Recht sind arbeitslose
EU-Ausländer
von
Hartz
IV
ausgeschlossen. Aber: Bei einem
längeren
Aufenthalt
haben
sie
Anspruch
auf
Hilfe
zum
Lebensunterhalt,
urteilte
das
Bundessozialgericht.
Foto: picture alliance / dpa Das Bundessozialgericht in Kassel (Hessen) stellt klar, welche finanziellen
Leistungen EU-Ausländer in Deutschland beanspruchen dürfen
Das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel hat in drei Urteilen konkretisiert, in welchen Fällen EUBürger existenzsichernde Leistungen nach dem Recht der Grundsicherung (Hartz IV) beziehungsweise
dem Sozialhilferecht beanspruchen können. Demnach können EU-Ausländer bei einem längeren
Aufenthalt in Deutschland Sozialhilfe beziehen – auch wenn sie von Hartz IV ausgeschlossen sind.
Zwar gelte der bestehende Ausschluss von den Hartz-IV-Leistungen weiter; spätestens nach sechs
Monaten Aufenthalt in Deutschland aber muss die Sozialhilfe einspringen, entschied der vierte Senat
des Bundessozialgerichts. (Az: B 4 AS 44/15 R und B 4 AS 59/13 R)
EU-Bürger, die nach Deutschland kommen, um Sozialleistungen zu erhalten oder erstmals eine Arbeit
zu suchen, sind nach deutschem Recht generell vom Hartz-IV-Bezug ausgeschlossen. Diese Regelung
ist seit Jahren umstritten. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg vom
September ist sie aber mit EU-Recht vereinbar.
Leistungen sind vergleichbar mit Hartz IV
Nun entschied auch das BSG, dass der Ausschluss von Hartz-IV-Leistungen greift. Arbeitslosengeld II
können EU-Bürger danach dauerhaft nur beanspruchen, wenn sie mindestens ein Jahr in Deutschland
sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren. Bei einer kürzeren Beschäftigung wird nur sechs Monate
Hartz IV bezahlt. Haben EU-Bürger noch gar nicht in Deutschland gearbeitet, erhalten sie laut Gesetz
kein Arbeitslosengeld II.
Leichte Erhöhung
Hartz-IV-Empfänger erhalten 2016 fünf Euro mehr
Gleichzeitig verwiesen die Kasseler Richter auf die
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum
Grundrecht auf Sicherung des Existenzminimums. Bei von
Hartz IV ausgeschlossenen EU-Bürgern müssten daher die
Sozialämter prüfen, ob Sozialhilfe als Ermessensleistung zu
gewähren ist.
Nach den Kasseler Urteilen kommt es dabei auf die
Aufenthaltsgründe und die bisherige Dauer des Aufenthalts
an. Bei einem "verfestigten Aufenthalt" über sechs Monate sei das Ermessen der Behörden "auf null"
geschrumpft, sodass in der Regel zumindest Sozialhilfe an die betroffenen Ausländer zu zahlen ist, heißt
es in dem Urteil. Diese Leistungen sind im Regelfall etwa gleich hoch wie Hartz-IV-Leistungen.
Der Anspruch auf Sozialhilfe ergebe sich je nach Fall entweder aus der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts
zum
Existenzminimum.
Oder
aus
dem
sogenannten
Gleichbehandlungsgrundsatz des Europäischen Fürsorgeabkommens der Zeichnerstaaten des
Europarats, befanden die Kasseler Richter.
Aufenthaltsdauer ist entscheidend
Das Bundessozialgericht hatte in letzter Instanz über den Fall eines Griechen, einer rumänischen Familie
und einer seit Langem in Deutschland lebenden Frau aus Bosnien mit drei Kindern mit schwedischer
Staatsangehörigkeit zu entscheiden. Die Kläger hatten bei ihren zuständigen Jobcentern erfolglos
Arbeitslosengeld II beansprucht.
Den Fall der Frau mit bosnischen Wurzeln aus Berlin-Neukölln hatte das Bundessozialgericht zur
Klärung an das EU-Gericht in Luxemburg weitergereicht. Die Frau war einst aus dem bosnischen
Bürgerkrieg nach Deutschland geflohen, hatte einen Schweden geheiratet und so die EUStaatsbürgerschaft erhalten. Nach der Trennung zog sie mit ihren drei Kindern erneut nach Deutschland
und hatte in Kurzzeitjobs immer wieder Arbeit.
Ab Herbst 2011 bekam sie Hartz IV. Das Jobcenter Neukölln hatte der Familie nach einem halben Jahr
die Unterstützung gestrichen. Das Bundessozialgericht bestätigte nun, die Frau sei als Arbeitssuchende
von Hartz-IV-Leistungen ausgeschlossen. Es müsse jedoch geprüft werden, ob sich die "Kläger auf
andere Aufenthaltsrechte im Zusammenhang mit der Ausbildung und Integration der Kinder im
Bundesgebiet berufen können".
Damit ist klar, dass das verfassungsrechtliche Grundrecht auf ein Existenzminimum auch für alle
Unionsbürgerinnen und Unionsbürger gilt, die in Deutschland leben
Wolfgang Strengmann-Kuhn (Grüne)
Bundestagsabgeordneter
Der rumänischen Familie, die bereits seit 2008 in Deutschland lebt, sprach das Gericht wegen ihres
"verfestigten Aufenthalts" in Deutschland Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt zu. Das Verfahren
des griechischen Klägers wurde an die Vorinstanz zurückverwiesen, welche noch seinen
aufenthaltsrechtlichen Status feststellen muss.
Nach Schätzung des Landessozialgerichts Essen leben bundesweit 130.000 arbeitsuchende EU-Bürger
in Deutschland, insbesondere aus Bulgarien und Rumänien. Wegen eines "verfestigten Aufenthalts" hat
davon nun wohl ein großer Teil Anspruch auf Sozialhilfe. Nach fünfjährigem Aufenthalt besteht
unabhängig von der Arbeitssuche ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht, sodass nach der Kasseler
Rechtsprechung wieder Anspruch auf Hartz IV besteht.
Der Grünen-Sozialexperte Wolfgang Strengmann-Kuhn begrüßte das Urteil. "Damit ist klar, dass das
verfassungsrechtliche Grundrecht auf ein Existenzminimum auch für alle Unionsbürgerinnen und
Unionsbürger gilt, die in Deutschland leben."
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Quelle:http://www.welt.de/politik/deutschland/article149593118/EU‐Auslaender‐koennen‐deutsche‐
Sozialhilfe‐bekommen.html