Jahresbericht Seelsorge - UniversitätsSpital Zürich

Himmlische News
Bericht vom Bodenpersonal
Spitalseelsorge 2015
INHALTSVERZEICHNIS

Editorial
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Interreligiöse Begegnungen
Marcel Ebel, Rabbiner
Neugierig auf das, was noch kommt
Edouard Battegay, Professor Dr. med.
Franziska Krähenmann, Dr. med.
Muris Begovic, Imam
Mann ohne Bart
Frauensolidarität
S. Thandayuthapanikkurukkal, Hindu-Priester
Ein Stossgebet an Krishna
Kelsang Dechog, buddhistische Nonne
Yidham Rigdakshang, Mitarbeiter
Ein Segen
Spiritualität trägt
Jörg Brühlmann, Bestatter
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Jahresrückblick der Seelsorge – Höhepunkte
Interreligiöser Bettag 2015
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5 Jahre Neo-Dank-Gottesdienste
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Engelprojekt
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
Gut zu wissen: Care Team / Seelsorge
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Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser
Als Seelsorgerinnen und Seelsorger am Unispital Zürich bewegen
wir uns zunehmend in einem multireligiösen Umfeld. Wir begegnen
Patienten, Angehörigen und Mitarbeitenden mit verschiedenstem
kulturellem und religiösem Hintergrund. In Mehrbettzimmern,
Begegnungsräumen, Untersuchungszimmern, Hausfluren kommen
die Angehörigen der grossen Religionen einander näher. Bei
Mitarbeitenden ist ein reges Interesse zu spüren. Sie wollen mehr
wissen über Judentum, Islam, Hinduismus, Buddhismus und deren
Rituale am Lebensanfang und Lebensende.
In den Medien sind die interreligiösen Begegnungen ebenfalls ein
Thema. 2014 feierte der „Interreligiöse Runde Tisch“ vom Kanton
Zürich sein 10jähriges Jubiläum. Im Dezember 2014 wurde das
„Haus der Religionen“ in Bern eröffnet. Das erste Jahr stärkte die
Hoffnung auf ein friedliches Zusammenleben der Religionen und
Kulturen. Aleviten, Buddhisten, Christen, Hindus und Muslime
feiern seitdem in ihren Sakralräumen unter einem Dach. Juden,
Bahai und Sikhs beteiligen sich an gemeinsamen Veranstaltungen.
Es ist noch nicht lange her, da wurde das „Zürcher Lehrhaus“ zum
„Institut für interreligiösen Dialog“ umbenannt. Ende Oktober
2015 organisierte dieses Institut das „Festival der Religionen“ an
verschiedensten Orten in der Stadt Zürich. Es bot zahlreiche
Zugänge zu Kirchen, Moscheen, Tempeln, Synagogen und
Gemeinschaftszentren. Im Januar dieses Jahres feierten wir 150
Jahre rechtliche Gleichstellung der Juden in der Schweiz. Viele
Flüchtlinge, die bei uns Obdach suchen, sind Muslime, eine kleinere
Minderheit gehört einer christlichen Kirche an.
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Neben unseren konfessionellen Besuchen, die nach wie vor unseren
Schwerpunkt bilden, übernehmen wir im Alltag auch eine
Vermittlerrolle: Wenn Patienten es wünschen, suchen wir für sie
einen Vertreter ihrer Religionsgemeinschaft, damit sie sich hier im
Spital verstanden und begleitet fühlen. Im vergangenen Jahr
organisierten wir Weiterbildungen zu den verschiedenen
Weltreligionen für Mitarbeitende und Freiwillige. Dabei wurden
Vertreter der einzelnen Traditionen miteinbezogen. Am Bettag
kamen Christen, Juden und Muslime zum ersten interreligiösen
Gebet in unserer Spitalkirche zusammen. Als reformiertes und
katholisches Seelsorgeteam erarbeiteten wir gemeinsam einen
Situationsbericht zum Thema „Seelsorge im multireligiösen Umfeld
des USZ“. Zudem machten wir einen Ausflug zum ThaiBuddhistischen Kloster in Gretzenbach/SO. Beim dortigen Eingang
steht ein Plakat, das die Eintretenden darauf hinweist, die BuddhaFiguren nicht als Dekorationsmaterial zu missbrauchen. Zu Recht
wehren sie sich gegen eine interreligiöse Vereinnahmung, die alles
miteinander vermischt und keinen Respekt mehr zeigt vor der
Tradition anderer.
In diesem Jahresbericht stellen wir die interreligiösen Begegnungen
in den Mittelpunkt. Wir empfingen einen Rabbiner und einen Imam
zu einem Interview, besuchten eine buddhistische Nonne in ihrem
Meditationszentrum und einen Hindu-Priester in seinem Tempel.
Wir laden Sie ein, unsere dabei gemachten Erfahrungen zu teilen.
Wir hoffen, dass die Neugier und das Verständnis für einander
wachsen können in einem Umfeld, das nicht frei ist von Vorurteilen
und Vorbehalten. Wir wünschen Ihnen viel Freude bei der Lektüre
des Bodenpersonals.
Für die Seelsorge am USZ
Audrey Kaelin und Dieter Graf
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Marcel Ebel, Rabbiner
Was ist das Gottesverständnis im
Judentum?
Im Judentum ist Gott unsichtbar, nicht
körperlich.
Wir
haben
keine
Vorstellung von Gott. Eigentlich ist das
Verständnis von Gott dasselbe wie im
Christentum, jedoch ohne die Trinität.
Gott ist der Schöpfer der Welt und
leitet sie. Seine Hand ist im Spiel, nur
sind wir uns dessen oft nicht bewusst.
Der Name Gottes darf nicht
ausgesprochen werden. Wir behelfen
uns damit, dass wir z.B. vom
„Ewigen“ reden.
Was ist der Stellenwert des Lebens?
Das Leben ist unendlich wertvoll und ein Geschenk Gottes. Wir
Menschen dürfen nicht darüber bestimmen. „Wer ein Leben rettet,
rettet die ganze Welt!“ Schwangerschaftsabbruch ist nur als
medizinische Indikation erlaubt, nicht aber aus materiellen oder
sozialen Gründen. Das Leben der Mutter geht dem Leben des
Kindes vor. Ein behindertes Kind ist auch ein Geschenk Gottes. Bis
40 Tage gilt ein Kind als nicht beseelt, nur als Gewebe. Nach 42
Tagen ist es für uns lebendig. Bis zum Zeitpunkt der Geburt gilt es
als Teil der Mutter. Wir segnen kein ungeborenes Kind, auch keine
Totgeburt. Suizid verstehen wir als Krankheit. Grosse Krisen
verstehen wir als einen Ruf Gottes zur Umkehr.
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Inwiefern ist Ihr Alltag vom Glauben geprägt?
Der ganze Tag – vom Aufstehen bis zum ins Bett gehen – ist von
unserem Glauben geprägt. Wir beten dreimal am Tag: Morgen,
Mittag und Abend. Das ganze Leben ist ein Gottesdienst.
Wie sehen Sie den Zusammenhang von Krankheit und
Religion?
Krankheit ist keine Strafe und kein besonderer Grund, Busse zu
tun. Sie ist vielmehr göttliche Bestimmung. So lange Leben da ist,
ist das Leben lebenswert. Oft werden Meinungen von
verschiedenen Ärzten eingeholt. In der modernen Medizin gibt es
zunehmend Grenzfälle, wobei jeder für sich angeschaut werden
muss. Passive Sterbehilfe ja, Palliative Care ja, aktive Sterbehilfe
nein.
Sterben, Tod und Trauer: Welche Rituale für Sterbende und
Verstorbene gibt es? Wie wird die Trauerzeit gestaltet?
Bei
Sterbenden
beten
wir
oft
Psalmen
und
das
Glaubensbekenntnis, das Schma Israel. Die einzige Pflicht für die
Angehörigen ist die Beerdigung, die möglichst schnell stattfinden
muss. Die Trauerzeit beginnt erst nach der Beerdigung. Zuhause
sitzen wir dann auf niedrigen Bänken, tragen keinen Schmuck,
kämmen uns nicht. Jemand von der Gemeinde kommt vorbei. Erst
dann fängt das Trösten an. Wichtig ist uns, das Leben zu bejahen.
Fühlen Sie sich als Jude in der Schweiz akzeptiert?
Ich kenne gar nichts anderes. Ich bin hier in Zürich geboren und
aufgewachsen. Ich bin Mitglied der „Israelitischen Cultusgemeinde
Zürich“. Die ICZ, 1862 gegründet, versteht sich als
Einheitsgemeinde und ist mit knapp 2500 Mitgliedern die grösste
jüdische Gemeinde der Schweiz. Seit 2007 ist sie eine im Kanton
Zürich anerkannte Gemeinde. In der Schweiz leben rund 18‘000
Juden.
Aufzeichnung: Audrey Kaelin
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Neugierig auf das, was noch kommt
Begegnung mit einer Jüdin
An einem späten Nachmittag bittet mich die Pflege, Frau R. zu
besuchen. Aus Krankheitsgründen liegt sie isoliert in einem
Einzelzimmer und hat wenig Besuch. Ihre Konfession ist nicht
bekannt. Als ich an ihr Bett trete, blicken mich neugierige und sehr
wache Augen an. Sie redet und erzählt gerne. Vor einigen Jahren hat
sie ihren Ehemann durch den Tod verloren. Weil sie zuhause schwer
stürzte, kam sie in eine Einrichtung für betreutes Wohnen, wo sie alles
andere als glücklich ist. Ihre MitbewohnerInnen bekommt sie kaum zu
Gesicht, und wenn, dann sind diese nicht interessiert an einem
Gespräch. Sie weiss sich jedoch zu helfen: Draussen vor der
Pflegeeinrichtung sitzt sie gerne auf einer Bank und liebt es, mit der
Dorfbevölkerung ins Gespräch zu kommen. Doch jetzt plagen sie
diverse Hautprobleme, die einen Spitalaufenthalt nötig machen. Ja,
wäre doch ihr Mann noch bei ihr, so sähe das ganz anders aus, sagt
sie. Mit ihm sei sie schon oft in Israel gewesen.
Im Gespräch stellt sich heraus, dass sie eine Vorliebe für Geschichten
aus der Bibel hat, vor allem aus dem ersten Testament. Sie gehe auch
regelmässig in die Andachten, welche die reformierte Pfarrerin im
Heim halte. Ganz beiläufig erwähnt sie dann, dass ihr Mann
reformiert war und sie Jüdin sei. Ihre Eltern und viele Verwandte hätte
sie durch den Holocaust verloren, doch darüber will sie jetzt nicht mit
mir sprechen. Ich spüre bei ihr eine Scheu und eine Verletzlichkeit, die
sie schützen will. Bald kann Frau R. das Spital verlassen. Am liebsten
ginge sie dann in eine Institution mit jüdischem Hintergrund, der ihr
etwas Heimat vermitteln könnte…
Aufzeichnung: Alberto Dietrich
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Edouard Battegay, Professor Dr. med.
Klinik für Innere Medizin
Meine jüdischen Vorfahren väterlicherseits
lebten ursprünglich in elsässischen Dörfern
um Basel. Sie kamen dann 1805 nach
Basel. Meine Mutter stammt aus Bagdad.
Nach 1950 hatten die babylonischen
Juden, denn so nannten sie sich, aus dem
modernen Irak fliehen müssen, meist nach
Israel. So entstamme ich verschiedensten
örtlichen und religiösen Traditionen. Ich
selber bin jüdisch traditionell, d.h.
irgendwo zwischen liberal und orthodox.
Ich befolge viele religiöse Regeln nicht.
Hingegen
halte
ich
bestimmte
Grundregeln ein und lebe in einem Umfeld
aus
universellen,
jüdischen
und
schweizerischen Werten. Der jüdische Kalender, insbesondere die
wichtigsten Feste, spielen eine Rolle in meinem Leben. Zu meiner
Familie: Ich bin verheiratet und habe drei erwachsene Kinder. Zwei
Kinder leben in Israel und ein Kind lebt gegenwärtig in London.
Mein Wertesystem reflektiere ich oft und dies hilft mir als Arzt. Ich bin
überzeugt, dass mein jüdischer Erlebnisrahmen den Zugang zu
Patienten in existenziellen Notsituationen irgendwie erleichtert. Im
Spital geht es oft um Existenzielles, sowohl im Erleben von Patienten
als auch Mitarbeitenden, und deshalb muss hier auch Spiritualität in
verschiedenen Spielformen Platz haben.
Für mich bedeutet Jude sein Zugang zu einer bereichernden
Gedankenwelt mit einer spezifischen schicksalshaften, historischen
und wertbasierten Perspektive. Der Kontakt zwischen Angehörigen
von verschiedenen Religionen ist hier durch sehr viel gegenseitigen
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Respekt geprägt. Das ist wichtig, gerade weil sich Juden in aller Welt
heutzutage bedroht fühlen.
Ich bin als Jude nicht ein Sonderfall und will dies auch nicht sein. Ich
bin ein normaler Schweizer, will meinen Beitrag leisten und bin hier
Teil eines grossen, belebenden und stimmigen Mosaiks.
Aufzeichnung: Audrey Kaelin
Franziska Krähenmann, Dr. med.
Leitende Ärztin auf der Geburtshilfe
Bei meiner Arbeit in der Geburtshilfe
habe ich es mit verschiedenen
Religionen zu tun. Interkulturelle
Fragen und Rituale interessieren mich.
Eltern und ihre Kinder brauchen gerade
in schwierigen Situationen Sicherheit
und Empathie. Auf unseren Stationen
sind Frauen in der Pränatalsituation
oder im Wochenbett. Ich denke an eine
Begebenheit, als eine Frau informiert
wurde, ihr Kind werde die Geburt wohl
nicht
überleben.
Die
Hebamme
organisierte einen orthodoxen Priester,
der gleich zusagte. Dieser kam ein
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erstes Mal in der Wehenphase, dann wieder, als das Kind lebend
auf die Welt kam und taufte es. Die Eltern machten so einen Weg
von der Panik zum Getragensein. Leider hatte dieses Kind keine
Nieren und konnte demzufolge nicht lange überleben.
Die Musik, der Gesang und das Geigenspiel im Besonderen
bedeuten mir viel. Ich liebe Kirchenmusik als Ausgleich zu meiner
Arbeit. Damit stelle ich mich in eine mehrere Jahrhunderte alte
spirituelle Tradition. Das Unser Vater wurde hier auch schon mal in
der aramäischen Version gebetet. Ich selber bin von der christlichen
Tradition geprägt, habe deren Gottesbilder verinnerlicht. Nun bin
ich gefordert, mich zu öffnen.
Wir haben einen hohen Anteil an Immigrantinnen, die hier
gebären. Dazu kommen sprachliche Probleme. Viele sind noch
nicht lange in der Schweiz und ohne ihr gewohntes Umfeld,
entwurzelt ohne ihre Mütter, Väter und Grossmütter. In dieser
Situation besinnen sie sich auf ihre spirituellen Ressourcen, was ich
bei den Einheimischen weniger wahrnehme.
Nicht nur bei den Patientinnen und Patienten, auch beim Personal
haben wir viele religiöse Orientierungen. Viele Hebammen und
Pflegefachfrauen haben grosse spirituelle Kompetenzen, die sie für
die Menschen auf unserer Station einsetzen.
Ich glaube, dass Gott immer der gleiche ist. Trotz all den
verschiedenen Regeln und Interpretationen der Menschen. Ich
denke, jeder Mensch hat sein eigenes Glaubensmodell. Bei
manchen Frauen steht „ohne Bekenntnis“ oder „konfessionslos“.
Doch „wer bei einer Geburt dabei sein kann, hat Gott auf frischer
Tat ertappt“. Das bringt die Frauen und ihre Familien ins Staunen.
Aufzeichnung: Dieter Graf
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Muris Begovic, Imam
Was ist das Gottesverständnis im
Islam?
Wir glauben an Gott, den Einen, den
Ewigen, den Schöpfer des Sichtbaren
und Unsichtbaren. Gott erhält alles
und wird uns auferwecken. Er hat 99
Namen, die seine Eigenschaften
beschreiben, wie der Allwissende, der
Barmherzige. Im mystischen Islam gibt
es den 100-sten Namen. Diesen kann
man in einer persönlichen, spirituellen
Erfahrung erkennen.
Wie ist der Stellenwert des
Lebens?
Das Leben ist heilig. Gott gibt das
Leben und er ist auch derjenige, der es nimmt. Der Mensch darf
nicht über Anfang und Ende des Lebens bestimmen. So ist
Schwangerschaftsabbruch nur erlaubt, wenn das Leben der Mutter
in Gefahr ist. Suizid und aktive Sterbehilfe sind nicht erlaubt. Bei
der passiven Sterbehilfe gibt es wiederum verschiedene
Meinungen. Für den gläubigen Muslim ist der Tod nicht das Ende,
sondern der Übergang in einen anderen Seinszustand.
Inwiefern ist Ihr Alltag vom Glauben geprägt?
Unsere Religion gibt uns vor, wie unser Alltag zu gestalten ist.
Somit ist uns bewusst, was wir dürfen und was nicht. Die
Gemeinschaft hilft uns die Regeln einzuhalten, beispielsweise den
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Fastenmonat Ramadan. Täglich wenden wir uns fünf Mal im Gebet
Richtung Mekka. Zu diesen Regeln gehört auch, dass jeder Muslim
einmal in seinem Leben Mekka besucht. Ich war vor acht Jahren in
Mekka - für mich ein tiefes, unvergessliches Erlebnis. Denn
jahrelang war ich im Gebet auf diesen Ort ausgerichtet und dann
war ich da…
Wie sehen Sie den Zusammenhang von Krankheit und
Religion?
Geburt und Tod, aber auch Krankheit und Leiden, gelten dem
gläubigen Muslim als Ausdruck göttlichen Willens. Durch die
Krankheit wird uns bewusst, dass wir vergänglich sind. Wir haben
die Möglichkeit, das Beste aus unserer Situation zu machen. Der
Prophet Muhammed sagte: „Bereite dich auf die Krankheit vor,
solange du gesund bist; bereite dich auf den Tod vor, solange du
lebst.“
Sterben, Tod und Trauer: Welche Rituale für Sterbende und
Verstorbene gibt es? Wie wird die Trauerzeit gestaltet?
Wenn jemand im Sterben liegt, ist es in der Regel die Familie, die
den Sterbenden begleitet. Manchmal wird der Imam gerufen. Der
Koran wird vorgelesen, das Glaubensbekenntnis vorgebetet und
der Sterbende spricht es nach.
Wenn der Kranke verstorben ist, wird oft ein islamisches
Bestattungsinstitut gerufen, das für die rituelle Waschung und
Beerdigung zuständig ist. Nachdem der Verstorbene in Leintücher
gewickelt wird, wird das Totengebet gesprochen. Es gibt keine
oder nur eine kurze Predigt, denn der Tod ist für sich eine Predigt.
Das Grab ist so angelegt, dass die rechte Seite des Verstorbenen in
Richtung Mekka liegt.
Die Überführung in die Heimat wird oftmals gewünscht, ist aber
sehr teuer. Viele können sich das nicht leisten. Die Trauerzeit dauert
gemäss der Prophetentradition drei Tage. In dieser Zeit. kümmern
sich die Verwandten und Nachbarn um die Trauernden.
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Fühlen Sie sich als Muslim in der Schweiz akzeptiert?
Ja, ich fühle mich akzeptiert, solange ich keine Extrawünsche habe.
Die Organisation „Vereinigung der islamischen Organisationen
Zürich“ (VIOZ), 1995 gegründet, versteht sich als Sprachrohr für
alle Muslime. Ich als Imam und Sekretär der VIOZ bin immer wieder
konfrontiert mit Anfragen und Anliegen verschiedenster Art.
Aktuell leben rund 433‘000 Muslime in der Schweiz.
Aufzeichnung: Audrey Kaelin
Mann ohne Bart
Begegnung mit einem Muslim
Er fastet auch nicht und geht kaum zur Moschee. Er betet nicht auf
traditionelle Weise. Auf Schweinefleisch und Alkohol verzichtet er
nur, wenn die Eltern dabei sind. Sie sind vor seiner Geburt aus der
Türkei in die Schweiz eingewandert. Er ist 22 Jahre alt. Als ich ihn
besuche, ist er gerade am Laptop am Gamen. Lustiger Muslim, das!
Oder sind es nur meine Klischeevorstellungen, die plötzlich lustig
und etwas antiquiert wirken? Über den Besuch der christlichen
Seelsorgerin – er liegt schon so lange Zeit auf der Station! – freut er
sich. Sein Glaube ist in ihm selbst gewachsen, auch durch die
Erfahrung, wie fragil sein Leben, seine Gesundheit sind. Das Leben
ist kostbar, nicht nur seins, alles Leben. Die chronische Krankheit,
die ihn von Geburt an begleitet, hat ihn das gelehrt.
Er weiss, dass er über kurz oder lang nur auf eine neue Lunge
hoffen kann. Und doch geht etwas ganz Fröhliches, Unbeschwertes
von Herrn K. aus. Eine Heiterkeit und Neugier aufs Leben, die
religiöse, kulturelle oder gesellschaftliche Vorurteile einfach
sprengt. Spiritualität als sanfte Subversion, als innere Freiheit, da
finden sich muslimischer Patient und christliche Seelsorgerin prima!
Einfach leben und Mensch sein. Und am Schluss des Besuchs gibt
mir der Lebenskünstler noch einen Megasatz mit: „Tja, vom
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Schicksal habe ich gesundheitlich keine guten Karten bekommen.
Aber mit denen, die ich habe, spiele ich gut!“
Aufzeichnung: Barbara Oberholzer
Frauensolidarität
Begegnung mit einer Muslima
Am späten Nachmittag bat mich die Pflege, so schnell als möglich
auf die Wochenbettstation zu Fr. N., einer muslimischen Patientin,
zu kommen. Ihr Sohn war kurz zuvor, nach einem zu frühen
Blasensprung in der 22. Schwangerschaftswoche auf die Welt
gekommen und hatte leider keine Lebenschance. Fr. N. sei
unendlich traurig und wünsche sich ein seelsorgliches Gespräch.
Als ich das Patientenzimmer betrat, sassen Fr. N. und ihre beiden
Schwestern um das Körbchen des verstorbenen Sohnes und
weinten. Sie baten mich sofort in ihre Mitte. Fr. N. erzählte
weinend von den letzten 24 Stunden. Nach und nach klopften
immer wieder Frauen an der Türe – die Mutter und
Schwiegermutter, Verwandte, Freundinnen – alle kamen, um Fr. N.
beizustehen und mitzutrauern. Sie lauschten der traurigen
Geschichte der letzten Stunde, erzählten von ihren Familien oder
schwiegen einfach.
Und immer wieder baten sie mich in ihrer Mitte zu bleiben.
Irgendwann fragte ich sie, ob ich ein Iman rufen soll oder ob wir
zusammen beten sollen für den kleinen Jungen und seine Eltern.
Ein gemeinsames Gebet zu sprechen, fanden sie sehr schön. Sie
beteten laut in ihrer Muttersprache – ich leise zur Gottesmutter.
Noch lange blieb ich bei den Frauen und erlebte eine wunderbare
Wärme, Achtsamkeit und Frauensolidarität.
Aufzeichnung: Lisa Palm
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Sarahanabavanathan
Thandayuthapanikkurukkal Swamygal, Hindu-Priester
Was ist das Gottesverständnis im
Hinduismus?
Es gibt einen Gott. Er ist der
Schöpfer, der Erhalter und der
Zerstörer.
Er
zeigt
sich
in
verschiedenen
Gestalten.
Die
Religionen sind verschiedene Wege
zum gleichen Ziel.
Wie ist der Stellenwert des
Lebens?
Der Mensch ist göttlich. Unsere Seele
ist göttlich, unser Körper ein Tempel.
Gott ist Liebe. Wo Liebe ist, ist
heiliger Raum. Wenn wir unsere
Lebenszeit mit Liebe füllen, ist sie
heilig. In unserem Leben häufen wir
Karma an. Gutes Karma verhilft zu einer guten Wiedergeburt. Mit
unseren Taten können wir unser Karma korrigieren, das entspricht
auch der Lehre vom Dharma, dem kosmischen und sozialen Gesetz.
Das Kastensystem hingegen lehne ich ab, denn dieses ist von
Menschen gemacht.
Das Leben gläubiger Hindus wird ab dem siebten
Schwangerschaftsmonat von Ritualen begleitet. Das findet seine
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Fortsetzung am 31. Tag nach der Geburt. Am 48. Tag kommt die
Familie mit dem Kind in den Tempel, um eine Opfergabe
darzubringen. Ihre erste Mahlzeit nehmen Mädchen im fünften und
Buben im sechsten Monat im Tempel ein. Nach dem ersten Jahr
gibt es ein Begrüssungsritual im Tempel, zwei Jahre später wird der
Beginn des Lernens gefeiert. Der Beginn der Pubertät sowie die
Heirat werden ebenfalls im Tempel begangen.
Mit diesen Riten wird das Leben geheiligt. Schwangerschaftsabbruch, Suizid und aktive Sterbehilfe sind nicht erlaubt.
Inwiefern ist Ihr Alltag vom Glauben geprägt? Und wie zeigt
sich das?
Als vollamtlicher Hindupriester stehe ich um 4.00/5.00 Uhr auf und
meditiere, um mein Denken zu reinigen.
Ein gläubiger Hindu hat zu Hause einen Schrank oder ein Zimmer
mit den Bildern und Statuen der Götter. Am Morgen vor der Arbeit
betet er einige Minuten in seiner Andachtsecke. Dasselbe tut er am
Abend nach vollbrachtem Tagewerk. Viele Gläubige kommen am
Dienstag oder Freitag in den Tempel. Bevor sie ihn betreten,
waschen sie sich und verzichten auf den Genuss von Fleisch und
Fisch.
Wie sehen Hindus den Zusammenhang von Krankheit und
Religion?
Die Menschen denken oft, Krankheit sei eine Strafe Gottes. Aber
Gott straft nicht. Wenn ich krank werde, dann habe ich nicht
genügend auf meine Gesundheit geachtet.
Was bedeuten Sterben und Tod im Hinduismus?
Wenn jemand hochbetagt in seiner allerletzten Lebensphase nicht
loslassen und sterben kann, bringen ihm die Angehörigen Milch
(Gabe Shivas) und Reis. Liegt ein Hindu – in meinem Fall sind es
meistens Tamilen – im Sterben, gehe ich auf Wunsch der Familie zu
ihm und bete. Ist er verstorben, so verrichte ich diesen Dienst
ebenfalls. Zwischen Tod und dem 31. Tag hält sich die Seele an
einem der sieben heiligen Orte auf. Dann entscheidet Gott, ob die
Seele wiedergeboren wird. Wenn ein Mensch gut gelebt hat, tritt
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er aus dem Kreislauf der Wiedergeburten (Samsara) aus und ist
endgültig bei Gott.
Wie verläuft die Trauerzeit?
Sie dauert 31 Tage. Während dieser Zeit geht die Familie weder in
den Tempel noch nimmt sie an einem Fest teil. Viele halten sich ein
ganzes Jahr daran. 31 Tage nach dem Tod besuche ich das Haus
des Verstorbenen für eine Gedenkfeier. Circa ein Jahr nach dem
Tod versammelt sich die Familie des Verstorbenen im Tempel. Der
genaue Zeitpunkt dieser Puja wird durch den Stand der Sonne und
des Mondes bestimmt.
Fühlen Sie sich als Hindu in der Schweiz akzeptiert?
Ja. Seit 1989 lebe ich hier. Anfangs habe ich sechs Jahre lang als
Pflegeassistent in einem Altersheim in Zürich gearbeitet. Dort habe
ich oft sterbende Menschen begleitet. Später gründete ich den
ersten Tempel in der Schweiz. In der Zwischenzeit gibt es deren 26.
Ich wurde als Brahmane in Sri Lanka geboren, habe Sanskrit gelernt
und die Veden gelesen. Seit 2010 lebe und arbeite ich in Dürnten.
Ich bin verheiratet und habe drei Kinder. – Die Anzahl von Hindus
in der Schweiz beläuft sich auf ca. 41‘000 Personen (0,5% der
Bevölkerung), neun von zehn sind ausländischer Herkunft.
Aufzeichnung: Dieter Graf
Ein Stossgebet an Krishna
Begegnung mit einer Hindu-Frau
Ein roter Punkt auf der Stirn ist das Zeichen für eine verheiratete
Hindu-Frau. Im Spital muss sie den Punkt wegnehmen, ungern
zwar, aber es muss sein. Sie hat immer ein Bild von Krishna
zusammen mit Radha, seiner ewigen Gefährtin und Geliebten, bei
sich. Auch vor gut eineinhalb Jahren, als ich sie kennen gelernt
habe, waren ein Bild und eine kleine Statue auf dem Fenstersims
für sie vom Bett aus gut sichtbar. Ihr tägliches Morgengebet zu
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Krishna um Kraft und der Besuch des Tempels, wenn möglich,
stärken sie. Das braucht sie auch, denn sie hatte vor ca. eineinhalb
Jahren eine grosse Operation. Damals konnte sie kaum reden und
sie bat mich, für sie ein Mantra zu sprechen. Es war eindrücklich,
ihr Stimme geben zu dürfen. Stück für Stück hat sie sich ins Leben
zurückgekämpft, immer wieder ein Stossgebet an Krishna
gerichtet, liebevoll begleitet und unterstützt von ihrer Familie.
Regelmässig kommt sie zur Kontrolle ins USZ. Wir freuen uns beide
über diese Gelegenheit, einander wieder zu sehen.
Aufzeichnung: Elisabeth Cohen
Kelsang Dechog, buddhistische Nonne
Kadampa Tempel Zürich
Was ist das Gottesverständnis im
Buddhismus?
Im Buddhismus geht es nicht um den
Glauben an einen Gott, der die Welt
erschaffen hat und erhält. Unser
eigenes Bewusstsein erzeugt unsere
persönliche Erfahrungswelt. Buddha
ist unser Vorbild. Er hilft uns, seine
Lehre (Dharma) im eigenen Herzen
umzusetzen. Buddha ist mit einem
spirituellen Arzt und seine Lehre mit
Medizin
vergleichbar.
In
der
Meditation wird seine Lehre vertieft
und Behinderungen im Geist werden
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aufgelöst. Wir beten zu Buddha und empfangen Segnungen und
Inspiration. Die spirituelle Gemeinschaft (Sangha) hilft uns bei der
Umsetzung der Meditationen im Alltag.
Wie ist der Stellenwert des Lebens?
Der Stellenwert des Lebens ist hoch, denn es besitzt alle
notwendigen Freiheiten und Ausstattungen, um unser Bewusstsein
zu verbessern und Erleuchtung zu erlangen. Im Buddhismus sind
Körper und Geist zweierlei. Geist und Bewusstsein treten bei der
Zeugung in den Körper der Eltern ein und beginnen sich mit dem
neuen Körper zu identifizieren. So befindet sich schon zu Beginn
der Schwangerschaft ein kleines Wesen mit Gefühlen im Bauch der
Mutter. Wenn der Körper stirbt, geht das Bewusstsein ins nächste
Leben über. Suizid oder aktive Sterbehilfe machen aus
buddhistischer Sicht keinen Sinn, da das Leiden, die Probleme und
die Gewohnheiten einfach im nächsten Leben weitergehen. Der
Tod erlöst nicht vom Leid.
Inwiefern ist Ihr Alltag vom Glauben beeinflusst?
Mein Leben als buddhistische Nonne ist von meinem Glauben
geprägt. Es geht nicht um Perfektionismus, sondern um den
Versuch, im Einklang mit der Sichtweise und der Absicht Buddhas
zu leben. Viele Mönche und Nonnen sind berufstätig. Sie können
den ganzen Tag in ihrer Arbeit gemäss den Absichten und
Sichtweisen Buddhas leben. Es besteht kein Widerspruch zwischen
der Lehre Buddhas und unserem Alltag. Auch Menschen aus
anderen Religionen können durch buddhistische Meditationen
hilfreiche Einsichten gewinnen. Hilfreich finden es die meisten
Buddhisten, morgens und abends zu meditieren.
Wie sehen Sie den Zusammenhang von Krankheit und
Buddhismus?
Um Krankheit besser zu verstehen, betrachten wir das Gesetz von
Ursache und Wirkung. Wir erkennen, dass neben den äusseren
Umständen, die eine Krankheit oder einen Unfall verursachen,
immer auch eine innere Ursache gegeben sein muss. Ansonsten
lässt sich kaum erklären, warum zum Beispiel von zehn
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Kettenrauchern nur drei an Lungenkrebs erkranken. Prägungen von
negativen Handlungen aus diesem oder früheren Leben können
eine Krankheit hervorrufen. Negatives Karma wird gereinigt durch
die Kraft des Bedauerns, die Kraft des Vertrauens, die Kraft des
Gegenmittels (z.B. Mitgefühl statt Abneigung) und die Kraft des
Versprechens. Für Buddhisten muss Krankheit nicht unbedingt
etwas Schlechtes sein, sondern kann neue Türen öffnen und für
einen inneren Weg motivieren. Unser Körper ist unbeständig und
vergänglich, doch unser Geist und unser Bewusstsein gehen weiter.
Deshalb arbeiten wir an unserem Bewusstsein, um gute
Gewohnheiten mitzunehmen, wenn es weitergeht.
Was bedeuten Sterben und Tod im Buddhismus? Welche
besonderen Rituale gibt es?
Wenn die Person verstorben ist, sollte sie noch drei Tage liegen
bleiben, da der Geist den Körper vielleicht noch nicht verlassen hat.
Auch ist es wichtig, die tote Person nur am Scheitel zu berühren
und auf keinen Fall an den Händen oder Füssen. Das hilft dem
Bewusstsein, eine gute Wiedergeburt anzunehmen. Eine
Powazeremonie
dient
der
Bewusstseinsübertragung
für
Verstorbene, damit eine gute Wiedergeburt möglich wird.
Negatives Karma wird so gereinigt und mit dem Bewusstsein von
Buddha Avalokiteshvara verbunden. So können wir sicher sein, dass
die Person ein Reines Land erreicht hat, wo es keine unkontrollierte
Wiedergeburt gibt und ihr Bewusstsein kein Leiden mehr erfährt. Es
gibt keine Trauerzeit. Durch Mitgefühl und Gutes tun wird die
Trauer verwandelt.
Fühlen Sie sich als buddhistische Nonne in der Schweiz
akzeptiert?
Ja, durch die Aufnahme von tibetischen Flüchtlingen in der Schweiz
ist es für uns Buddhisten einfacher geworden. Ich gehöre der
Neuen Kadampa Tradition, von Kelsang Gyatso gegründet, an. – In
der Schweiz leben rund 41‘000 Buddhisten (0,5% der
Bevölkerung).
Aufzeichnung: Dieter Graf
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Yidham Rigdaktshang
Mitarbeiter Gastronomie
Schon oft bin ich Yidham Rigdakshang
im Bistro Süd begegnet, wenn ich an
der Kasse meinen Badge auflegte, um
zu bezahlen. Nun hatte ich die
Gelegenheit zu diesem Gespräch und
möchte davon einiges berichten.
Yidham Rigdaktshang ist Tibeter und
arbeitet seit 10 Jahren am USZ im
Bereich Gastronomie. Er arbeitet als
sogenannter „Springer“ im Bistro Süd,
im Personalrestaurant, im Dick & Davy,
im Kiosk und im Bistro Nord 1. Für ihn
ist es sehr wichtig, ein gutes Herz zu
haben, anderen Menschen zu helfen
und freundlich zu den Mitmenschen zu sein. Hier im Unispital
begegnet er oft Patientinnen und Patienten oder Besuchern, die
Hilfe brauchen. Oft hilft er auch mit einem freundlichen Wort.
Der Buddhismus ist für ihn Religion und Lehre. Er betet privat, aber
auch im klösterlichen Tibet-Institut Rikon. Dort treffen sich viele
Tibeter zu den hohen Festtagen, wenn die Geburtstage von
Buddha und vom Dalai Lama gefeiert werden. Meditation ist etwas
Schwieriges. Wichtig sei es, die Religion zu kennen, sagt er. Einfach
nur entspannen oder Gedanken an Geld oder anderes zu haben,
sei keine Meditation.
Wenn jemand gestorben ist, dann beten die Mönche im Auftrag
der Angehörigen ein Jahr lang jeden Tag, dass der Verstorbene ein
gutes neues Leben nach der Reinkarnation hat. Mönche kommen
auf Wunsch von Patienten auch ins USZ. Sie beten für sie, geben
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Hoffnung und Kraft. Immer wieder betont Yidham Rigdaktshang,
dass es wichtig ist, Gutes zu tun. – Es tut gut, ihm zu begegnen,
mit seiner Freundlichkeit, seinem Lächeln, seinem offenen Herzen!
Aufzeichnung: Axel Landwehr
Ein Segen
Begegnung mit Eltern ohne Bekenntnis
Das Mädchen passt auf ein DIN-A4-Blatt, so klein ist es. Es ist so
entstellt, dass selbst die erfahrene Hebamme erschrickt, als sie es
sieht. Die Eltern haben gesagt, dass sie ihr Kindchen nicht sehen
möchten, zu gross sei der Schmerz. Der Vater möchte möglichst
schnell wieder ins alte Leben zurückgehen. Die Mutter ist hin- und
hergerissen, zwischen bodenloser Trauer und dem Wunsch,
möglichst stark wie ihr Mann zu sein und ihre Gefühle
herunterzuschlucken. Trotzdem lässt sich das Paar darauf ein, in
den Trauerraum neben der Gebärabteilung zu kommen. Ein
abgedunkeltes Zimmer mit vielen Kerzen, das den Gefühlen Schutz
gibt. Dort liegt ihr Kindchen - zugedeckt in einem Körbchen.
Irgendwann tasten sich die Hände der Eltern über das Tuch. Sie
spüren das Köpfchen und den kleinen Oberkörper ihres Kindes. In
diesem Moment sind sie ganz bei ihrem Töchterchen. Nur dieser
kostbare Moment zählt. Und plötzlich sagt der Vater zu mir:
„Können Sie es segnen? Wir glauben ja nicht daran, aber Sie
schon!“
Aufzeichnung: Margarete Garlichs
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Spiritualität trägt
Begegnung mit einer Frau ohne Bekenntnis
Ich werde zu einer Frau ohne Bekenntnis gerufen. Frau R.*
wünsche ein Seelsorgegespräch vor ihrer Operation. Die Patientin
hat das Bedürfnis, von sich zu erzählen. Sie hätte eine schwierige
Kindheit gehabt. Nachdem sie mitangesehen hätte, wie ihre kleine
Schwester von einem Auto überfahren wurde und starb, sei sie
„depressiv“ geworden. Irgendwie hat all das Schwere dazu
geführt, dass sie nicht mehr an die Institution „katholische Kirche“
glauben kann und ist ausgetreten. Frau R. versichert aber, sie habe
ihren eigenen Glauben, der ihr Kraft gebe.
Seit einem Jahr geht es ihr gesundheitlich nicht gut, sie fühlt sich
sehr schwach. Sie hofft, dass sie durch die bevorstehende
Operation wieder zu Kräften kommt. Ich höre zu und versuche,
Frau R. das Gefühl zu geben, dass sie akzeptiert ist. Beim Abschied
sage ich ihr, dass ich während der Operation an sie denken werde.
Zwei Wochen später muss Frau R. wiederum ins Spital. Man hat
einen Tumor bei ihr entdeckt. Wiederum treffen wir uns vor der
Operation. Sie weint. Sie hat Angst vor dem Eingriff. Ihre ältere
Schwester ist an Krebs gestorben. Zwei Tage später besuche ich sie
auf der Station. Die Operation ist gut verlaufen. Der Tumor war
klein und konnte entfernt werden. Frau R. ist so froh, dass eine
Chemo nicht nötig ist.
Wieder zuhause schreibt sie mir eine E-Mail: „Sie haben mich durch
Ihre Präsenz durch eine schwierige Zeit getragen. Beim Gedanken
an unseren Austausch, empfinde ich eine stark spirituelle Note. (…)
Ich bin durch die Krise näher zu mir gekommen. Ich möchte diesem
Gefühl Sorge tragen.“
Aufzeichnung: Audrey Kaelin, * Initiale geändert
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Jörg Brühlmann, Bestatter
Oft ist die Hoffnung, die mit einem
Spitaleintritt verbunden ist, vergebens.
Dann müssen die Hinterbliebenen bei
Jörg Brühlmann im Büro West A 18
anklopfen. Er arbeitet seit 10 Jahren als
Bestatter im USZ. „Im Jahr 2014
starben 994 Menschen bei uns im
Spital, das sind fast vier Personen pro
Arbeitstag. Vermutlich wären sie lieber
zuhause gestorben als bei uns.“
Die meisten der Verstorbenen waren
Christen (61%), gefolgt von Muslimen
(5%), Hindus (1%) und Juden (1%).
Der Anteil von Personen ohne
Bekenntnis, bzw. keiner Religion nimmt zu und betrug im Jahr
2014 32%. Der Grossteil der Verstorbenen wurde kremiert (73%),
der Rest hatte eine Erdbestattung.
Schwieriger wird es für Jörg Brühlmann, wenn ein Verstorbener ins
Ausland (am häufigsten nach Südeuropa, den Balkan, Indien,
Afrika) überführt werden soll. Kulturelle und sprachliche Barrieren
muss er mit den Angehörigen überwinden. Oft sind auch die
Kosten ein Thema: Je nach Distanz betragen sie mehrere tausend
Franken.
Ein wichtiger Teil seiner Arbeit ist die Begleitung der
Hinterbliebenen und die Hilfe bei den administrativen Abläufen:
„Viele sind dermassen aufgewühlt, dass sie gar nicht in der Lage
sind, zuzuhören. Es ist gut, dass vieles schriftlich abgegeben wird,
dann geht es nicht verloren.“
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Jörg Brühlmann: „Was sehr beeindruckend und für mich
unvergesslich
war,
waren
afrikanische
Angehörige
im
Aufbahrungsraum, die für den Verstorbenen Lieder sangen und
tanzten. – Ein anderer Brauch, der mir geblieben ist, sind die
Nahrungsmittel,
die
der
Gottheit
geopfert
und
im
Aufbahrungsraum hingestellt wurden. Ich weiss allerdings nicht
mehr, um welche östliche Religion es sich handelte.“
Aufzeichnung: Audrey Kaelin
Interreligiöser Bettag 2015
Das Unispital ist ein Ort, wo sich Christen, Juden und Muslime
immer wieder begegnen. Sei es als Patientinnen und Patienten im
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selben Zimmer, sei es als Angehörige auf dem Flur oder als
Mitarbeitende in den vielen verschiedenen Funktionen im Dienst an
kranken Menschen. Die drei grossen Offenbarungsreligionen haben
vieles gemeinsam: Abraham ist ihr gemeinsamer Stammvater, auf
ihn berufen sie sich. Er war es auch, der drei Männer auf der
Durchreise zu sich einlud, ihnen die Fusse wusch und sie bewirtete.
Von diesem vorbildlichen Gastgeber liessen wir uns inspirieren.
„Abraham – Ibrahim“ stand auch im Zentrum dieses ersten
interreligiösen Gebetes am Eidgenössischen Dank- Buss- und Bettag
im USZ.
Eine Vertreterin der Jüdischen Cultusgemeinde, eine Muslima und
wir Christen brachten unsere Gedanken ein. Besonders war auch
die musikalische Begleitung mit Orgelklängen und Klezmer Musik.
Zwei Mädchen von der Türkisch-Islamischen Gemeinschaft Rüti
(Bild) sangen verschiedene Lieder. Mit dem gesungenen Wunsch:
„We shall overcome“ schlossen wir die eindrückliche Feier ab.
Draussen im Foyer gab es Getränke, etwas zum Knabbern und die
Gelegenheit, über die Religionsgrenzen hinweg sich gegenseitig
besser kennen zu lernen.
Aufzeichnung: Dieter Graf und Elisabeth Cohen
5 Jahre Neo-Dank-Gottesdienste
Am letzten Maiwochenende 2015 verwandelt sich nun schon zum
fünften Mal, die im Alltag zur Stille und Besinnung einladende
Spitalkirche des Universitätsspitals Zürich zu einer Oase der
kindlichen Lebendigkeit und Freude! 80 Kinder der Jahrgänge
2011/2012, die ihren Lebensanfang für eine kürzere oder längere
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Zeitspanne als „Frühchen“ auf der Neonatologie verbracht hatten,
folgten der Einladung zum Neo-Dank-Gottesdienst und strömten
mit ihren Geschwistern, Eltern, Grosseltern, Verwandten und
Freunde in die Spitalkirche.
Für ihre Eltern war dieser Gang mit starken, sowohl schönen als
auch schwierigen Erinnerungen verbunden – viele hatten zu Beginn
des Lebens ihrer Sprösslinge eine Achterbahn von Gefühlen
zwischen Bangen und Hoffen erlebt. Doch die Kinder eroberten
unbeschwert und in Windeseile den Gottesdienstraum, sangen
begeistert die Kinderlieder mit, hörten die Geschichte von Jakob
und der Himmelsleiter und erlebten in einem andächtig stillen
Moment in den Armen ihrer Eltern, dass sie von Gott gesegnet
sind.
Am Ende verabschiedeten sich die Familien mit strahlenden Augen
und Dankbarkeit. Vielen Eltern war in dieser Stunde wieder einmal
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richtig bewusst geworden, dass ihre Kinder einen ganz starken
Schutzengel an ihrer Seite hatten und noch immer haben.
Aufzeichnung: Lisa Palm und Margarete Garlichs
Engelprojekt
Engel haben Einzug gehalten in unsere Spitalkirche in der
Adventszeit. Ganz unterschiedliche Engel: Grosse und kleine; fest
stehende und schwebende; ernsthafte und verspielte; aus Stoff, aus
Papier, von Kindern gebastelte. Sie erfüllen die Kirche mit Wärme
und goldenem Schein. Und sie erzählen auf ihre Weise von Gott,
der ankommt bei uns. Der uns beflügelt, geleitet, tröstet, mit Leben
und Licht erfüllt – auch in der dunkelsten Zeit.
Aufzeichnung: Barbara Oberholzer und Elisabeth Cohen
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Isabelle Haller
Leiterin Care Team
Die einjährige Pilotphase ist
abgeschlossen. Wie geht es nun
weiter?
Das Care Team ist in den
Routinebetrieb übergegangen. Mich
persönlich
freut
die
grosse
Interdisziplinarität des Care Teams: 21
Mitarbeitende aus den Bereichen
Pflege, Sozialdienst, Seelsorge und
MTTB, die diese wertvolle Aufgabe
mehrheitlich in ihrer Freizeit und im Nebenerwerb ausführen. Jede
Berufsgruppe bringt ihre Stärken mit und trägt dazu bei, dass wir
Angehörige in Krisensituationen umfassend betreuen können.
Wo leistet das Care Team Einsätze?
Schwerkranke, verunfallte oder sterbende Patienten benötigen eine
intensive medizinische und pflegerische Betreuung. Für die
Begleitung der Angehörigen, die sich unerwartet mit dieser
schwierigen
Situation
konfrontiert
sehen,
bleibt
den
Behandlungsteams häufig nicht genügend Kapazität. Das Care
Team schafft hier Entlastung. Die Einsatzorte sind zurzeit
vorwiegend auf den Intensivstationen, dem Notfall und dem
Schockraum, vereinzelt auch auf den Bettenstationen oder im
Aufbahrungsraum.
Aus
zahlreichen
Rückmeldungen
der
verschieden Stationen und der Care Team-Mitarbeiter selbst geht
hervor, dass unsere Arbeit sehr geschätzt und als sinnvoll
empfunden wird.
Nebst der Entlastung des Personals, was bringt euer Einsatz?
Die Angehörigen werden durch unsere Begleitung oft ruhiger und
sind dann in der Lage, sich wieder zu sammeln. Das hilft, wenn
weitere Gespräche und Behandlungen nötig sind.
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Welche Rolle nimmt die Seelsorge ein?
Die Zusammenarbeit mit den vier Seelsorgenden finde ich sehr
bereichernd. Der anfängliche Respekt vor dem Rollenwechsel vom
Seelsorger zum Care Giver hat sich schnell verflüchtigt und gelingt
fliessend. Primär handeln wir religionsunabhängig. Treten im Lauf
eines Einsatzes religiöse Aspekte in den Vordergrund, können die
Seelsorgenden zusätzliche Unterstützung bieten. So konnte zum
Beispiel ein Seelsorger eine hinduistische Familie beim
Abschiedsritual für ihren verstorbenen Angehörigen begleiten. Wird
es gewünscht, kann die Seelsorge auch eine längerfristige
Betreuung übernehmen oder Kontakte zu Kirchgemeinden
vermitteln.
Wie tauschen sich die Mitarbeitenden aus?
Wir haben Teamsitzungen, Supervision und Weiterbildungen.
Wie arbeitet ihr?
Ein Beispiel: Ein Motorradfahrer ist schwer verletzt und liegt bei uns
auf dem Notfall. Sein Zustand ist kritisch. Die Angehörigen sind von
der Polizei informiert worden. Eine grosse Gruppe Angehöriger
versammelt sich daraufhin auf dem Notfall. Sie sind aufgewühlt,
einige stehen unter Schock. Ein Mitglied des Care Teams wird
aufgeboten, nimmt Kontakt mit den Angehörigen auf und
begleitet sie in einen ruhigen Raum. Generell kümmern wir uns um
Grundbedürfnisse: Wir bringen etwas zu trinken oder essen, holen
Decken für zitternde Personen. Wir vermitteln Sicherheit. Auf
Wunsch der Angehörigen sind wir beim ersten aufklärenden
Arztgespräch anwesend. Nach erfolgter Notfalloperation des
Verunfallten begleitet das Care Team-Mitglied die Angehörigen zur
Intensivstation der Unfallchirurgie und stellt für sie den Kontakt zu
der dortigen Pflege und den Ärzten her.
Jeder Einsatz ist individuell, dabei werden die Care Team
Mitarbeitenden vielschichtig gefordert.
Aufzeichnung: Dieter Graf
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Das ökumenische Seelsorgeteam im Dezember 2015
Hinten (v.l.n.r.): Elisabeth Suter, Walter Albrecht, Elisabeth Cohen, Dieter Graf,
Barbara Oberholzer. Vorne (v.l.n.r.): Alberto Dietrich, Audrey Kaelin, Axel Landwehr.
Des Weiteren gehören zum Team: Margarete Garlichs, Lisa Palm, Marika Kober und
Monique Henrich
Gut zu wissen:
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Rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr, sind wir für Sie
erreichbar, über den Empfang, Tel. 044 255 53 33.
Unsere Spitalkirche ist Tag und Nacht geöffnet! Neben dem
Bistro Süd.
Wir feiern jeden Sonntag Gottesdienst um 10.15 Uhr.
Raum der Stille – eine Oase für alle in der Eingangshalle
Nord 2.
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Puente della reina, Jakobsweg, Spanien
Impressum:
Herausgeber: kath. und ref. Seelsorge USZ
Verantwortliche Redaktion: Audrey Kaelin, Dieter Graf,
Susanne Sigrist Ali, mit Beiträgen vom gesamten ökumenischen
Team
Zürich, Februar 2016
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