Reinigung Aktuell - Industrial Alpinists Vienna

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HENSICHERUNG
..
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Das Thema sicheres
Arbeiten in Absturzhöhen
ist trotz zu vieler Todesfälle
bei den Dienstleistungsunternehmen noch nicht
richtig angekommen.
Und teilweise auch bei den
Auftraggebern noch nicht,
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HÖHENSICHERUNG
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aut Roland Haagen und Robert
Klein, Acces Alpintt:>chnik Salzburg
(5. auch Interview S. 20), habl;'l1 die
AOvA und die Deutsche BerufsgenossenS<'haftt!nerhoben. dass es in Deutschland
etwa 100, in Österreich 40.48 Absrurztote
THEMA
Es gibt keine Grauzonen. alles Ist klar
geregett
Sich~r ~ei aber: .,Auf der einen Seite
gibt es ein qualitatives Missverständnis
g~rade bei den KMUs - bei den Unternehmern selber, und bei den grö~l'ren
1:2 bei einem Einwohnerverhältnis
von
1:10. EU-weit liege Österreich in der Artbeitsunfallstatistik ganz schlecht. 'Voran
liegt das? Klein meint. wir hätten zwar
die entsprechenden Gesetze, aber kaum
Problembewusstsein
mangels entsprc~
Firmen auf dl'\1 Eb~nl'n danmter, wo Illan
noch immer der ML'inung ist, es würde hier eine Grauzone geben. Die gibt
es aber nicht. 1)ie Din~e sind klar geregelt." Dieser Nachholbedarf
ist Gälles'
Übcrzl'ugung nach aber kein ÖsterreichSpezifikum, sondern den gebe ('5 auch
chender Fachkenntnisse
bei den KMUs in anderen
pro Jahr gibt. Also ein Verhältnis von fast
bei den Unter-
nehmern und zu wenig Exekution.
i\lex Gölles wiederum, mit Christian
Lugschitz Geschäftsführer der Industrial
Alpinists Vienna. hat z••••.
ar seine Zweifel
an der Aussagekraft solcher Vergleichs.
Mobiles Ankersystem
wie
Syam (System d" Ancrage MObile) von Acc6s
statistiken .. möchte damit aber das Bild.
das Österreich diesbezüglich abgibt. keineswegs relativieren. Denn er ist ..•über~
zeugt, dass es gerade im Bereich Kleinund Mittelbetriebe und in Branchen. die
vielleicht die Tragweite der Problematik
noch nicht ganz erkannt haben - und da
gehört die Reinigungsbranche
eindeutig
dazu -, in Österreich tatsächlich noch
groBe Defizite gibt ...•Aus unterschiedlichen möglichen Gründen. über die auch
er nurVermutungen anstellen könne.
REINIGUNGAM.TUEll02/2011
Ländern
DeutschJ.1nd.
AU~t'rdem glaubt Göl1es, dass es gerade in der Reinigungsbr .•mche sehr häutig
auch an Selbstbewu::istsein im Auftreten
dem Auftraggeber gegenüber mangelt.
Den möglichen ursächlichen
Zus<lmmenhanp; mit mangelnder Arbeitssicherheit sieht er hierbei darin. dass Dienstlei$tungsanbieter
Angst bekämen. den
Auftrag an einl'n Billigeren zu verlieren,
sobald ein Auftraggeber durchblicken las~
se, ihm sei es egal, WIE dit> Reinigungsarbeiten durchgt'führt \vürden, Hauptsache billig. Doch statt Angst, so GäUes.
sollte man sich s"fordert sehen und auch
sdbstbewusst genug sein zu sagen: .•lieber Auftraggeber, natürlich möchte ich
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THEMA
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Industrial Alpinisls Vienna
_\GeSeIIsChaft
fürgerüstfreIe Hbhenarbeiten GmbH
& CO KG, Obachgasse 14
1220 Wien: lei 969 07 80
13x969 07 88: wwwjav,at office@lav,at
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den Auftrag haben, und ich werde selbst-
du zu schaffen hast."
Denn: Es gibt ein Baustellenkoordinationsgesetz, das 5icherheitstec~nisch
zwar die Bauphase regelt, aber immer
weiter. Angst, zugunsten eines noch Billigeren nicht zum Zug zu kommen. führe
nur dazu, "dass wir uns gegenseitig nach
unten lizitieren und die Sicherheitsvorschriften immer weniger \Vahrgenommen
werden."
Die vom Auftraggeber zu schaffen-
auch mit Blick auf die so genannten
nachfolgenden Arbeiten - auf alles, was
den Rahmenbedingungen
betreffen zum
Beispiel das Anbringen eines Sicherungs-
absehbarerweise in den nächsten Jahren
und Jahrzehnten am, im und rund um das
Objekt wird stattfinden müssen. Wobei es
kaum zu den unabsehbaren Dingen ge.
hört, dass irgendwann auch die Fenster
geputzt werden müssen. Davon kann der
Bauherr oder Betreiber also schon mal si.
hakens, etwa im klassischen Fall eines
Wiener Zinshauses, wo die Fensterreinigung in den Stiegenhaus-Bereichen
in
der Regel vom Gang her stattfindet. Beim
Reinigen der Oberlichten muss man sich
auf die Fensterbank stellen und braucht
verständlich mein Möglichstes tun, aber
es gibt ganz einfach Voraussetzungen, die
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HÖHENSICHERUNG
Lüftungs- und Plakatmontagen
Glasfassaden,
Stahlbau &
Spenglerarbeiten,
Fassaden-,
Industrie- & Schachtreinigung
Taubenabwehr;
Montage,
Überprüfung & Vertrieb von
Absturzsicherungen,
Überprüfung von Windenergieanlagen;
Schulungen und Sicherheitstechnische Beratungen, Vertrieb
von PSA gegen Absturz
eher auszugehen,
etwas überlegen.
BauKG enthält
und er muss sich dafür
klaren Auftrag an den
Bauberm
Aus dem Baustellenkoordinationsgesetz erwächst dem Bauherrn somit auch
ein klarer Auftrag, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass für nachfolgende Arbeiten wie die Reinigung ein
sicherheitstechnischer
Rahmen gegeben
ist. "Und wenn diese Rahmenbedingun.
gen nicht gegeben sind, sollte man den
Auftrag auch nicht annehmen", so GöUes
18
dazu einen Anschnallpunkt,
um sich sichern zu können. Je komplexer die Fassade, umso größer dieVorsichtsmaßnahmen. Maßnahmen, die aber keinesfalls
an den Auftragnehmer
abgewälzt werden können. Nur ist das teilweise auch
bei den Betreibern und Bauherren noch
nicht angekommen. Gälles: "Sie denken,
die beauftragte Reinigungsfirma sei für
alles verantwortlich, und deren ~litarbeiter müssen sich dann an Lufthakerln sichern. Klar absehbar ist natürlich auch,
H
dass das Dach regelmäßig begangen
werden muss, sodass auch hier mit einem entsprechenden
Sicherungssystem
REINIGUNGAKTUELL
02/2011
HÖHEN
SICHERUNG
THEMA
"Bauherren denken teilweise, die beauftragte Reinigungsfirma sei für alles verantwortlich - und deren Mitarbeiter müssen sich dann an Lufthakerln sichern."
vorzusorgen ist. Im Neubaubereich ist das
ohnehin ein ganz klares Erfordernis, aber
auch bei bestehenden Objekten hat der
tende Personal unterwiesen sein muss.
"Absturzhöhen
- das ist dann zwar
etwas kompliziert in mehreren Unter-
sisschulung, denn da geht es nur um eine
Grundunterweisung."
Die Verantwortlichkeiten sind also klar
Besitzer oder Betreiber die Verptlichtung,
diesbezüglich nachzurüsten bzw. Sicherungen vorzusehen.
punkten geregelt, aber", so GöUes, "zu
allem. was über 2 bzw. 3 m Absturzhöhe
im Dachbereich liegt, darf ich nicht ir-
Die Verantwortllchkeften
gendjemanden hinschicken, der - sofern
er mir arbeitsrechtlich unterstellt ist - kei-
verteilt und geregelt. Die Schnittstelle ist
der Unternehmer. Er hat zum einen seinen Mitarbeitern gegenüber einen klaren
Auftrag, einerseits sie zu schulen, andererseits auch in Sicherheits- und Gefah-
sind
eindeutig verteilt
Dieses Pflichtenheft
für den Auftrag-
geber bedeutet aber natürlich nicht, dass
der Dienstleister
von jeder Pflicht zur
Sicherheitsgewährleistung
befreit ist.lrn
Gegenteil- es gibt eine ganz klare rechtliche Aufforderung an den Ausführenden
- im gegenständlichen
Zusammenhang
von Reinigungsarbeiten
- durch das Arbeitnehmerschutzgesetz,
eindeutig definierte Grenzen, die regeln, ab welcher
möglichen Absturzhöhe das dort arbei-
ne adäquate Schulung genossen hat. Das
ist eine klar geregelte Sache. auch wenn
viele glauben, so-genau würde da schon
keiner hinschauen." Aus seiner Sicht gibt
es auch sehr viele Reinigungsfirmen, die
ihr ~rsonal nicht adäquat schulen." Das
betreffe auch schon den Reiniger, der sich
im zweiten oder unter Umständen auch
schon im ersten Stock ganz konventionell
an der Fensterreinigung
versuche. "Der
müsste in den meisten Fällen schon eine
Schulung haben, allerdings nur eine Ba-
renschutzplänen festzulegen, wie sie sich
zu verhalten haben, und das dann auch
zu prüfen. Zum anderen hat er aber auch
dem Auftraggeber klarzumachen,
dass
dieser die Rahmenbedingungen zu schaf(en hat beziehungsweise
entsprechend
nachrüsten muss, wenn diese Rahmenbedingungen nicht gegeben sind.
Die Industrial Alplnists
Die Mitarbeiter der Industrial Alpinists
Vienna sind naturgemäß weit über das
THEMA
HÖHENSICHERUNG
-interview
46 Tote zuviel
Bel Absturzsicherung
technik,
Salzburg,
.,. Wie liegt Österreich
und der Kontrolle
liegt Österreich
ElJ..weit ganz hinten.
Robert
Klein und Roland Haagen,
bei der
Laut AUVA und den Deutschen Berufsgenossenschaften gibt es in Deutsch-
werden Leitern meistens gar
nicht oder falsch gesichert,
obwohl es eine entsprechende
ge:5etzliche-- Regelung in den
~leter in den Innenhof gestürzt - tot. Diese eine Minute für die Sicherung war ihm
zu lang. Schuld an der Misere
land etwa 100 Absturztote pro Jahr, in
Österreich 46.48 pro Jahr. Deutschland ist
aber ein 10 x so großer VVirtschaftsraum.
In der EU liegt Österreich g.:mz weit unten. In England gibt es etwa 1-2Totc pro
Jahr, aber auch die strengsten Gesetze.
9934 bis38 AM-Va (Arbeitsmittelerordnung) gibt. Das ist
volkswirtschaftlich \,,'ahnsinnig teuer: Allein für die Rehabilitationskosten
bei Sturz
und Fall werden an die 600
ist eine unselige Allianz aus
Unternehmer, der im Bereich
Absturzsicherung
kein oder
zuwenig Fachwissen
hat,
einem Mitarbeiter, der sich
Unfallslalislik1
Millionen Euro ausgegeben.
überschätzt,
mangelndem
Risikobewusstsein
und zu
wenig Arbeitsinspektoren.
Robart Klein
Wieso sind wir so schlecht?
\Vir haben zwar die entsprechenden
Gesetze, aber kaum Problem bewusstsein
mangels entsprechender
Fachkenntnisse bei den Unternehmern
und zu wenig
Exekution. Es wird einfach zu wenig kontrolliert - meistens erst im Nachhinein.
wenn schon etwas passiert ist. Und es
gibt in Österreich viel zuwenig Personal
bei der Behörde. Die Stadt München hat
mehr Arbeitsinspektoren
in den Berufsgenossenschaften
als wir in ganz Österreich!
Gehört die Reinigungsbranche
zu den
Wieso passiert
so viel?
Die Gründe sind: Nichtwissen, Nichtkönnen,
Nichtwollen,
Nichtdürfen.
Nichtwissen
und Nichtkönnen
liegen
beide im einstelligen
Prozentbereich.
Nichtwollen und Nichtdürfen sind die
zwei wesentlichen Ursachen. Nichtwollen heißt Bequemlichkeit.
Man glaubt,
ein Auffanggurt wird mich nur behindern
und viel Zeit kosten. Dabei ist das Gegenteil wahr: ""'enn sich die Mitarbeiter richtig sichern, dann sind sie schneller! Und
Nichtdürfen heißt verweigern. Man weiß
Absolut. In Österreich gibt es z. B. pro
Jahr über 2.300 Stürze von Leitern. wobei die Dunkelziffer natürlich weit höher
ist - sicher das Fünffache! In Österreich
zwar, dass man ohne Sicherung nicht ar.
beiten darf, aber tut es dennoch. Weil man
ja so ein Kerl ist! 'n Wien wurde unlängst
bei einer Fassadenreinigung
das Gerüst
abgebaut. Ein Mitarbeiter hat einen Teil
verschoben, ohne sich zu sichern, ist 15
übliche Maß hinaus geschull und ausge.
von :lusätzlichen Autlagcn gebunden, un.
rüstet. Sie sind im Rahmen der internen
und teilweise auch externen Schulungen
als echte Höhenarbeiter ausgebildet, was
sie dann auch befugt, im Seil hängend zu
arbeiten, also das so genannte "seilteeh.
nische Zugangsverfahren"
anzuwenden.
ter anderem t:'inl~sehr umfassende Ausbildung und eine sehr gen au definierte
Ausrüstung. "
D••s Unternehmen war im Jahr 2000,
als es gegründ~t wurde, eines der ersten
jener Handvoll Firmen in O=-terreich, die
..•.
Und das", so GöUes, •.ist an eine Fülle
sich 5chwerpunktmäßig
gefährdeten?
2 0
Acces Alpin-
Im Gespräch:
mit dem Thema
Was sollte
geschehen?
Bewusstseinsbildung
ist notwendig:
Mehr Bewusstsein für die Gefahren durch
Sturz und Fall bei der Arbeit. mehr Be.
wusstsein für die Steigerung der Effizienz,
denn sicheres Arbeiten bringt eine erhebliche Zeitersparnis. Langfristig spart man
durch Sicherheit Geld: durch Zeitersparnis, vermiedene Mehrkosten durch unfallbedingte Krankenstände, Vermeidung
von Verwaltungsstrafen
wegen Nichteinhaltung von Arbeitnehmerschutzvor.
schriften und Regressforderungen der gesetzlichen. Unfallversicherung. Investiert
man einen Bruchteil davon in Schulung
und Beratung durch Profis wie uns, hai
der Unternehmer tatsächlich auch einen
wirtschaftlichen Vorteil davon.
Höhenarbeit bzw. Arbeiten an besonders
exponierten Standplätzen beschäftigen.
Und man ist von Anfang an sehr offensiv
an das Thema Arbeitssicherheit herangegangen. Alex GöUes: "Wir haben den intensiven Kontakt zum Arbeitsinspektorat
und zu allen anderen Gremien gesucht.
die hier maßgeblich mitwirken. Das heißt .
AEINIGUNGAKTUELL
02/2
HÖHEN
SICHERUNG
THEMA
"Schulungen, die Sicherungs11laßnah11len, das In-die-Pjlicht-neh11len der
Auftraggeber - das müssen wir uns noch stärker auf die Fahnen schreiben."
lern, etc., aber auch in der Reinigung."
Dort denke man meistens erst dann an
Schulung. wenn man gestoßen werde .
.,\Vir haben jedenfalls immer offensiv versucht, auch diese Gruppen auf die Thematik aufmerksam zu machen, aber das
wird nur sehr lögerlich angenommen",
bedauert GölJes. Gerade in der Reini~
gungsbranche
herrsche
eine Mischung
aus teilweise unzureichender Information, mangelndem Rückgrat dem Auftraggeber gegenüber und einem extremen
Preisdruck. "Und das ist eine unselige
Melange."
Stärker aufklären, konsequent agieren
wir haben nicht passiv gewartet. bis wir zu
MaSnahmen rur die Arbeitssicherheit gezwungen werden. sondern wollten immer
auch gestaltend mitwirken und aktiv Ein~
tluss ausüben. Wir wollen uns nicht fürchten. dass der Arbeitsinspektor
kommt.
sondern ihn anrufen und einladen."
Diese aktive und offensive Herange~
hen5weise an das Thema Arbeitssicherheit ist auch intensiv vertlochten mit dem
internen Schulungsbereich.
Geschult
werden nicht nur die eigenen Mitarbeiter,
Die Zukunft betreffend, sagt GöUes:
••Die Schulungen, die SicherungsmaBsondern auch Drittfirmen. Die Industrial Alpinists sind unter anderem auch im
Lehrgangsprogramm
des Wifi Wien vertreten. ,.Den Schulungsbereich haben wir
auch immer als ein echtes zusätzliches
Standbein gesehen", sagt Gölles.
Großer Schulungs-Nachholbedarf In der
ReInigung
D"n gröBten Schulungs-Nachholbe_
darf sieht er .•eindeutig im angestammten
Kleingewerbe - bi.~iDachdeckern, Speng-
nahmen, das In-die-Ptlicht-nehmen
der
Auftraggeber - das müssen wir uns noch
stärker auf die Fahnen schreiben. Denn es
kann nicht so sein, dass wir und die ganze
Reinigungsbranche
den Kopf hinhalten,
nur weil sich der Auftraggeber ein paar
Kosten oder - was oft noch schlimmer ist
- einfach nur die Mühe ersparen \'\tilL sich
über Sicherheitsvorkehrungen
den Kopf
zu zl?rbrechen." Hier müsse man noch
viel stärker aufklären - und wenn nötig,
auch konsequent agieren.
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