Die Sprache der Edelsteine ist vielgestaltig, jeder drückt mehrere Wahrheiten aus. Der Amethyst mit seinem Schillern von Rosa zu Blau steht für die Liebe zu Gott. Eine wundervolle Sprache, nicht wahr? (Abt Abbo zu William von Baskerville, im Roman „Der Name der Rose“ von Umberto Eco) Haidelberger SJ legte in der Festpredigt zur Grundsteinlegung der Schönenbergkirche Ellwangen 1682 die fünf Portale auf die fünf Wunden Jesu aus: „Was haben die fünf Pforten mit Christi Wunden zu tun? Die Wunden des gekreuzigten Jesus sind der offene Eingang zum väterlichen Erbarmen.“ Von der ersten bis zur letzten Seite werden in der Bibel Edelsteine genannt: Vom Garten Eden bis zu den zwölf Perlentoren Jerusalems (Offb 21,21). Gott hat den Menschen schön gemacht und zur Gestaltung der Welt aufgerufen. Auch das ganz Einfache, das wir für andere mit Hingabe machen, kann zum Edelstein werden. Die Edelsteine erzählen von hilfreichen Haltungen, der Amethyst auf dem Titelbild etwa von der Konzentration auf das Wesentliche, einem bewussten Umgang mit der Zeit und einer bodenständigen Nüchternheit. Die Würde der fünf Wunden Jesu. Ja, es gibt eine Würde im Leiden! Ebenso betrachten wir die Glaubenskraft und Unzulänglichkeit seiner Jünger. Jedem Apostel Jesu hat die Tradition einen Edelstein des himmlischen Jerusalems zugeordnet. Jesus in Jerusalem – am Ziel seines Weges, seiner Sendung. Doch die „edlen“ Jünger fliehen, allen voran Petrus, der Jaspis-Apostel. Philipp Nicolai hat in „Wie schön leuchtet der Morgenstern“ Jesus selbst mit Steinen geehrt: Der Blutjaspis hat rote Sprenkel, die auf das Leiden deuten, der Rubin symbolisiert verklärte, österliche Wundmale Christi. Die bekanntesten symbolischen und medizinischen Betrachtungen stammen von Hrabanus Maurus (780-856) und Hildegard von Bingen (1098-1179). In Kirchenliedern sind Edelsteine zu finden, genauso im Volkslied: „Graf im Bart, ihr seid der Reichste: Euer Land trägt Edelstein.“ In der Württemberger-Hymne wird das Vertrauen der Landeskinder zu ihrem Herrn als echte Kostbarkeit gepriesen, während andere Fürsten silberschwere Berge und reiche Klöster anpreisen. Die Edelsteine werden in der christlichen Frömmigkeit auch auf die Wunden Jesu bezogen. Außerdem gibt es Andachten zu den fünf Wunden oder Fünf-Wunden-Brunnen. Georg Wo leben die Verwundeten unserer Tage? Wie können wir Verwundeten würdevoll begegnen – ihre Würde achten? Wo liegen unsere eigenen Verwundungen? Wunden stärken die Liebe zur Wirklichkeit: „Ohne Seelenwunde durchs Leben zu gehen, bedeutet Unkenntnis der anderen Seite der Welt“ (Seneca). Der Künstler Joseph Beuys betitelte eine Installation mit „Zeige deine Wunde“ und schrieb: „Diese Wunde, dieses Fragmentarische muss man anschauen und dann weitergehen, sich ergänzen lassen vom anderen.“ Wir brauchen unsere Wunden nicht verstecken. Sie sind Ausdruck von Sehnsucht und Einfallstore der göttlichen Gnade: „Durch seine Wunden sind wir geheilt“ (1 Petr 2,24). GEBORGENHEIT ABSCHIED Zur Wunde SEINER rechten Hand Im Garten Gottes umgaben dich kostbare Steine: Rubin, Topas, dazu Jaspis, Chrysolith, Karneol und Onyx, Saphir, Karfunkelstein und Smaragd. (Ez 28,13) Von zwölf Perlen sind die Tore, an deiner Stadt wir stehn im Chore. (Philipp Nicolai) O dann werden sie glänzen, wie Sterne so rein, in des Heilands Krone als Edelgestein! (amerik. Kirchenlied) EMPFÄNGLICHKEIT ENTTÄUSCHUNG Aus dem Haus Juda kommt ein Edelstein. (Sach 10,4) Ei meine Perl, du werte Kron, wahr Gottes und Mariens Sohn, ein hochgeborner König. Mein Herz heißt dich ein lilium. (Philipp Nicolai) Ich grüße dich, harmonische Quelle der Seelen, klarer Kristall, von dem uns das neue Jerusalem kommt. (Teilhard de Chardin SJ in der Hymne an die Materie) O Jesu mein, die heilgen Wunden dein mir sollen Ruhstatt sein für meinen Willen. In diesem Haus richt mich zum Vater aus, um seine Lieb und Treu treu zu erfüllen. GEBORGENHEIT EMPFÄNGLICHKEIT O Jesu mein, die heilgen Wunden dein mir sollen Ruhstatt sein für meinen Glauben. Aus deinem Herz lass ab mich erdenwärts, um hier und heut das Staubland zu entstauben. Gott umgab den Menschen mit Edelsteinen und gesellte jedem Menschen einen Engel mit schützenden Flügeln bei (Ez 28,14): WO UND WANN ERLEBE ICH ECHTE GEBORGENHEIT IM LEBEN? Der farblose, durchsichtige Topas steht für die menschliche Empfänglichkeit für Gottes Farben, der Hyazinth für das Bewusstsein der Geschöpflichkeit: BIN ICH OFFEN FÜR DIE GNADENGABEN UND WINKE GOTTES IN MEINEM LEBEN? O Jesu mein, die heilgen Wunden dein mir sollen Ruhstatt sein für meine Wunden. Aus dieser Ruh send mich dem andern zu, dass er an Leib und Seele kann gesunden. ABSCHIED ENTTÄUSCHUNG Nach dem letzten Abendmahl geht Jesus mit den Jüngern über den Bach Kidron in den Garten Getsemanie. Der Garten Eden ist keine bleibende Stätte, Getsemanie der Garten von Angst, Abschied und Entbergung: WAS WAREN DIE BISHER SCHLIMMSTEN ABSCHIEDE IN MEINEM LEBEN? Den Chrysopras empfahl Hildegard von Bingen gegen „leichte Luftgeister“, d. h. gegen Naivität, etwa die Täuschung, der Weg Jesu sei leicht zu gehen: LASSE ICH MICH IMMER WIEDER VON JESU BOTSCHAFT ENT-TÄUSCHEN, UM IHM MIT EINER TÄUSCHUNG WENIGER, ALSO WIRKLICHKEITSNÄHER ZU FOLGEN? Das Bild zeigt die Steine nach Ez 28,13 in biblischer Folge im Uhrzeigersinn beginnend auf 7 Uhr mit dem roten Rubin (ohne Chrysolith, biblischer Saphir ist heute Lapislazuli, Karfunkel heute Granat). Die Apostel umgeben Jesus: Jaspis (Petrus), Smaragd (Johannes), Saphir (Andreas) oder Topas (Jakobus der Jüngere) und fliehen allesamt im Leiden. Der Humus deutet auf den Menschen, von Gott aus Erde vom Ackerboden geformt (Gen 2,7). Der Hyazinth (oben), eine Varietät des Zirkon, bedeutet bei Hrabanus Maurus das Verstehen der Gelehrten, der apfel- bzw. lauchsaftgrüne Chrysopras die Tat und den Lohn der Märtyrer samt Ruhe, Zuversicht und geistiger Frische. Der transparente Topas steht für Gott mitten im Alltag. Zur Wunde SEINES linken Fußes O Jesu mein, die heilgen Wunden dein mir sollen Ruhstatt sein für meine Seele. Wie’s dir gefällt, schick mich in deine Welt, dass ich in Not an Seel und Leib nicht fehle. Geistliches und methodisches Begleitmaterial, Hinweise zu Vorträgen und Abruf von Veranstaltungen sowie Bezug weiterer Leporellos beim Kath. Dekanat Ehingen-Ulm, Geschäftstelle, Olgastr. 137, 89073 Ulm, Tel.: 0731/9206010, E-Mail: [email protected], www.dekanat-eu.de. Konzept und Texte: Wolfgang Steffel, Fotos: Johann Frey Layout und Druck: Druckerei Schmid (Giengen) © Wolfgang Steffel, Kreative Katechese 2016 WILLE WIDERSTAND Gieß sehr tief in mein Herz hinein, du heller Jaspis und Rubin, die Flamme deiner Liebe. (Philipp Nicolai) Du Ärmste, ohne Trost, sieh her: Ich lege dir ein Fundament aus Malachit und Grundmauern aus Saphir. (Jes 54,11) Einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist: Jesus Christus. Ob aber jemand mit kostbaren Steinen oder Stroh weiterbaut: das Werk wird offenbar. (1 Kor 3,11-13) LEIDENSCHAFT ERNÜCHTERUNG WILLE Malachit und Saphir sind biblische Grundsteine. Entschiedenheit für Christus ist das Fundament unseres persönlichen Glaubenshauses: WIE STEHT ES UM MEINEN ENTSCHIEDENEN WILLEN ZUR NACHFOLGE? ZURÜCKHALTUNG Die Tore sind aus reinen Perlen, Tränen, die gezählt. Gott wusch sie aus unsren Augen, dass wir nun fröhlich sind. (aus dem Lied „Inmitten einer Welt“) Auf dem Thron saß einer, wie ein Jaspis und ein Karneol, darüber ein Regenbogen wie ein Smaragd. (Offb 4,2f) Der Leib ist klar, klar wie Kristall, Rubinen gleich die Wunden all. (Friedrich Spee SJ im Osterlied „Ist das der Leib“) DIE WÜRDE DER FÜNF WUNDEN HOFFNUNG Der hellblau gebänderte Chalzedon steht bei Hrabanus Maurus für innere Liebesglut. Im Wort Glaube finden wir ursprünglich „lubo“ (Liebe) und „lubains“ (Hoffnung): WIE STEHT ES UM GLAUBE, HOFFNUNG UND LIEBE IN MEINEM LEBEN? IST BEI MIR AUCH IN GROSSER NOT HOFFNUNG LEBENDIG? Der biblische Sardion (heute Karneol) deutet Hrabanus Maurus als „Blut der Märtyrer“, als Mut zur Liebe: WOFÜR ENTWICKLE ICH ECHTE LEIDENSCHAFT, DIE AUCH OPFER KENNT UND „LEIDEN SCHAFFT“? ZURÜCKHALTUNG Der Blutjaspis ist rot gesprenkelt, Symbol für Blut und Leiden. Petrus will den reinen Stein, will Jesus vom Weg ins Leiden abhalten (Mk 8,33): WO WIDERSTEHE ICH DEM RUF JESU UND WÄHLE NUR DAS AUS SEINER BOTSCHAFT AUS, WAS MIR GERADE PASST? Zur Wunde SEINER linken Hand HOFFNUNG LEIDENSCHAFT WIDERSTAND Das Rot der Jaspissprenkel symbolisiert die Flamme der Liebe in unserem Herzen. Der Malachit (im Volksmund Hebammenstein und Schreckstein gegen Schreckhaftigkeit) ist zum Herz geschliffen. Er gilt heute als Stein zur Steigerung des Bewusstseins und der Entscheidungsfähigkeit. Der kleine Chrysolith (heute Peridot bzw. Olivin) steht für die Unterscheidung der Geister. Die Theologie bezieht das Seelenvermögen des Willens (dazu Gedächtnis und Verstand) auf die göttliche Tugend der Liebe (dazu Hoffnung und Glaube). Seine Finger sind wie Stäbe aus Gold, mit Steinen aus Tarschisch besetzt. Sein Leib ist wie eine Platte aus Elfenbein, mit Saphiren bedeckt. (Hld 5,10.14) Nun hätten wir vergessen schier der Perl und Edelsteine; her, her, Karfunkel und Saphir, auch ihr müsset erscheinen. (Friedrich Spee SJ, lädt im Güldenen Tugendbuch die ganze Schöpfung zum Lob Gottes ein) Ein Rubin an goldenem Geschmeide, das ist ein schönes Lied beim Weingelage. Ein Smaragdsiegel in goldener Fassung, das ist ein Gesang bei köstlichem Wein. (Sir 32,5f) ERNÜCHTERUNG Zur Wunde SEINES rechten Fußes Der Amethyst (d.h. nicht berauscht, nüchtern) ist nach der hellvioletten Farbe eines stark verdünnten Rotweins benannt: SEHE ICH DIE DINGE NÜCHTERN? WIE GEHE ICH MIT ERNÜCHTERUNGEN UM? Zurückhaltung gibt es beim Weg in die Tiefe, der Opferbereitschaft fordert, beim Weg in die Höhe, der sich hoffend Gott entgegenstreckt, und beim Weg nach Innen, an die Wasserquelle der Liebe: WO LEBE ICH OHNE TIEFGANG UND AUFSCHWUNG, OBERFLÄCHLICH? WO KLEBE ICH AM ÄUSSERLICHEN? Der Amethyst repräsentiert die Tugend der nüchternen Trunkenheit, das Miteinander von Begeisterung und Besonnenheit, freudiger Bejahung der Wirklichkeit und radikalem Realitätssinn, vorbehaltloser Hingabe und edler Zurückhaltung. Ein kleiner orangefarbener Karneol mit weißer Bänderung liegt auf einem großen Saphir und umgekehrt. Der silberne Pyrit des blauen Saphirs (Lapislazuli) erzählt von himmlischer Hoffnung. Der tiefrote Rubin auf dem himmelblauen Chalzedon und der gebänderte Vulkanstein-Achat mit Wassereinschluss symbolisieren Blut und Wasser aus der Seite Jesu (Joh 19,34). Der Smaragd (unten) steht für die Grünkraft des Geistes und für Hoffnung: „Nichts grünt grüner als der Smaragd“ (Plinius). Er gehört zum Lieblingsjünger Johannes. Hildegard lies Kranke, den Smaragd betrachtend, beten: „Wie der Geist den Erdkreis erfüllt, so erfülle er das Haus meines Körpers mit seiner Gnade, damit es nie mehr erschüttert werden kann.“ Zu SEINER Seitenwunde Edelsteinmomente mit Jesus
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