Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II

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I 3/6074.04-1/314
12.02.2016
Vollzug des SGB II;
Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II
Sehr geehrte Damen und Herren,
zu o. g. Thematik geben wir die nachfolgenden Hinweise.
Sie finden dieses AMS in Kürze auch unter der Adresse
http://www.stmas.bayern.de/grundsicherung/jobcenter/index.php.
Telefon Vermittlung:
E-Mail:
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Adresse:
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www.zukunftsministerium.bayern.de
Winzererstraße 9, 80797 München
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Die bisherigen z. T. veröffentlichten Rundschreiben zu den Themen
-
Leistungsansprüche während der Resozialisierungsphase (Rundschreiben vom
01.09.2008, Az.: I3/2337-512/08
-
Wohngeldbezug und Antrag auf Bezuschussung der Klassenfahrt bzw. Gewährung
von Leistungen zur Beschaffung von Heizmaterial nach den Vorschriften des SGB II
(Rundschreiben vom 11.03.2009, Az.: I 3/2337-5/16/09),
-
Übernahme der Kosten der während der Dauer der Untersuchungshaft bzw. Haftstrafe
nicht genutzten Wohnung; nochmals: örtliche Zuständigkeit (Rundschreiben vom
15.09.2005, Az.: I 3/2337-5/47/05)
-
Mietkaution (Rundschreiben vom 01.08.2011, Az.: I 3/6074.04-1/90),
-
Anspruch auf einmalige Leistungen nach § 22 SGB II ohne Anspruch auf laufende
Leistungen nach dem SGB II (Rundschreiben vom 22.05.2012, Az.: I 3/6074.04),
werden aufgehoben.
Dieses Rundschreiben trifft neben Aussagen zu den oben genannten Themen auch solche
zu den Themen der Aufteilung der Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) nach Kopfanteilen, der einkommensorientierten Zusatzförderung nach den Wohnraumförderungsbestimmungen (EOF) sowie zu Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten.
Zur besseren Nutzbarkeit dieses Rundschreibens ist den Hinweisen ein Inhaltsverzeichnis
vorangestellt.
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Inhaltsverzeichnis
1.
Allgemeines ................................................................................................................ 5
1.1 Angemessenheitsgrenzen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ..................................... 5
1.2 Aufteilung nach Kopfanteilen .................................................................................. 5
1.3 Laufende und einmalige Leistungen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ...................... 6
2.
Verfahren zur Senkung der KdU nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II ................................ 6
2.1 Festlegung der Kostensenkungsfrist ....................................................................... 6
2.2 Unzumutbarkeit und Unmöglichkeit eines Umzugs ............................................... 10
2.3 Behandlung von Einkünften aus Untervermietung................................................. 11
2.4 Wirtschaftlichkeit der Kostensenkungsmaßnahmen nach § 22 Abs. 1
Satz 4 SGB II ........................................................................................................ 12
3.
Begrenzung der KdU im Falle eines nicht erforderlichen Umzugs (§ 22 Abs. 1
Satz 2 SGB II) ........................................................................................................... 13
4.
Einmalige Heizkosten ................................................................................................ 14
4.1 Antragstellung ....................................................................................................... 14
4.2 Verhältnis zu Wohngeld und Kinderzuschlag ........................................................ 14
a)
Wohngeld………..………….……………………….……………………………….15
b)
Kinderzuschlag.................................................................................................15
4.3 Berechnung .......................................................................................................... 15
5.
Minderung des KdU-Bedarf durch bestimmte Zuflüsse.............................................. 16
5.1 Rückzahlungen, die der KdU zuzurechnen sind .................................................... 16
5.2 Berücksichtigung der einkommensorientierten Zusatzförderung nach den
Wohnraumförderungsbestimmungen (EOF).......................................................... 18
6.
Übernahme der Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten nach
§ 22 Abs. 6 SGB II…………………………………………………………………………..20
6.1 Allgemeines .......................................................................................................... 20
6.2 Zusicherung .......................................................................................................... 20
6.3 Abgrenzung zu Eingliederungsleistungen nach § 16 Abs. 1 SGB II
i.V. m. § 44 SGB III……………………………………………………………………….20
6.4 Umzüge mit Auslandsbezug ................................................................................. 21
a)
Umzug aus dem Ausland ............................................................................... 21
b)
Umzug ins Ausland ........................................................................................ 21
6.5 Umfang der Leistungen ......................................................................................... 21
a)
Wohnungsbeschaffungskosten ...................................................................... 21
b)
Umzugskosten ............................................................................................... 23
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7.
Mietkaution ................................................................................................................ 23
7.1 Verwaltungsakt / öffentlich-rechtlicher Vertrag ...................................................... 24
7.2 Fälligkeit der Rückzahlung .................................................................................... 24
a)
Gesetzliche Regelung .................................................................................... 24
b)
Abweichende Regelung mit Einwilligung des Leistungsberechtigten .............. 25
7.3 Abtretung des gegen den Vermieter gerichteten Rückzahlungsanspruchs ............ 25
a)
Gesetzliche Regelung .................................................................................... 25
b)
Anzeige an den Vermieter mit Einwilligung des Leistungsberechtigten .......... 26
7.4 Auszahlung des Kautions-Darlehens direkt an den Vermieter ............................... 26
7.5 Typische Nebenbestimmungen ............................................................................. 26
8.
Übernahme der Kosten der nicht genutzten Wohnung während einer gerichtlich
angeordneten Freiheitsentziehung oder bei Resozialisierungsmaßnahmen .............. 27
8.1 Wenn der Leistungsausschluss greift .................................................................... 27
8.2 Wenn der Leistungsausschluss nicht greift ........................................................... 28
8.3 Örtliche Zuständigkeit ........................................................................................... 29
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1. Allgemeines
1.1 Angemessenheitsgrenzen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II
Bedarfe für KdU werden nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen
Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Zur Feststellung der angemessenen KdU verweisen wir auf unser Rundschreiben vom 07.04.2014, Az. I
3/6074-1/14. Das AMS finden Sie unter Sie der Adresse
http://www.stmas.bayern.de/grundsicherung/jobcenter/index.php.
1.2 Aufteilung nach Kopfanteilen
Die KdU sind nach gefestigter Rechtsprechung im Regelfall unabhängig von Alter
und Nutzungsintensität anteilig aufzuteilen, wenn mehrere Personen eine Unterkunft gemeinsam nutzen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Personen Mitglieder
einer Bedarfsgemeinschaft sind oder nicht und auch dann, wenn einzelne Bewohner nicht leistungsberechtigt nach dem SGB II sind. Hintergrund ist die Überlegung,
dass die gemeinsame Nutzung einer Wohnung durch mehrere Personen deren Unterkunftsbedarf dem Grunde nach abdeckt und in aller Regel eine an der unterschiedlichen Intensität der Nutzung ausgerichtete Aufteilung der Aufwendungen für
die Erfüllung des Grundbedürfnisses Wohnen nicht zulässt (vgl. BSG Entscheidung
vom 29.11.2012, Az. B 14 AS 36/12 R). Auch sollen Unterkunftskosten für nicht
nach dem SGB II Leistungsberechtigte nicht über das SGB II abgedeckt werden.
Eine vorübergehende Abweichung vom Prinzip der Aufteilung nach "Kopfanteilen"
hat das BSG im Fall einer mit dem Wegfall der Leistungen für Unterkunftsaufwendungen verbundenen Sanktion eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft angenommen. Die KdU sind auf die verbliebenen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft
aufzuteilen, wenn die (insbesondere minderjährigen) Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft infolge des Wegfalls des KdU-Anteils des sanktionierten Mitglieds der
Bedarfsgemeinschaft ihren tatsächlichen mietvertraglichen Verpflichtungen nicht
vollständig nachzukommen könnten und dadurch (weitere) Mietschulden hinzunehmen hätten (vgl. BSG Entscheidung vom 02.12.2014, B 14 AS 50/13 R).
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1.3 Laufende und einmalige Leistungen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II
§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sieht zur Deckung des Bedarfs Wohnen die Übernahme
der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung als Teil des verfassungsrechtlich
garantierten Anspruchs auf Existenzsicherung vor. Zum Bedarf Wohnen gehören
damit alle mit der Beschaffung, Nutzung oder Erhaltung einer Wohnung notwendigen Aufwendungen, unabhängig davon, ob diese laufend oder einmalig oder in
Kombination anfallen. Voraussetzung ist, dass der Bedarf besteht und dieser nicht
aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen gedeckt werden kann
(§ 9 SGB II).
Übernommen werden können nicht nur laufende Mietkosten, sondern auch einmalige Aufwendungen wie beispielsweise nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II Betriebsund Heizkostennachforderungen, einmalig anfallende Heizkosten (s. hierzu auch
unter Ziffer 4), Kosten der Einzugs- oder Auszugsrenovierung sowie Schönheitsreparaturen oder nach § 22 Abs. 6 SGB II Wohnungsbeschaffungskosten, Umzugskosten und Mietkautionen. Da die einmaligen Leistungen Teil des Bedarfs sind,
sind sie auch zu übernehmen, wenn das Einkommen im Übrigen, also für den laufenden Bedarf, ausreicht.
Einer ausdrücklichen Ermächtigung, wie in § 24 Abs. 3 Satz 3 SGB II für angeordnete Sonderfälle bestimmt, bedarf es hier nicht. Für die vom Regelbedarf betroffenen und von ihr abzugrenzenden Bedarfspositionen gilt ein Ausschluss ergänzender einmaliger Leistungen, soweit diese nicht ausdrücklich gesetzlich zugelassen
sind. Bei dem Regelbedarf handelt es sich um eine Pauschale, die im Fall unbegrenzter Ergänzung durch einmalige Hilfen obsolet würde. Eine vergleichbare Abgrenzungsproblematik stellt sich bei den KdU nicht.
2. Verfahren zur Senkung der KdU nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II
2.1 Festlegung der Kostensenkungsfrist
Nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II sind die Aufwendungen für die KdU, soweit sie den
der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, als Bedarf
des allein stehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft so lange
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zu berücksichtigen, wie es dem allein stehenden Leistungsberechtigten oder der
Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Die Sechs-Monatsfrist ist jedoch kein starrer Zeitraum, vielmehr sind Abweichungen nach oben und nach unten zulässig. Die Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II soll verhindern, dass der
Leistungsberechtigte sofort bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit gezwungen wird, seine
bisherige Wohnung aufzugeben. Ihm soll eine Übergangszeit verbleiben, in der er
sich um Kostensenkung bemühen kann.
Bei der Frist nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II handelt es sich um eine Regelhöchstfrist und nicht um eine Such- und Überlegungsfrist, die der Leistungsberechtigte
nach freiem Belieben ausschöpfen könnte. Die Frist enthebt den Betroffenen daher
nicht der Obliegenheit zu umgehenden Bemühungen um eine Kostensenkung. Dabei liegt es im Belieben des Leistungsberechtigten, auf welche Weise er eine Kostensenkung herbeiführt, z. B. durch Vermieten, Umzug oder auf sonstige Weise.
Hat sich der Leistungsberechtigte für eine Kostensenkung durch Umzug entschieden, oder ist diese nur durch Umzug zu erreichen, hat der Betroffene sich intensiv
unter Zuhilfenahme aller ihm zumutbar erreichbaren Hilfen und Hilfsmittel (z.B. Einschaltung des Wohnungsamtes, persönliche Hilfe durch den Sozialhilfeträger,
Durchsicht von Zeitungs- und Internetanzeigen, Kontaktaufnahme mit örtlichen
Vermietungsgesellschaften, z.B. Wohnungsbaugenossenschaften) um eine kostenangemessene Wohnung zu bemühen. Jede zumutbare, bedarfsgerechte und
kostenangemessene Unterkunft ist in Betracht zu ziehen. Zu fordern sind zudem
kontinuierliche und nicht nur punktuelle Bemühungen, die der Leistungsberechtigte
substantiiert darzulegen hat.
Aus der Verletzung der Obliegenheit zur Wohnungssuche dürfen allerdings nur
dann nachteilige Konsequenzen gezogen werden, wenn der Leistungsberechtigte
zuvor vom Leistungsträger darauf hingewiesen worden ist oder ihm die Unangemessenheit der Unterkunftskosten bekannt ist.
Ein Leistungsberechtigter hat nur dann hinreichende Kenntnis von seiner Obliegenheit, wenn die Kostensenkungsaufforderung den aus Sicht des Leistungsträgers angemessenen Mietpreis benennt, weil dies nach der Produkttheorie der ent-
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scheidende Maßstab zur Beurteilung der Angemessenheit ist, sowie auf die Folgen
mangelnder Kostensenkung verweist (vgl. BSG Entscheidung vom 01.06.2010, Az
B 4 AS 78/09 R). Nur wenn der Leistungsberechtigte die Differenz zwischen den
tatsächlichen KdU und den Angaben des Grundsicherungsträgers zu dem von ihm
als angemessen angesehenen Mietpreis kennt, kann er entscheiden, welche Maßnahmen einer Kostensenkung er ergreifen kann bzw. will.
Nach Auffassung des BSG ist die Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II ebenfalls anzuwenden, wenn ein Leistungsberechtigter kurz vor Beginn des Leistungsbezugs eine Wohnung anmietet, deren Kosten unangemessen hoch sind. Auch
dann setzt eine Begrenzung der Leistung auf die angemessenen Kosten regelmäßig voraus, dass eine Kostensenkungsaufforderung vorliegt, die dem Leistungsberechtigten Klarheit über die aus Sicht des Leistungsträgers angemessenen KdU
verschafft. Leistungseinschränkungen oder die Beachtung von besonderen Obliegenheiten durch den Leistungsberechtigten setzen das Bestehen von Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II voraus. (vgl. BSG Entscheidung vom 30.08.2010,
Az B 4 AS 10/10 R).
Auch bei unangemessenen einmaligen Kosten (z. B. Auszugsrenovierung) ist der
Rechtsprechung des BSG zu Folge eine Kostensenkungsaufforderung erforderlich.
Die Aufforderung kann sich nicht darin erschöpfen, die für angemessen gehaltenen
Leistungen für die Unterkunft mitzuteilen. Das Jobcenter muss in einer solchen Situation vielmehr dem Leistungsberechtigten das von ihm befürwortete Vorgehen
gegenüber dem Vermieter aufzeigen und den Leistungsberechtigten in die Lage
versetzen, seine Rechte gegenüber dem Vermieter wahrzunehmen. Bis zu diesen
Hilfen seitens des Jobcenters sind Maßnahmen der Kostensenkung für den Leistungsberechtigten regelmäßig subjektiv unmöglich, es sei denn aufgrund seines
Kenntnisstandes ist eine derartige Information entbehrlich. Solange ein solches
Kostensenkungsverfahren nicht eingeleitet wird, ist ebenso wie bei laufenden Mietzinsforderungen von der Angemessenheit der tatsächlichen Aufwendungen für die
Auszugsrenovierung auszugehen (vgl. BSG Entscheidung vom 24.11.2011, Az. B
14 AS 15/11 R).
Nur für den Ausnahmefall, dass jemand bösgläubig, also zurechenbar sowohl in
Kenntnis des zu erwartenden SGB II-Leistungsbezugs als auch unangemessener
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tatsächlicher KdU einen Mietvertrag über eine "Luxuswohnung" abschließt, brauchen die unangemessenen Kosten je nach Lage des Einzelfalls nicht oder jedenfalls nicht für sechs Monate vom Grundsicherungsträger übernommen zu werden
(vgl. BSG Entscheidung vom 30.08.2010, Az B 4 AS 10/10 R).
Wurde der SGB II-Leistungsbezug wegen Entfallens der Hilfebedürftigkeit lediglich
vorübergehend unterbrochen, hat das Jobcenter mit erneutem Einsetzen der
SGB II-Leistung eine neue Kostensenkungsaufforderung an den Leistungsberechtigten zu richten, und zwar auch dann, wenn der Leistungsberechtigte von der Unangemessenheit seiner KdU aufgrund einer früheren Kostensenkungsaufforderung
Kenntnis hat. Die neue Kostensenkungsaufforderung (mit Angabe der Mietobergrenze) sorgt für Klarheit und verursacht keinen Mehraufwand für das Jobcenter,
da der Leistungsberechtigte ohnehin auf seine weiter bestehende Kostensenkungsobliegenheit und die ihm noch zur Verfügung stehende Übergangsfrist hinzuweisen ist.
Die mit der früheren Kostensenkungsaufforderung entstandene Obliegenheit ist
zwar an den SGB II-Leistungsbezug gebunden; endet die Hilfebedürftigkeit, endet
auch die Obliegenheit zur Kostensenkung. Allerdings ist der Erhalt einer unangemessenen Wohnung zeitlich nicht unbegrenzt schutzwürdig. Die Regelübergangsfrist von sechs Monaten beginnt daher bei nur kurzfristiger Unterbrechung des SGB
II-Leistungsbezugs und trotz des Erfordernisses einer neuen Kostensenkungsaufforderung nicht stets von neuem zu laufen. Mit einem erneuten SGB IILeistungsbezug kann nach Fortwirken der erlangten Kenntnis über die unangemessene KdU eine zum Zeitpunkt vor Wegfall der Hilfebedürftigkeit bestehende
Obliegenheit wieder aufleben. Für die Festlegung einer neuerlichen ggf. verkürzten
Übergangsfrist ist allerdings kein starrer Abzug der bereits im Rahmen des früheren Leistungsbezugs verstrichenen Übergangsfrist von der Regelübergangfrist von
sechs Monaten geeignet. Vielmehr ist im Einzelfall zu entscheiden, welche neuerliche Übergangsfrist dem Leistungsberechtigten zuzubilligen ist. Gesichtspunkte für
die neue verkürzte Übergangsfrist können sein, z. B. die Dauer der Unterbrechung
der Hilfebedürftigkeit, die Art eines aufgenommenen und zum Wegfall des SGB IIBezugs führenden Beschäftigungsverhältnisses (von vornherein befristete Beschäf-
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tigung oder unbefristetes Beschäftigungsverhältnis, welches während der Probezeit
wieder aufgelöst wurde).
Verringert sich die Zahl der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (z. B. durch Auszug einer Person oder Wegfall des Anspruchs auf SGB II-Leistung eines Mitglieds),
hat das Jobcenter zu prüfen, ob die KdU noch angemessen sind. Liegen nunmehr
unangemessene KdU vor, sind die Leistungsberechtigten auf ihre Verpflichtung zur
Senkung der KdU hinzuweisen.
2.2 Unzumutbarkeit und Unmöglichkeit eines Umzugs
Da einerseits von Leistungsberechtigten bei der Suche von Alternativwohnungen
"nichts Unmögliches oder Unzumutbares" verlangt werden kann, andererseits die
Übernahme abstrakt überhöhter Kosten der Unterkunft die Ausnahme bleiben soll,
sind strenge Anforderungen an die Auslegung der Tatbestandsmerkmale der Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit zu stellen. Zwar respektiert das BSG die Einbindung Leistungsberechtigter in ihr soziales Umfeld und billigt ihnen im Rahmen der
Zumutbarkeit von Kostensenkungsmaßnahmen zu, dass von ihnen ein Umzug in
einen anderen Wohnort, der mit der Aufgabe des soziales Umfeldes verbunden wäre, regelmäßig nicht verlangt werden kann. Aufrechterhalten des sozialen Umfeldes
bedeutet in diesem Zusammenhang aber nicht, dass keinerlei Veränderungen der
Wohnraumsituation stattfinden dürften. Umzüge innerhalb des örtlichen Vergleichsraums führen im Regelfall nicht zu einer Aufgabe des sozialen Umfeldes, da es
sich bei dem jeweiligen Vergleichsraum bereits um einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich handelt, der es ermöglicht, soziale Bindungen
auch nach Umzügen aufrecht zu erhalten (vgl. BSG Entscheidung vom 20.08.2009,
B 14 AS 41/08 R).
Der Zumutbarkeit eines Umzugs könnten beispielsweise gesundheitliche Gründe
entgegenstehen. So kann es auf Grund einer Erkrankung erforderlich sein, die bisherige Wohnung beizubehalten, weil sie etwa mit Hilfsmitteln ausgestattet ist, die
auf die spezielle gesundheitliche Situation des betreffenden Leistungsberechtigten
zugeschnitten sind. Andere gesundheitliche Einschränkungen, etwa der Geh- und
Bewegungsfähigkeit, verbunden mit einem zu deren Ausgleich aufgebauten "Hilfssystem" im Umfeld können ebenfalls dazu führen, dass die Umzugsalternative nur
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im eng begrenzten sozialen Umfeld zu suchen ist, so dass es für die Rechtmäßigkeit der Senkung der Leistung darauf ankäme, ob ein Umzug im sozialen Umfeld
möglich ist, weil dort hinreichend anmietbarer Wohnraum zum Preis der Referenzmiete vorhanden ist. Ähnliches kann für behinderte oder pflegebedürftige Menschen bzw. für die sie betreuenden Familienangehörigen gelten, die zur Sicherstellung der Teilhabe behinderter Menschen ebenfalls auf eine besondere wohnungsnahe Infrastruktur angewiesen sind.
Weitere Gründe für die Unzumutbarkeit eines Umzugs könnten etwa die Rücksichtnahme auf das soziale und schulische Umfeld minderjähriger schulpflichtiger
Kinder sein, die möglichst nicht durch einen Wohnungswechsel zu einem Schulwechsel gezwungen werden sollten; ebenso kann auf Alleinerziehende Rücksicht
genommen werden, die zur Betreuung ihrer Kinder auf eine besondere Infrastruktur
angewiesen sind, die bei einem Wohnungswechsel in entferntere Ortsteile möglicherweise verloren ginge und im neuen Wohnumfeld nicht ersetzt werden könnte.
Eine vorübergehende subjektive Unzumutbarkeit eines (erneuten) Umzugs könnte
sich aus der Schwangerschaft einer Leistungsberechtigten ergeben (vgl. BSG Entscheidung 16.06.2015 - B 4 AS 44/14 R).
Ein Wohnungswechsel als Kostensenkungsmaßnahme wegen überhöhter Heizkosten ist nur zumutbar, wenn in einer alternativ zu beziehenden Wohnung insgesamt
keine höheren Bedarfe für Heizung und Unterkunft als bisher anfallen. Nur ein
Wohnungswechsel, mit dem dieses Ziel erreicht werden kann, ist das von dem
Leistungsberechtigten Leistungsempfänger geforderte "wirtschaftliche Verhalten".
Ein Wohnungswechsel, der zwar zu niedrigeren Heizkosten, nicht aber zu niedrigeren Gesamtkosten führt, wäre unwirtschaftlich und deshalb nicht zumutbar (vgl.
BSG Entscheidung vom 12.06.2013, B 14 AS 60/12 R).
2.3 Behandlung von Einkünften aus Untervermietung
Untervermietungen von Teilen der angemieteten Unterkunft sind als Kostensenkungsmaßnahmen bei der Bedarfsberechnung der KdU zu berücksichtigen. Einkünfte hieraus reduzieren die KdU nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II und stellen kein
Einkommen im Sinne von § 11 SGB II dar (vgl. BSG Entscheidung vom
06.08.2014, B 4 AS 37/13 R). Dies folgt aus Gesetzeswortlaut, Begründung des
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Gesetzentwurfs, Systematik sowie Sinn und Zweck der Regelung. Auch die differenzierte Trägerzuständigkeit nach § 6 SGB II legt eine Berücksichtigung der Untervermietungserträge unmittelbar bei den Unterkunftskosten nahe. Eine Anrechnung als Einkommen würde ansonsten nach § 19 Abs. 3 Satz 2 SGB II - nach Abzug der Versicherungspauschale - zunächst die Geldleistungen der Bundesagentur
für Arbeit und damit den Regelbedarf des Leistungsberechtigten mindern. Die
kommunalen Träger - obwohl nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II Erbringer der
Unterkunftsleistungen - profitierten nicht von der als Kostensenkungsmaßnahme
ausdrücklich im Gesetz vorgesehenen Untervermietung. Dies würde selbst in dem
Fall gelten, in dem der kommunale Träger die tatsächlichen, aber grundsicherungsrechtlich unangemessenen Aufwendungen wegen Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit eines Umzugs weiterhin übernehmen muss.
Ein eventueller die tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft übersteigender
Ertrag aus der Untervermietung ist als Einkommen nach § 11 SGB II bei der Berechnung der SGB II-Leistungen zu berücksichtigen. Denn dieser Teil des Ertrages
dient nicht mehr der Senkung der Unterkunftskosten, sondern der Einkommenserzielung (z. B. bei Vermietung von Teilen eines Eigenheimes).
2.4 Wirtschaftlichkeit der Kostensenkungsmaßnahmen nach § 22 Abs. 1 Satz 4
SGB II
Nach § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II muss eine Absenkung der unangemessenen Aufwendungen für KdU nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der
bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre
(sog. Wirtschaftlichkeitsprüfung). Die Frage, welches Vorgehen wirtschaftlicher ist,
erfordert im Einzelfall eine Prognoseentscheidung, in die alle mit dem Umzug verbundenen Kosten den voraussichtlichen Kosten bei weiterer Übernahme der unangemessenen Kosten gegenüber zu stellen sind. Von der Forderung eines Umzugs
kann insbesondere abgesehen werden, wenn zu erwarten ist, dass die Hilfebedürftigkeit in absehbarer Zeit beendet sein wird. Ist hingegen davon auszugehen, dass
ein Transferleistungsbezug kurzfristig nicht beendet werden kann (z. B. Fall eines
kurz vor der Verrentung stehenden SGB II-Leistungsempfängers, der aufgrund geringer Rentenansprüche SGB XII-Leistungen zur Sicherung seines Lebensunterhalts wird beantragen müssen), wird ein Wohnungswechsel auf Dauer wirtschaftli-
SEITE 13
cher sein.
Die Vorschrift des § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II dient ausweislich der Gesetzesbegründung ausschließlich den Interessen der kommunalen Träger und begründet
keine subjektiven Rechte der Leistungsberechtigten.
3. Begrenzung der KdU im Falle eines nicht erforderlichen Umzugs (§ 22 Abs. 1
Satz 2 SGB II)
Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die angemessenen Aufwendungen für KdU, wird nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II nur der bisherige Bedarf anerkannt.
Sind die KdU nach einem nicht erforderlichen Umzug unangemessen, können ebenfalls nur die bisherigen Kosten übernommen werden. Der Regelung des § 22 Abs. 1
Satz 2 SGB II ist ihrem Sinn und Zweck nach erst Recht auf Fälle anwendbar, in denen
innerhalb eines Wohnungsmarktes ein Umzug in eine unangemessene Wohnung erfolgt.
Allerdings entfaltet die Begrenzung der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach
§ 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II bei einem nicht erforderlichen Umzug nach einer mit der Unterbrechung des Leistungsbezugs von mindestens einem Kalendermonat verbundenen
Überwindung der Hilfebedürftigkeit jedenfalls durch Erzielung bedarfsdeckenden Einkommens keine Wirkung mehr (vgl. BSG Entscheidung vom 09.04.2014,
Az.: B 14 AS 23/13 R). Bei Eintritt eines neuen Leistungsfalles findet die Vorschrift keine Anwendung mehr.
Die Kostenbegrenzung gilt nach Auffassung des BSG nur, solange nicht Veränderungen in den persönlichen Umständen der betroffenen Person eintreten, die eine Neubestimmung der für sie angemessenen Wohnkosten innerhalb der Angemessenheitsgrenzen des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II gerechtfertigt erscheinen lassen. Die Überwindung der Hilfebedürftigkeit für mindestens einen Kalendermonat jedenfalls durch Erzielung bedarfsdeckenden Einkommens ist eine solche Veränderung in den persönlichen
Umständen. In zeitlicher Hinsicht ist als Zäsur für die Kostendeckelung im Hinblick auf
das im SGB II geltende Monatsprinzip auf den Kalendermonat abzustellen.
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4. Einmalige Heizkosten
4.1 Antragstellung
Leistungen nach dem SGB II setzen nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB II einen Antrag
voraus. Fallen einmalige Heizkosten an und wurden diese im (Fortzahlungs-)Antrag
für den laufenden Bewilligungszeitraum nicht ausdrücklich beantragt (beispielsweise weil noch kein Bedarf bestand), sind die Leistungen zu diesen einmaligen Heizkosten auch weiterhin (unabhängig von der BSG Entscheidung vom 22.03.2010,
Az B 14 AS 6/09 R) grundsätzlich gesondert zu beantragen. Der (Fortzahlungs-)
Antrag für den laufenden Bewilligungszeitraum schließt zwar grundsätzlich auch
Leistungen für Heizung mit ein. Wenn aber zum Zeitpunkt des (Fortzahlungs-)
Antrags kein Bedarf geltend gemacht wurde, weil ein solcher zu diesem Zeitpunkt
noch nicht bestand, bedurfte es keiner Entscheidung über Leistungen für Heizung
nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Über den Antrag auf SGB II-Leistungen wurde
vollumfänglich mit Bewilligungsbescheid entschieden. Der Amtsermittlungsgrundsatz umfasst nicht die Pflicht des Jobcenters, ohne Veranlassung nachzufragen, ob
nicht weitere Leistungen in Betracht kommen.
Stellt sich der Bedarf erst im laufenden Bewilligungszeitraum ein, ist die Leistung
gesondert und damit vor Anschaffung des Heizmaterials zu beantragen. Dies ist im
Interesse des Leistungsberechtigten, da bereits im Vorfeld abgeklärt werden kann,
ob die anfallenden Heizkosten angemessen sind. Sind die geplanten Aufwendungen für Heizmaterial unangemessen, kann sich der Leistungsberechtigte darauf
einstellen.
Keines gesonderten Antrages bedarf es demgegenüber bei Neben- und Heizkostennachzahlungen, die sich bei monatlich gleichbleibenden Abschlagszahlungen
ergeben (vgl. BSG Entscheidung vom 22.03.2010, B 14 AS 6/09 R). Diese Nachforderungen, die nach regelmäßiger Übernahme der Heizkostenvorauszahlungen
bzw. –abschläge der jeweiligen Monate entstehen, gehören als einmalig geschuldete Zahlungen zum aktuellen Bedarf im Fälligkeitsmonat.
4.2 Verhältnis zu Wohngeld und Kinderzuschlag
Es besteht keine Obliegenheit, vorrangige Leistungen auf Wohngeld nach dem
Wohngeldgesetz oder Kinderzuschlag nach dem Bundeskindergeldgesetz in An-
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spruch zu nehmen, da die Hilfebedürftigkeit lediglich für den Bedarfsmonat und
nicht für einen zusammenhängenden Zeitraum von mindestens drei Monaten besteht (vgl. § 12a Satz 2 Nr. 2 SGB II). Der Bezug einmaliger Hilfe zu den Heizkosten hindert umgekehrt nicht den Bezug der beiden anderen Leistungen:
a) Wohngeld
Der Bezug von SGB II-Leistungen (nicht Darlehensleistungen) führt grundsätzlich zum Ausschluss von Leistungen nach dem Wohngeldgesetz, wenn bei deren Berechnung die KdU berücksichtigt worden sind (vgl. § 7 WoGG). Dem Erlass des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
(BMVBW) vom 18.11.2005 (der auch für das seit dem 01. Januar 2016 geltende Wohngeldrecht fort gilt) zufolge führen jedoch einmalige Transferleistungen
grundsätzlich dann nicht zum Ausschluss vom Wohngeld bzw. zur Unwirksamkeit einer Wohngeldbewilligung, wenn dieser Ausschluss lediglich für einen
Monat wirken würde. Als grundsätzlich einmalige Transferleistungen sind insoweit explizit Brennstoffe für eine zukünftige Heizperiode aufgeführt
Die Leistung führt damit nicht zum Ausschluss vom Wohngeld.
b) Kinderzuschlag
Ausweislich der Durchführungsanweisungen zum Kinderzuschlag, Familienkasse Direktion, Stand Juli 2015, können „(…) einmalige Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der Aufwendungen für die Beschaffung von Öl, Kohle oder Flüssiggas (...) jedoch auch an Bezieher von Kinderzuschlag gewährt
werden.“ (a.a.O. DA 106a.140 Abs.5, S. 19; dort auch näher zu einzelnen Berechnungsmodi im Kinderzuschlag)
https://www.arbeitsagentur.de/web/wcm/idc/groups/public/documents/webdatei/
mdaw/mtax/~edisp/l6019022dstbai399952.pdf?_ba.sid=L6019022DSTBAI3999
55.
Der Anspruch auf Kinderzuschlag entfällt in diesen Fällen demnach nicht.
4.3 Berechnung
Für die Berechnung der Leistung zur einmaligen Beschaffung von Heizmaterial
nach dem SGB II ist eine fiktive Berechnung nach dem SGB II für den Bedarfsmo-
SEITE 16
nat anzustellen. Dem fiktiven Bedarf im Monat der Beschaffung des Heizmaterials
(z. B. Regelbedarf, Mehrbedarfe, KdU, Bildungs- und Teilhabeleistungen, Kosten
des einmaligen Heizbedarfs) sind die zur Verfügung stehenden Einkünfte einschließlich des Wohngeldes und des Kinderzuschlags gegenüberzustellen. Zur Beurteilung der Angemessenheit der Heizkosten wäre es vertretbar, auf einen
Sechsmonatsbedarf abzustellen (vgl. Regel-Bewilligungszeitraum für laufende
Leistungen).
5. Minderung des KdU-Bedarf durch bestimmte Zuflüsse
5.1 Rückzahlungen, die der KdU zuzurechnen sind
Verrechnet der Energieversorger der KdU zuzuordnende Rückzahlungen und Guthaben mit Nachzahlungen für Haushaltsenergie, ist das nicht ausbezahlte
(Teil-)Guthaben bei der Feststellung der Bedarfe für KdU gemäß § 22 Abs. 3
SGB II bedarfsmindernd zu berücksichtigen.
Nach § 22 Abs. 3 SGB II mindern Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf
für KdU zuzuordnen sind, die Aufwendungen für KdU nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie beziehen, bleiben außer Betracht.
Für Betriebs- und Heizkostenguthaben gilt daher die allgemeine Berechnungsregelung des § 19 Abs. 3 SGB II nicht, die Guthaben werden stattdessen in die Bedarfsermittlung der Aufwendungen nach § 22 SGB II einbezogen. Mit der Sonderregelung § 22 Abs. 3 SGB II wollte der Gesetzgeber eine Entlastung der kommunalen Träger erreichen, da im Falle der Anrechnung der Guthaben als Einkommen
zuerst die Geldleistungen der Agentur für Arbeit und erst danach die Geldleistungen der Kommunen gemindert würden.
Für die Kosten der Haushaltsenergie gilt die allgemeine Regelung des § 19 Abs. 3
SGB II, da diese Kosten aus dem Regelbedarf aufzubringen sind.
Neben dem wertmäßigen Zuwachs durch Betriebs- oder Heizkostenguthaben ist für
die Absetzung von Guthaben nach § 22 Abs. 3 SGB II weiterhin erforderlich, dass
es sich um bereite Mittel handelt, die den Berechtigten in die Lage versetzen, sei-
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nen Lebensunterhalt daraus (teilweise) decken zu können. Wird ein Guthaben gegen den Willen des Berechtigten nicht ausgezahlt, hat dieser keine Verfügungsgewalt über das einbehaltene Guthaben. Daher darf das nur rechnerisch bestehende
Guthaben grundsätzlich nicht nach § 22 Abs. 3 SGB II von den Aufwendungen für
KdU abgesetzt werden. Sollten durch eine Aufrechnung mit einem Guthaben
Schulden des Berechtigten getilgt worden sein, sind die Leistungen nach dem
SGB II dennoch anrechnungsfrei zu gewähren. Dies ergibt sich aus den Grundsätzen der Einkommensanrechnung und Bedarfsdeckung. Es ist hinzunehmen, dass
dies wirtschaftlich zur Schuldentilgung durch existenzsichernde Grundsicherungsleistungen führt, was an sich mit den Strukturprinzipien des SGB II nicht vereinbar
ist (vgl. BSG, Urteile vom 16.05.2012 – B 4 As 132/11 R und B 4 AS 159/11 R).
Wenn eine Nachforderung von Haushaltsenergie, die durch die Regelbedarfe nach
§ 20 Abs. 1 SGB II abgedeckt und daher vom Berechtigten daraus zu begleichen
ist, mit einem Heizkostenguthaben aufgerechnet und das Heizkostenguthaben insoweit nicht an den Berechtigten ausgezahlt wird, wird in der erst- bzw. zweitinstanzlichen Rechtsprechung durchaus die Auffassung vertreten, dass es sich auch
dann nicht um bereite Mittel handelt. Das einbehaltene (Teil-)Guthaben dürfte diesen Entscheidungen zu Folge nicht nach § 22 Abs. 3 SGB II von den Aufwendungen für KdU abgesetzt werden (vgl. LSG Niedersachsen – Bremen, Beschluss vom
14.04.2011 – L 9 AS 127/11 B ER und SG Braunschweig, Urteil vom 20.02.2015 –
S 44 AS 121/14).
In den Sachverhalten, die den o. g. Entscheidungen des BSG zu Grunde lagen,
wurden die Guthaben zum Zwecke von Schuldentilgungen einbehalten, die keinen
Bezug zum Regelbedarf hatten. Demgegenüber handelt es sich bei den o. g. Entscheidungen des LSG Niedersachsen-Bremen und des SG Braunschweig um
Sachverhalte zu Stromnachforderungen und damit um Bedarfe, die nach § 20
Abs. 1 SGB II Bestandteil der Regelbedarfe sind. Auch das LSG Niedersachsen –
Bremen hat in seiner o. g. Entscheidung festgestellt, dass die Nichtberücksichtigung eines zur Begleichung einer Stromnachforderung nicht ausgezahlten
(Teil-)Guthabens dazu führt, dass einerseits Leistungsberechtigte im jeweiligen Abrechnungszeitraum zu hohe Leistungen für KdU erhalten und andererseits von
Verbindlichkeiten befreit werden, die aus den Regelbedarfen zu bestreiten wären.
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Diese Feststellung des LSG Niedersachsen – Bremen wird geteilt, nicht geteilt wird
die Schlussfolgerung. Das LSG Niedersachen – Bremen stellt in seiner Entscheidung das Recht auf Existenzsicherung aus Artikel 1 GG i. V. m. Art. 20 GG in den
Vordergrund. In der Folge hätte es unseres Erachtens jedoch berücksichtigen
müssen, dass die Existenzsicherung des Leistungsberechtigten bei einer Aufrechnung eines Heizkostenguthabens mit einer Stromnachforderung durch den Energieversorger nicht gefährdet ist, weil der Leistungsberechtigte im Zeitpunkt der Aufrechnung von einer aus seinem Regelbedarf parallel zu finanzierenden Zahlungsverpflichtung befreit wird. Er wird per Saldo so gestellt, als wenn er das Heizkostenguthaben in vollem Umfang erhalten und die Stromnachforderung aus diesem
ausgezahlten Guthaben wiederum beglichen hätte, er sich also vertragstreu gegenüber dem Energieerzeuger verhalten hätte. Die Entscheidung, ob und wann der
Leistungsberechtigte eine Forderung aus dem Regelbedarf begleicht, wird ihm im
Übrigen auch in anderen Fällen einer Aufrechnung nach §§ 387 ff BGB durch den
Aufrechnenden aus der Hand genommen.
Nicht zuletzt würde eine andere Entscheidung dazu führen, dass die mit dieser Regelung vom Gesetzgeber gewollte Entlastung der kommunalen Träger durch eine
Überkompensation auf Seiten des Leistungsberechtigten vereitelt würde.
5.2 Berücksichtigung der einkommensorientierten Zusatzförderung nach den
Wohnraumförderungsbestimmungen (EOF)
Die einkommensorientierte Zusatzförderung nach den Wohnraumförderungsbestimmungen reduziert den Bedarf Wohnen, d. h. bei der Berechnung der SGB IILeistungen sind auf der Bedarfsseite die angemessenen Wohnungskosten um diese Förderung zu reduzieren.
Die Leistungen zu den Kosten der Unterkunft nach dem SGB II sollen den Bedarf
Wohnen abdecken. Sind die Kosten für Unterkunft angemessen, sehen die gesetzlichen Regelungen eine vollständige Übernahme der Kosten vor.
Das Bayerische Wohnungsbauprogramm sieht im Rahmen der Förderung des
Baus von Mietwohnraum eine einkommensorientierte Zusatzförderung vor. Der
Mieter der geförderten Wohnung erhält einen Zuschuss, der den Unterschiedsbetrag zwischen der Erstvermietungsmiete und der für ihn nach seinem Einkommen
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zumutbaren Miete ausgleicht. Diese Zusatzförderung ist zur Begleichung der Miete
zu verwenden, reduziert diese also.
Zur Vermeidung einer Bevorzugung von SGB II-Leistungsberechtigten, die in einer
Sozialwohnung mit einer einkommensorientierten Zusatzförderung wohnen, ist bei
der Beurteilung der Angemessenheit der Mietkosten (Produkt aus Wohnungsgröße
und Quadratmeterpreis) von den vollen Mietkosten auszugehen. Die Zusatzförderung, die zu einer Reduzierung der Wohnungskosten beiträgt, ist zu diesem Zeitpunkt noch unberücksichtigt zu lassen. Sind die Wohnungskosten unangemessen,
sind die SGB II-Leistungsberechtigten zur Senkung der Kosten aufzufordern, unabhängig davon, ob sie eine Sozialwohnung bewohnen oder nicht. Auf Ziffer 2 wird
verwiesen.
Die angemessenen Wohnungskosten sind um die einkommensorientierte Zusatzförderung nach den Wohnraumförderungsbestimmungen zu reduzieren, da nur
noch ein geringerer Bedarf Wohnen decken ist. Es erfolgt keine Anrechnung der
einkommensorientierten Zusatzförderung auf den Regelbedarf bzw. die sonstigen
Leistungen (z. B einmalige Leistungen, Mehrbedarfe für Alleinerziehende oder kostenaufwändige Ernährung) nach dem SGB II. Diese Leistungen stehen den Leistungsberechtigten weiterhin in vollem Umfang zur Verfügung.
Eine gänzliche Übernahme der angemessenen Miete nach dem SGB II zusätzlich
zur einkommensorientierten Zusatzförderung würde dazu führen, dass Leistungsberechtigte Leistungen zu den KdU erhalten, die den Bedarf zur Sicherung des
Existenzminimums übersteigen, also eine Überkompensation bewirken. Auch erschiene es unangemessen, SGB II-Leistungsberechtigten sowohl die Leistungen
nach dem SGB II als auch die einkommensorientierte Zusatzförderung zu gewähren, um eine unangemessene, weil zu große oder zu teure Wohnung zu finanzieren.
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6. Übernahme der Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten nach § 22
Abs. 6 SGB II
6.1 Allgemeines
Nach § 22 Abs. 6 Satz 1, 1. Halbsatz SGB II können Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten sowie die Mietkaution bei vorheriger Zusicherung durch den
bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Voraussetzung für die Übernahme der Kosten ist, dass die KdU für die neue
Wohnung angemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind.
Bezüglich der Übernahme der Mietkaution wird im Einzelnen auf Ziffer 7 verwiesen.
6.2 Zusicherung
Die Zusicherung liegt im Ermessen des Trägers. Nach § 22 Abs. 6 Satz 2 SGB II
soll die Zusicherung erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst (z. B. Eingliederung in Arbeit, Maßnahme zur Senkung der unangemessenen KdU) oder aus anderen Gründen (z. B. Geburt eines Kindes) notwendig
ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Der Leistungsträger hat die Zusicherung bei
Vorliegen der Voraussetzungen zu erteilen, wenn nicht besondere Umstände eine
Ablehnung rechtfertigen.
6.3 Abgrenzung zu Eingliederungsleistungen nach § 16 Abs. 1 SGB II i. V. m.
§ 44 SGB III
Ist ein Umzug zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung
notwendig, können Umzugskosten in angemessenem Umfang im Rahmen des
Vermittlungsbudgets nach § 16 Abs. 1 SGB II i. V. m. § 44 SGB III vom Jobcenter
übernommen werden. Eine Darstellung der Regelung kann hier mangels Aufsicht
des StMAS nicht erfolgen. Die Regelung des § 16 Abs. 1 SGB II i. V. m. § 44
SGB III geht als lex specialis der Regelung des § 22 Abs. 6 SGB II vor.
Wurden die Umzugskosten nach § 16 Abs. 1 SGB II i. V. m. § 44 SGB III übernommen und bleibt (wegen fehlender Möglichkeit einer Darlehensgewährung) nach
dieser Vorschrift die Mietkaution ungedeckt, kann hierfür ein Darlehen nach § 22
Abs. 6 SGB II gewährt werden.
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6.4 Umzüge mit Auslandsbezug
a) Umzug aus dem Ausland
Für Leistungsberechtigte, die aus dem Ausland zuziehen, gibt es keinen bis
zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger in Deutschland, da weder
ein gewöhnlicher Aufenthalt noch ein tatsächlicher Aufenthalt in Deutschland
gegeben ist. In Ermangelung eines entsprechenden Trägers nach § 22 Abs. 6
Satz 1, 1. HS SGB II können Umzugskosten aus dem Ausland daher nicht
übernommen werden (vgl. SG Mainz Beschluss vom 11.05.2012,
Az. S 10 AS 412/12 ER).
b) Umzug ins Ausland
Eine Übernahme der Umzugskosten für einen Umzug in das Ausland ist nach
§ 22 Abs. 6 SGB II ebenfalls nicht möglich. Der Anwendungsbereich dieser
Vorschrift ist unseres Erachtens auf Umzüge innerhalb des Gebietes der Bundesrepublik begrenzt. Dies ergibt sich aus der Systematik der Vorschrift, da der
Gesetzgeber bestimmt hat, welche Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten von welchem (dem vor oder nach dem Umzug zuständigen) kommunalen
Träger zu übernehmen sind. Der Gesetzgeber geht also von einem Umzug innerhalb des Gebiets der Bundesrepublik aus. Des Weiteren soll nach der Konzeption des SGB II durch die Leistungen des SGB II die Eingliederung des
Leistungsberechtigten in den inländischen Arbeitsmarkt gefördert werden (vgl.
§ 1 SGB II). Darüber hinaus ist der Gesetzgeber nur verpflichtet, denen eine
soziale Sicherheit zu garantieren, für die er verantwortlich ist, d. h. die sich in
seinem Hoheitsgebiet aufhalten. Durch die geplante Verlegung des Wohnsitzes
in das Ausland entfallen die persönlichen Voraussetzungen des Antragstellers
für den Bezug von SGB II-Leistungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II (vgl.
LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30.06.2010 - L 19 AS 1006/10 B ER;
LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.02.2014 - L 7 AS 245/14 B ER).
6.5 Umfang der Leistungen
a) Wohnungsbeschaffungskosten
Der Begriff Wohnungsbeschaffungskosten ist weit auszulegen und umfasst alle
Aufwendungen, die mit dem Finden und Anmieten einer angemessenen Wohnung verbunden sind. Eine Übernahme kommt – unter Berücksichtigung der
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Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit – nur für notwendige Kosten
in Betracht. Zu den Wohnungsbeschaffungskosten können unseres Erachtens
beispielsweise Kosten für Wohnungsanzeigen, Abstandszahlungen an den
Vormieter, Kosten für Wohnungsbesichtungsfahrten gehören.
Doppelte Mietkosten anlässlich eines Wohnungswechsels (sog. Überschneidungskosten) sind nach § 22 Abs. 6 SGB II zu übernehmen, wenn sie unvermeidbar sind. Derartige Kosten sind mit der Suche und der Anmietung einer
Wohnung unmittelbar verbunden und finden ihren Grund nicht primär in der Befriedigung des Grundbedürfnisses Wohnen. Der Bedarf Wohnen kann nur einmal abgedeckt werden und wird mit derjenigen Wohnung abgedeckt, in der sich
der Leistungsberechtigte tatsächlich aufhält. Diese Kosten sind nach § 22 Abs.
1 Satz 1 SGB II zu übernehmen. Die Mietkosten der noch nicht oder nicht mehr
bewohnten Wohnung (in der sich der Leistungsberechtigte nicht aufhält) stehen
in Zusammenhang mit der Beschaffung der neuen Wohnung und sind daher
nach § 22 Abs. 6 SGB II zu übernehmen (vgl. Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen vom 31.03.2014 - L 11 AS 1445/10; a. A. Entscheidung des
LSG Berlin-Brandenburg vom 31.01.2013 - L 34 AS 90/11, wonach Überschneidungskosten im Rahmen § 22 Abs. 1 SGB II zu übernehmen sind). § 22
Abs. 1 SGB II scheidet als Rechtsgrundlage für die noch nicht bzw. nicht mehr
bewohnte Wohnung auch deshalb aus, weil auf dieser Rechtsgrundlage nicht
geprüft werden könnte, ob die Kosten durch einen notwendigen Umzug veranlasst wurden.
In Ausnahmefällen zählen zu den nach § 22 Abs. 6 SGB II zu übernehmenden
Kosten auch Maklergebühren, wenn die Beauftragung eines Maklers unvermeidbar ist. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Maklergebühr anlässlich der Veräußerung von Wohnungseigentum des Leistungsberechtigten anfällt, da es sich
um keine Wohnungsbeschaffungskosten im Sinne von § 22 Abs. 6 SGB II handelt (vgl. BSG Entscheidung vom 18.02.2010, Az. B 4 AS 28/09 R).
Nicht zu den Wohnungsbeschaffungskosten gehören außerdem die Kosten einer Ein- oder Auszugsrenovierung. Sie sind zu behandeln wie laufende Schönheitsreparaturen. Der Leistungsberechtigte ist auf der Grundlage mietvertraglicher Vereinbarungen verpflichtet. Diese Kosten sind nach § 22 Abs. 1 Satz 1
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SGB II zu übernehmen. Wie auch bei den Umzugskosten (siehe unter Ziffer 6.5
Buchst b)) sind Leistungsberechtigte grundsätzlich nach dem im SGB II verankerten Selbsthilfegrundsatz verpflichtet, die Renovierung selbst beziehungsweise gegebenenfalls mit der Hilfe von Freunden oder Verwandten vorzunehmen.
Etwas anderes gilt, wenn dies nachweislich nicht möglich ist (vgl. LSG Hamburg vom 20.04.2010, L 5 AS 55/07).
b) Umzugskosten
Übernahmefähige Umzugskosten sind alle im Zusammenhang mit dem Umzug
anfallenden notwendigen Kosten. Es kommen insbesondere die Aufwendungen
für Transport, Hilfskräfte, erforderliche Versicherungen, Benzinkosten und Verpackungsmaterial (vgl. BSG Entscheidung vom 18.2.2010 B 4 AS 28/09 R) sowie Sperrmüllentsorgung in Betracht (BSG Entscheidung vom 6.5.2010 B 14
AS 7/09 R). Im Hinblick auf die aus Steuermitteln finanzierten Umzugskosten ist
der Leistungsberechtigte grundsätzlich gehalten, einen Umzug selbst zu organisieren und durchzuführen. Wenn der Leistungsberechtigte den Umzug jedoch
etwa wegen Alters, Behinderung, körperlicher Konstitution oder wegen der Betreuung von Kleinstkindern nicht selbst vornehmen oder durchführen kann,
kann auch die Übernahme der Aufwendungen für einen gewerblich organisierten Umzug in Betracht kommen (BSG Entscheidung vom 6.5.2010, B 14 AS
7/09 R).
Nicht umfasst ist ein Schadensersatzanspruch des Autovermieters gegen den
Leistungsberechtigten, da die Schadensverursachung bei der Teilnahme am
allgemeinen Straßenverkehr entstanden ist. Die mit dem Schadensersatzanspruch geltend gemachten Kosten dienen nicht dem Erhalt, der Bewohnbarkeit
oder dem geordneten Einzug in eine Wohnung und sind damit nicht dem Teil
der Existenzsicherung, der mit Ansprüchen nach § 22 SGB II abgedeckt wird
(vgl. BSG Entscheidung vom 06.10.2011 - B 14 AS 152/10 R).
7. Mietkaution
Die Mietkaution soll als Darlehen, nicht als nicht rückzahlbare Beihilfe erbracht werden
(§ 22 Abs. 6 S. 3 SGB II). Denn der Bedarf des Leistungsberechtigten ist von vornhe-
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rein lediglich auf die Zur-Verfügung-Stellung eines Darlehens gerichtet; am Ende des
Mietverhältnisses fließt die Kaution vom Vermieter zurück.
7.1 Verwaltungsakt / öffentlich-rechtlicher Vertrag
Die Entscheidung mit allen Nebenbestimmungen kann als Verwaltungsakt ergehen.
Unseres Erachtens besteht in der Regel kein Bedürfnis für den Abschluss eines
(ergänzenden) öffentlich-rechtlichen Vertrages. Soweit dennoch, der Zwei-StufenTheorie folgend, die Ausgestaltung des Darlehens in der Rechtsform des öffentlichrechtlichen Vertrages erfolgt, sind die nachfolgend dargestellten Erfordernisse
ebenfalls zu beachten.
7.2 Fälligkeit der Rückzahlung
a) Gesetzliche Regelung
Die Rückzahlung des Darlehens kann zugleich fällig gestellt werden für zwei alternative Ereignisse:

Rückzahlung der Kaution durch den Vermieter (§ 42a Abs. 3 S. 1 SGB II);

Ende des Hilfebezuges (§ 42a Abs. 4 S. 1 SGB II).
Ab dem Monat, der auf die Auszahlung des Darlehens folgt, erfolgt eine ratenweise Tilgung in Höhe von 10 % des Regelbedarfs unter Aufrechnung mit der
laufenden Hilfe (§ 42a Abs. 2 S. 1 SGB II). Eine über 10 % des Regelbedarfs
hinausgehende laufende Tilgung darf nicht verlangt werden, da hierdurch die
für das gesetzliche Existenzminimum erforderlichen Mittel rechtswidrig beschnitten werden. Zwar bleiben die Einkommens- und Vermögensverhältnisse
des Leistungsberechtigten in der Substanz unberührt (als Korrelat für die fehlenden Leistungen wird mit jeder Rate die Darlehens-Schuld reduziert), aber es
stehen während der Aufrechnungsphase keine liquiden Mittel in voller Höhe
entsprechend der gesetzlichen Regelung zur Verfügung.
Nach Rückzahlung der Kaution durch den Vermieter bzw. nach der Beendigung
des Hilfebezuges ist eine Prüfung erforderlich, ob anhand des nun vorhandenen Einkommens eine sofortige oder ratenweise Rückzahlung der noch offenen
Darlehensschuld zumutbar ist (§ 42a Abs. 3 S. 2, Abs. 4 S. 2 SGB II).
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b) Abweichende Regelung mit Einwilligung des Leistungsberechtigten
Eine höhere als die ausdrücklich gesetzlich zugelassene ratenweise Rückzahlung des Darlehens kann auf freiwilliger Basis erfolgen. Allerdings sind in diesem Fall an die „Freiwilligkeit“ der Aufrechnung strenge Maßstäbe anzulegen.
Der Leistungsberechtigte darf nicht den Eindruck haben, dass die Einwilligung
Voraussetzung der Hilfegewährung sei. Zudem muss der Leistungsberechtigte
darüber belehrt werden, dass er die über 10 % des Regelbedarfs hinausgehende Ratenzusage jederzeit mit Wirkung für die Zukunft zurücknehmen kann, ohne das Darlehen insgesamt zu gefährden, also die Rückabwicklung auszulösen
o. ä. Die Einwilligung des Leistungsberechtigten bedarf der Schriftform.
Wird die Rechtsform des öffentlich-rechtlichen Vertrages gewählt, muss eine
einseitige Ausstiegsklausel den Leistungsberechtigten berechtigen, die 10 %
des Regelbedarfs übersteigende vorzeitige Darlehenstilgung zu beenden, ohne
hierdurch das Darlehen insgesamt zu gefährden. Die vorgenannten Grundsätze
folgen in analoger Anwendung aus § 46 Abs. 1 SGB I, da die freiwillige (über
10 % des Regelbedarfs hinausgehende) Beschneidung der für das gesetzliche
Existenzminimum erforderlichen liquiden Mittel einem Verzicht auf Sozialleistungsansprüche nahe kommt.
Das Jobcenter muss im Rahmen der Aufklärungs- und Beratungspflicht nach
§§ 13, 14 SGB I auf die o. g. Rechte des Leistungsberechtigten aufmerksam
machen. Wir empfehlen, zu Dokumentationszwecken eine schriftliche Belehrung mit Gegenzeichnung des Leistungsberechtigten vorzusehen.
7.3 Abtretung des gegen den Vermieter gerichteten Rückzahlungsanspruchs
a) Gesetzliche Regelung
Die Abtretung des gegen den Vermieter gerichteten Rückzahlungsanspruchs
des Leistungsberechtigten darf zur Absicherung der Darlehensrückzahlung verlangt und die Darlehensgewährung andernfalls abgelehnt werden. Soweit in
den gängigen SGB II-Kommentierungen die Zulässigkeit des Abtretungsverlangens festgestellt und hierbei Rechtsprechung zitiert wird, wird allerdings i. d. R.
nicht zwischen der Abtretung und der Anzeige an den Vermieter differenziert.
U. E. ist - entsprechend der Wertung des § 22 Abs. 7 S. 2 ff SGB II – die An-
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zeige der Abtretung gegenüber dem Vermieter nur mit Einwilligung des Leistungsberechtigten oder bei konkreten Zweifeln an der zweckentsprechenden
Verwendung gerechtfertigt. Die Einwilligung des Leistungsberechtigten darf
nicht erzwungen, die Darlehensgewährung also nicht hiervon abhängig gemacht werden. Das ist zwar misslich (bei fehlender Anzeige an den Vermieter
besteht die Gefahr, dass dieser befreiend an den Leistungsberechtigten zurückzahlt), dient aber dem Selbstbestimmungsrecht des Leistungsberechtigten
sowie insbesondere dessen Interesse daran, dass die Tatsache der Hilfebedürftigkeit und des SGB II-Leistungsbezuges gegenüber dem Vermieter nicht
unnötig offenbart wird. Das Interesse des Jobcenters an der Sicherung der Darlehensrückzahlung muss insoweit zurück treten.
b) Anzeige an den Vermieter mit Einwilligung des Leistungsberechtigten
Mit Einwilligung des Leistungsberechtigten ist die Anzeige der Abtretung gegenüber dem Vermieter zulässig. Das entspricht der Wertung des § 22 Abs. 7
S. 1 SGB II. An die „Freiwilligkeit“ der Einwilligung sind strenge Maßstäbe anzulegen. Der Leistungsberechtigte darf nicht den Eindruck haben, dass die Einwilligung Voraussetzung der Hilfegewährung sei. Wir empfehlen, zu Dokumentationszwecken eine schriftliche Belehrung mit Gegenzeichnung des Leistungsberechtigten vorzusehen.
7.4 Auszahlung des Kautions-Darlehens direkt an den Vermieter
Die Zulässigkeit der direkten Auszahlung des Kautions-Darlehens an den Vermieter beurteilt sich in unmittelbarer Anwendung von § 22 Abs. 7 SGB II. Der Antrag
auf direkte Auszahlung an den Vermieter beinhaltet nicht per se eine gleichzeitige
Abtretung des Rückzahlungsanspruchs des Jobcenters gegen den Vermieter. Ohne gleichzeitige ausdrückliche Abtretung bedeutet die Direktzahlung an den Vermieter nur eine Vereinfachung der Zahlungsflüsse, ohne dass hierdurch direkte
Leistungsbeziehungen zwischen Jobcenter und Vermieter begründet würden.
7.5 Typische Nebenbestimmungen
Typische und zulässige Nebenbestimmungen sind:

Zweckbindung des Darlehens; ausschließliche Verwendung für die Kaution;
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
Verpflichtung des Leistungsberechtigten, das Jobcenter unverzüglich über einen Wohnungswechsel zu informieren;

Unverzinslichkeit des Darlehens;

Mithaftung des Ehegatten als Gesamtschuldner.
8. Übernahme der Kosten der nicht genutzten Wohnung während einer gerichtlich
angeordneten Freiheitsentziehung oder bei Resozialisierungsmaßnahmen
Die Voraussetzungen des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II bzw.
der Rückausnahmen des § 7 Abs. 4 Satz 3 SGB II unterliegen der Weisungsbefugnis
der Bundesagentur für Arbeit (§ 44a Abs. 4 Satz 3, § 44b Abs. 3 SGB II) und der Aufsicht des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (§ 47 Abs. 1 SGB II). Von einer
Darstellung wird daher abgesehen.
Für die Übernahme von KdU gilt:
8.1 Wenn der Leistungsausschluss greift
Greift der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II, sind SGB IILeistungen an den Inhaftierten ausgeschlossen. Der Bedarf (einschließlich Wohnen) wird grundsätzlich bereits durch die Einrichtung gedeckt.
a) Lebte der Inhaftierte zuvor alleine, ist eine Übernahme der Kosten der Wohnung nach dem SGB II nicht möglich.
b) Lebte der Inhaftierte zuvor in einer Bedarfsgemeinschaft und ist er trotz des
Leistungsausschlusses und der räumlichen Trennung Mitglied der Bedarfsgemeinschaft geblieben, ist unter folgenden Umständen eine Aufteilung der KdU
auf die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft und eine Übernahme der
KdU durch Leistung an diese möglich:
-
Steht von vornherein fest, dass der stationäre Aufenthalt des Inhaftierten
nicht länger als sechs Monate dauern wird und will der Inhaftierte die Wohnung nach dem Aufenthalt wieder beziehen, sind die KdU für diesen vorübergehenden Zeitraum ohne weiteres zu übernehmen. Ein Kostensen-
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kungsverfahren ist nicht einzuleiten (vgl. BSG Entscheidung vom
19.10.2010, B 14 AS 50/10 R).
-
Steht fest, dass die Unterbringung einen Zeitraum von sechs Monaten
überschreiten wird (unabhängig davon, ob der Inhaftierte die Wohnung
nach dem Aufenthalt wieder beziehen will), ist zu prüfen, ob sich die KdU
für die restlichen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft noch im angemessenen Rahmen bewegen. Sind die KdU nicht mehr angemessen, ist ein Kostensenkungsverfahren einzuleiten.
8.2 Wenn der Leistungsausschluss nicht greift
Greift der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II nicht, z. B. weil die
Voraussetzungen des § 7 Abs. 4 Satz 3 SGB II vorliegen, hat der Inhaftierte Anspruch auf SGB II-Leistungen. Auch in diesen Fällen wird der Bedarf (einschließlich
Wohnen) grundsätzlich bereits durch die Einrichtung gedeckt
a) Lebte der Inhaftierte zuvor alleine, ist dennoch eine Übernahme der KdU nach
dem SGB II unter bestimmten Umständen grundsätzlich möglich.
-
Steht von vornherein fest, dass der stationäre Aufenthalt des Inhaftierten
nicht länger als sechs Monate dauern wird, und will der Inhaftierte die Wohnung nach dem Aufenthalt wieder beziehen, sind die KdU in Anlehnung an
die unter Ziffer 8.1 Buchst. b), 1. Spiegelstrich genannte BSG-Rechtsprechung für diesen vorübergehenden Zeitraum ohne weiteres zu übernehmen (vgl. BSG Entscheidung vom 19.10.2010, B 14 AS 50/10 R).
-
Steht fest, dass die Unterbringung einen Zeitraum von sechs Monaten
überschreiten wird und will der Inhaftierte die Wohnung nach dem Aufenthalt wieder beziehen, ist eine Einzelfallprüfung mit einer Abwägung zwischen den anfallenden Kosten (abhängig von der voraussichtlichen Dauer
der Unterbringung) und dem Interesse des Betroffenen am Erhalt der Wohnung erforderlich.
b) Lebte der Inhaftierte zuvor in einer Bedarfsgemeinschaft und ist er trotz der
räumlichen Trennung Mitglied der Bedarfsgemeinschaft geblieben, ist unter fol-
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genden Umständen eine Aufteilung der KdU auf die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft und eine Übernahme der KdU durch Leistung an diese möglich. Eine Übernahme der KdU setzt voraus, dass der Inhaftierte die Wohnung
nach dem Aufenthalt wieder beziehen will.
-
Steht von vornherein fest, dass der stationäre Aufenthalt des Inhaftierten
nicht länger als sechs Monate dauern wird, gilt das unter Ziffer 8.1 Buchstabe b), 1. Spiegelstrich Gesagte.
-
Steht fest, dass die Unterbringung einen Zeitraum von sechs Monaten
überschreiten wird, ist eine Einzelfallprüfung mit einer Abwägung zwischen
den anfallenden Kosten (abhängig von der voraussichtlichen Dauer der Unterbringung) und dem Interesse des Betroffenen am Erhalt der Wohnung erforderlich.
8.3 Örtliche Zuständigkeit
Örtlich zuständig ist das Jobcenter, an dessen Sitz die betreffende Person ihren
gewöhnlichen Aufenthalt hat (§ 36 SGB II). Der gewöhnliche Aufenthalt wird dort
begründet, wo sich die betreffende Person nicht nur vorübergehend aufhält. Dies
verlangt in jedem Fall eine Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung aller relevanten
Umstände (Prognose zur Dauer des Aufenthalts in der Einrichtung z. B. Justizvollzugsanstalt, Wille des Betroffenen an einem bestimmten Ort nach seiner Entlassung zu leben).
Mit freundlichen Grüßen
Jochen Schumacher
Ministerialrat