Innovationsindikator 2015

SCHWERPUNKT
MITTELSTÄNDISCHE
WIRTSCHAFT
Auf der Website zum Innovationsindikator finden
Sie einen ausführlichen Methodenbericht sowie
weiteres Hintergrundmaterial. Außerdem können
Sie dort mit „Mein Indikator“ individuell Volkswirtschaften vergleichen. Die Website ist auf allen
Endgeräten vom Desktop-PC bis zum Smartphone nutzbar.
www.innovationsindikator.de
Scannen Sie den
QR-Code ein und
gelangen Sie direkt
zur Website.
Inhalt
4 Vorwort
6
Zentrale Ergebnisse
8
Handlungsempfehlungen
Wie Deutschland besser wird
12Über den Innovationsindikator
Ergebnisse
16
Deutschland hat noch Luft nach oben
35 Länder im Innovationsvergleich
22
Ein komplexes Zusammenspiel
Die Subindikatoren für Innovationsleistung
Fokus
32
Fokus KMU: Große Vielfalt bei den Kleinen
Die Rolle von kleinen und mittelständischen
Unternehmen im Innovationssystem
Anhang
60
Innovation messbar machen
So funktioniert der Innovationsindikator
3
62
Projektpartner
63
Impressum
Vorwort
Seit der Bundesverband der Deutschen Industrie und die Deutsche Tele­
kom Stiftung vor zehn Jahren den ersten Innovationsindikator veröffentlich­
ten, informiert er Politik und Gesellschaft kontinuierlich und prägnant über
Deutschlands Innovationsfähigkeit im internationalen Vergleich und über
Rahmenbedingungen für ein erfolgreiches Innovationssystem. Der Innova­
tionsindikator stellt Deutschlands Innovationsfähigkeit im Vergleich zu seinen
Hauptwettbewerbern in einem Ranking anhand transparenter, aktuell erho­
bener Einflussgrößen dar.
Zwar hat eine solche Weltrangliste innovativer Volkswirtschaften ihre me­
thodischen Grenzen: In diesem Jahr geht es beispielsweise im Verfolgerfeld
teilweise sehr eng zu – so eng, dass einzelne Rangplatzunterschiede schwer
zu interpretieren sind. Auch bildet ein solches Indikatorensystem nicht alle
komplexen Wirkungszusammenhänge des internationalen Innovationswett­
bewerbs ab. Doch gibt uns die Methodik, die wir zusammen mit dem Fraun­
hofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) und dem Zentrum
für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) kontinuierlich weiterentwickeln,
einen wichtigen Überblick über das internationale Innovationsgeschehen,
über Erfolgsfaktoren und über bremsende Einflussgrößen.
In jedem Fall stehen die Ergebnisse der Indikatorenanalyse nie für sich
alleine: Sie müssen immer vor den konkreten Erfahrungshintergründen in
Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft bewertet und um aktuelle
Informationen und Experteneinschätzungen angereichert werden. Dazu wird
auch unsere neue Partnerschaft beitragen: Im Jubiläumsjahr geben erstmals
acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und der BDI
gemeinsam den Innovationsindikator heraus. Gleichzeitig erweitern wir das
Angebot unserer Print- und Onlineformate um eine englische Ausgabe, denn
der Innovationsindikator stößt längst auch international auf großes Interesse.
Wir möchten mit Ihnen anhand des Innovationsindikators in einen Dialog
über die Zukunftsfähigkeit unseres Wirtschafts- und Wissenschaftsstand­
ortes treten. In diesem Sinne wünschen wir Ihnen eine anregende Lektüre
und freuen uns, mit Ihnen ins Gespräch zu kommen.
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
4
Henning Kagermann
Ulrich Grillo
Präsident
Präsident
acatech – Deutsche Akademie der
Bundesverband der Deutschen Industrie
Technikwissenschaften
5
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
Zentrale Ergebnisse
Blick auf die Volkswirtschaften
Deutschland behauptet sich im internationalen
Herausforderung für das Innovationssystem
Innovationswettbewerb in einem schwierigen
dar. Neue Technologien und aktuelle politische
weltwirtschaftlichen Umfeld und kann seine
Ziele wie die Digitale Agenda, Industrie 4.0 oder
Position im Innovationsindikator in der direkten
die Energiewende sind sowohl auf Expertinnen
Verfolgergruppe festigen. Andere Euro-Länder
und Experten aus dem akademischen Bereich
wie etwa Frankreich haben deutlich größere
als auch hoch qualifizierte Facharbeiterinnen
Probleme, den Anschluss an die ­Weltspitze
und Facharbeiter angewiesen. Deutschlands
zu halten. Zu den Stärken Deutschlands
Zukunftsanspruch muss der Aufstieg auf einen
­gehören Hightech-Exporte, technologiebasierte
absoluten Spitzenplatz im Innovationswettbe­
Neuerun­gen sowie die enge Zusammenarbeit
werb sein. Einen Stillstand in den Bemühungen
zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Zudem
zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für
gibt es hierzulande eine hohe Innovationsnach­
Innovation darf sich die Bundesrepublik nicht
frage und ein breites Angebot an qualitativ
leisten.
hochwertigen Produkten. Die Leistungsfähig­
Die Schweiz bleibt weiterhin Spitzenreiter im
keit des deutschen Bildungssystems hat sich
Innovationsindikator, hat jedoch Punkte ein­
weiter verbessert, bleibt aber noch immer
gebüßt, weil die Ausgaben für Forschung und
Entwicklung gesunken sind.
Das Bundeshaus in Bern:
hinter derjenigen der Spitzengruppe zurück. Mit
Die Schweiz ist nach den
Blick auf die demografische Entwicklung stellt
Belgien hat sich in der Spitzengruppe festge­
Ergebnissen des Innova­
der Bedarf an hoch qualifiziertem Nachwuchs
setzt. Das Land zeichnet sich durch ein gut
tionsindikators weiterhin
insbesondere im MINT-Bereich eine große
funktionierendes, ausbalanciertes Innovations­
das weltweit innovativste
Land.
system aus.
Die Wirtschaft in den USA hat ihre Innovations­
fähigkeit weiter verbessert. Bei Wissenschaft
und Bildung verlieren die USA hingegen wei­
terhin Boden.
Schweden fällt in diesem Jahr aufgrund zu ge­
ringer Investitionen in Bildung und Forschung
zurück. Es gehört nun zur großen Gruppe im
Mittelfeld.
Südkorea kann hingegen seinen Aufwärts­
trend weiter fortsetzen. Das Land punktet mit
innovationsstarken Unternehmen und einem
leistungsfähigeren Wissenschaftssystem.
China kann sich nicht verbessern und bleibt
weiterhin hinter dem Mittelfeld zurück. Der
Grund: Die Exporte der Volksrepublik stocken,
die Konjunktur kühlt sich ab. Die langfristigen
Folgen sind noch nicht absehbar. Reformen
im Wissenschaftssystem und in der Wirtschaft
bleiben entweder weiter aus oder greifen nicht.
Durch die große Bedeutung Chinas als Markt
sowie seiner weltweiten Verflechtungen wird
eine wenig dynamische Entwicklung im Reich
der Mitte weiterhin auch auf Deutschlands
innovative Wirtschaft durchschlagen.
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
6
Zur Bedeutung kleiner und mittelständischer Unternehmen
Die Gruppe der kleinen und mittleren Unterneh­
men (KMU) ist sehr heterogen. Sie reicht von so­
genannten Hidden Champions, mittelständischen
Weltmarktführern mit einer oft beeindruckenden
Innovationsleistung, bis zu vielen kleinen Unter­
nehmen, die nur sporadisch oder mit geringem
technologischem Anspruch Innovationen hervor­
bringen. Obwohl Deutschland über viele KMU
verfügt, die technologisch an der Spitze stehen,
sind deutsche KMU im Durchschnitt nicht innova­
tiver als KMU in anderen Ländern. So machen die
Ausgaben für Forschung und Entwicklung (FuE)
der KMU in Deutschland 0,31 Prozent des BIP
aus – die Schweiz, Österreich, Dänemark, Finn­
land oder Südkorea erreichen fast das Dreifache
dieses Werts.
Auf den ersten Blick spielen KMU für das deut­
sche Innovationssystem – an den reinen Zahlen
gemessen – lediglich eine nachrangige Rolle.
Der Beitrag von KMU zu den FuE-Ausgaben der
deutschen Wirtschaft lag zuletzt bei lediglich rund
16 Prozent. In den USA liegt der KMU-Anteil bei
den FuE-Ausgaben bei 19 Prozent, in Schweden,
Südkorea und Taiwan bei rund 27 Prozent. Dafür
gibt es zwei Erklärungen: Erstens verfügt Deutsch­
land über viele vergleichsweise große und sehr
Keine andere Volks­
innovative Großunternehmen. Dadurch fällt der
wirtschaft weist so
Anteil der KMU an den gesamten FuE-Ausgaben
Hidden Champions vereinen dabei drei Merkmale:
viele mittelständische
der Wirtschaft schon rein rechnerisch schnell
eine hohe Exportbereitschaft des Topmanage­
kleiner aus als in Ländern mit wenigen Großunter­
ments, eine starke Ausrichtung auf Kundenan­
nehmen. Zweitens geben deutsche KMU, die FuE
forderungen und die Fokussierung auf Nischen­
spiel: die Herrenknecht
betreiben, im Mittel weniger für FuE aus als KMU
märkte. Dass gerade Deutschland so viele Hidden
AG aus Schwanau. Ihre
in anderen Ländern.
Champions hat, liegt auch an der geringen Größe
Tunnelbohrmaschinen
Weltmarktführer auf wie
Deutschland. Ein Bei­
des Heimatmarkts für viele Nischenanwendun­
sind rund um den
Bei den Hidden Champions nimmt Deutschland
gen: Um effiziente Produk­tionsmengen zu errei­
Globus im Einsatz.
jedoch eine ausgeprägte Sonderstellung ein: Kein
chen, muss der globale Markt bedient werden.
anderes Land weist so viele mittelständische Welt­
Diese nischenorientierte Strategie führt gleich­
marktführer auf wie Deutschland. Fast die Hälf­
zeitig dazu, dass nur wenige Hidden Champions
te aller Hidden Champions weltweit kommt aus
den Sprung zum Weltkonzern schaffen. Weil das
Deutschland. Branchen wie der Maschinenbau,
globale Marktvolumen begrenzt ist, sind auch die
die Elektroindustrie und die Metallverarbeitung
Wachstumsmöglichkeiten begrenzt.
bringen besonders viele solche Unternehmen
hervor. In einer Welt sich stetig ausdifferenzieren­
der Wertschöpfungsketten ist eine hohe Export­
orientierung ein Erfolgsfaktor.
7
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
Handlungsempfehlungen
Wie Deutschland besser wird
8
Bedingungen für innovatives
Unternehmenshandeln verbessern
Die Bundesregierung verfolgt mit ihrer neuen
sondern muss auch dem Umstand Rechnung
Hightech-Strategie Beständigkeit in der Inno­
tragen, dass etwa die Arbeitsmarkt-, Steuer- und
vationspolitik, setzt gleichzeitig aber auch neue
Energiepolitik die nationale Innovationsfähigkeit
Akzente: Internationalisierung, Partizipation und
maßgeblich beeinflussen.
Transparenz, die Validierung von Ergebnissen
der öffentlichen Forschung und Digitalisierung.
Die europäische Forschungsförderung kann
Der ressortübergreifende Ansatz der Hightech-
zu einem wichtigen Motor der Entwicklung
Strategie ist positiv zu bewerten, während sich
der ­deutschen Wissenschafts- und Innova­
die Wirkung der neuen, gut begründeten Ansät­
tionslandschaft werden. So steht für das neue
ze und ihrer programmatischen und operativen
Forschungsrahmenprogramm der EU – Hori­
Umsetzung noch zeigen muss.
zon 2020 – ein großes Budget zur Verfügung;
zugleich gibt es ein deutlicheres Bekenntnis zu
Um eine hohe Effektivität und Effizienz der
Exzellenz und zu einer kompetenz- statt proporz­
Forschungsförderung zu sichern, sollten dabei
basierten Förderung.
regelmäßig Wirkungsanalysen nach einheitli­
chen Evaluationskriterien durchgeführt werden.
Europäisch geförderte Projekte sind wegen ihrer
Außerdem sollte transparent gemacht werden,
internationalen Dimension besonders vorteilhaft
nach welchen Kriterien die Fördermittel auf die
für Deutschland. Die starke Exportorientierung
einzelnen Felder der Hightech-Strategie verteilt
der Wirtschaft und die hohe internationale Ver­
werden.
netzung und Leistungsfähigkeit der Forschung
erleichtern den Zugang für deutsche Unterneh­
Für die ambitionierten Ziele rund um die digitale
men und Wissenschaftseinrichtungen erheblich.
Agenda sind vor allem größere Investitionen in
Die Innovationspolitik von Bund und Ländern
Daten- und Transportinfrastrukturen nötig. Dabei
sollte mit ihren Programmen auf Synergien mit
kommt es zuallererst auf die Geschwindigkeit bei
der europäischen Förderung setzen.
der Umsetzung an, denn der internationale Wett­
bewerb rund um die digitale Transformation setzt
gerade den Innovationsstandort Deutschland
unter erheblichen Druck.
Umso wichtiger ist es für die beteiligten Akteure,
jetzt schnell gemeinsam in den Umsetzungsmo­
dus zu kommen. Insbesondere dürfen die Un­
ternehmen mit ihren Innovationsanstrengungen
nicht warten, bis von der Politik entsprechende
Fördertöpfe bereitgestellt werden.
Die Politik muss ihrerseits die Rahmenbedingun­
gen für innovatives unternehmerisches Handeln
verbessern. Dazu gehört nicht zuletzt die Re­
alisierung des digitalen europäischen Binnen­
markts. Ein zu kleiner Heimatmarkt aufgrund
einer mangelnden Integration europäischer
Märkte könnte sich sonst als Innovationshemm­
nis erweisen. Innovationspolitik darf sich außer­
dem nicht auf den engen Bereich von Bildung,
Forschung und Wissenstransfer beschränken,
9
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
Bildung und Wissenschaft
deutlicher stärken
Bildung und Wissenschaft bilden eine entschei­
Umsetzung eines vollwertigen Tenure-Track-Sys-
dende Grundlage des Erfolgs eines Innovations­
tems, das heißt eines Karrieresystems, in dem
systems. Kenntnisse in Naturwissenschaft,
junge Wissenschaftler nach wissenschaftlicher
Technik und Wirtschaft sind die Basis für die
Bewährung in dauerhafte Beschäftigungsverhält­
Fähigkeit, sich im Lebensverlauf an immer neue
nisse übernommen werden können. Dies würde
Herausforderungen anzupassen. Doch ­gerade
nicht nur stabilere Karrierewege schaffen, son­
im Bereich der MINT-Fächer (Mathematik,
dern auch die Eigenständigkeit des wissenschaft­
Informatik, Naturwissenschaften und Technik)
lichen Nachwuchses stärken. Ferner sollte die
besteht im Bildungssystem nach wie vor Hand­
Umstellung der kleinteiligen Lehrstuhlstrukturen
lungsbedarf: Das Interesse der Schülerinnen und
auf eine Departmentorganisation der Fakultäten
Schüler an MINT-Themen nimmt weiter ab, der
erwogen werden. Hierdurch könnten bestehende
Lehrermangel in MINT-Fächern wird zu einem
Kooperationspotenziale innerhalb der Fakultäten
immer größeren Problem und die Abbruchquoten
besser ausgeschöpft werden. Außerdem würde
in einigen MINT-Studienfächern sind weiterhin
so die Strategiefähigkeit der Fakultäten erhöht,
überdurchschnittlich hoch.1
was Profilbildungsprozesse der Hochschulen
unterstützen kann.
Im Bereich der Hochschulen müssen sich Bund
und Länder stärker koordinieren. Dabei darf es
Bei der Förderung der Zusammenarbeit zwi­
auf keinen Fall nur zu einer Umverteilung der be­
schen Wissenschaft und Wirtschaft besteht
stehenden Finanzierung oder gar einer Senkung
ebenfalls Handlungsbedarf. Dies betrifft insbe­
der Mittel kommen. Im Gegenteil, Ziel muss ein
sondere KMU. Zwar existieren hier durchaus er­
Mittelaufwuchs sein. Die Fortführung der Pakte
folgreiche Förderprogramme. Allerdings sind die
und die damit einhergehende Planungssicherheit
Antragsprozesse häufig anspruchsvoll, sodass
sind wichtige bundespolitische Akzente – die
KMU abgeschreckt werden. Die bürokratischen
Länder müssen sie nun konstruktiv aufnehmen
Hürden müssen hier abgebaut werden. Die Inno­
und tatsächlich zur Stärkung der Hochschulen
vationspolitik sollte außerdem gerade auch die
einsetzen.
Phase des Übergangs von öffentlich geförderter
Forschung zur kommerziellen Verwertung von
Auf organisatorischer Ebene müssen Anreize und
Forschungsergebnissen mit geeigneten Rahmen­
Rahmenbedingungen für exzellente Forschung
bedingungen beispielsweise für Start-ups und
und Lehre gestärkt werden. Hierzu sollte die leis­
zur Mobilisierung privaten Kapitals fördern.
tungsorientierte Mittelvergabe sowohl auf der ins­
titutionellen als auch auf der individuellen Ebene
intensiviert werden. Dabei sollte der Exzellenzge­
danke in der Grundlagenforschung zentral sein.
Gerade „Leuchttürme“ in diesem Bereich sind
eine wichtige Quelle für Inventionen. Sie sichern
die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Stand­
orts Deutschland für zukünftige bahnbrechende
Innovationen. Die Leistungsfähigkeit darf nicht
zugunsten einer zu starken Anwendung in der
Forschungsförderung vernachlässigt werden.
Ferner müssen dem wissenschaftlichen Nach­
wuchs verbesserte Möglichkeiten zur Entwick­
lung eigener Forschungsprofile gegeben werden.
Hierzu zählt insbesondere die flächendeckende
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
10
Prinzip des Easy Access
für KMU realisieren
KMU in der hier verwendeten europäischen
Bei der Ausgestaltung einer steuerlichen FuE-För­
Definition und der industrielle Mittelstand ­stehen
derung müssen die Anreizeffekte dieses Instru­
bei der Umsetzung von Innovationsideen vor
ments im Vordergrund stehen. Darüber hinaus
größeren Schwierigkeiten als Großunternehmen.
sollte bei allen Maßnahmen der FuE- und Inno­
FuE-Projekte stellen gemessen am Umsatz eine
vationsförderung das Prinzip des easy access zur
hohe Kostenbelastung dar, deren Finanzierung
Anwendung kommen: Antragsverfahren und die
aus eigenen Mitteln rasch an Grenzen stößt. Eine
Administration von geförderten Projekten müs­
externe Finanzierung ist oft schwierig, da externe
sen so einfach und unbürokratisch wie möglich
Kapitalgeber nur schwer die Leistungsfähigkeit von
gestaltet sein.
KMU einschätzen können. Scheitert ein Projekt,
kann das leicht die Existenz des gesamten Unter­
Ein zweiter wichtiger Ansatzpunkt ist die Fach­
nehmens gefährden. Der Ressourcenschwäche
kräftesituation. Beim Zugang zu Hochqualifi­
von KMU steht gleichzeitig eine Umsetzungsstärke
zierten sind KMU strukturell benachteiligt. Die
gegenüber: Sie sind meist besser als Großunter­
demografische Entwicklung verschärft die Fach­
nehmen in der Lage, Innovationen schnell in den
kräfteknappheit zusätzlich. Fachkräfte, die aus
Markt zu bringen. Eine öffentliche Unterstützung
dem Ausland zuwandern, könnten diese Situation
von Innovationsaktivitäten in KMU ist volkswirt­
verbessern. KMU haben bei der Einstellung von
schaftlich sehr sinnvoll. Erstens mobilisiert sie zu­
hoch qualifizierten Zuwanderern jedoch Hürden
sätzliche Innovationspotenziale. Zweitens führt sie
zu überwinden. Helfen würden einfachere büro­
rascher zu Innovationserfolgen. Und drittens kann
kratische Abläufe sowie eine Unterstützung bei
sie wesentlich zu einer Erhöhung der technologi­
den anfallenden administrativen Vorgängen. Eine
schen Leistungskraft der Wirtschaft beitragen, vor
generelle Absenkung der Schwellenwerte beim
allem wenn innovative KMU mit der Wissenschaft
Bruttojahresgehalt im Rahmen der Regelung zur
zusammengebracht werden.
„Blue Card EU“ könnte den strukturellen Nachteil
für KMU ausgleichen.
Ein wesentlicher Ansatzpunkt für die Stärkung von
KMU ist die Finanzierung. Derzeit geben KMU
Allerdings ist keineswegs sichergestellt, dass KMU
hierzulande im Durchschnitt weniger für Forschung
in Zukunft in gleichem Maße wie bisher dazu bei­
und Innovation aus als vergleichbare Unternehmen
tragen werden, Deutschlands Spitzenposition im
in den meisten anderen europäischen Ländern.
Innovationswettbewerb zu sichern. Gerade in den
Im Gegensatz zu vielen anderen Staaten müssen
bislang erfolgreichen Branchen weist Deutschland
deutsche KMU häufig ihre gesamten Ausgaben
nur eine geringe Zahl an Start-ups auf, die mit
für Forschung und Innovation aus eigenen Mitteln
Innovationen Märkte grundlegend verändern und
finanzieren, da die öffentlichen Förderprogram­
so den strukturellen Wandel der Wirtschaft – zum
me nur einen Teil der KMU erreichen. Das betrifft
Beispiel im Kontext der digitalen Transformation –
vor allem KMU, die keine formale FuE betreiben.
voranbringen. Die innovationspolitischen Förder­
Sie stellen die Mehrheit der innovativen KMU in
strategien müssen gerade diese wichtigen Akteure
Deutschland und verfolgen durchaus aussichts­
des Innovationssystems stärker im Blick haben. So
reiche Innovationsstrategien.
bieten offene digitale Plattformen neue Chancen
für KMU und Start-ups, ihre Innovationskraft in
Die meisten anderen Länder im Innovationsindika­
den neu entstehenden digitalen Ökosystemen zur
tor bieten dagegen eine indirekte, meist steuerliche
Geltung zu bringen und sich mit anderen Akteuren
Förderung an. Ein solches breitenwirksames Ins­
zu vernetzen.2
trument fehlt in der Bundesrepublik. Viele Innova­
tionsprojekte in KMU sind deshalb finanziell nicht
ausreichend ausgestattet oder erreichen nur einen
geringen Innovationsgrad.
11
1 Siehe beispielsweise MINT-Nachwuchsbarometer
2014 und 2015 (Hrsg.: acatech/Körber Stiftung)
2 Siehe auch den Bericht zu Smart Service Welt
(www.acatech.de/smart-service-welt)
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
Über den Innovationsindikator
Neue Produkte, Prozesse und Dienstleistungen, die
System- und Innovationsforschung (ISI) in Karlsru­
sich auf Märkten durchsetzen, oder auch die qua­
he in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Euro­
litative Verbesserung bestehender Produkte und
päische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim
Prozesse werden in volkswirtschaftlicher Hinsicht
erstellt. Er vergleicht die Innovationsleistung von
als Innovationen bezeichnet. Innovationen sind
35 Ländern anhand von 38 Einzelindikatoren.
für die meisten Unternehmen und ganze Bran­
chen der Schlüssel für Wettbewerbsfähigkeit und
Grundprinzipien des Innova­tionsindikators sind:
Wachstum. Deutschland ist auf besondere Weise
1. Modellgestützter Ansatz bei der Indikatoren­
auf Innovationen angewiesen, um im Angesicht
auswahl: Jeder einzelne der 38 Indikatoren
des demografischen Wandels das Wachstum von
wurde auf Basis seines statistisch überprüften
Wirtschaft und Wohlstand sowie die Handlungs­
Erklärungswerts für die nationalen Innovations­
fähigkeit der öffentlichen Hand zu sichern.
leistungen ausgewählt. Auf diese Weise wird
sowohl eine Übersichtlichkeit als auch die Rele­
Aus ökonomischer Perspektive gibt es eine Vielzahl
vanz der Ergebnisse sichergestellt.
von Faktoren und Einflüssen, die die private Inno­
2. Unterteilung der Indikatoren nach Input/Output
vationstätigkeit fördern oder gar erst ermöglichen.
und Subsystemen (Wirtschaft, Bildung, Wis­
Die sogenannten user-led innovations werden zum
senschaft, Staat, Gesellschaft): Dies ermöglicht
Beispiel von zahlreichen Akteuren vorangetrieben
detaillierte Analysen der Stärken und Schwä­
– etwa den Unternehmen, den Forschungseinrich­
chen einzelner Länder und somit zielgerichtete
tungen, den Forschungsförderern, den Bildungs­
institutionen, aber auch den Innovationsfinanzie­
Handlungsempfehlungen.
3. Einbeziehung harter und weicher Indikato­
rern sowie den Abnehmern und Nutzern von Inno­
ren: Innovationstätigkeiten hängen sowohl von
vationen, die Dienstleistungen und Produkte häufig
direkt messbaren Faktoren wie zum Beispiel
selbst verbessern und anpassen. Das Zusammen­
den zur Verfügung stehenden finanziellen und
spiel dieser Faktoren, Einflüsse und Akteure bildet
personellen Ressourcen ab als auch von eher
das nationale Innovationssystem.
weichen, nicht unmittelbar messbaren Faktoren
wie etwa gesellschaftlichen Einstellungen. Der
Ein gut funktionierendes Innovationssystem
Innovationsindikator sammelt auch relevante
ermöglicht, dass Unternehmen innovativ sein kön­
Daten dieser weichen Faktoren, um Innovati­
nen, und sichert so Arbeitsplätze und Wohlstand.
onssysteme in ihrer Gesamtheit abzubilden. Das
Allerdings befinden sich die Unternehmen als
unterscheidet ihn von vielen ähnlich gelagerten
Anbieter von innovativen Gütern und Dienstleis­
Indikatorensystemen.
tungen im Wettbewerb – und das gilt im weiteren
4. Hohe Aktualität der Ergebnisse durch Verwen­
Sinn somit auch für die Innovationssysteme. Da­
dung von Prognose und Hochrechnungsver­
bei ist es wichtig, dass Unternehmen und Verbän­
fahren (Nowcasting) für die Einzelindikatoren:
de ebenso wie die Politik oder öffentliche Organi­
Alle Indikatoren beziehen sich auf 2014.
sationen die Position Deutschlands im weltweiten
Innovationswettbewerb einschätzen und verorten
können. Nur so können sie Maßnahmen ergreifen,
Herausforderungen der Messung
die die Situation sichern oder verbessern. Dazu
sind eine differenzierte Analyse und ein internatio­
Der Innovationsindikator ist ein sogenannter
naler Vergleich unumgänglich.
Kompositindikator, bei dem einzelne, für das
Innovationssystem relevante Teilindikatoren durch
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
Der Innovationsindikator hat genau das zum Ziel.
Gewichtung zu einer zusammenfassenden Maß­
Im Auftrag von acatech – Deutsche Akademie
zahl verdichtet werden. Der Innovationsindikator
der Technikwissenschaften und des Bundes­
verwendet dabei eine Gleichgewichtung, um die
verbands der Deutschen Industrie (BDI) werden
Berechnung transparent und nachvollziehbar zu
35 Volkswirtschaften daraufhin untersucht, wie
halten. Dennoch wären auch andere Gewich­
innovationsorientiert und -fähig sie sind. Der Inno­
tungsverfahren denkbar und sind in vergleichba­
vationsindikator wird vom Fraunhofer-Institut für
ren Analysen zum Einsatz gekommen. Um die
12
Robustheit der Ergebnisse gegenüber abweichen­
explizit sowohl den aktuellen Politikkontext als
den Gewichtungen zu analysieren, bedienen sich
auch mögliche zukünftige Entwicklungen zu be­
die Autoren der Studie moderner statistischer
rücksichtigen suchen.
Simulationsmethoden. Dabei zeigen sich die Er­
gebnisse als äußerst robust und die Einordnungen
der Analyse somit als verlässlich.
Hauptelemente des
Innovationsindikator-Modells
Struktur der Studie
INPUT
GESELLSCHAFT
vationspolitik bzw. das Innovationssystem hin. Das
Gewichtung deutlich erkennbare Zuordnungen zu
erste Hauptkapitel stellt die Indikatorergebnisse
der 35 Länder in der Gesamtperspektive vor und
Es lässt sich also mit großer Sicherheit sagen,
diskutiert dabei die Positionen ausgewählter Län­
dass ein Land zum Beispiel zu der Verfolger- oder
der – darunter natürlich insbesondere Deutsch­
der Spitzengruppe zählt. Dementsprechend wird
lands. Danach folgen Ergebnisse für die einzelnen
sich die Interpretation der Rangplätze im Wesent­
Teilbereiche des Innovationssystems: Wirtschaft,
lichen auf diese Gruppenzugehörigkeit und stabile
Wissenschaft, Bildung, Staat und Gesellschaft.
langfristige Entwicklungstrends konzentrieren.
INPUT
INPUT
INPUT
WISSENSCHAFT
OUTPUT
WIRTSCHAFT
OUTPUT
BILDUNG
OUTPUT
gewissen Gruppen an Volkswirtschaften heraus.
zentrale Zukunftsherausforderungen für die Inno­
sich weitgehend unabhängig von der jeweiligen
Ergebnisse zusammen und weisen auf einige
kreten Abschneiden der Länder. Allerdings bilden
fahren zu geringfügigen Unterschieden im kon­
OUTPUT
Die folgenden Kapitel fassen die wichtigsten
So führen zwar unterschiedliche Gewichtungsver­
INPUT
STAAT
OUTPUT
Kleinere Veränderungen zu den Vorjahren sowie
Das Fokusthema des diesjährigen Innovationsindi­
geringe Abstände zwischen einzelnen Ländern
kators beschäftigt sich mit kleinen und mittelstän­
sollten dabei nicht überinterpretiert werden.
dischen Unternehmen (KMU) im Innovationspro­
Quelle: eigene Darstellung
zess und ihren besonderen Eigenschaften und Be­
Dynamisches Umfeld
dürfnissen. Das Thema wird aus unterschiedlichen
Perspektiven beleuchtet. So gibt es einerseits eine
Diskussion über forschungsintensive KMU und ihre
Innovationssysteme sind hochgradig dynamisch:
Innovationsmuster und andererseits eine Erörte­
Sie verändern sich unablässig und häufig in
rung der Besonderheiten von Unternehmen ohne
schwer vorhersehbarer Weise. Diese Veränderun­
oder mit nur wenig eigener formaler Forschung
gen können einen gravierenden Einfluss auf die
und Entwicklung, die aber dennoch innovativ tätig
Funktionsweise des Innovationssystems ausüben.
sind. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf mittelstän­
Dies stellt wiederum Messmodelle wie den Inno­
dischen Hidden Champions. Dies sind Unterneh­
vationsindikator vor große Herausforderungen, da
men mit hoher Exportorientierung, einer starken
dieser die volkswirtschaftlichen Innovationsfähig­
weltweiten Marktposition und einer dynamischen
keiten auf Basis eines vorneweg definierten Indika­
Entwicklung, die einer breiten Öffentlichkeit im
torensets erfasst. Unerwartete Entwicklungen so­
Allgemeinen wenig bekannt sind. Ergänzend gibt es
wie strukturelle Veränderungen, wie sie beispiels­
einen Vergleich der Leistungsfähigkeit von KMU in
weise im Zuge der digitalen Transforma­tion der
Deutschland und Japan sowie eine Erörterung der
Wirtschaft zu erwarten sind, erfordern zum einen
stärkeren internationalen Position deutscher KMU.
eine ständige kritische Auseinandersetzung mit der
Angemessenheit der verwendeten Indikatoren.
Website mit mehr Informationen
Zum anderen muss der rein quantitative Indikato­
renansatz immer durch qualitative Einschätzun­
Der Bericht fasst die Haupt­ergebnisse der auf
gen ergänzt werden, die darauf abzielen, Entwick­
Daten für 2014 beruhenden Analysen zusammen.
lungen zu antizipieren, die sich möglicherweise
Profile für einzelne Länder oder Vergleiche zwi­
erst in Jahren in Zahlen messbar niederschlagen.
schen ver­schiedenen Volkswirtschaften können auf
Aus diesen Gründen folgt der Innovationsindikator
www.innovationsindikator.de erstellt werden. Dort
dem Ansatz, die quantitativen Ergebnisse gezielt
findet sich auch eine ausführliche Dokumentation
um qualitative Einschätzungen zu ergänzen, die
der Methoden und verwendeten Indikatoren.
13
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
Deutschland hat noch
Luft nach oben
35 Länder im Innovationsvergleich
16
Der Innovationswettbewerb wird intensiver. Die Spitzenreiter büßen ihren
Vorsprung gegenüber der Verfolgergruppe langsam ein. Die besonders innovativen Länder rücken enger zusammen. Die Schweiz bleibt an der Spitze.
Der Innovationsindikator nutzt eine Vielzahl von
im Portfolio haben, bei denen ihre Leistungsfähig­
Kenngrößen, die die unterschiedlichen Dimen­
keit weniger deutlich ausgeprägt ist oder bei denen
sionen von Innovation zu einer einzelnen Maß­
Innovation eine geringe Rolle spielt. Die Indexwerte
zahl verdichten. Die Ergebnisse zeigen, dass sich
des Innovationsindikators spiegeln die vielfältigen
Gruppen von ähnlich leistungsstarken Ländern
und komplexen Dimensionen von Innovation wider.
herausgebildet haben. Die Gruppenzugehörigkeit
ist über die Zeit recht stabil, während innerhalb der
Gruppen durchaus Verschiebungen stattfinden, die
durch kurzfristige konjunkturelle Schwankungen
sowie durch kleinere Änderungen in der Leistungs­
fähigkeit der Subsysteme erklärt werden können.
Wenn es knapp zugeht, können kleine Änderungen
größere Wirkung auf die Rangplätze haben.
Deutschland gehört den Ergebnissen zufolge zwar
nicht zur absoluten Spitze im internationalen
Innovationswettbewerb, wie es eigentlich sein An­
spruch sein sollte, ist aber Teil der direkten Verfol­
gergruppe. Bemerkenswert ist, dass Deutschland
beim Innovationsindikator im Vergleich der großen
Volkswirtschaften am besten abschneidet, wenn­
gleich Länder wie die USA oder Großbritannien nur
knapp hinter Deutschland ebenfalls in der Verfol­
gergruppe zu finden sind. Der Innovationsindikator
nutzt durchgehend relative Kenngrößen, um die
Innovationsfähigkeit möglichst unabhängig von der
Größe eines Landes zu bewerten. Die Zielgrößen
Wohlstand oder Bruttoinlandsprodukt werden da­
her beispielsweise in Relation zur Bevölkerungs­
zahl gemessen. Damit bildet der Innovationsindi­
kator ab, dass es für eine Volkswirtschaft aus der
Perspektive der Sicherung von Wohlstand und
Wachstum durch Innovationen vorrangig darum
gehen muss, pro Kopf ein möglichst gutes Ergeb­
nis zu erzielen.
Für große Volkswirtschaften ergibt sich daraus eine
umso größere Herausforderung, da sie flächen­
deckend eine hohe Leistungsfähigkeit erreichen
müssen. Kleinere Länder können hier leichter
Spezialisierungsvorteile erreichen. Naturgemäß
sind die thematischen und sektoralen Profile von
Gesamtergebnis des Innovationsindikators
Rang
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
Indexwert
Schweiz
Singapur
Finnland
Belgien
Deutschland
Irland
Niederlande
USA
Österreich
Schweden
Dänemark
Großbritannien
Südkorea
Norwegen
Australien
Israel
Kanada
Frankreich
Taiwan
Japan
Tschechien
Portugal
Spanien
Ungarn
Italien
China
Polen
12
Russland
11
Griechenland
8
Türkei
5
Südafrika
5
Indonesien
2
Mexiko
0
Indien
0
Brasilien
0
0
10
75
64
57
56
56
53
52
51
51
51
51
50
50
49
47
47
46
45
45
43
29
25
24
22
20
19
20
30
40
50
60
70
80
90
100
größeren Ländern breiter, sodass sie auch Themen
17
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
len weltweiten Klima im Wesentlichen seinen Kurs.
Die Weltwirtschaft wuchs 2014 nur gering, vor
allem China entwickelte sich weniger dynamisch
als erwartet. Da die Volksrepublik weltweit zuneh­
mend wichtig für innovative Produkte ist, blieb dies
nicht ohne Konsequenzen: Die wirtschaftlichen
Verschränkungen in Branchen wie der Automobilin­
dus­trie, der Elektrotechnik und der Konsumelek­tronik haben längst dazu geführt, dass auch Europa
spürt, wenn sich die Konjunktur in China abkühlt.
Die amerikanische Wirtschaft wiederum war noch
nicht dermaßen erholt, dass sie einen Ausgleich zur
chinesischen Marktentwicklung ermöglicht hätte.
Dieses Szenario – mit umgekehrten Vorzeichen –
hatte es in der Erholungsphase nach dem starken
Einbruch der Wirtschaftsleistung 2009 gegeben.
Das Wachstum in China hatte das Schwächeln
der USA deutlich abmildern können. So war es
Deutschlands Volkswirtschaft möglich gewesen,
die schwierigen Zeiten gut zu überstehen. Jetzt hat
die Konjunkturabkühlung aber auch die chinesi­
sche Wirtschaft erreicht und negative Auswirkun­
gen auf Deutschland scheinen schwer vermeidbar.
Auch im laufenden Jahr 2015 sind die Prognosen
Industrie 4.0 war eines der
für China als Markt alles andere als rosig. ­Daneben
Top-Themen der diesjähri­
bleiben die Schwierigkeiten vor Ort in Europa
gen CeBIT. Partnerland war
unter anderem China, das
nach den USA den größten
IT-Markt der Welt hat.
weiterhin bestehen. Der europäische Binnenmarkt
Die Studie schafft einen einheitlichen Maßstab für
als wichtigster Markt für deutsche Produkte und
die Innovationsleistung und -fähigkeit von 35 Volks­
insbesondere für die innovativen Hochtechnologie­
wirtschaften. Erneut – wie seit Beginn des Unter­
güter zeigt eine verhaltene Dynamik.
suchungszeitraums im Jahr 1990 – weisen die Er­
gebnisse die Schweiz als das weltweit innova­tivste
Land aus. Es bildet gemeinsam mit Singapur die
Bald Innovations­weltmeister?
Spitzengruppe. Wie die Sensitivitätsanalyse belegt,
liegen beide Länder, egal wie man die einzelnen
Ob Deutschland in den kommenden Jahren in die
Indikatoren auch gewichtet, stets an der Spitze.
Spitzengruppe aufrücken und seinem Anspruch,
eine führende Innovationsnation zu sein, gerecht
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
In einer längeren Perspektive zeigt sich allerdings,
werden kann, hängt einerseits davon ab, ob das
dass die Schweiz lediglich bis Anfang der 2000er-
Thema Innovation kontinuierlich ganz oben auf
Jahre ihren Vorsprung ausbauen konnte. Seither
der Agenda relevanter Akteure in Wissenschaft,
wird der Abstand zu den anderen Ländern geringer,
Wirtschaft, Politik und Gesellschaft steht. Insbe­
die nachfolgenden Länder holen also auf. Die Un­
sondere dürfen sich diese Überlegungen nicht auf
terschiede in der Leistungsfähigkeit verringern sich
den engen Bereich von Bildung, Forschung und
nicht nur im Mittelfeld, sondern gerade auch an
Wissens­transfer beschränken. Vielmehr wird die
der Spitze. Zur Verfolgergruppe hinter der Schweiz
Innovationsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft
und Singapur gehört auch Deutschland, das in
durch die Entscheidungen in anderen Politik­
diesem Jahr insgesamt den fünften Platz einnimmt.
bereichen, etwa der Arbeitsmarkt-, Steuer- und
Deutschland hält damit in wirtschaftlich schwieri­
Energiepolitik, in erheblichem Maße beeinflusst.
gen Zeiten und einem für Innovationen nicht idea­
Somit muss die Frage beantwortet werden, wie
18
innovative Aktivität bei sämtlichen wirtschafts-
wichtigen Bereichen des Innovationssystems.
und gesellschaftspolitischen Weichenstellungen
Denn bei Bildung und Wissenschaft befinden sich
mehr in den Mittelpunkt der Bemühungen gerückt
die USA – im Vergleich zu den meisten anderen
werden kann.
Ländern – weiterhin auf einem leicht absteigen­
den Ast. Österreich kann zum vorderen Mittelfeld
Themen wie Digitalisierung, moderne Arbeitswelt
aufschließen. Die Alpenrepublik verbessert sich
oder Nachhaltigkeit der Energieversorgung stehen
in Bildung und Wissenschaft und profitiert davon,
weiterhin weit oben auf der politischen Agenda.
dass einige Länder Punkte verloren haben.
Teilweise ist die konkrete Umsetzung von Projek­
ten bereits angelaufen. Diese Aktivitäten reichen
über die Digitale Agenda und die damit eng
Schweden fällt zurück
verbundene Industrie 4.0 hinaus, Themen wie die
Erneuerung der Energieversorgung, Mobilität und
Schweden ist nunmehr im vorderen Mittelfeld
Umweltschutz sind davon ebenfalls beeinflusst.
angekommen. Zum Ende der 1990er-Jahre und
In jedem Fall erfordern diese Herausforderun­
über das gesamte erste Jahrzehnt des neuen
gen gemeinsame Anstrengungen, bestmögliche
Jahrtausends hinweg gehörte Schweden zur
Rahmenbedingungen für Innovationen in diesen
Spitzengruppe. Seit 2001 ist aber eine negative
Bereichen zu schaffen. Der Staat ist besonders
Entwicklung festzustellen. Im Wesentlichen liegen
gefragt, wenn es um die kontinuierliche Verbes­
die Ursachen bei den Subindikatoren Bildung,
serung der Infrastrukturen für Bildung, Forschung
Staat und Wirtschaft. Das schwedische Bildungs­
und Wissenstransfer sowie die Förderung des
system verliert deutlich an Qualität, sichtbar auch
Wettbewerbs als vorrangigem Vehikel des Ent­
an den PISA-Ergebnissen. Daneben sind seit
deckungsprozesses für neue Lösungen geht.
Mitte der 2000er-Jahre die Budgets für staatliche
Leistungen in Bereichen wie Bildung und Ver­
Die Verfolgergruppe hinter der Spitzengruppe im
waltung nicht maßgeblich gestiegen, weshalb die
Innovationswettbewerb führen Finnland, Belgien
Leistungsfähigkeit insgesamt gesunken ist.
und Deutschland an. Belgien, das seit rund fünf
Jahren kontinuierlich seine Innovationsfähigkeit
Schwedens Platzierung, dies zeigen die Sensi­
ausbauen konnte und dieses Niveau in den ver­
tivitätsanalysen, beruht auf einer für das Land
gangenen Jahren gehalten hat, hat sich damit als
ungünstigen Konstellation der Indikatoren. Diese
ein besonders innovatives Land etabliert. Hinter
Analysen belegen damit eine auf wenigen Einzelin­
Deutschland beginnt das vordere Mittelfeld, be­
dikatoren beruhende Schieflage und deuten keinen
stehend aus Irland, den Niederlanden, den USA,
generellen Verlust der Leistungsfähigkeit im gesam­
Österreich und Schweden, und erstreckt sich bis
ten Innovationssystem an – jedenfalls bisher nicht.
hin zu Dänemark, Großbritannien, Südkorea und
Seit Kurzem verfolgt das Land eine neue Strategie,
Norwegen.
die unter anderem die deutsche Hightech-Strategie
Deutschland muss den
Anspruch haben, die
führende Innovationsnation
der Welt zu werden.
zum Vorbild hat. Für die Zukunft ist von Schweden
In dieser Gruppe hat sich Irland nach seinen Kri­
daher sicherlich mehr zu erwarten als der diesjähri­
senjahren stabilisiert. Etwas anders stellt sich das
ge Platz am Ende des Verfolgerfeldes. Die Platzie­
Bild für die USA dar. Zwar ist die Wirtschaftskrise
rung Südkoreas verbessert sich in diesem Jahr.
größtenteils überwunden. Für die Innovations­
Das Land präsentiert sich als starke, aufstrebende
leistung der US-Wirtschaft bedeutet das positive
Volkswirtschaft, das jedoch seine Stärken bislang
Impulse, insbesondere für die Internetwirtschaft.
nur in wenigen Bereichen wie Informations- und
In diesem Bereich haben die USA sicher ein enor­
Kommunikationstechnologien ausspielen konnte.
mes Potenzial – nicht zuletzt aufgrund der Größe
Das Land arbeitet daran, die eigene technologische
des nationalen Marktes –, beispielsweise vor dem
Basis zu verbreitern, beispielsweise im Bereich der
Hintergrund des digitalen Wandels die Entwick­
Material- und Biotechnologie, und stellt damit seine
lung von neuen Geschäftsmodellen maßgeblich
Rolle als innovationsorientierte und entwickelte
voranzutreiben. Was die USA dabei allerdings
Volkswirtschaft unter Beweis. Südkoreas leicht
bremsen könnte, ist der relative Stillstand in zwei
verbesserter Indexwert resultiert insbesondere
19
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
China verfehlt
den Anschluss ans
Mittelfeld.
aus dem verbesserten Ergebnis beim Subindikator
men seines Innovationssystems in den vergange­
Wissenschaft. Mit Ausnahme der internationalen
nen Jahren vorzeigen kann. Zwar gab es Ansätze
Kopublikationen verbesserte sich Südkorea in allen
zur Dezentralisierung auch der Innovationspolitik
anderen Teilbereichen des Subindikators Wissen­
bzw. der innovationspolitischen Instrumente sowie
schaft. Besonders gute Werte erreicht Südkorea
einen Versuch zur Stärkung gerade von kleinen
bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung
und mittelständischen Unternehmen (KMU),
in öffentlichen Forschungseinrichtungen sowie
beispielsweise durch eine steuerliche Förderung
bei den Patentanmeldungen aus der öffentlichen
der Ausgaben für Forschung und Entwicklung.
Forschung.
Auch in der öffentlichen Forschung wollte man mit
der Auflösung der Grands Programmes und der
Das hintere Mittelfeld beginnt mit Australien, Is­rael
Gründung der Agence Nationale de la Recherche
und Kanada. Auch Frankreich gehört zu dieser
(ANR) eine stärkere Anwendungsorientierung
Gruppe, da es noch keine messbaren Verbesse­
erreichen. Insgesamt ist es aber nicht gelungen,
rungen durch seine – meist halbherzigen – Refor­
die eingefahrenen Strukturen in Wissenschaft und
Wirtschaft aufzubrechen. Frankreich kommt damit
nicht von der Stelle und fällt im internationalen
Vergleich in längerer Perspektive zurück.
Gesamtranking der Länder 2000–2014
Rang
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
2000
Schweiz
Schweden
USA
Finnland
Belgien
Singapur
Israel
Kanada
Frankreich
Deutschland
Niederlande
Dänemark
Großbritannien
Norwegen
Japan
Australien
Österreich
Irland
Südkorea
Taiwan
Tschechien
Russland
Ungarn
Spanien
Indien
Italien
Polen
Indonesien
China
Griechenland
Portugal
Brasilien
Mexiko
Türkei
Südafrika
2005
Schweiz
Schweden
USA
Finnland
Singapur
Niederlande
Kanada
Dänemark
Belgien
Deutschland
Norwegen
Großbritannien
Österreich
Israel
Frankreich
Australien
Irland
Japan
Südkorea
Taiwan
Tschechien
Spanien
Ungarn
Indien
Italien
China
Russland
Polen
Portugal
Griechenland
Südafrika
Indonesien
Brasilien
Mexiko
Türkei
2010
Schweiz
Singapur
Schweden
Deutschland
Finnland
Niederlande
Norwegen
Österreich
USA
Belgien
Kanada
Taiwan
Dänemark
Frankreich
Großbritannien
Australien
Irland
Südkorea
Israel
Japan
Tschechien
Ungarn
Spanien
Portugal
China
Italien
Indien
Russland
Polen
Griechenland
Indonesien
Südafrika
Brasilien
Mexiko
Türkei
2013
Schweiz
Singapur
Finnland
Belgien
Schweden
Deutschland
Norwegen
Niederlande
Irland
Großbritannien
Taiwan
Dänemark
USA
Österreich
Kanada
Australien
Frankreich
Südkorea
Israel
Japan
Tschechien
Spanien
Portugal
China
Ungarn
Italien
Russland
Griechenland
Polen
Südafrika
Indonesien
Türkei
Indien
Brasilien
Mexiko
Taiwan ist in diesem Jahr deutlich zurückgefallen.
2014
Schweiz
Singapur
Finnland
Belgien
Deutschland
Irland
Niederlande
USA
Österreich
Schweden
Dänemark
Großbritannien
Südkorea
Norwegen
Australien
Israel
Kanada
Frankreich
Taiwan
Japan
Tschechien
Portugal
Spanien
Ungarn
Italien
China
Polen
Russland
Griechenland
Türkei
Südafrika
Indonesien
Brasilien
Indien
Mexiko
Der Verlust hängt mit der direkten Abhängigkeit
vom kriselnden China und zunehmenden Schwä­
chen in den Bereichen Bildung und Staat zusam­
men. Ebenfalls am unteren Endes des hinteren
Mittelfelds liegt Japan. Diese Platzierung mag
dem gängigen Bild einer besonders innovations­
orientierten Nation widersprechen. Die Ursachen
sind – wie schon in den Vorjahren – sehr niedrige
Werte in den Bereichen Gesellschaft und Wissen­
schaft, in denen sich die geringe internationale
Vernetzung des Landes widerspiegelt.
China verfehlt Anschluss
Das deutlich abgeschlagene Feld der Nachzügler
besteht aus süd- und osteuropäischen Ländern:
Tschechien, Portugal, Spanien, Ungarn und Italien.
China verfehlt weiterhin den Anschluss ans Mittel­
feld. Immerhin weisen dort die Outputindikatoren
leicht nach oben. Das Verhältnis zwischen Input
und Output in der dortigen Wirtschaft ist allerdings
noch nicht vollständig ausgeglichen. Insgesamt
befindet sich die Produktivität im Land weiterhin
auf niedrigerem Niveau. Die vergangenen Unter­
suchungen im Innovationsindikator hatten China
bereits einen weiten Weg bis zum Anschluss an
das Mittelfeld prognostiziert. Die aktuellen Ergeb­
nisse bestätigen diese Erwartung: China braucht
weiterhin Anstrengungen und strukturelle Anpas­
sungen im Forschungs- und Wissenschaftssys­
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
20
tem. Polen und Russland eröffnen mit deutlichem
und erreichen einen Indexwert von 0. Das bedeu­
Abstand zu China eine Gruppe von Ländern, der
tet, dass sie im Durchschnitt der 38 Einzelindika­
bisher nur eine geringe Innovationsleistung attes­
toren nicht das Niveau des schlechtesten Landes
tiert werden kann. Auch Griechenland gehört hier
aus der Referenzgruppe (USA, Japan, Deutsch­
dazu. Dahinter reihen sich die Türkei, Südafrika
land, Großbritannien, Frankreich, Italien, Schweiz)
und Indone­sien ein. Schlusslichter sind Mexiko,
erreichen.
Indien und Brasilien. Diese drei Länder fallen im
interna­tionalen Vergleich sogar noch weiter zurück
Exkurs
Sensitivitätsanalyse
Die Ergebnisse und Rankings von Komposit­
indikatoren hängen stark von den gewählten
­A ggregationsgewichten ab. Daher ist es von
großer Bedeutung, die Robustheit der erzielten
Ergebnisse bei einer Veränderung der zugrunde
gelegten Gewichte zu untersuchen.
Hierfür werden Sensitivitätsanalysen durchge­
führt, bei denen anstelle einer Gleichgewichtung
Zufallsgeneratoren die Gewichtung bestimmen.
Es ergeben sich zufällige Gewichtskonstellationen
mit der Bedingung, dass die eingesetzten Gewich­
te allesamt Werte größer null annehmen, die zu
einem jeweils spezifischen Ranking der Länder
führen.
Dieses Ranking, das sich bei der zufälligen Ge­
wichtung ergibt, wird aufgezeichnet und der Vor­
gang viele Male wiederholt. Am Ende erhält man
auf diese Weise simulierte Schwankungsinter­valle
für die Rankings der einzelnen Länder, die es er­
möglichen, die Robustheit der Ergebnisse zu un­
tersuchen. Es bilden sich weitgehend unabhängig
von der jeweiligen Gewichtung deutlich erkennba­
re Zuordnungen zu gewissen Gruppen an Volks­
wirtschaften heraus. Es lässt sich also mit großer
Sicherheit sagen, dass ein Land zum Beispiel zu
der Verfolger oder der Spitzengruppe zählt.
Ergebnisse der Sensitivitätsanalysen zur Gewichtung
der Einzelindikatoren des Innovationsindikators
Land
Schweiz
Singapur
Finnland
Belgien
Deutschland
Irland
Niederlande
USA
Österreich
Schweden
Dänemark
Großbritannien
Südkorea
Norwegen
Australien
Israel
Kanada
Frankreich
Taiwan
Japan
Tschechien
Portugal
Spanien
Ungarn
Italien
China
Polen
Russland
Griechenland
Türkei
Südafrika
Indonesien
Brasilien
Indien
Mexiko
Rang
21
1
3
5
7
9
11
13
15
17
19
21
23
25
27
29
31
33
35
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
Ein komplexes
Zusammenspiel
Die Subindikatoren für Innovationsleistung
22
Kluge Wissenschaftler, eine umtriebige Wirtschaft und eine Gesellschaft,
die neuen technischen Entwicklungen und Innovationen gegenüber
aufge­schlossen ist: Es gibt zahlreiche Einflussfaktoren der Innovationsfähigkeit eines Landes. Fünf Subsysteme im Innovationsindikator spiegeln
diese Vielschichtig­keit wider und ermöglichen einen differenzierteren
Vergleich zwischen ver­schiedenen Ländern.
Wirtschaft
Die Stärken der deutschen Wirtschaft wie die Ex­
porte und technologiebasierte Neuerungen spie­
Die Wirtschaft ist der Dreh- und Angelpunkt des
geln sich in den guten Ergebnissen verschiedener
Innovationssystems. Für diesen Bereich führt
Einzelindikatoren wie den Patentanmeldungen
der Innovationsindikator entsprechend auch die
oder der Wertschöpfung je Arbeitsstunde wider.
meisten Einzelindikatoren zusammen. Hier liegt
die Schweiz ganz deutlich vorne. Das Land konnte
in dieser Kategorie gegenüber dem Vorjahr weiter
zulegen – entgegen dem schweizerischen Ge­
samttrend über alle Indikatoren hinweg. Die Wirt­
schaft der Schweiz stützt den Spitzenplatz in der
Ergebnis des Subindikators Wirtschaft
Gesamtwertung weiterhin als wesentliche Säule.
Rang
Allerdings zeigen auch die anderen Teilbereiche,
dass die Schweiz in jeder Hinsicht ein Innova­
tionssystem auf hohem Niveau besitzt.
Es beginnt mit Südkorea ein sehr breites Mittel­
feld. Auch in der Gesamtwertung zieht die starke
Wirtschaft Südkorea deutlich nach oben. Anders
als die Schweiz hat Südkorea allerdings ein weni­
ger herausragendes Profil in anderen Bereichen
des Innovationssystems, sodass es im Gesamtver­
gleich nur für das obere Mittelfeld reicht.
Im vorderen Bereich und ebenfalls mit einer inno­
vationsstarken Wirtschaft finden sich die USA. Die
hohe Punktzahl in diesem Subindikator passt zwar
in das Bild, das häufig von den USA gezeichnet
wird. Das Potenzial der US-amerikanischen Wirt­
schaft zur Entwicklung und Umsetzung von neuen
Geschäftsmodellen ist sicherlich enorm. Allerdings
repräsentiert die Wirtschaft alleine nicht die Inno­
vationsfähigkeit eines Landes. Für mittel- bis lang­
fristige Erfolge bei Innovationen sind auch andere
Teilbereiche von Bedeutung. In den vergangenen
Jahren haben die USA bei einigen Subindikatoren
im Vergleich zu anderen Ländern an Boden verlo­
ren, insbesondere in der Wissenschaft.
Auch für Deutschland sind die hier vorliegenden
Ergebnisse ein Beleg für eine ausgeprägte Inno­
vationsorientierung der Wirtschaft und eine hohe
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
Indexwert
Schweiz
Südkorea
USA
Taiwan
Israel
Deutschland
Belgien
Norwegen
Irland
Japan
Singapur
Schweden
Finnland
Österreich
Niederlande
Dänemark
Frankreich
Großbritannien
Australien
Kanada
Ungarn
Tschechien
Spanien
Portugal
Russland
China
Südafrika
Italien
Türkei
Indonesien
Griechenland
Indien
Polen
Brasilien
Mexiko
70
58
58
57
57
56
56
55
55
53
53
52
51
50
50
47
46
44
37
37
31
30
27
21
20
20
16
15
15
11
8
6
6
6
1
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
Leistungsfähigkeit im internationalen Vergleich.
23
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
0
Die japanische
Wirtschaft gerät
unter Druck.
Belgien, Norwegen und Irland liegen auf einem
Spanien auf Platz 23 hält den Anschluss an diese
ähnlichen Niveau wie Deutschland oder die USA.
Gruppe und setzt sich mit deutlichem Abstand von
Die Abstände zwischen den direkt hinter der
Portugal, Russland und China ab, die allesamt ein
Schweiz liegenden Ländern sind sehr gering: Irland
ähnliches Niveau erreichen. China kann die Inno­
auf Platz 9 und Südkorea auf Rang 2 trennen
vationsfähigkeit seiner Wirtschaft nicht ­deutlich
lediglich drei Punkte. Bereits etwas abgesetzt
und nachhaltig verbessern. Das wirkt sich negativ
von den unmittelbaren Verfolgern findet sich eine
auf die Gesamtentwicklung Chinas aus. Auch der
Gruppe bestehend aus Japan, Singapur, Schweden
angestrebte Umbau der Wirtschaft hin zu einer
sowie Finnland, Österreich und den Niederlanden.
innovationsorientierten Volkswirtschaft dürfte sich
Diese Länder zeichnen sich durch eine hohe Stabi­
unter diesen Voraussetzungen schwierig gestalten.
lität in ihren Kennzahlen aus. Einzige Ausnahme ist
Auf China folgen Südafrika, Italien und die Türkei
Japan, das in der Wirtschaft zurückfällt. Sie ist dort
auf einem ähnlichen Niveau. Die Länder ­haben
2014 deutlich geschrumpft, verschiedene Einzelin­
einigen Abstand zu Indonesien und einen deut­
dikatoren ebenfalls.
lichen Abstand zu den letztplatzierten Ländern
­Griechenland, Indien, Polen, Brasilien und ­Mexiko.
Das Ende des Mittelfelds bilden Dänemark, Frank­
reich und Großbritannien. Erst mit einem Abstand
von sieben Punkten folgen dann Australien und
Wissenschaft
Kanada – die wiederum deutlich vor Ungarn und
Tschechien liegen. Beide Länder behalten zwar
Das Wissenschaftssystem ist ebenfalls eine
ihre jeweilige Position, doch die Wirtschaft hat
tragende Säule jedes Innovationssystems: Das
dort merklich an Innovationsstärke eingebüßt.
grundlegende Wissen, aus dem Unternehmen
Die schweizerische Wirtschaft bleibt das Nonplusultra im Innovationsindi­
kator. Hier eine Szene aus
dem Labor des Technolo­
gieunternehmens Sias, das
auf Entwicklung, Enginee­
ring und Produktion von
automatisierten Pipettierrobotern spezialisiert ist.
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
24
Innovationen entwickeln können, stammt häufig
aus der Wissenschaft. Zwischen Wirtschaft und
Wissenschaft finden essentielle Wissens- und
Technologietransfers statt. Außerdem ist die
Wissenschaft ein Faktor für die Ausbildung von
Personal in Forschungs- und Entwicklungsabtei­
lungen von Unternehmen.
Im Vergleich der Wissenschaftssysteme stehen
Dänemark und Singapur an der Spitze. Dahin­
ter folgt die Schweiz, die lange auf dem ersten
Platz stand, nun aber ihre Führung eingebüßt
hat, nachdem in den vergangenen Jahren be­
reits einige Länder deutlich aufgeholt hatten. Das
hohe Niveau bei der Anzahl der Forschenden,
den Ausgaben für die öffentliche Forschung und
bei der Bewertung durch Experten hat das Land
nicht gehalten. Spitzenreiter Dänemark hingegen
legt bei Einzelindikatoren wie den Patenten aus
öffentlicher Forschung zu und rückt damit im
Subindikator Wissenschaft an die Spitze. Alle drei
Länder liegen zwar beieinander und deutlich vor
der Verfolgergruppe bestehend aus Schweden,
Finnland, den Niederlanden und Belgien. Zwi­
schen Belgien und dem dahinterliegenden Öster­
reich auf Platz 8 liegt schon ein gewisser Abstand.
Mit einem Indexwert von insgesamt 63 Punkten
erreicht die Alpenrepublik den gleichen Wert wie
Deutschland.
Deutschland hält das dritte Jahr in Folge sein
Niveau in der Wissenschaft, aber ohne weiteren
Ergebnis des Subindikators Wissenschaft
Rang
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
Indexwert
Dänemark
Singapur
Schweiz
Schweden
Finnland
Niederlande
Belgien
Österreich
Deutschland
Norwegen
Australien
Frankreich
Irland
Großbritannien
Südkorea
Kanada
USA
Israel
Portugal
Tschechien
Taiwan
Japan
Spanien
Ungarn
Italien
Griechenland
Südafrika
Indonesien
China
Türkei
Russland
Polen
Mexiko
Indien
Brasilien
Aufwärtstrend. Ein Schritt in die richtige Richtung
92
92
88
71
71
70
68
63
63
62
60
56
55
54
52
52
49
45
40
35
34
32
28
24
19
16
8
6
0
0
0
0
0
0
0
0
ist die Verlängerung der Pakte, für deren Beurtei­
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
lung es derzeit allerdings noch zu früh ist, sowie
die Einigung zwischen Bund und Ländern in
Finanzierungsfragen. Die Voraussetzungen für eine
zukunftsorientierte Zusammenarbeit von Bund
weitere Herausforderungen, die eine zusätzliche
und Ländern bietet die Grundgesetzänderung3 des
Niveauerhöhung erschweren. Die Fokussierung
Art. 91 b Anfang 2015. Das modifizierte Gesetz
auf Exzellenz begleitet von einer leistungsori­
ermöglicht nun eine langfristige Förderung von
entierten Mittelvergabe hat in den vergangenen
Hochschulen nicht nur durch die Länder, sondern
Jahren zwar zugenommen. Dennoch besteht hier
auch durch den Bund.
auch im internationalen Vergleich noch Luft nach
oben. Leistungsanreize sollten auf allen Ebenen
Wichtig ist, dass Deutschland bei seinen Anstren­
konsequent gestärkt werden. Hinzu kommt die
gungen im Bereich Wissenschaft, Forschung
Herausforderung, den zahlreichen jungen Wissen­
und Entwicklung auf keinen Fall nachlässt,
schaftlern mehr Eigenständigkeit bei der Entwick­
sonst wäre schnell ein Abstieg im internationa­
lung eigener Forschungsprofile zu bieten. Hierzu
len Vergleich der Innovationssysteme zu erwar­
könnten insbesondere vollwertige Tenure-Track-
ten. Neben der Finanzierung gibt es heute aber
Systeme beitragen.
25
3www.bmbf.de/de/17975.php
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
Hinter Deutschland im unteren Mittelfeld finden
und bekannter Forschungsuniversitäten sehr viel
sich Norwegen und Australien sowie mit etwas Ab­
Mittelmaß. Ankündigungen der Obama-Regierung
stand auch Frankreich, das gemeinsam mit Irland,
zu innovationspolitischen Zielen wie der Nutzung
Großbritannien, Südkorea und Kanada zu einer
neuer Produktionstechnologien (National Strategic
Gruppe von Ländern mit ähnlicher Leistungsfähig­
Plan for Advanced Manufacturing) könnten jedoch
keit der Wissenschaftssysteme zusammengefasst
Verbesserungen für das Wissenschaftssystem
werden kann. In den USA setzt sich der langfristige
bedeuten. Die Indexwerte nehmen bei den nach­
Abwärtstrend des Wissenschaftssystems – nach
folgenden Ländern rapide ab. Israel steht mit 45
zuletzt stabilen Ergebnissen in diesem Subindi­
Punkten auf dem 18. Rang hinter den USA, jedoch
kator – weiter fort. Hauptgrund für das insgesamt
klar vor Portugal. Portugal wiederum hat einen
schlechte Abschneiden ist die schwache Leistung
deutlichen Vorsprung auf die Länder Tschechien,
großer Teile der Hochschulen. In den USA folgt
Taiwan und Japan. Dahinter folgen Spanien, Un­
auf eine kleine Gruppe international führender
garn, Italien und Griechenland sowie mit weiterem
Abstand Südafrika und Indonesien.
Bildung
Ergebnis des Subindikators Bildung
Rang
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
Das Bildungssystem schafft die Basis für Wirt­
Indexwert
Schweiz
Singapur
Finnland
Irland
Südkorea
Kanada
Deutschland
Belgien
Taiwan
Großbritannien
Österreich
Australien
Japan
Polen
Niederlande
USA
Dänemark
Frankreich
China
Tschechien
Schweden
Norwegen
Portugal
Israel
Italien
Ungarn
Russland
Spanien
Südafrika
Türkei
Mexiko
Indien
Indonesien
Griechenland
Brasilien
schaft und Wissenschaft, indem es grundlegen­
72
69
des Wissen vermittelt und die berufliche Ausbil­
dung organisiert. Die Schweiz und Singapur liegen
61
57
in diesem Subindikator an der Spitze und haben
54
51
50
50
48
48
48
46
einen deutlichen Abstand zu Finnland, Irland und
Korea. Dahinter folgt eine Gruppe an Ländern, zu
denen auch Deutschland gehört. Diese sind: Ka­
nada, Belgien, Taiwan, Großbritannien, Österreich
und schließlich Australien, deren Bildungssysteme
in Summe eine ähnliche Leistungsfähigkeit errei­
chen und ähnliche Beiträge zur Innovationsfähig­
42
39
39
keit leisten.
36
35
34
33
33
31
30
Nachdem das Bildungssystem über viele Jahre die
vergleichsweise größte Schwachstelle im Inno­
vationssystem der Bundesrepublik war, zeigten
sich zuletzt positive Entwicklungen. Offensichtlich
haben Neuerungen wie die Reformen der Lehrplä­
ne und die Erweiterung des Betreuungsangebots,
21
20
18
16
13
auch im Bereich Ganztagsschule, bereits Früchte
getragen. Der Indikator zur Expertenbewertung des
deutschen Bildungssystems hat sich ebenso wie
die PISA-Ergebnisse verbessert. Bewährte Stärken
9
0
0
0
0
0
0
0
0
in Deutschland sind unter anderem die duale Be­
rufsausbildung sowie die Anzahl der Promotionen
in den technisch-naturwissenschaftlichen Fächern
geblieben. Allerdings ist das Demografie-Problem
gerade bei den Hochqualifizierten weiterhin akut.
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
0
10
20
30
40
50
Zudem gibt es in Deutschland deutlich weniger
Beschäftigte mit einem Hochschulabschluss als in
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
26
60
Auszubildende bei Rolls
Royce in Deutschland:
Eine der Stärken des
deutschen Bildungssys­
tems ist nach wie vor die
duale Berufsausbildung.
anderen Ländern. Dies wird zwar zum Teil durch
Dänemark, Frankreich, China und Tschechien.
die hoch qualifizierten beruflichen Abschlüsse
Norwegen und Schweden schließen das Mittel­
aufgewogen. Mit Blick auf die neuen Themen
feld. Die Platzierung Schwedens hat ihre Ursache
und Technologien wie Digitalisierung, Industrie
in zu geringen Investitionen in das Bildungssys­
4.0 oder auch neue Materialien, gepaart mit der
tem. In der dortigen aktuellen öffentlichen Debat­
demografischen Entwicklung, könnten fehlende
te ist von einem Qualitätsverfall die Rede. Eine
Hochqualifizierte – also Hochschulabsolventen
Gruppe von Nachzüglern in Sachen Bildungssys­
und auch Meister und Techniker – ein Hemm­
tem wird von Portugal, Israel und Italien gebildet.
schuh sein. Auch wenn die längerfristigen Ent­
Es folgen Ungarn, Russland und Spanien. Die
wicklungen insgesamt erfreulich sind: Ein Index­
Bildungssysteme der übrigen Volkswirtschaften
wert von 50 Punkten und ein deutlicher Abstand
lassen sich anhand der hier verwendeten Indikato­
zu den führenden Ländern sind für den Innova­
ren nicht vergleichend bewerten.
In Schweden ist von
einem Qualitätsverfall
im Bildungssystem
die Rede.
tionsstandort Deutschland kein befriedigendes
Niveau. Wirtschaft und öffentliche Forschung sind
auf gut qualifiziertes Personal angewiesen, denn
Staat
nur so können sie ihre internationale Wettbe­
werbsfähigkeit aufrechterhalten.
Der Staat schafft wesentliche Rahmenbedingun­
gen für Innovationen auf verschiedenen Wegen:
Hinter Australien folgt das untere Mittelfeld ange­
führt von Japan, knapp vor Polen und den Nieder­
landen. Bereits etwas abgesetzt findet sich eine
sehr heterogene Gruppe bestehend aus den USA,
27
durch direkte und indirekte Forschungsförde­
rung in Wissenschaft und Wirtschaft,
staatliche Nachfrage nach neuen Technologien
und innovativen Produkten,
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
Regulierung und Steuerung sowie
land an. In Deutschland haben Bund wie Länder
Bereitstellung von Infrastrukturen.
die Rahmenbedingungen für Innovationen durch
wirksame Maßnahmen verbessert. Sie haben sich
Nach den Ergebnissen des diesjährigen Innova­
vornehmlich auf die öffentliche Forschungsförde­
tionsindikators hat Singapur – mit klarem Vor­
rung konzentriert. Bessere Bedingungen gerade
sprung vor Finnland – die günstigsten Vorausset­
für kleine und mittlere Unternehmen zu schaffen,
zungen für Innovationen. Besonders förderlich
bleibt aber weiterhin eine wichtige Aufgabe. Das
sind die hohen Investitionen in Wissenschaft und
diesjährige Fokusthema dieser Studie zu kleinen
Bildung sowie ein insgesamt sehr leistungsstarkes
und mittleren Unternehmen analysiert die Situation
Bildungssystem. Dahinter schließt sich mit deut­
in Deutschland genauer und liefert auch konkrete
lichem Abstand eine Gruppe bestehend aus den
Ansatzpunkte für politisches Handeln.
Niederlanden, der Schweiz, Kanada und Deutsch­
Hinter Deutschland reihen sich Frankreich, Bel­
gien und Norwegen ein, gefolgt von Österreich
und den USA. Letztere liegen knapp vor Japan,
Südkorea und Dänemark. China befindet sich auf
dem 20. Platz. Zwar weist das Land eine ausge­
Ergebnis des Subindikators Staat
Rang
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
prägte staatliche Nachfrage nach Hochtechnolo­
gien auf, doch die FuE-Investitionen in der
Indexwert
Singapur
Finnland
Niederlande
Schweiz
Kanada
Deutschland
Frankreich
Belgien
Norwegen
Österreich
USA
Japan
Südkorea
Dänemark
Taiwan
Irland
Schweden
Australien
Großbritannien
China
Tschechien
Polen
Spanien
Portugal
Israel
Russland
Ungarn
Türkei
Italien
Indien
Indonesien
Südafrika
Mexiko
Griechenland
Brasilien
öffent­lichen Forschung sind zu gering. Selbst die
84
steuerliche Forschungsförderung erzielt keine hin­
73
reichenden Effekte mehr. Es folgen ­Tschechien,
62
61
60
59
56
55
55
Polen, Spanien, Portugal und Israel. Russland,
Ungarn, die Türkei, Italien, Indien und Indone­
sien liegen deutlich hinter den anderen Ländern
zurück. Südafrika, Mexiko, Griechenland und
Brasilien sind die Schlusslichter.
51
51
50
48
47
Gesellschaft
43
40
38
37
37
36
33
In ihrer neuen Hightech-Strategie betont die Bun­
desregierung stärker als bisher die Bedeutung von
Transparenz und Partizipation für ein erfolgreiches
Innovationssystem. Auch der Innovationsindikator
bezieht gesellschaftliche Faktoren in die Bewer­
tung mit ein. Der Grund: Offenheit gegenüber
29
26
25
23
22
neuen Technologien und ein öffentliches Interesse
an Innovationen sind nicht nur für die Akzeptanz
und die Verbreitung von innovativen Produkten
und Dienstleistungen relevant. Bereits für die
18
Phase der Ideen- und Wissensgewinnung ist eine
15
15
15
gesellschaftliche Aufgeschlossenheit gegenüber
Technik und Innova­tionen erforderlich.
9
0
0
0
0
0
Eine direkte Messung der Affinität oder beispiels­
weise der Risikobereitschaft von Gesellschaften
wäre wünschenswert. Leider lassen sich diese Di­
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
0
10
20
30
40
50
mensionen international vergleichend nur schwer
messen. Als Anzeichen für den Beitrag und die
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
28
60
Bedeutung von gesellschaftlichen Faktoren für
Innovation können stattdessen die folgenden vier
Einzelindikatoren dienen:
Der Anteil der Postmaterialisten gibt an, wie weit
die Präferenzen von Konsumenten in Richtung
Qualität und Produktdifferenzierung gehen –
beides wichtige nachfrageseitige Faktoren.
Die Frauenerwerbsbeteiligung ist relevant, da
sie über die Nutzung des vorhandenen kreati­
ven und innovativen Potenzials in der Bevölke­
rung Auskunft gibt.
Die Pressemeldungen zu Wissenschaft und
Technik zeigen, welche Bedeutung diese The­
men in der breiten Öffentlichkeit haben.
Die Lebenserwartung hat an zwei Stellen
Rückwirkungen auf die Innovationsfähigkeit
und -orientierung. Zum einen ist sie ein Indi­
kator für die Produktivität und Erfahrung der
Menschen, die beide wichtig für erfolgreiche
Innovationen sind. Zum anderen trägt eine
hohe durchschnittliche Lebenserwartung zu
einer höheren Wertschätzung von Qualitätsund langfristigen Investitionsaspekten anstelle
von kurzfristigen Konsum­aspekten bei.
Gesellschaftliche Veränderungen treten nur sehr
langsam ein. Entsprechend sind die Platzierun­
gen im Subindikator Gesellschaft zumindest im
vorderen Bereich recht stabil. Großbritannien
liegt mit der Schweiz und Australien an der Spit­
ze. Im Verfolgerfeld finden sich Kanada, Finnland
sowie Schweden. Das vordere Mittelfeld beginnt
mit Belgien und auch Frankreich, Israel, die USA
und Norwegen können dazugerechnet werden.
Ergebnis des Subindikators Gesellschaft
Rang
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
Indexwert
Großbritannien
Schweiz
Australien
Kanada
Finnland
Schweden
Belgien
Frankreich
Israel
USA
Norwegen
Deutschland
Dänemark
Irland
Österreich
Italien
Niederlande
Spanien
Portugal
Singapur
Japan
Griechenland
Südkorea
Tschechien
China
Russland
Südafrika
Taiwan
Türkei
Polen
Mexiko
Indien
Indonesien
Ungarn
Brasilien
76
74
73
68
66
63
58
55
53
51
51
49
48
47
47
46
45
44
32
29
29
23
18
7
2
1
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
Deutschland ist im anschließenden breiten
Mittelfeld zu finden, das heißt, es bestehen hier
noch deutliche Verbesserungspotenziale, was
die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für
Großbritannien, Finnland, Italien und Belgien,
Innovationen angeht. Ebenfalls im Mittelfeld
während insbesondere die asiatischen Länder hier
liegen Dänemark, Irland, Österreich, Italien,
niedrigere Werte aufweisen. Demgegenüber weist
die Niederlande und schließlich auch Spanien.
Japan die höchste Lebenserwartung auf, gefolgt
Nachzügler sind Portugal, Singapur, Japan, Grie­
von Spanien und der Schweiz. Bei der Frauen­
chenland und Südkorea. Deutlich zurück liegen
erwerbstätigkeit sind es die skandinavischen
­Tschechien, China und Russland.
Länder, die besonders hervorstechen, aber auch
China und Singapur liegen weit vorne.
Am Teilbereich Gesellschaft fällt auf, dass die
angelsächsischen Länder die vorderen Plätzen
erreichen, während die asiatischen hinten landen.
Hohe Werte bei den Postmaterialisten erzielen
29
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
Fokus KMU: Große
Vielfalt bei den Kleinen
Die Rolle von kleinen und mittelständischen
Unternehmen im Innovationssystem
32
Kleine und mittlere Unternehmen gelten als Rückgrat der Wirtschaft.
Zwar ist fast jeder zweite Hidden Champion in Deutschland angesiedelt.
Doch insgesamt spielen KMU hierzulande eine nachgeordnete Rolle im
Innovationssystem.
Unternehmen bestimmen das Innovationsgesche­
Kleine Weltmarktführer
hen in einem Land ganz wesentlich. Sie erkennen
den Bedarf für Neuerungen in anderen Unterneh­
Der dritte Teil befasst sich mit einer Gruppe von
men und bei Konsumenten, sie entwerfen inno­
mittelständischen Unternehmen, die sich durch
vative Lösungen und entwickeln neue Produkte,
besonders viel Erfolg auf internationalen Märkten
Prozesse und Geschäftsmodelle. Die wichtigste
auszeichnen. Sie behaupten auf ihrem Gebiet die
Ressource dafür sind kreative und kompeten­
Technologieführerschaft und können sich welt­
te Mitarbeiter – die im Zusammenspiel mit der
weit als bedeutende Anbieter durchsetzen. Diese
Wissenschaft und Geschäftspartnern Innovatio­
kleinen Weltmarktführer werden auch Hidden
nen entwickeln. Die Fähigkeit der Unternehmen,
Champions genannt, da sie der breiten Öffent­
solche Prozesse effektiv und effizient zu gestalten,
lichkeit meist wenig bekannt sind. Teil vier stellt
ist häufig ein entscheidender Faktor für den Erfolg
die Lage in Deutschland der in Japan gegenüber.
von Innovationen.
Japan weist eine ähnliche Wirtschaftsstruktur
4
und Exportorientierung wie Deutschland auf
Zur Innovationsleistung der Wirtschaft tragen
und ist daher ein prädestiniertes Vergleichsland.
sehr viele Unternehmen bei – von großen global
Beim Beitrag der KMU zum internationalen Er­
orientierten Konzernen bis zu kleinen Familien­
folg unterscheiden sich die beiden Länder aber
unternehmen und Start-ups. In der öffentlichen
­deutlich: E
­ iner großen Zahl exportstarker KMU
Wahrnehmung stehen meist die ganz großen
aus Deutschland stehen nur sehr wenige japa­
Unternehmen mit weltweit bekannten Produkten
nische KMU mit Auslandsaktivitäten gegenüber.
im Mittelpunkt. Doch viele Innovationen stammen
Der Abschnitt erläutert, warum dies so ist.
Viele Innovationen
stammen aus kleinen
und wenig bekannten
Unternehmen.
aus kleinen und wenig bekannten Unternehmen.
Das diesjährige Fokusthema des Innovations­
KMU sind außerdem für die Entwicklung und Ver­
indikators untersucht die Rolle mittelständischer
breitung neuer Technologien von Bedeutung. Ihre
Unternehmen für die Innovationsleistung Deutsch­
Rolle im Innovationssystem ist dabei weniger in
lands.
der Hervorbringung grundsätzlich neuer Techno­
logien zu sehen, sondern in der Anwendung neuer
Der erste Teil beschäftigt sich damit, welchen An­
Technologien für spezialisierte Einsatzbereiche.
teil kleine und mittlere Unternehmen (Erläuterung
Marktchancen bieten sich für sie besonders dann,
siehe Folgeseite) an Forschung und Innovation
wenn neue Einsatzgebiete für Technologien zu­
haben. Danach geht es um kleine und mittlere
nächst nur einen begrenzten Umsatz versprechen
Unternehmen, die ohne interne FuE-Aktivitäten
und diese Märkte daher für große Unternehmen
innovativ sind. Ein großer Teil der deutschen
wenig attraktiv sind.
Mittelständler erzielt Innovationserfolge auch
ohne formale Forschung und Entwicklung (FuE).
Allerdings handelt es sich dabei keineswegs um
eine homogene Gruppe mit identischen Erfolgsre­
zepten. Gerade diese Unterschiede bieten Ansatz­
punkte für eine zielgerichtete Innovations- und
Förderpolitik.
33
4 Der Begriff „Hidden Champions“ wurde von
Hermann Simon im Jahr 1990 geprägt (H. Simon,
Hidden Champions: Speerspitze der deutschen
Wirtschaft, Zeitschrift für Betriebswirtschaft
Nr. 60, Heft 9, S. 875-890).
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
wirtschaftlichen FuE-Intensität leistet. In diesen
Teil 1
Ländern sind KMU somit eine wesentliche Säule
Innovationsleistung von KMU
im internationalen Vergleich
USA und Japan ist die Lage anders, die FuE-Aus­
des Innovationssystems. In Deutschland, den
gaben der KMU sind wesentlich geringer: in den
USA nur 0,37 Prozent des BIP, in Deutschland
0,31 Prozent und in Japan 0,24 Prozent. In
diesen Volkswirtschaften scheint die Dominanz
Ein Indikator für die relative Bedeutung, die KMU
der Großunternehmen auf die FuE-Aktivitäten der
im Innovationssystem haben, ist ihr Anteil an den
KMU zurückzuwirken. Denn große Unternehmen
FuE-Ausgaben in der Wirtschaft. Hier zeigen vor
verfügen am Arbeitsmarkt für Hochqualifizierte
Kleine und mittlere Unternehmen wurden von
allem jene Länder hohe Werte, deren Wirtschafts­
über die bessere Ausgangsposition. Dank ihres
der EU definiert als Unternehmen mit weniger als
struktur stark kleinbetrieblich geprägt ist und die
höheren Bekanntheitsgrads (employer branding),
250 Beschäftigten und weniger als 50 Millionen
nicht über global tätige, innovationsstarke Kon­
ihrer attraktiveren Aufstiegschancen und umfang­
Euro Jahresumsatz, die nicht zu 25 Prozent oder
zerne verfügen. Anders sieht es bei den USA, in
reicheren Sozialleistungen haben sie im Wettbe­
mehr im Besitz von Großunternehmen sind.
Japan, Deutschland, Schweden und Südkorea aus:
werb um die talentiertesten Mitarbeiter gegenüber
In Deutschland wird häufig eine abweichende
Sie sind Heimat einer Vielzahl sehr großer, innova­
KMU klare Vorteile.
Was sind KMU?
Definition angewendet, die Unternehmen bis zu
tiver Unternehmen, wodurch der Anteil der KMU
500 oder gar bis zu 1.000 Beschäftigten ein­
an den FuE-Ausgaben rechnerisch gering ausfällt.
schließt. Schließlich gibt es in Deutschland noch
Patentanmeldungen zeigen
Innovationsoutput an
den Begriff der mittelständischen Wirtschaft, der
In Deutschland gaben Unternehmen mit weniger
auch größere Unternehmen einschließt, wenn sie
als 500 Beschäftigten im Jahr 2011 rund 8,3 Mil­
typische Organisationsmerkmale von kleineren
liarden Euro für interne FuE aus. Das sind 16 Pro­
Die Bedeutung von KMU für die Ergebnisse, die
Unternehmen aufweisen, wie zum Beispiel dass
zent der gesamten internen FuE-Ausgaben in der
aus FuE entstehen, zeigt sich unter anderem an
die Unternehmensleitung in den Händen einer
deutschen Wirtschaft. KMU mit weniger als 250
ihrem Beitrag zu den Patentanmeldungen eines
Familie liegt. In diesem Berichtsteil werden KMU
Beschäftigten haben sogar lediglich einen Anteil
Landes. Ein Blick auf die Anmeldungen an trans­
in der Regel der EU-Definition folgend abge­
von 11 Prozent an diesen Gesamtausgaben. Eine
nationalen Patentämtern (EPO und PCT-Verfahren
grenzt. Da manche Statistiken diese Definition
niedrigere Quote weist nur Japan mit einem Anteil
an der World Intellectual Property Organization)
von 9 Prozent für Unternehmen mit weniger als
zeigt für die meisten Länder etwas höhere An­
abweichende Abgrenzungen
500 Beschäftigten auf. In den USA tragen Unter­
teilswerte von KMU im Vergleich zum KMU-Anteil
verwendet werden.
nehmen mit unter 500 Beschäftigten 19 Prozent
an den FuE-Ausgaben. Dies ist in erster Linie auf
der FuE-Ausgaben, in Schweden, Südkorea und
die unterschiedlichen Abgrenzungen von KMU
Taiwan liegt der Anteil bei rund 27 Prozent.
zurückzuführen: In der FuE-Statistik sind die
nicht anwenden, müssen teilweise davon
Ausgaben von KMU, die Teil eines Konzerns sind,
Beitrag von KMU zur FuE-Intensität
diesem Konzern zugeordnet. In der Patentstatistik
wird dagegen auf die Größe des jeweils anmelden­
den Unternehmens abgestellt.
Der Beitrag von KMU zur FuE-Intensität einer
5 Südkorea ist ein Sonderfall, da der größte Teil
der FuE-Aktivitäten in südkoreanischen KMU an
Großunternehmen angebunden ist, sei es über Konzernverflechtungen, sei es über Zulieferfunktionen.
So ist auch die Patentleistung der südkoreanischen
KMU eher gering und nur wenige haben es zu einer
starken internationalen Präsenz gebracht.
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
Volkswirtschaft ist das Verhältnis zwischen FuE-
Der höhere KMU-Anteil bei den Patentanmeldun­
Ausgaben und Bruttoinlandsprodukt (BIP) und
gen zeigt aber auch, dass KMU mehr Patente je
zeigt die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der
Euro an FuE-Ausgaben erzielen. Diese höhere
FuE-Tätigkeit von KMU an. Hier erreichen Öster­
„FuE-Produktivität“ spiegelt zum einen die größere
reich, die Schweiz, Dänemark, Finnland, Singapur
Umsetzungseffizienz in KMU wider. Flexibilität,
und Südkorea5 besonders hohe Werte. Die FuE-
kurze Entscheidungswege und der Fokus auf we­
Ausgaben der KMU machen in diesen Ländern
nige Vorhaben tragen dazu wesentlich bei. Aber
zwischen 0,75 und 0,88 Prozent des BIP aus.
auch der Umstand, dass FuE-Projekte in KMU
häufig kurzfristiger orientiert und technologisch
Der Anteil ist in einigen Ländern – Südkorea,
weniger anspruchsvoll sind, spielt eine Rolle.
Österreich, Schweiz und Singapur – fast so hoch
wie der Beitrag, den die Wissenschaft zur gesamt­
34
In Deutschland wurden in den Jahren 2010 bis
KMU-Anteil an den FuE-Ausgaben der Wirtschaft
Verteilung der FuE-Ausgaben der Wirtschaft
nach Unternehmensgröße (2012)
lag bei 16 Prozent. Im internationalen Vergleich
Land
2012 rund 24 Prozent der transnationalen Pa­
tente6 von KMU angemeldet. Zum Vergleich: Der
ist der Beitrag von KMU zum Patentgeschehen
gering: Nur Japan weist einen niedrigeren Anteils­
wert auf (9 Prozent). Südkorea und Frankreich
kommen auf ähnliche KMU-Anteile. In den USA
hingegen betrug der Anteil der KMU an allen
transnationalen Patentanmeldungen des Landes
31 Prozent. Zu den Ländern, in denen KMU einen
hohen Anteil Patente anmelden, zählen Norwe­
gen, Australien, Indonesien, Israel und Portugal.
Der Wert liegt dort deutlich über 50 Prozent.
Schwellenländer legen stark zu
In der Mehrzahl der Länder nahmen die transna­
tionalen Patentanmeldungen der KMU im ver­
gangenen Jahrzehnt überproportional stark zu.
Am höchsten war das Wachstum in China und
der Türkei. Allerdings ist die Qualität der Patente
aus diesen Ländern oft nicht sehr hoch. Auch in
anderen Schwellenländern wie Brasilien, ­Indien,
Anteil in Prozent
Griechenland*
35
28
21
16
Niederlande*
41
21
25
13
Norwegen*
41
21
30
8
Spanien
32
23
24
11
11
Singapur
30
9
36
11
14
Tschechien
31
13
30
13
13
Portugal
33
16
23
16
12
Ungarn
37
24
20
4
15
Polen
37
12
23
13
15
Australien
46
22
14
10
8
Kanada
46
21
17
9
8
Belgien
43
11
23
12
11
Österreich
43
12
20
13
12
Schweiz*
61
12
16
11
Dänemark
54
15
12
11
8
Großbritannien* 6
62
21
11
Italien
53
9
14
12
13
Finnland*
68
12
10
10
Frankreich*
68
11
13
8
Taiwan
61
4
13
11
11
Südkorea
69
11
11
5
4
Schweden
65
6
12
9
8
USA
77
7
8
5 3
Deutschland
78
4
7
5
6
Japan
85
1 4 4
6
Indonesien und Mexiko erhöhten KMU ihre in­
0
ternational orientierten Patentaktivitäten kräftig.
Anzahl der Beschäftigten
Zuvor lag der Anteil dort auf einem sehr niedrigen
Niveau. Ost- und südeuropäische Länder weisen
0–49
10
20
50–249
30
250–499
40
500–999
50
60
70
80
90
100
>1.000
ebenfalls hohe Wachstumsraten auf. Dies zeigt,
dass sich dort in den vergangenen Jahren ein in­
novativer Sektor von KMU herausgebildet hat, der
* FIN, FRA, GBR, GRE, NED, NOR, SUI: Keine getrennten Angaben für 500–999 Beschäftigte und
1000+ Beschäftigte verfügbar.
zur Modernisierung der Länder und zur Stärkung
AUS, AUT, BEL, DEN, GER, GRE, NED, SGP, SWE, USA: 2011; JPN, KOR, TWN: 2013.
ihrer Innovationsfähigkeit beiträgt.
Quelle: OECD: Research and Development Statistics. – Berechnungen des ZEW.
Eine unterdurchschnittliche Patentdynamik zeigen
dagegen die KMU in den meisten asiatischen
Ländern, darunter Japan, Singapur, Südkorea,
Die geringe Patentdynamik der KMU in den hoch
Indien und Taiwan. Ähnlich ist die Lage in den
entwickelten Industrieländern ist vor dem Hin­
USA, Kanada sowie einigen besonders innovati­
tergrund eines bereits sehr hohen Niveaus an
onsintensiven europäischen Ländern wie Schwe­
Patentaktivitäten zu sehen. Die Patentintensität
den und Dänemark. In Deutschland stiegen die
von KMU – also das Verhältnis zwischen der
Patentanmeldezahlen von KMU um 1,7 Prozent
Anzahl transnationaler Patentanmeldungen durch
pro Jahr – sie lagen damit über dem durchschnitt­
KMU und der Einwohnerzahl eines Landes – ist in
lichen Wachstum von 1,3 Prozent und über dem
der Schweiz mit 20 Patenten je 100.000 Einwoh­
Wachstum der Patentanmeldungen von Groß­
nern am höchsten. Dahinter folgen Israel mit 15,
unternehmen.
Schweden mit 14 und Finnland mit 13 Patent­
anmeldungen je 100.000 Einwohner. Die KMU in
Deutschland liegen mit einer Patentintensität von
35
6 Transnationale Patente bezeichnen Patente, die am
Europäischen Patentamt oder bei der World Intellectual Property Organization in Genf angemeldet sind.
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
KMU erzielen höhere Erträge
je eingesetztem Euro
Anzahl transnationaler Patentanmeldungen von KMU
je 100.000 Einwohner (Durchschnitt 2010–2012)
Ein weiterer Aspekt der Innovationsleistung von
KMU ist ihr Beitrag zu Produktinnovationen. Der
Land
Schweiz
Israel
Schweden
Finnland
Dänemark
Norwegen
Österreich
Deutschland
Niederlande
Belgien
Südkorea
USA
Großbritannien
Australien
Kanada
Frankreich
Irland
Italien
Singapur
Japan
Spanien
2,1
Taiwan
2,0
Tschechien
1,3
Ungarn
1,1
Portugal
0,9
Polen
0,6
Griechenland
0,5
Türkei
0,4
China
0,4
Russland
0,3
Südafrika
0,3
Brasilien
0,1
Indien
0,1
Mexiko
0,1
Indonesien
0,0
0
2
Umsatz, den Unternehmen mit neuen Produkten
19,6
erzielen, ist ein wesentlicher, direkter Outputin­
14,8
dikator der Innovationsaktivitäten von Unterneh­
13,7
13,2
12,3
men. Der Anteil von Unternehmen mit weniger als
250 Beschäftigten am gesamten Neuproduktum­
10,6
10,4
satz der deutschen Wirtschaft lag im Durchschnitt
der Jahre 2008 bis 2012 bei 18 Prozent. Dieser
8,7
8,2
Anteil ist höher als der KMU-Anteil an den FuE-
7,5
Ausgaben, der bei 11 Prozent lag. Dieser höhere
6,7
Anteil korrespondiert mit dem höheren Anteil, den
5,4
5,0
4,9
4,7
4,5
4,5
4,4
4,2
KMU an den Patentanmeldungen haben.
Die beiden unterschiedlichen Werte unterstrei­
chen, dass KMU je aufgewendetem Euro für FuE
tendenziell höhere Erträge erzielen als Großun­
ternehmen. In Bezug auf den Umsatz mit Pro­
3,5
duktinnovationen liegt dies daran, dass viele KMU
weniger stark auf grundlegende Neuerungen
setzen. Innovationen stellen häufig schrittweise
Verbesserungen und Anpassungen an spezifische
Kundenwünsche dar. Dementsprechend ist der
Anteil der KMU am gesamten Umsatz mit Nach­
ahmerinnovationen in Deutschland mit 19 Prozent
höher als am gesamten Umsatz mit Marktneuhei­
ten (16 Prozent). Dieses Ergebnis zeigt sich nicht
nur für Deutschland, sondern für die meisten
europäischen Länder.7
In Deutschland ist der KMU-Anteil am gesamten
4
6
8
10
12
14
16
18
20
0
2
4
6
8
10
Neuproduktumsatz der Wirtschaft im internatio­
nalen Vergleich eher niedrig. Hohe KMU-Anteile
Transnationale Patentanmeldungen: Anmeldungen am EPO und über das PCT-Verfahren.
Quelle: EPA: Patstat. – Berechnungen des Fraunhofer-ISI.
zeigen Großbritannien, die Türkei und Italien
sowie einige kleinere, innovationsstarke Länder. In
den meisten süd- und osteuropäischen Ländern
tragen KMU im Vergleich zu ihren recht hohen
Anteilen an den FuE-Ausgaben der Wirtschaft nur
unterdurchschnittlich zum Neuproduktumsatz bei.
Dies lässt darauf schließen, dass sie Schwierigkei­
8,7 an achter Stelle des Rankings. Damit befinden
ten bei der Vermarktung ihrer Innovationen haben.
sie sich hinter den KMU aus Dänemark, Norwe­
7 Daten zum Umsatz mit neuen Produkten sind aus
den Community Innovation Surveys entnommen.
Vergleichbare Zahlen für nicht europäische Länder
liegen nicht vor.
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
gen und Österreich. Damit bestätigt sich das Bild,
Ein weiteres Outputmaß für die Innovationskraft
das sich bereits für die FuE-Intensität gezeigt hat:
kleiner und mittlerer Unternehmen ist der Anteil,
Die KMU aus Deutschland stehen international
den Produktinnovationen am gesamten Umsatz
keineswegs an der Spitze, sondern liegen eher im
von KMU ausmachen. Dieser Anteilswert betrug
Mittelfeld.
für KMU in Deutschland im Zeitraum 2008 bis
36
12
2012 knapp 10 Prozent. Im europäischen Ver­
gleich liegt Deutschland damit im Mittelfeld. Den
Weltmarktneuheiten: Deutschland
weit vorne
höchsten Wert, nämlich 17 Prozent, erzielten
KMU aus der Türkei. Dahinter folgen Großbritan­
Betrachtet man nur den Umsatzanteil mit Welt­
nien und Italien. Die niedrigsten Werte weisen
marktneuheiten, so ergibt sich gleich ein ganz
Polen, Griechenland, Norwegen und Ungarn mit
anderes Bild: Hier liegen die deutschen KMU an
Werten zwischen 5 und 7 Prozent auf. Auffällig für
der Spitze. Im Jahr 2012 hatten 5,9 Prozent aller
Deutschland ist, dass der Umsatzanteil, der auf
KMU in Deutschland eine Weltmarktneuheit in ih­
Marktneuheiten zurückgeht, mit 2 Prozent beson­
rem Produktangebot. Nur KMU aus Norwegen und
ders niedrig ist. Allerdings ist der niedrige Wert
den Niederlanden erreichen höhere Werte. In der
nicht zwangsläufig eine Schwachstelle der deut­
Türkei, die beim Umsatzanteil mit Marktneuheiten
schen KMU. Vielmehr deutet er auf ihre stärkere
vorne liegt, führten nur 0,5 Prozent der KMU eine
Weltmarktorientierung hin. Denn in Deutschland
Weltmarktneuheit ein. Während in Deutschland
sind Marktneuheiten von KMU oft Neuheiten für
fast jedes zweite KMU mit Marktneuheiten zumin­
den Weltmarkt. In vielen anderen Ländern stel­
dest eine Weltmarktneuheit eingeführt hat, liegt
len sie lediglich eine Neuheit für den regionalen
dieser Anteil in den meisten anderen Ländern zwi­
oder nationalen Markt dar. Und am Weltmarkt
schen 20 und 35 Prozent. Ungarn, Griechenland,
hohe Umsatzanteile mit Neuheiten zu erzielen, ist
die Türkei und Polen weisen bei dieser Quote sogar
weitaus schwieriger als in einem regional einge­
nur wenige Prozent auf. Allerdings liegen zu diesem
grenzten Markt.
Indikator für einige Länder, darunter Finnland,
Viele KMU aus
Deutschland haben
Weltmarktneuheiten
eingeführt.
Großbritannien, Schweden und die Schweiz, keine
Angaben vor.
Ein automatisches Füt­
terungssystem von Lely
versorgt Kühe im Stall.
Kleine und mittelständi­
sche Unternehmen aus
den Niederlanden liegen
bei Weltmarktneuheiten
mit an der Spitze. Viele
entstehen im Agrar­
bereich.
37
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
Fazit: Gruppe der KMU ist
heterogen
Der Anteil der innovativen KMU ohne eigene
FuE blieb in den vergangenen rund zehn Jahren
weitgehend stabil. Er variiert allerdings merklich
Zusammenfassend erweist sich die Innovations­
nach Branchen und Größenklassen. Sehr hoch ist
leistung von KMU in Deutschland keinesfalls als
er in Branchen, in denen generell wenig für FuE
herausragend: Sowohl bei FuE-Ausgaben wie bei
ausgegeben wird. Doch selbst in den forschungs­
Patenten und Neuproduktumsätzen liegen sie im
intensiven Industriebranchen weist rund ein Viertel
Vergleich mit anderen Ländern im Mittelfeld. Zwar
der Innovatoren keine eigenen FuE-Aktivitäten auf.
sind auch in Deutschland KMU umsetzungsstärker
In den wissensintensiven Dienstleistungen inno­
als Großunternehmen. Doch die höhere Effizienz ist
vierte etwa jedes zweite KMU, ohne selbst FuE zu
kein Alleinstellungsmerkmal deutscher KMU, an­
betreiben. In den nicht wissensintensiven Dienst­
dere Länder sind hier oft deutlich besser. Ande­
leistungen führt nur jeder fünfte Innovator Neue­
rerseits verfügt Deutschland über eine Gruppe
rungen auf Basis eigener FuE ein. Der Anteil der
international besonders erfolgreicher innovativer
Unternehmen, die ohne eigene FuE Innovationen
KMU. Denn beim Umsatzanteil mit Weltmarktneu­
einführen, nimmt zu, je kleiner das Unternehmen
heiten liegen deutsche KMU vorn. Insofern sollte
ist: In der Gruppe der Unternehmen mit fünf bis
nicht von „den KMU“ gesprochen werden. Ihre
neun Beschäftigten liegt er bei 65 Prozent; bei
Gruppe ist heterogen: Neben sehr leistungsfähigen
Großunternehmen mit 1.000 oder mehr Beschäf­
Unternehmen gibt es viele, die im internationalen
tigten bei etwas mehr als 20 Prozent.
Vergleich eher mittelmäßig abschneiden.
Innerhalb der Industrie ist der Anteil der Innovato­
ren ohne eigene FuE in der Chemie- und Pharmain­
dustrie am niedrigsten. Er liegt bei rund 10 Prozent.
In anderen forschungsintensiven Branchen liegt er
Teil 2
Innovative KMU
ohne eigene FuE
bei rund 20 Prozent, beispielsweise in Bereichen
wie Elektronikindustrie sowie Bahn-, Schiff- und
Flugzeugbau. Im Automobilbau innoviert sogar
ein Drittel der Unternehmen ohne eigene FuE. In
vielen nicht-forschungsintensiven Branchen haben
über 60 Prozent der Innovatoren ihre Innovationen
ohne eigene FuE eingeführt. Vertreter dieser Bran­
Rund die Hälfte der
deutschen KMU sind
innovativ ohne eigene
FuE-Aktivitäten.
Wer von innovativen KMU spricht, hat meist das
chen sind die Nahrungsmittel-, Holz-, Leder- und
Bild eines kleinen Unternehmens vor sich, das mit
Druckindustrien. Nicht forschungsintensive kleine
hoher FuE-Intensität kontinuierlich an der Lösung
und mittlere Unternehmen finden sich somit zu re­
technologischer Probleme forscht, neue Technolo­
levanten Teilen in allen Branchen des verarbeiten­
gien entwickelt und diese verwendet, um innovati­
den Gewerbes und entwickeln erfolgreich Produkt-
ve Produkte auf den Markt zu bringen. Zweifelsfrei
und Prozessinnovationen.
gibt es viele KMU, die auf diesem Weg innovativ
sind. Doch sie stellen nicht die Mehrheit.
Etwa 55 Prozent aller KMU in Deutschland mit
Innovationskraft beruht auf
unterschiedlichen Strategien
Produkt- oder Prozessinnovationen weisen näm­
lich gar keine unternehmensinternen FuE-Aktivitä­
Die empirischen Befunde sprechen somit gegen
ten auf. Diese KMU innovieren somit ohne eigene
ein einheitliches Innovationsverhalten von KMU –
FuE. Dieser Teil des Fokusthemas widmet sich der
genauso wie die Erkenntnisse der betrieblichen
Frage, wie diese KMU, ohne selbst in FuE-Aktivi­
Innovationsforschung. Die gängige Lehrmeinung
täten zu investieren, dennoch erfolgreich Innova­
erklärt Unterschiede in der Wettbewerbs- und
tionen hervorbringen können.
Innovationsfähigkeit heute vorrangig aus einer
ressourcenorientierten Sichtweise. Demzufol­
ge besteht der nachhaltige Wettbewerbsvorteil
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
38
eines Unternehmens im Bündeln von strategisch
auch Hightech-Komponenten wie mikroelektro­
relevanten Ressourcen. Dazu zählen materielle
nische Bauteile oder neue Materialien ent­
Ressourcen wie Technologien und immaterielle
halten. Entsprechend der hohen Komplexität
Ressourcen wie Wissen und Kompetenzen. Auch
dieser Produkte erhalten Kunden umfassende,
Routinen, über die das Unternehmen verfügt,
produktbegleitende Serviceleistungen. Die
zählen dazu. Durch die strategische Kombina­
hohe Wissensintensität spiegelt sich in einem
tion dieser Ressourcen und Handlungsroutinen
hohen Anteil an Arbeitskräften mit Hochschul­
entsteht ein Wettbewerbsvorteil. Die Komplexität
abschluss, in einer hohen Bedeutung interner
und organisatorische Verankerung im Unterneh­
und externer Wissens- und Impulsquellen für
men machen es für Wettbewerber schwer, diesen
Innovationen sowie in häufigen Innovations­
Vorteil zu kopieren.
kooperationen mit Hochschulen und anderen
Unternehmen wider. Das innovationsrelevante
Die vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten dieser
Wissen ist dementsprechend eher formalisiert
unterschiedlichen materiellen und ­immateriellen
und von wissenschaftlichem Charakter. Diese
Ressourcen – im Sinne einer „Unternehmens-
KMU erzielen hohe Umsatzanteile mit Pro­
DNA“ – führen im Idealfall zu einzigartigen Inno­
duktinnovationen, darunter auch häufig mit
vationsstrategien. Strukturelle Regelmäßigkeiten
Neuheiten, die sie als erster Anbieter im Markt
innerhalb dieser Innovationsstrategien lassen sich
einführen. KMU, die diesem Typ angehören,
zu „Innovationsmustern“ verdichten. Merkmale,
sind häufig Systemzulieferer in den Bereichen
die solche Innovationsmuster prägen, umfassen
Maschinenbau, Optik sowie Mess-, Steuer- und
die Außenorientierung eines Unternehmens, die
Relevanz unterschiedlicher Arten von Innovations­
Regelungstechnik.
(2)Kundengetriebener, technischer Prozess­
wissen, unterschiedliche Kundenanforderungen,
spezialist: Dieses Innovationsmuster von KMU
die Bedeutung moderner Technologien in Pro­
zeichnet sich durch einen überdurchschnitt­
duktentwicklung und Produktion sowie die Art und
lich starken Einsatz moderner Produktions­
Weise der Produktions- und Arbeitsorganisation.
technologien aus, beispielsweise Hochleis­
Innovationsmuster von KMU unterscheiden sich
folglich durch die technischen und nicht techni­
schen Innovationskompetenzen der Unternehmen,
den Einsatz moderner Fertigungs- und Produk­
tionstechnologien, das Angebot produktbegleiten­
der Dienstleistungen, die Einbindung in Netzwerke
Anteil von Innovatoren ohne eigene FuE in Deutschland
(Mittelwert der Jahre 2011–2013)
und Partnerschaften oder die Form der flexiblen
und effizienten Gestaltung interner Prozesse.
Fünf Typen von innovativen
KMU ohne eigene FuE
Basierend auf repräsentativen Betriebsdaten von
etwa 1.500 KMU aus dem verarbeitenden Ge­
werbe in Deutschland lassen sich anhand der
unterschiedlichen Innovationsressourcen und
-kompetenzen fünf Innovationsmuster von nicht
forschungsaktiven KMU identifizieren:
(1)Wissensintensiver Produktinnovator: Das
Innovationsverhalten in dieser Gruppe ist trotz
fehlender FuE durch ein hohes Maß an Wis­
Anteil in Prozent
insgesamt
forschungsintensive Industrie
sonstige Industrie
wissensintensive Dienstleistungen
sonstige Dienstleistungen
5–9 Beschäftigte
10–19 Beschäftigte
20–49 Beschäftigte
50–99 Beschäftigte
100–249 Beschäftigte
250–499 Beschäftigte
500–999 Beschäftigte
1000+ Beschäftigte
55
45
24
76
55
49
45
51
79
21
65
35
56
51
48
44
49
52
36
34
29
64
66
71
22
0
10
78
20
Innovatoren ohne FuE
30
40
50
60
70
80
90
100
Innovatoren mit FuE
sensintensität gekennzeichnet. Der Fokus liegt
auf der Entwicklung neuer Produkte, die häufig
39
Quelle: Mannheimer Innovationspanel, ZEW
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
tungswerkzeugmaschinen, Industrieroboter
Materialien. Produktbegleitende Dienstleis­
oder Automatisierungsanlagen. Für die meist
tungen im Bereich der technischen Doku­
großen OEM-Kunden entwickeln und realisie­
mentation und Projektierung runden die
ren sie komplexe und hoch anspruchsvolle
Leistungspalette ab. Die kleinen und mittleren
Herstellungsprozesse, die in hohem Maße an
Unternehmen dieses Typs erreichen eine hohe
Spezifikationen und Wünsche der Kunden
Termintreue und eine hohe Qualitätsperfor­
angepasst sind. Innovationstreiber sind somit
mance. In der Wertschöpfungskette sind diese
überwiegend Kunden. Eigene Innovations­
nicht forschungsaktiven KMU häufig Teile-
ideen gibt es zwar in vielen Fällen, diese
und Komponentenzulieferer. Sie finden sich
lassen sich aufgrund der hohen Kundenab­
bevorzugt in der Automobilindustrie sowie der
hängigkeit jedoch meist nicht selbst vorantrei­
ben. Ein wesentlicher interner Erfolgsfaktor
Herstellung von Gummi- und Kunststoffwaren.
(3)Konsumgüterhersteller mit (gelegentlicher)
für diese Art der Innovation ist das unterneh­
Produktentwicklung: Die nicht forschungs­
mensinterne Prozess- und Erfahrungswissen
aktiven KMU in dieser Gruppe betreiben eine
der Beschäftigten in Konstruktion, Werk­
gelegentliche Produktentwicklung. Deren
zeugbau oder -produktion, auch bei An- und
Produktkomplexität ist hinsichtlich der Anzahl
Ungelernten. Bei Bedarf ergänzen gezielte
an „Bauteilen“ eher gering. Jedoch basie­
Kooperationen mit externen Partnern in For­
ren viele Produkte auf durchaus komplexen
Seilproduktion bei Liros:
schung und Entwicklung externes Wissen.
Rezepturen und vielfältigen Ausgangsmate­
Das mittelständische
Dazu zählen beispielsweise Kooperationen im
rialien, beispielsweise in der Nahrungs- und
Unternehmen aus Ober-
Bereich neuer Produktionsverfahren oder
Getränkeindustrie. Im Vordergrund stehen
franken verkauft seine
Produkte in ganz Europa.
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
40
schrittweise Verbesserungsinnovationen.
die sich besonders in einem hervorragenden
Dementsprechend spielen produktbegleitende
Preis-Leistungs-Verhältnis sowie einer gro­
Dienstleistungen meist keine Rolle. Auch die
ßen Volumenflexibilität am Markt äußert. Um
kundenspezifische Anpassung der Produkte ist
diese Ziele zu erreichen, setzt dieser KMU-Typ
eher die Ausnahme. Meist wird ein standardi­
überdurchschnittlich häufig innovative Orga­
siertes Grundprogramm gefertigt, aus dem der
nisationskonzepte und Managementmethoden
Kunde dann unterschiedliche Varianten wählen
ein. Die Entwicklung eigener, neuer Produkte
kann. Erfolgsfaktoren für Innovationen sind das
findet hingegen selten statt; vorhandene Pro­
Know-how der eigenen Beschäftigten sowie
dukte weisen eher eine mittlere Komplexität auf.
der Fokus auf nicht technische Innovationsfel­
Dem Angebot an produktbegleitenden Dienst­
der wie Produktdesign und Marketing. Durch
leistungen, beispielsweise bei Verpackung, Lo­
den oft hohen Automatisierungsgrad bzw. die
gistik oder Vertrieb, kommt hingegen eine hohe
Prozessgüterfertigung bieten sich nur wenige
Bedeutung zu. Es handelt sich häufig um Teile-
Einsatzmöglichkeiten für innovative organisato­
und Komponentenzulieferer, die gleichermaßen
rische Konzepte. Jedoch erreicht dieser KMU-
in forschungsintensiven wie nicht forschungs­
Typ kurze Fertigungsdurchlaufzeiten sowie
intensiven Industriebranchen zu finden sind.
eine hohe Gesamtfaktorproduktivität. Dieses
Innovationsmuster findet sich häufig in der
Nahrungs-, Getränke- und Bekleidungsindus­
Unterschiedliche Wege zum Erfolg
trie, der Möbelbranche sowie bei Herstellern
von Sportgeräten und Musik­instrumenten.
(4)Schwach-innovative, arbeitsintensive (Lohn-)
Wichtig zu betonen ist an dieser Stelle, dass alle
geschilderten Innovationsmuster trotz – oder
Fertiger: Dieser Typ nicht forschungsaktiver
gerade wegen – ihrer unterschiedlichen Ressour­
KMU entwickelt überwiegend keine eigenen
cenkombinationen ökonomisch erfolgreich sein
Produkte und Dienstleistungen, sondern dient
können. Zu jedem KMU-Typ lassen sich Unter­
seinen Kunden als „verlängerte Werkbank“ für
nehmen finden, die ein hohes Umsatzwachstum
arbeitsintensive oder aufwendige Fertigungs­
und eine positive Beschäftigungsentwicklung auf­
schritte wie das Galvanisieren oder Schweißen.
weisen. In allen fünf Typen sind exportaktive KMU
Der Personalanteil in Fertigung und Montage
zu finden, die durchschnittliche Exportquote liegt
ist besonders hoch. Entsprechend der Markt­
je nach Typ zwischen 16 und 28 Prozent.
Zu jedem KMU-Typ
lassen sich Unternehmen
finden, die ein hohes
Umsatzwachstum
aufweisen.
positionierung spielt eine kundenindividuelle
Fertigung, oft „nach Zeichnung“, häufig eine
Die beispielhafte Darstellung dieser unterschiedli­
wichtige Rolle. Die Innovationsleistung dieser
chen Innovationsmuster von nicht forschungsak­
KMU besteht vor allem in der kundenspezifi­
tiven KMU im verarbeitenden Gewerbe Deutsch­
schen Anpassung von Produkten. Die Pro­
lands macht deutlich, dass die häufig verwendete
duktion der eher wenig komplexen Bauteile
statistische Abgrenzung von KMU allein anhand
erfolgt meist auf standardisierten Maschinen
der Größe nicht in der Lage ist, die Vielfalt unter­
und Anlagen. Nur selten kommen avancierte
schiedlicher Strategien und Verhaltensweisen von
Produktionstechnologien oder neue Formen
KMU wiederzugeben. Einerseits sind die unter­
der Arbeits- und Produktionsorganisation zum
schiedlichen Innovationsmuster von KMU trotz der
Einsatz. Solche Unternehmen sind häufig
fehlenden eigenen FuE-Aktivitäten durchaus inno­
Lohnfertiger in Branchen wie der Metaller­
vativ und wettbewerbsfähig. Der Verzicht auf FuE
zeugung und -bearbeitung aber auch in der
stellt somit eine ökonomisch rationale Strategie für
Automobilindustrie.
diese Unternehmen dar. Sie vermeidet die hohen
(5)Volumenflexible, spezialisierte Zulieferer:
Kosten und das hohe Risiko von FuE. Technolo­
Sowohl der Anteil von Mitarbeitern in Fertigung
gische Exzellenz wird durch eine effiziente und
und Montage als auch der Anteil gering qua­
flexible interne Organisation, ein hohes Prozess-
lifizierter und ungelernter Beschäftigter sind
Know-how, das Übertragen bestehender techno­
in dieser Gruppe bei Weitem am höchsten.
logischer Lösungen auf neue Anwendungsfelder
Es herrscht eine hohe Kundenorientierung,
oder eine starke Kundenorientierung ersetzt.
41
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
Förderung an Entwicklungswegen
ausrichten
Unternehmen Anstöße für eigene Innovationen
geben und in der Rolle als Anwender entschei­
dend zur Verbreitung neuer Technologien beitra­
Andererseits verdeutlichen die dargestellten
gen. Eine auf KMU ohne eigene FuE ausgerichtete
Innovationsmuster die Stärken und Schwächen
Innovationsförderung sollte vor allem folgende
der jeweiligen KMU, die sich in unterschiedlichen
Schwerpunkte setzen:
möglichen Entwicklungspfaden niederschlagen.
den spezifischen Bedarf dieser KMU eingeht
spielsweise zwei Entwicklungspfade an: Der erste,
(hohes Prozesswissen, Fähigkeit zur Integra­
technologisch orientierte Pfad würde bedeuten,
tion unterschiedlicher Technologien, Kombina­
dass diese Unternehmen vor allem in den Aufbau
tion von technischem und betriebswirtschaft­
von Kompetenzen und Prozess-Know-how für den
lichem Wissen). So könnten die Ausbildungs­
Einsatz moderner Produktionsanlagen investieren.
gänge in typischen Berufsfeldern sowie die
Daraus ergäbe sich eine immer stärkere Ausrich­
Curricula an Fachhochschulen entsprechend
tung hin zum technischen Prozessspezialisten.
Der zweite, nicht technische Pfad, könnte hinge­
Viele Unternehmen
verfügen nicht über die
notwendigen Prozesse,
um von Kooperationen mit
wissenschaftlichen Partnern
zu profitieren.
Sicherung eines Fachkräfteangebots, das auf
Für den Typ „(Lohn-)Fertiger“ bieten sich bei­
weiterentwickelt werden.
Unterstützungsangebote für die Entwicklung
gen den Schwerpunkt auf die Flexibilisierung und
und Implementierung von Prozessinnovationen,
Rationalisierung der Arbeits- und Produktionsor­
die keine eigene FuE-Tätigkeit des KMU vor­
ganisation und -abläufe legen. Daraus ergäbe sich
aussetzen. Im Hinblick auf deren Finanzierung
eine Entwicklung in Richtung eines spezialisierten
könnten hierfür in Zusammenarbeit mit dem
Zulieferers.
privaten und genossenschaftlichen Bankensek­
tor staatliche Kofinanzierungsmodelle ähnlich
Diese Entwicklungspfade haben auch Konsequen­
dem ERP-Innovationsprogramm erarbeitet
zen für eine KMU-orientierte Innovationspolitik. So
werden. Für eine erleichterte Erprobung und
würde eine direkte Förderung von FuE-Koopera­
erfolgreiche Umsetzung könnten diskriminie­
tionen mit wissenschaftlichen Partnern dem
rungsfreie Zugänge zu technischen Pilotan­
Typus (Lohn-)Fertiger nicht gerecht. Einerseits
lagen, Prototypen und Demonstratoren dazu
bestünde kaum Passfähigkeit mit der von ihm
beitragen, dass diese KMU Anwendungsfelder
verfolgten Innovationsstrategie, da er meist keine
neuer Technologien sowie die Machbarkeit
eigene Produktentwicklung betreibt. Andererseits
neuer Prozesse erproben können, ohne die da­
träfe die Förderung nicht die im Unternehmen
für notwendigen, oft hohen Investitionskosten
bestehenden Kompetenzen und Fähigkeiten.
So verfügen viele dieser Unternehmen gar nicht
im ersten Schritt tragen zu müssen.
Stärkung der Verwertungskompetenzen zum
über die notwendigen Prozesse, Schnittstellen
Beispiel durch Unterstützungsangebote für
und personellen Ressourcen, um von Kooperatio­
den Aufbau neuer Geschäftsmodelle und zur
nen mit wissenschaftlichen Partnern profitieren
Erschließung neuer Märkte und Kundengrup­
zu können. Anderen KMU-Typen, beispielsweise
pen. So können Wachstumspotenziale – etwa
Produktinnovatoren und technischen Prozess­
im Rahmen von Industrie 4.0 – erschlossen
spezialisten, könnte dagegen eine Kooperations­
und die Abhängigkeit von einzelnen Kunden
förderung tatsächlich nützen.
reduziert werden. Verwertungsaspekte die­
ser Art könnten beispielsweise im Rahmen
Eine zukunftsorientierte und erfolgreiche Innova­
technologischer Förderprogramme stärker als
tions- und Technologiepolitik für KMU sollte daher
bisher integriert werden.
die unterschiedlichen Innovationsmuster in den
Blick nehmen und Unterstützungsangebote für
KMU ohne eigene FuE entwickeln. Denn auch
diese KMU tragen ein Innovationsrisiko und sehen
sich verschiedenen Innovationsbarrieren gegen­
über. Und auch für ihre Innovationsmuster gilt,
dass sie den Wissensbestand erweitern, anderen
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
42
produkte und Technologien für andere Unter­
Teil 3
Hidden Champions:
mittelständische Weltmarktführer
aus Deutschland
nehmen herstellen,
die starke Innovationsorientierung und hohe
Innovationsintensität der Unternehmen,
eine Heimatmarktnachfrage, die hohe Ansprü­
che an Qualität, Technologie und Kosteneffi­
zienz stellt,
ein Binnenmarkt, der zwar groß genug ist, um
ausreichend Nachfrage für Innovationen zu
Eine Spezialität der deutschen Wirtschaft ist, dass
schaffen, jedoch zu klein, um rein binnenmarkt­
sie relativ viele innovative mittelständische Unter­
orientierte Großunternehmen heranzuziehen.
nehmen hervorgebracht hat, die besonders stark
Was zeichnet
Hidden Champions ­aus?
auf den Weltmarkt ausgerichtet sind und eine Spit­
Unter diesen Bedingungen können sich mittelstän­
zenposition auf globalen Märkten erlangt haben.
dische Unternehmen auf industrielle Nischenmärk­
Hermann Simon8 hat dieses Phänomen bereits
te konzentrieren, in denen eine genaue Kenntnis
Als mittelständische Weltmarktführer
1990 unter dem Namen „Hidden Champions“
der Kundenwünsche gefordert ist und in denen
gelten Unternehmen mit weltweit weniger als
beschrieben: Mittelständische Unternehmen mit
Kunden gleichzeitig hohe Innovationsansprüche
10.000 Beschäftigten, die primär auf internatio­
hohen Weltmarktanteilen, die zu den Technologie-
stellen. Die begrenzte Marktgröße Deutschlands im
nalen Märkten tätig sind. Zudem müssen sie in
und Innovationsführern in ihrem Bereich zählen
Vergleich zu den USA, Japan oder China bedeutet,
ihrem Hauptabsatzmarkt einen hohen Marktanteil
und die Entwicklung in ihrem Markt wesentlich
dass sie sich schon frühzeitig in Richtung Export
mitbestimmen. Weil diese traditionellen mittelstän­
orientieren. Sie erobern nicht erst dann die Aus­
­kleinen Marktvolumen – unter 200 Millionen
dischen Unternehmen auf Nischenmärkten oder
landsmärkte, wenn sie zuvor im Heimatmarkt zu
Euro pro Jahr – bei zumindest 10 Prozent liegen,
als Zulieferer tätig sind und es sich bei ihnen oft
Großunternehmen gewachsen sind.
um familiengeführte, nicht börsennotierte Unter­
haben. Der Anteil muss in Märkten mit einem
in Märkten mit 200 bis 500 Millionen Euro bei
zumindest 7. In Märkten mit 0,5 bis
nehmen handelt, führen sie quasi ein verstecktes
Um die Besonderheiten der kleinen Weltmarktfüh­
1 Milliarde Euro muss der Marktanteil zumindest
Dasein abseits der öffentlichen Aufmerksamkeit.
rer herauszuarbeiten und mit anderen Unterneh­
3 Prozent und in großvolumigen Märkten von
men zu vergleichen, müssen diese Unternehmen
mehr als 1 Milliarde Euro zumindest 1 Prozent
Eine aktuelle Zusammenstellung von Hermann
anhand bestimmter Merkmale identifiziert werden.
erreichen. Außerdem müssen die Unternehmen
Simon zeigt, dass fast die Hälfte der weltweit mehr
Die Datengrundlage bildet die Deutsche Inno­
in den vergangenen fünf Jahren überdurch-
als 2.700 Hidden Champions aus Deutschland
vationserhebung, das sogenannte Mannheimer
schnittlich stark gewachsen sein. Als Vergleichs­
kommt. Die USA erreichen gerade etwas mehr als
Innovationspanel des Zentrums für Europäische
wert gilt dafür das durchschnittliche
ein Viertel des deutschen Werts, Japan kommt
Wirtschaftsforschung. Die Definition der Hidden
Wachstum der Unternehmen ihrer
gar nur auf ein Sechstel. Eine größere Zahl von
Champions orientiert sich an der von Simon, geht
Branche in Deutschland.
Hidden Champions ist dagegen in Österreich und
an einer Stelle allerdings darüber hinaus. Denn ein
der Schweiz zu finden. Deutschland, die Schweiz
Kriterium, das bei der üblichen Diskussion zu kurz
und Österreich sind auch die drei Länder, in denen
kommt, ist das Unternehmenswachstum. Neben
diese Unternehmen in Relation zur Bevölkerung
Größe, Export- und Marktanteil ist ein überdurch­
deutlich am häufigsten anzutreffen sind. Hohe
schnittliches Wachstum daher ein weiteres Krite­
Dichten an Hidden Champions gibt es auch in den
rium, um von einem Champion zu sprechen. Auf
skandinavischen Ländern.
Basis der Hochrechnung der Innovationserhebung
gibt es in Deutschland rund 1.600 Unternehmen,
Gute Voraussetzungen
in Deutschland
die diese Kriterien erfüllen.
Die hier identifizierten Unternehmen sind relativ
klein. 21 Prozent haben zwischen 100 und 250
Die große Anzahl kleiner Weltmarktführer in
Beschäftigte, bei 20 Prozent liegt die Beschäftig­
Deutschland ergibt sich aus der Kombination meh­
tenzahl zwischen 50 und 100. Nur rund ein Viertel
rerer Besonderheiten der deutschen Wirtschaft:
weist mehr als 250 Mitarbeiter auf. Die Unterneh­
die hohe Exportorientierung,
men beschäftigen im Durchschnitt 285 Mitarbeiter
die große Bedeutung von Industrien, die Vor­
und erzielen einen Jahresumsatz von im Mittel
43
8 H. Simon (1990), Hidden Champions: Speerspitze
der deutschen Wirtschaft, Zeitschrift für Betriebswirtschaft, Nr. 60, H. 9, S. 875–890; H. Simon (1997),
Die heimlichen Gewinner: Die Erfolgsstrategien
unbekannter Weltmarktführer, Frankfurt; H. Simon
(2012), Hidden Champions – Aufbruch nach Globalia,
Frankfurt.
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
knapp 90 Millionen Euro. Damit sind sie merklich
Hidden Champions: Anzahl und relative Bedeutung
Land
kleiner als die Hidden Champions in der Zusam­
menstellung von Simon. Dies liegt zum einen da­
Anzahl (2014)
Deutschland
USA
Japan
Österreich
Schweiz
Italien
Frankreich
China
Großbritannien
Schweden
Niederlande
Polen
Südkorea
Dänemark
Belgien
Kanada
Russland
Finnland
Norwegen
Spanien
Brasilien
Australien
Andere Länder
ran, dass sich die Auswertung die Beschäftigten1.307
und Umsatzzahlen nur auf den Standort Deutsch­
366
land beziehen und Tochterunternehmen von
220
Konzernen als eigenständige Unternehmen zählen.
116
110
76
75
68
67
49
29
27
23
19
19
16
14
14
13
11
11
10
74
0
Zum anderen sind dynamische, also überdurch­
schnittlich stark wachsende Unternehmen, häufig
kleiner als bereits seit Langem etablierte und kaum
noch wachsende Weltmarktführer. Deshalb werden
sie im Folgenden mit dem Begriff mittelständische
Weltmarktführer bezeichnet.
Die relativ geringe Größe der Unternehmen bei
hohem Weltmarktanteil bedeutet, dass die meis­
ten mittelständischen Weltmarktführer in Märkten
mit einem eher geringen Nachfragevolumen tätig
sind. So liegt bei rund drei Vierteln der mittelstän­
dischen Weltmarktführer der jährliche Gesamtum­
satz in ihren Märkten unter 200 Millionen Euro.
Bei weiteren 14 Prozent beträgt das Marktvolu­
200
400
600
800
1.000
1.200
1.400
men zwischen 200 Millionen und 1 Milliarde Euro.
Diese Märkte sind für große Konzerne meist wenig
interessant, da sie geringe Möglichkeiten zur
Land
­Standardisierung von Produkten und zur Nutzung
Anzahl je 1 Mio. Einwohner
Deutschland
Schweiz
Österreich
Schweden
Dänemark
Norwegen
Finnland
Niederlande
Japan
Belgien
Italien
USA
Frankreich
Großbritannien
Polen
Südkorea
Kanada
Australien
Spanien
Russland
Brasilien
China
16,0
13,8
13,7
Die mittelständischen Weltmarktführer beschäf­
tigten 2012 zusammen rund 460.000 Personen
5,1
0
3,4
200
400
und erzielten einen Jahresumsatz von insgesamt
2,6
2,6
etwa 145 Milliarden Euro. Mehr als 85 Prozent sind
in der Industrie tätig. Rund ein Viertel kommt aus
1,7
1,7
1,7
1,2
1,2
1,1
1,1
0,7
0,5
0,5
0,4
0,2
0,1
0,1
0,1
0
von Größenvorteilen in der Produktion bieten.
dem Maschinenbau. Gut 12 Prozent stammen aus
der Metallindustrie, insbesondere der Herstellung
spezialisierter Metallteile als Zulieferkomponenten.
Weitere 11 Prozent sind in der Elektrotechnik tätig.
Jeweils 5 bis 6 Prozent kommen aus der Medizin­
technik, der Chemieindustrie und dem Fahrzeug­
bau. Damit gehören insgesamt 62 Prozent der mit­
telständischen Weltmarktführer der hochwertigen
Technologie an, also jenen Branchen, auf die die
deutsche Wirtschaft traditionell spezialisiert ist.
2
4
Quelle: Hermann Simon
6
8
10
12
14
16
In einigen Branchen wenig vertreten
Aus dem Bereich der Spitzentechnologie kom­
men nur knapp 6 Prozent der mittelständischen
Weltmarktführer. Davon sind knapp 5 Prozent im
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
44
60
Ein Beispiel für einen
Hidden Champion aus
großen Bereich Elektronik und Messtechnik tätig,
Die Bedeutung, die mittelständischen Weltmarkt­
Deutschland ist Qiagen
zu dem unter anderem Mikroelektronik, Compu­
führern in den einzelnen Branchen zukommt, vari­
aus Hilden bei Düssel­
terbau, Nachrichtentechnik, Unterhaltungselek­
iert sehr stark. Der höchste Anteil ist in den Bran­
dorf. Das Unternehmen
tronik, Mess-, Steuer- und Regelungstechnik,
chen Forschung und Entwicklung zu finden: Hier
profitiert vom boomen­
Optik und elektromedizinische Geräte zählen.
zählen fast 6 Prozent aller Unternehmen (ohne
den Biotech-Markt und
Gut 1 Prozent kommt aus der Pharmaindustrie.
Kleinstunternehmen mit weniger als fünf Beschäf­
verkauft Tests und neue
Allerdings gibt es auch eine größere Gruppe, etwa
tigten) zu den mittelständischen Weltmarktführern.
Geräte, mit denen sich
6 Prozent, von Weltmarktführern in der Branche
In der Elektrotechnik, der Pharmaindustrie und der
Krankheiten nachweisen
Forschung und Entwicklung. Dabei handelt es
Chemieindustrie sind es jeweils rund 5 Prozent.
lassen.
sich um Unternehmen, die sich primär auf die
Hohe Anteile von mittelständischen Weltmarktfüh­
Entwicklung neuer Technologien und Produkte
rern gibt es außerdem im Maschinenbau mit 4 Pro­
konzentrieren und noch nicht in die Vermark­
zent und im Fahrzeugbau mit 3 Prozent. In der
tungsphase eingetreten sind. Der größere Teil
wichtigsten Spitzentechnologiebranche, der Elek­
dieser Unternehmen ist in der Spitzentechnologie
tronik und Messtechnik, sind dagegen nur knapp
tätig, beispielsweise in Biotechnologie, Nanotech­
2 Prozent der Unternehmen Weltmarktführer.
nologie, Optik oder neuen IT-Anwendungen.
Innerhalb der Dienstleistungssektoren finden sich
Starke Marktstellung
mittelständische Weltmarktführer praktisch nur in
zwei Branchen: in der Software- und Internetbran­
Der Beitrag von mittelständischen Weltmarktfüh­
che mit 5 Prozent und bei den Ingenieurbüros, wo
rern zum deutschen Innovationssystem ist trotz
gut 1 Prozent tätig ist. In vielen Dienstleistungs­
der geringen absoluten Zahl der Unternehmen
branchen ist es für kleine Unternehmen auch
nicht zu unterschätzen. Sie repräsentieren zwar
rechtlich nur sehr schwer möglich, weltweit aktiv
nur 0,6 Prozent aller Unternehmen (ohne Kleinst­
zu sein und auf globalen Dienstleistungsmärkten
unternehmen und ohne konsumorientierte Dienst­
einen signifikanten Marktanteil zu erreichen.
leistungen). Ihr Anteil an der Beschäftigung und
am Umsatz ist mit jeweils etwa 3 Prozent bereits
45
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
Exkurs
Typologie der Hidden Champions
1.
Champions in klassischen
Unternehmen sind kontinuierliche Prozessverbes­
Nischen
serungen der entscheidende Vorteil, eingebettet in
Viele Hidden Champions sind
die Erfahrungen von Ingenieuren und Facharbei­
in einer kleinen Produktnische
tern. Wenn der Markt zu einer kleinen Nische wird,
innerhalb einer recht großen Pro­
braucht es oft gar keinen technischen Vorteil mehr.
duktgruppe tätig und können dort mittels Speziali­
Dann können allein langjährige Kundenloyalität,
sierung zum Marktführer werden. Solche Spezial­
Ersatzteilverfügbarkeit oder der weltweite Vertrieb
anwendungen sind oft nicht ökonomisch attraktiv
die Marktstellung sichern.
für Großunternehmen, da sie dort ihre Größen­
vorteile in Forschung und Entwicklung (FuE) oder
3.
Vertrieb nicht ausspielen können. Gleichzeitig sind
die nationalen Märkte für diese Anwendungen so
klein, dass quasi kein Unternehmen wirtschaftlich
und auf höchstem technischem Niveau arbeiten
kann, ohne am Weltmarkt vertreten zu sein. So
Champions in dynamischen
Märkten
Neue Hidden Champions sind
vor allem auf schnell wachsenden
Märkten zu Hause. Sie sind aber
eher eine kurzfristige Erscheinung. Denn entweder
stellt die Firma ProMinent Dosiertechnik in Heidel­
Auf Nischen spezialisiert ist zum Beispiel die
wachsen sie schnell mit dem Markt zu einem Groß­
berg Dosierpumpen her, die hochpräzise kleinste
Andritz AG aus Österreich. Ihre Untergesellschaf­
unternehmen, ein anderes Großunternehmen über­
Flüssigkeitsmengen in ein System einleiten. Mit
ten sind vielfach Weltmarktführer, beispielsweise
nimmt sie und erkauft sich dadurch Wachstum,
2.300 Beschäftigten ist die Firma mit über 50 Aus­
im Großanlagenbau.
oder sie scheitern. Diese Unternehmen stehen vor
landsvertretungen auf dem Weltmarkt präsent. Für
allem in den USA bei Unternehmensfinanzierung,
einige Produkte und Dienstleistungen ist selbst der
Politik und in der Öffentlichkeit in hohem Ansehen,
Weltmarkt klein. Bei gleichzeitig hohen technischen
Anforderungen können nur sehr wenige Unter­
nehmen oder sogar nur ein einziges in solchen
engen Märkten profitabel aktiv sein. Diese Produk­
te können Unternehmen nur anbieten, wenn der
Weltmarkt konsolidiert ist. Die Käuferseite ist häufig
da Unternehmenswachstum als Leistungskriterium
2.
Champions in schrumpfenden
und Zeichen für erfolgreiches Hightech-Unterneh­
Märkten
mertum gelten. Schnell wachsende Hochtech­
Eine andere Gruppe von Hidden
nologieunternehmen sind häufig auch ohne den
Champions operiert in einem
Aufbau von ausländischen Tochterfirmen schnell
schrumpfenden Markt. Diese
auf dem Weltmarkt vertreten. Sie nutzen innova­
durch aktive weltweite Suche nach Zulieferern der
Märkte waren in der Vergangenheit relativ groß
tive Vertriebswege wie das Internet und auslän­
treibende Faktor der Internationalisierung. Beispiele
und boten einer Vielzahl von Unternehmen auf
dische Partnerunternehmen. Eine besondere Art
für solche engen Weltmärkte sind das Engineering
nationalen Märkten Platz. Sie schrumpfen vor
der schnell wachsenden Unternehmen heißt auch
von Seilbahnen, in dem das österreichische Unter­
allem durch den technischen Fortschritt, durch
„Born global“-Unternehmen. Sie sind schon von
nehmen Doppelmayr tätig ist, oder Druckmaschi­
den bestimmte Materialien und technische Pro­
Anfang an auf dem Weltmarkt präsent und müssen
nen für Banknoten, die das deutsche Unterneh­
zesse ersetzt und auf wenige Restanwendungen
nicht den mühsamen Weg des Aufbaus von inter­
men Giesecke & Devrient anbietet.
begrenzt sind. Champions in diesen Märkten sind
nationalen Vertriebsgesellschaften gehen.
Meister des Überlebens. Richtige Weltmarktführer
Einige Unternehmensgruppen haben sich gera­
sind zunächst selten, bilden sich aber über die
Viele dieser Firmen entstehen in den USA. Die
dezu auf das weltweite Management von Markt­
Zeit dadurch heraus, dass Konkurrenten das Ge­
aggressive Wachstumsorientierung dieser Unter­
nischen spezialisiert. Die Heitkamp & Thumann
schäftsfeld verlassen und der Markt sich weltweit
nehmen und die Rolle von Venture Capital lassen
Gruppe in Düsseldorf beispielsweise übernimmt
konsolidiert. Unter den verbleibenden Unterneh­
die Bezeichnung Hidden Champions jedoch als
seit 1978 kleine Nischenanbieter in der Metall­
men können diejenigen, die aktiv in den Weltmarkt
wenig passend erscheinen. Denn sie erfreuen
umformung und fasst sie zu größeren Unter­
investieren, eine technische Vorrangstellung in eine
sich häufig großer Aufmerksamkeit am Kapital­
nehmenseinheiten zusammen. Trotz weltweiter
führende Weltmarktstellung ummünzen.
markt und arbeiten keineswegs im Verborgenen.
Produktions- und Vertriebsgesellschaften ist die
Es gibt zwar auch deutsche Beispiele wie Jamba
Gruppe mit rund 2.000 Beschäftigten insgesamt
Diese Unternehmen sind meist sehr alte, tradi­
oder Omikron. Unter den Hidden Champions
aber noch ein mittelständisches Unternehmen. Ein
tionelle Firmen. Die Produkte sind über die Jahre
in Deutschland sind junge, schnell wachsende
ähnlicher Fall ist die österreichische Andritz AG mit
immer weiter perfektionierte technische Meister­
Unternehmen aber eher die Ausnahme. Ein
24.000 Beschäftigten, deren Untergesellschaften
werke. Beispiele sind Hersteller von Musikinstru­
Grund dafür ist auch die dynamische Situation
vielfach Weltmarktführer auf ihrem Gebiet sind,
menten wie Kirchenorgeln, spezielle Glas- oder
in schnell wachsenden Märkten. Im Gegensatz
beispielsweise im Großanlagenbau. Ein Vorteil von
Lederhersteller. Der Vorteil basiert in einigen Unter­
zu den USA ist in Deutschland der Begriff des
Unternehmensgruppen ist, dass sich einige Res­
nehmen auf traditioneller Handwerkskunst, die in
Champion eher von unternehmerischer Stabilität,
sourcen für die Auslandsaktivitäten jedes Nischen­
keiner Schule mehr zu finden ist außer in der Lehr­
langfristigem und gemäßigtem Wachstum und
produktes innerhalb der Gruppe teilen lassen.
werkstatt der Unternehmen selbst. Bei anderen
evolutionärer Internationalisierung geprägt.
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
46
beträchtlich größer. Ihr Beitrag zu den Exporten
Beim Anteil der Unternehmen mit Prozessinnova­
der deutschen Wirtschaft ist mit 6,3 Prozent be­
tionen erreichen mittelständische Weltmarktführer
deutend und spiegelt die hohe durchschnittliche
einen doppelt so hohen Wert.
Exportquote von deutlich über 60 Prozent wider.
Um die Frage nach den Erfolgsfaktoren zu beant­
Gemessen an der Innovationsleistung der deut­
worten, hilft ein Vergleich zwischen mittelständi­
schen Wirtschaft ist die Bedeutung der mittel­
schen Weltmarktführern und anderen Unterneh­
ständischen Weltmarktführer noch höher. Sie
men, die ähnlich groß, in denselben Branchen
stemmen 7 Prozent der gesamten FuE-Ausgaben
aktiv und im selben Ausmaß innovativ tätig sind.9
der deutschen Wirtschaft. Zudem sind sie für
Die Unternehmen der Vergleichsgruppe unter­
knapp 6 Prozent der gesamten Innovationsaus­
scheiden sich somit nur durch eine geringe Welt­
gaben verantwortlich. Ihr Beitrag zum Umsatz
marktorientierung, einen niedrigeren (Welt-)Markt­
mit Produktinnovationen liegt bei gut 5 Prozent
anteil und ein im Mittel geringeres Wachstum. Auf
und ist damit fast doppelt so hoch wie ihr Anteil
Basis dieser vergleichenden Analyse ergeben sich
am gesamten Umsatz. Dementsprechend über­
folgende Erfolgsfaktoren:
trifft auch der Umsatzanteil, der auf Produktin­
(1)Globales Wachstum als strategisches Unternehmensziel
novationen zurückgeht, mit gut 23 Prozent den
Durchschnittswert von knapp 13 Prozent in der
Ein wesentlicher
Erfolgsfaktor ist die
starke Innovationsorientierung.
Das überdurchschnittliche Wachstum der
deutschen Wirtschaft um fast das Doppelte. Zum
mittelständischen Weltmarktführer liegt darin
Umsatz der deutschen Wirtschaft mit originär
begründet, dass Wachstum ein zentrales stra­
neuen Innovationen, sogenannten Marktneu­
tegisches Ziel ist, und sie dabei global denken.
heiten, tragen mittelständische Weltmarktführer
Ziele wie eine Verbesserung der Gewinnmarge,
6,6 Prozent bei. Betrachtet man nur den Umsatz
Umsatzerhöhung und Kostensenkung sind für
jener Marktneuheiten, die für den Weltmarkt eine
alle mittelständischen Unternehmen von hoher
Neuheit darstellen, so liegt ihr Anteil sogar bei
Bedeutung, doch für Hidden Champions hat
knapp 12 Prozent. Im Mittel machen Weltmarkt­
die Erhöhung des Marktanteils einen beson­
neuheiten 5 Prozent des Umsatzes eines mittel­
ders hohen Stellenwert. Die Erschließung neuer
ständischen Weltmarktführers aus.
Märkte in Übersee ist dabei eine wichtige Maß­
nahme zur Erreichung der Unternehmensziele.
Dazu gründen Hidden Champions häufiger
Die Erfolgsfaktoren der Champions
Tochterunternehmen außerhalb Europas.
(2)Innovativ und forschungsaktiv
Was steckt hinter dem internationalen Erfolg der
Über 80 Prozent der mittelständischen Welt­
mittelständischen Weltmarktführer? Ein wesent­
marktführer haben in den zurückliegenden drei
licher Erfolgsfaktor ist ganz offensichtlich ihre
Jahren Produkt- oder Prozessinnovationen ein­
starke Innovationsorientierung. In der Gesamtheit
geführt – das sind zehn Prozentpunkte mehr als
der deutschen Unternehmen, Kleinstunterneh­
in der Vergleichsgruppe. Ihr Innovationsprozess
men und konsumorientierte Dienstleistungen
ist gleichzeitig effizienter gestaltet. Bei ähnlich
ausgenommen, ist jedes zweite Unternehmen
hohen Ausgaben für Forschung und Entwick­
innovationsaktiv, das heißt, es unternimmt An­
lung sowie Produkteinführung erzielen die Hid­
strengungen zur Entwicklung und Einführung
den Champions höhere Umsatzerträge durch
von neuen Produkten oder Prozessen. Bei den
Innovationen, die sie als Erste auf den Markt
mittelständischen Weltmarktführern sind da­
bringen. Unter diese Innovationen fallen Markt­
gegen 90 Prozent innovationsaktiv. 55 Prozent
neuheiten und radikale Innovationen. Der Anteil
befassen sich kontinuierlich mit Forschung und
der Marktneuheiten ist unter mittelständischen
Entwicklung, im Vergleich zu nur 11 Prozent in
Weltmarktführern mit fast 53 Prozent signifikant
der deutschen Wirtschaft insgesamt. Vier von fünf
höher als in der Vergleichsgruppe. Dieser Wert
mittelständischen Weltmarktführern haben neue
geht einher mit einer stärkeren Fokussierung
Produkte jüngst eingeführt. Bei allen Unterneh­
auf kontinuierliche eigene Forschungsanstren­
men liegt dieser Anteil bei unter einem Drittel.
gungen. Drei Viertel der Unternehmen betrei­
47
9 C. Rammer, A. Spielkamp (2015), Hidden Champions – Driven by Innovation. Empirische Befunde
auf Basis des Mannheimer Innovationspanels, ZEWDokumentation 15-03, Mannheim.
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
ben kontinuierlich Forschung und Entwicklung,
(6)Know-how-Schutz durch Schnelligkeit
zudem vergeben sie häufig Aufträge in diesem
Bereich an Dritte.
Durch einen zeitlichen Vorsprung versprechen
sich mittelständische Weltmarktführer hohe
(3)Exzellentes Prozessmanagement
Effektivität zur Sicherung des Know-hows und
Mittelständische Weltmarktführer transfor­
dadurch begründete Wettbewerbsvorteile.
mieren Ideen und Wissen in marktfähige
Durch die schwer zu imitierende Gestaltung
Leistungen. 60 Prozent der Unternehmen
von Produkten und Dienstleistungen sowie
haben dazu Marketing- und Organisations­
durch Geheimhaltung bauen sie weitere Markt­
innovationen entwickelt: Sie setzen auf die
zutrittsbarrieren für Konkurrenten auf. Von den
Neuen Medien, neues Design der Produkte
rechtlichen Schutzmaßnahmen nutzen sie vor
oder Onlinevertriebskanäle. Sie suchen intern
allem Patente und den Markenschutz.
Die hohen Investitionen in
Forschung und Entwicklung
zahlen sich für die Weltmarktführer aus.
kontinuierlich nach Verbesserungen, spüren
neue Kundenbedürfnisse auf, binden nahezu
Zusammenfassend ist – neben den Führungs­
alle Mitarbeiter in den Innovationsprozess ein
qualitäten und den strategischen Maßnahmen –
und besitzen die Kompetenz, neue technische
die Innovationstätigkeit eine wesentliche Basis
Lösungen schnell nach Kundenbedürfnissen
für die starke Marktposition der mittelständischen
umzusetzen. Dabei kommen Qualitätsmanage­
Weltmarktführer. Ein Innovationsmanagement,
ment-Tools, Wissensmanagement und Formen
das Kundenanforderungen und technologische
der Arbeitsorganisation wie Jobrotation und
Möglichkeiten vereint, ist ein Geheimnis ihres
Teamwork verstärkt zum Einsatz.
Erfolgs – ein weiteres ist die Vernetzung des ei­
(4)Systematisches Wissensmanagement
genen technischen Know-hows mit ergänzendem
Zum professionellen Prozessmanagement
Wissen von Kunden und Wissenschaft. Diese
gehört die systematische interne wie exter­
Kernkompetenzen lassen sich von Wettbewer­
ne Suche nach Wissen. Basis für intra- wie
bern nur schwer nachahmen. Das Ergebnis ist,
interorganisationalen Wissens- und Techno­
dass mittelständische Weltmarktführer wirtschaft­
logietransfer ist das technikorientierte Wissen
lich deutlich erfolgreicher sind als andere mittel­
im Unternehmen. Innovationsimpulse sollten
ständische Unternehmen in ihren Branchen: Ihre
daher zuvorderst aus allen Teilen des eige­
Umsatzrendite ist um rund einen Prozentpunkt
nen Hauses kommen. An zweiter Stelle als
höher. Die hohen Investitionen in FuE- und Inno­
Impulsgeber für Innovationen stehen Kunden
vationsprojekte zahlen sich für die Weltmarktfüh­
aus der Privatwirtschaft, die frühzeitig in den
rer somit aus.
Entwicklungszyklus von Produkten eingebun­
den sind. Universitäten und Fachhochschulen
Der Grund dafür, dass es so viele und erfolgreiche
als Impulsgeber kommen danach und haben
mittelständische Weltmarktführer in Deutschland
einen vergleichbaren Stellenwert wie Messen,
gibt, liegt nicht nur in den Managementfähigkei­
Konferenzen oder Ausstellungen.
ten der Unternehmen, sondern vor allem in den
(5)Wissenschaftskooperationen
Wirtschaftsstrukturen. Deshalb ist die Sicherung
60 Prozent der mittelständischen Weltmarkt­
einer starken industriellen Basis in den derzeitigen
führer führen Kooperationen bei Projekten
Spezialisierungsfeldern der deutschen Wirtschaft
in Forschung und Entwicklung und für Inno­
Maschinenbau, Fahrzeugbau, Elektrotechnik,
vationen durch. Von Bedeutung sind dabei
Chemie, Medizintechnik, Messtechnik/Optik, Me­
universitäre und außeruniversitäre Forschungs­
tallbearbeitung so wichtig. Dafür sind die Unter­
einrichtungen. Nationale Partner haben bei
stützung der Innovationsanstrengungen der KMU,
Kooperationen in Forschung und Entwicklung
ein ausreichendes Fachkräfteangebot – sowohl
zwar einen hohen Stellenwert, allerdings spielt
was die akademische als auch was die berufliche
die regionale Nähe nur eine untergeordnete
Bildung betrifft – sowie ein funktionierender Wis­
Rolle. Häufiger als es bei Unternehmen der
sens- und Technologietransfer zwischen Wissen­
Vergleichsgruppe zu beobachten ist, kooperie­
schaft und Wirtschaft entscheidend.
ren Hidden Champions in der Forschung und
bei Innovationen mit Partnern aus Europa.
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
48
Exkurs
Kooperationen zwischen KMU und Wissenschaft
Kooperationen im Rahmen von FuE- und Inno­­va­
zentrale Vorhaben. Werden Innovationsideen
wirtschaft kooperieren, mit 34 Prozent vergleichs­
tionsprojekten sind für KMU aus mehreren Grün­
frühzeitig bekannt und von anderen Unternehmen
weise niedrig.
den von besonderer Bedeutung:
übernommen, kann das nicht nur das konkrete In­
Erstens verfügen KMU oft nur über begrenz­
novationsprojekt obsolet machen, sondern
Die starke Orientierung auf die Wissenschaft als
te interne Wissensressourcen. Aufgrund der
die künftige Wettbewerbsfähigkeit eines KMU
Kooperationspartner hängt unter anderem mit der
geringen Mitarbeiterzahl können KMU nicht
insgesamt gefährden. Von daher spielen das
öffentlichen Förderung solcher Kooperationen im
in allen für sie relevanten technischen Fel­
­Management von geistigem Eigentum und ge­
Rahmen verschiedener Programme der Länder,
dern Kompetenzen entwickeln und vorhalten.
eignete Schutzmaßnahmen eine entscheidende
des Bundes und der EU zusammen. Viele Förder­
Kooperationen erschließen komplementäre
Rolle. Im internationalen Vergleich10 zeigen KMU
programme machen eine Wissenschaftskoopera­
Wissensquellen und erweitern damit die
aus Deutschland eine insgesamt geringe Koope­
tion entweder zur Voraussetzung oder legen sol­
eigene Innovationsfähigkeit.
rationsneigung. Im Zeitraum 2010 bis 2012
che Kooperationen zumindest nahe. Eine öffent­
­arbeiteten 11,5 Prozent aller KMU in Deutschland
liche Förderung der Zusammenarbeit zwischen
zierung der Entwicklungskosten und des Ent­
mit externen Partnern in Rahmen von Innova­
KMU und Wissenschaftseinrichtungen ist in der
wicklungsrisikos aufseiten der KMU.
tionsprojekten zusammen. In anderen Ländern
Tat aus mehreren Gründen sinnvoll:
Zweitens erlauben Kooperationen die Redu­
Drittens können Kooperationen auch die Ver­
ist die Kooperationsneigung erheblich höher.
Ohne Förderung erscheinen der Wissenschaft
wertung der Innovationsergebnisse erleichtern,
In Großbritannien und Belgien beispielsweise
Kooperationen mit KMU häufig wenig interes­
wenn zum Beispiel durch die Einbeziehung
unterhalten fast ein Viertel der KMU Innovations­
sant. Die Projekte sind oft klein und kurzfristig
von Kunden, Lieferanten oder Wettbewerbern
kooperationen. Die KMU aus Deutschland, die
und widmen sich technischen Problemstellun­
neue Geschäftspartnerschaften entstehen
kooperieren, tun dies besonders häufig mit der
gen, die selten direkt mit der aktuellen (Grund­
oder neue Absatzwege erschlossen werden.
Wissenschaft. 57 Prozent der kooperierenden
lagen-)Forschungstätigkeit der Wissenschaftler
KMU aus Deutschland weisen Kooperationen mit
zusammenfallen.
Eine große Herausforderung bei FuE- und Inno­
Hochschulen auf, 40 Prozent arbeiten mit außer­
Aus Sicht der KMU müssen bei Wissen­
vationsprojekten von KMU ist der Abfluss von
universitären Forschungseinrichtungen zusam­
schaftskooperationen oft hohe interne Hürden
wettbewerbsrelevantem Wissen. Denn bei den
men. Einzig die KMU aus Finnland zeigen hier
überwunden werden. Um auf Augenhöhe mit
Kooperationsprojekten handelt es sich meist
höhere Werte. Demgegenüber ist der Anteil der
Wissenschaftlern zu kooperieren, braucht
um strategisch für das Unternehmen besonders
deutschen KMU, die mit Kunden aus der Privat­
es eine entsprechende technologisch-wissen­
schaftliche Kompetenz im Unternehmen.
Auch müssen sich die beiden Partner bei
ihren jeweils spezifischen Zugangswegen zu
Forschungsfragen annähern: Während Wissen­
Anteil KMU mit Innovationskooperationen
Land
schaftler Gründlichkeit und wissenschaftliche
Exaktheit hoch schätzen, sind für KMU die
Anteil in Prozent
Belgien
Großbritannien
Österreich
Niederlande
Finnland
Dänemark
Schweden
Griechenland
Irland
Tschechien
Deutschland
Frankreich
Norwegen
Portugal
Spanien
Ungarn
Italien
Türkei
Polen
praktische und kosteneffiziente Anwendbarkeit
22,9
22,4
und die rasche Umsetzung des Ergebnisses
besonders wichtig.
15,3
14,5
14,3
14,3
Durch Wissenschaftskooperationen können
KMU vor allem ihre grundsätzlichen technolo­
gischen Kompetenzen stärken. Da solche lang­
12,7
12,4
12,0
11,6
11,5
11,5
fristig orientierten Investitionen sich oft erst in
ferner Zukunft rechnen, gehen sie im Tagesge­
schäft eines KMU schnell unter. Eine Förde­
rung kann einen wesentlichen Impuls leisten,
dennoch solche Investitionen vorzunehmen.
7,9
6,8
6,0
5,6
4,8
4,2
3,9
0
5
10
15
20
25
10 Die internationalen Vergleichszahlen stammen aus
der europäischen Innovationserhebung (Community
Innovation Survey) und beziehen sich auf Unternehmen mit 10 bis 249 Beschäftigten in Industrie und
ausgewählten Dienstleistungen.
0
Quelle: Europäische Kommission: Community Innovation Survey 2012
49
5
10
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
Exkurs
Die Rolle von Start-ups im Innovationssystem
Die Bedeutung von Unternehmensgründun­
Ganz anders sieht es allerdings aus, wenn man
Technologien, ein bestehendes Produkt oder eine
gen für ein Innovationssystem wird durchaus
auf konkrete Technologiefelder schaut. In der
bestehende Dienstleistung vollständig verdrängen
­kontrovers diskutiert. Rein quantitativ und für
Bio- und Nanotechnologie kommt Start-ups auch
können. Ein Beispiel sind Plattformen zur Vermitt­
eine Volkswirtschaft insgesamt betrachtet
quantitativ eine relevante Rolle zu. Und auch in
lung von Fahrdiensten zwischen Privatpersonen,
spielen Start-ups für FuE und Innovationen
vielen Bereichen der IT-Wirtschaft sind Start-ups
die das herkömmliche Taxigewerbe zumindest in
nur eine sehr untergeordnete Rolle. Schätzun-
wichtige Akteure für neue technologische Ent­
Teilbereichen herausfordern. Ein anderes Beispiel
gen des ZEW zeigen, dass junge Unterneh-
wicklungen und innovative Ideen.
sind Plattformen zur Vermietung von privaten
men in Deutschland – das heißt Unternehmen,
Wohnräumen an Touristen, die ein klassisches
die nicht älter als fünf Jahre sind – etwa
Die wirklich wichtige Rolle von Unternehmens­
Geschäftsmodell von Hotels infrage stellen. Gera­
eine h
­ albe Milliarde Euro pro Jahr für FuE
gründungen in einem Innovationssystem ist
de im IT-Bereich werden disruptive Innovationen
ausgeben.
allerdings eine qualitative: Gerade technologie­
häufig von Start-ups eingeführt.
orientierte Start-ups liefern immer wieder wich­
Zum Vergleich: Der größte deutsche Konzern,
tige Impulse, indem sie neue technologische
Für den Beitrag von Start-ups zum Innova­
Volkswagen, weist ein FuE-Budget von über
Lösungen entwickeln und ganz neue Ideen und
tionssystem sind somit nicht die absolute Anzahl
14 Milliarden Euro auf. Vom reinen Ausgaben­
Zugangswege öffnen. Mit disruptiven Innovationen
von Unternehmensgründungen ausschlagge­
volumen her können Start-ups somit nur wenig
öffnen sie immer wieder völlig neue Märkte. Dabei
bend, sondern die Gründungen mit wirklich
in einem Innovationssystem bewegen.
handelt es sich um Innovationen, die bestehende
neuen I­deen, die diese über ein wachstums­
Mit einer neuartigen Rettungsboje, die erst kaum größer als ein Smartphone ist und sich dann sekundenschnell aufbläst, überzeugten Marius Kunkis (li.) und
Christopher Fuhrhop von Restube in diesem Jahr die Jury des Deutschen Gründerpreises. Der Lohn: Platz 1 in der Kategorie Start-up.
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
50
orientiertes Geschäftsmodell umsetzen wollen.
innovativen Unternehmen, die aus dem Markt
Anteil der Wagniskapitalinvestitionen am BIP
(Durchschnitt der Jahre 2012–2014)
ausscheidende ältere Unternehmen ersetzen.
Land
Solche Gründungen befeuern den Innovations­
wettbewerb und bilden auch den Nachwuchs an
Dies ist gerade im Hinblick auf eine der Stärken
der mittelständischen Wirtschaft Deutschlands,
die Hidden Champions, von Bedeutung. Denn
diese Unternehmen sind relativ alt (im Mittel
80 Jahre) und bewegen sich teilweise in ­Märkten,
die Opfer von disruptiven Innovationen durch
Start-ups werden können.
Eine wichtige Rahmenbedingung für innovative,
wachstumsorientierte Start-ups ist die Verfügbar­
keit von Wagniskapital. Denn Start-ups, die in der
Lage sind, einen messbaren Beitrag zu Innova­
tionen zu leisten, zeichnen sich meist durch vier
Dinge aus: hervorragende Ideen, große Wachs­
tumspotenziale, ein erhebliches Scheiterrisiko und
mangelnde finanzielle Ressourcen. Und genau
hier setzen formelle Wagniskapitalinvestoren wie
private Wagniskapitalgeber (Founding Angels oder
Business Angels) an: Sie finanzieren die Umset­
zung der Ideen in marktfähige Produkte und die
Vermarktung dieser Produkte. Dadurch, dass sie
über ein Portfolio an Investitionen in innovative
Start-ups verfügen, können sie auch das Risiko
tragen: Ein erfolgreiches Start-up bringt mitunter
mehr Mittel ein, als neun nicht erfolgreiche Pro­
jekte verbrannt haben.
Der Wagniskapitalmarkt in Deutschland ist aller­
Anteil in Prozent
Israel
USA
Schweden
Finnland
Irland
Dänemark
Ungarn
Großbritannien
Frankreich
Schweiz
Belgien
Niederlande
Norwegen
Kanada
Japan
Indien*
Deutschland
Russland
Australien
Portugal
Südkorea
Österreich
China*
Brasilien*
Spanien
Singapur
Südafrika
Polen
Italien
Türkei*
Tschechien
Griechenland
1,19
0,74
0,57
0,55
0,52
0,43
0,38
0,33
0,31
0,31
0,28
0,28
0,27
0,27
0,26
0,25
0,23
0,23
0,21
0,20
0,18
0,15
0,10
0,10
0,09
0,08
0,05
0,04
0,03
0,03
0,03
0,01
0
0,2
0,4
0,6
0,8
1,0
1,2
dings bei Weitem nicht so stark, wie es eine inno­
vationsorientierte Volkswirtschaft wie Deutschland
bräuchte. Im Mittel der Jahre 2012 bis 2014
* Werte beziehen sich auf 2009.
Quelle: EVCA, NVCA, OECD.
wurden in Deutschland rund 650 Millionen Euro
an Beteiligungskapital in der Seed-, Start-up- und
Wachstumsphase von Unternehmen investiert.
Dies ist weniger als in Großbritannien und Frank­
günstiger als in anderen Ländern. In Deutschland
reich und nur ein Zwölftel des Investitionsvolu­
fehlt außerdem eine wichtige Akteursgruppe am
mens der USA. Gemessen am BIP liegen die
Wagniskapitalmarkt, die Pensionsfonds. Schließ­
Wagniskapitalinvestitionen in Deutschland hinter
lich sind auch die Exit-Optionen für Wagniskapi­
fast allen anderen innovationsorientierten Volks­
talgeber durch das Fehlen eines eigenen Börsen­
wirtschaften zurück. Selbst Japan, das lange Zeit
segments für junge Unternehmen begrenzt.
einen wenig entwickelten Wagniskapitalmarkt
aufwies, liegt mittlerweile vor Deutschland.
Neben einer ausreichenden Wagniskapitalversor­
Deutschlands Start-ups
brauchen einen stärkeren
Wagniskapitalmarkt.
gung spielen aber auch andere Faktoren für eine
Gründe für die niedrigen Wagniskapitalinves­
Belebung der Start-up-Aktivitäten eine wichtige
titionen gibt es mehrere. So ist die steuerliche
Rolle: Dazu zählt die Förderung einer Wagnis­
Behandlung von Wagniskapital, etwa was die
kultur, die zum Aufbruch ermuntert und ein
Behandlung von Verlustvorträgen betrifft, un­
Scheitern von Gründungen nicht stigmatisiert.
51
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
Größenvorteile eine hohe Qualität ihrer Produkte
Teil 4
Internationalisierung von KMU
in Deutschland und Japan
erreichen. In diesen Produktbereichen wie Foto­
apparate oder Uhren zählten gerade deutsche
Unternehmen vielfach zu den Verlierern.
Der Auslandserfolg der japanischen Wirtschaft
zeichnet sich besonders durch Kosteneffizienz in
der Massenfertigung und weniger durch Kunden­
Sowohl Deutschland als auch Japan verfügen
nähe aus, Letzteres ist die traditionelle Stärke der
über eine sehr leistungsfähige, innovative mittel­
deutschen Unternehmen. Die japanische Industrie
ständische Industrie. In beiden Ländern beruht
ist somit dort im Vorteil, wo Größenvorteile bei FuE
die industrielle Stärke auf hoher Innovations­
und Produktion existieren und sowohl ein Preis-
kompetenz, gepaart mit starker Exportorientie­
als auch ein Qualitätswettbewerb stattfinden. So
rung. Ein wesentlicher Unterschied ist jedoch,
hat der japanische Optikhersteller Nikon, heute
dass japanische mittelständische Unternehmen
ein Großkonzern mit fast 25.000 Beschäftigten,
weit weniger auf dem Weltmarkt präsent sind,
anders als die deutsche Traditionsmarke Leica, im
als deutsche. Japanische KMU sind oft primär
Massenmarkt für hochwertige Kleinbildkameras
Zulieferer von japanischen (global aktiven) Groß­
seinen Wettbewerbsvorteil gesehen. Durch Inno­
unternehmen. So exportiert nur ein sehr kleiner
vation hat Nikon eine starke Weltmarktposition in
Anteil der japanischen KMU direkt an Kunden im
diesem Segment erreicht, die das Unternehmen
Ausland, ihr Anteil liegt bei unter 3 Prozent. Die
bis heute verteidigt.
Gesamtzahl exportierender KMU in Japan ent­
spricht nur etwa 10 Prozent der entsprechenden
In Japan gibt es viele
Familienunternehmen, die
technisch auf höchstem
Niveau arbeiten und
äußerst innovativ sind.
Anzahl in Deutschland.
Schlafende Drachen
Dieser Unterschied ist frappierend, denn die
Für viele der Hidden Champions in Deutschland
Ausgangslage ist in beiden Ländern sehr ähnlich:
lässt sich ein sehr ähnliches japanisches Unter­
technische Exzellenz von KMU und eine ähnliche
nehmen finden, das in Japan Marktführer ist,
Industriestruktur. Während deutsche Unterneh­
aber auf dem Weltmarkt nur schwach vertreten
men diese Basis für eine offensive Internationali­
ist. Hier wird ein großes, noch nicht ausge­
sierung nutzen, weist der japanische Mittelstand
schöpftes Exportpotenzial für Japan gesehen
eine fast extreme Zurückhaltung vom Auslands­
und mit der Metapher der sleeping dragons
geschäft auf. Ein Vergleich zwischen Deutsch­
anschaulich gemacht. Das japanische Handels­
land und Japan kann somit auch Aufschluss
ministerium hat denn auch im Rahmen eines Re­
über einige der Gründe für die besonders gute
vitalisierungsprogramms für Regionen außerhalb
Exportleistung der deutschen KMU geben.
der industriellen Ballungsräume die potenzielle
Stärke von mittelständischen Unternehmen ins
Die Diskussion um Hidden Champions hat in den
Visier genommen.
letzten Jahren auch Japan erreicht. Traditionell
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
war das Interesse von Politik und Öffentlichkeit
Hermann Simon hat schon darauf hingewiesen,
ganz auf Großunternehmen ausgerichtet. Lan­
dass es in Japan in der Tat auch Hidden Cham­
ge Zeit war die gängige Meinung in Japan, dass
pions gibt. Allerdings ist deren Zahl weit geringer
Exporterfolg und internationale Wettbewerbsfä­
als in Deutschland und diese Hidden Champions
higkeit auf nationalen Champions beruhen, also
sind hauptsächlich im Elektronik- und Optikbe­
multinationalen Großunternehmen mit Sitz in
reich tätig. Von den wenigen japanischen Hidden
Japan. Diese Überzeugung ist geprägt von der
Champions sind manche technologisch besonders
preislichen Wettbewerbsfähigkeit japanischer
stark aufgestellt. Ein Beispiel ist das japanische
Großunternehmen auf dem Weltmarkt. In tech­
Familienunternehmen Nichia, der Weltmarktfüh­
nisch hoch anspruchsvollen Produktbereichen
rer für LEDs. So hat ein früherer Mitarbeiter von
konnten diese nationalen Champions durch
Nichia, Shui Nakamura, im Jahr 2014 den Nobel­
52
preis für Physik erhalten, und zwar für die 1993
sind näher an Nachbarmärkten als japanische
in dem Unternehmen geglückte Entwicklung der
Unternehmen. Von Japan aus ist der Markteintritt
blauen LED. Nichia erwirtschaftet mittlerweile mit
in die ostasiatischen Nachbarländer eine genau­
knapp 8.000 Beschäftigten einen Umsatz von
so große Herausforderung wie die Bearbeitung
2,5 Milliarden US-Dollar und unterhält Vertretun­
des nordamerikanischen oder europäischen
gen und Produktionen in der ganzen Welt.
Marktes. Für japanische Unternehmen stellt der
erste Schritt ins direkte Auslandsgeschäft eine
Hürden beim Export
fundamentale Entscheidung dar, die erhebliche
Ressourcen und die Entwicklung neuer Fähigkei­
ten erfordert. Hierzu bedarf es zuallererst eines
Nichia stellt aber weiterhin die Ausnahme dar.
international ausgerichteten und erfahrenen
Die meisten innovativen japanischen mittelstän­
Topmanagements.
dischen Unternehmen sind auf den japanischen
Binnenmarkt konzentriert. Sie sehen ihre Funk­
Ein anderer Faktor, der die Exportfähigkeit japa­
tion hauptsächlich als Zulieferer für japanische
nischer Unternehmen beeinflusst, ist die Charak­
Großunternehmen. Geringe Exporte werden oft
teristik der heimischen Nachfrage. In vielen
nicht mit geringer Leistungs- oder Wettbewerbs­
Industrien, in denen Japan heute zu den weltweit
fähigkeit gleichgesetzt, da japanische Großun­
führenden Nationen gehört, nimmt die heimische
ternehmen sehr exportorientiert sind und somit
Nachfrage eine Leitmarkt-Rolle in der Welt ein.
auch die Produkte ihrer Zulieferer in hohem
Maße im Weltmarkt vertreten sind. Enge, ver­
trauensvolle Lieferantenbeziehungen zwischen
japanischen Unternehmen, die gemeinsame
Entwicklungsprojekte und Kapitalverflechtungen
einschließen, sind ein großer Vorteil der japani­
schen Industrie.
Aber sie stellen wohl auch ein Hindernis für die
Exportorientierung der mittelständischen Unter­
nehmen dar. Denn Zulieferer sehen sich häufig in
der Pflicht, die heimischen Kunden bevorzugt zu
beliefern oder neueste technische Entwicklungen
zuerst oder exklusiv ihren Kunden im Heimatland
Anteil von KMU in europäischen Ländern
mit Exporten nach Übersee
zur Verfügung zu stellen. So wurde von auslän­
Land
dischen Unternehmen sogar berichtet, dass es
Schweden
Italien
Finnland
Deutschland
Belgien
Frankreich
Niederlande
Spanien
Portugal
Österreich
Norwegen
Polen
Türkei
Ungarn
Griechenland
Tschechien
schwer sei, kleine japanische Unternehmen zum
Export ihrer neuesten Technologien zu bewegen.
Dieses Verhalten kann für die japanische Groß­
industrie von Vorteil sein, aber es reduziert das
Exportvolumen Japans insgesamt.
Es ist jedenfalls oft eine Zurückhaltung aufsei­
ten der japanischen Mittelständler zu erkennen,
Auslandsmärkte zu erobern, wenn dies einen
hohen Einsatz des Managements erfordert. Denn
für japanische Unternehmen ist der erste Schritt
ins Auslandsgeschäft weitaus schwieriger als für
deutsche oder europäische Unternehmen. Letz­
Anteil in Prozent
44
41
41
38
37
35
34
32
30
29
25
23
22
22
22
20
0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
tere können bereits innereuropäischen Handel
als Export verbuchen. Deutsche Unternehmen
53
Quelle: Eurostat: Community Innovation Surveys. – Berechnungen des ZEW.
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
Produktion in Toyota
City: Der japanische
Autobauer ist als Fami­
lienunternehmen ent­
standen und zu einem
Weltkonzern gereift.
In vielen anderen Branchen herrscht allerdings
Die erste Komponente, die hohe Exportbereit­
eine sogenannte idiosynkratische Nachfrage vor:
schaft des Topmanagements, ist ein häufig
Dabei stimmen die Bedürfnisse und Anforde­
genannter Faktor für den Erfolg von KMU in
rungen der japanischen Kunden kaum mit den
Deutschland, wobei unter anderem auf die guten
internationalen Präferenzen und Trends überein.
Englischkenntnisse und die Auslandserfahrung
Auf japanische Kunden ausgerichtete Produkte
von Unternehmern und Managern in Deutsch­
sind deshalb kaum exportierbar.
land verwiesen wird. Letztlich ist aber die Export­
bereitschaft der Unternehmen eine individuelle
Hoher Internationalisierungserfolg
Eigenschaft von Unternehmerpersönlichkeiten.
Einige mittelständische Unternehmer zeigen
einfach einen besonders großen Willen, den
Der Erfolg deutscher Mittelständler auf interna­
Weltmarkt zu erobern. Die Zahl solcher Un­
tionalen Märkten hat drei wesentliche Kompo­
ternehmen in Deutschland kann schon allein
nenten:
dadurch recht groß sein, dass auch die Zahl der
eine hohe Exportbereitschaft des Topmanage­
ments,
mittelständischen innovativen Unternehmen
­insgesamt sehr groß ist.
die Fähigkeit des Unternehmens, den Welt­
markt zu bedienen und nah an vielen Kunden
Im Vergleich zu Japan ist aber nicht nur die
weltweit zu sein, und
Exportbereitschaft besonders hoch. Auch der
eine langfristige Strategie der Konzentration
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
Zugang zu Exportmärkten ist einfacher. Denn der
auf einen engen Produktbereich und die Wah­
Start ins Exportgeschäft und dadurch das Lernen
rung der unternehmerischen Eigenständigkeit.
auf Auslandsmärkten ist für deutsche wie auch für
54
Unternehmen in anderen europäischen Ländern
nehmens entscheidend ist, sondern auch die
durch die Harmonisierung innerhalb der Euro­
Fähigkeit, ein Netzwerk an internationalen Nie­
päischen Union viel leichter geworden.
derlassungen zu unterhalten und professionell zu
managen. Denn der hohen Ressourcenbelastung
Die Situation in den USA und China ist wiederum
stehen oft nur kleine Marktvolumina gegenüber.
von einem sehr großen Heimatmarkt geprägt.
Mit Ausnahme des US-Markts sind für Nischen­
Für ein kleines US-Unternehmen stellt schon die
unternehmen die einzelnen Auslandsmärkte so
Abdeckung des gesamten Heimatmarktes, von
klein, dass sich eine eigene Niederlassung nicht
Alaska bis Florida, eine große technische und
von selbst trägt. Hinzu kommen ein Kostenrisiko
logistische Herausforderung dar. KMU, die den
und ein Kontrollrisiko: Mitarbeiter in Auslands­
gesamten US-Markt bearbeiten wollen, müssen
vertretungen sind schwerer zu führen und zu
viel größer sein als KMU in Deutschland, die den
kontrollieren als am Heimatstandort.
deutschen Markt abdecken wollen. Marktführer
in den USA sind deshalb meist recht groß, wenn
sie den ersten Schritt in einen Auslandsmarkt
machen.
Aufwendige Auslandsvertretungen
Deutschlands Exportmodell ist
eher die Ausnahme
Das dritte besondere Merkmal des exportorien­
tierten deutschen Mittelstandes ist die konse­
quente und langfristig verfolgte Konzentration auf
Die zweite Komponente der Fähigkeit eines kleinen
wenige Kernbereiche oder einzelne Produkte und
Unternehmens, den Weltmarkt zu beliefern, stellt
Dienstleistungen. Wachstum wird hauptsächlich
die wohl größte Herausforderung dar. Die Beschrei­
durch Erschließung von Auslandsmärkten und
bung von Hidden Champions durch Hermann
weniger durch Diversifikation erreicht. Da Inter­
Simon demonstriert, dass mittelständische Unter­
nationalisierung ein langfristiger Prozess ist, der
nehmen mit dem Anspruch, den gesamten Welt­
sich über viele Jahre und Jahrzehnte hinweg
markt zu beliefern, oft eine hohe Zahl an Auslands­
entfaltet, ist das Wachstum von exportorientierten
vertretungen unterhalten. Zum Teil liegt hier die
und spezialisierten Unternehmen meist ­geringer
Anzahl bei 50 oder mehr Auslandsvertretungen, oft
als bei Unternehmen, für die Wachstum das
auch in Ländern mit eher marginalen Marktvolumi­
­primäre Ziel ist.
na. So führt die Firma ProMinent Dosiertechnik mit
380 Millionen Euro Jahresumsatz Auslandsvertre­
Diversifikation wird von mittelständischen Unter­
tungen in 48 Ländern auf, darunter Libyen, Sudan,
nehmen häufig vermieden, stattdessen steht die
Armenien und Kuba.
unermüdliche Sicherung der Wettbewerbsfähig­
Die Hidden Champions
in Deutschland sind
im Schnitt mehr als
80 Jahre alt.
keit in den bestehenden Stärken im Vordergrund.
Eine hohe Zahl von Auslandsvertretungen bringt
Dies ist sicher auch ein Grund dafür, dass sich
vielfältige Herausforderungen mit sich. Dazu
Deutschland gegenüber anderen Ländern durch
zählen Aufbau, Führung und Organisation der
eine hohe Zahl an sehr alten, traditionellen und
Vertretungen unter sehr unterschiedlichen recht­
kleinen Weltmarktführern auszeichnet.
lichen und kulturellen Rahmenbedingungen, ein
hoher Personalaufwand im Vergleich zur Ge­
Das hohe Alter der Hidden Champions in
samtbeschäftigtenzahl, eine Vielzahl an Anpas­
Deutschland – im Mittel über 80 Jahre – ist Kenn­
sungen an lokale Märkte und eine Vielzahl an
zeichen für die untergeordnete Rolle von Unter­
Rückmeldungen, Verbesserungsvorschlägen und
nehmenswachstum. Viele Unternehmen opfern
Innova­tionsimpulsen. KMU, die diese Herausfor­
ein mögliches stärkeres Wachstum für die Sicher­
derungen meistern, können daraus einen großen
heit in der Nische.
Wettbewerbsvorteil ziehen.
Aus US-amerikanischer Sichtweise ist diese
Im Auslandsgeschäft zeigt sich, dass nicht nur
strategische Ausrichtung eher ungewöhnlich.
die technische Leistungsfähigkeit eines Unter­
In der Tat gibt es nur wenige Beispiele für neue
55
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
Hidden Champions, geschweige denn für deut­
Teil 5
sche Großunternehmen, die in den letzten zwei
Jahrzehnten aus mittelständischen Unternehmen
entstanden sind. SAP ist hier eine der wenigen
Ausnahmen. Der US-amerikanischen Strategie, auf
Zusammenfassende
Schlussfolgerungen
schnell wachsende Unternehmen zu setzen, die
von hohen Wagniskapitalinvestitionen angetrieben
werden, steht offenbar eine deutsche Strategie der
Marktnischen sind für
Großunternehmen oft nicht
attraktiv genug.
Pflege bleibender Werte gegenüber. Dies weist
Die Rolle der KMU für das deutsche Innovations­
aber auch darauf hin, dass Länder unterschiedli­
system ist ebenso vielgestaltig wie der KMU-Sektor
che Strategien verfolgen und dabei auf ihre Weise
selbst vielgestaltig ist. Eine im internationa­len
erfolgreich sein können. Die Beispiele Japan, Süd­
Vergleich besondere Position nimmt die Gruppe
korea und China zeigen, dass das deutsche Modell
der Hidden Champions ein. Kein anderes Land be­
weltweit eher die Ausnahme ist. In China sind in
herbergt so viele mittelständische Weltmarktführer
den vergangenen Jahren durch aggressive Diver­
wie Deutschland – und zwar nicht nur absolut
sifikation große Unternehmen entstanden, die nun
betrachtet, sondern auch pro Kopf. Diese Unter­
nach und nach auf den Weltmarkt drängen.
nehmen stellen zwar weniger als ein Prozent des
deutschen Mittelstands, sie sind aber eine nicht
2014 hat beispielsweise der chinesische Bau­
unwesentliche Stütze der deutschen Volkswirt­
maschinenhersteller Sany in Deutschland durch
schaft bei Innovation und Export.
die Übernahme des mittelständischen Unter­
nehmens Putzmeister von sich reden gemacht.
Aber auch Hidden Champions sind nicht nur Er­
Putzmeister gibt es seit 1958. Das Unternehmen
folgsbeispiele: Viele dieser kleinen Unternehmen
ist Weltmarktführer bei Zementpumpen. Sany hat
sind so stark auf Nischen und Spezialanwendun­
1994 ebenfalls mit Zementmaschinen begonnen.
gen ausgerichtet, dass sie faktisch keine Wachs­
Es hat aber in den vergangenen 20 Jahren seit
tumsmöglichkeiten besitzen, da sie bereits einen
seiner Gründung eine dezidierte Wachstumsstra­
großen Teil der globalen Nachfrage in ihrem
tegie verfolgt. In fast jedem Jahr wurde der Um­
Markt bedienen.
satz verdoppelt – mit dem Ergebnis, dass Sany
heute einer der weltweit größten Baumaschinen­
Eine zweite, weitaus größere und weniger stark be­
hersteller ist.
achtete Gruppe sind die KMU, die ohne eigene FuE
Innovationen hervorbringen. Diese Gruppe steht
Die Marktnische, auf die sich Sany am Anfang
selten im Fokus der öffentlichen Diskussion, wenn
konzentriert hatte, diente nur dazu, sich in einer
es um Innovationen durch KMU geht. Auch die
Industrie, die von Großunternehmen dominiert
Innovationspolitik behandelt diese Unternehmen
ist, zu etablieren. Denn Marktnischen sind für
stiefmütterlich. Denn für die meisten innovations­
Großunternehmen oft nicht attraktiv genug.
orientierten Förderprogramme sind eigene FuE-
Den Gründern von Sany genügte es aber nicht,
Aktivitäten eine Fördervoraussetzung. Tatsächlich
Marktführer in einem bestimmten kleinen Spe­
stellen die KMU ohne eigene FuE die Mehrheit der
zialmaschinensegment zu sein. Die Stellung
innovativen KMU in Deutschland. Und sie sind
im chinesischen Markt baute Sany durch den
keine schwachen Unternehmen, sondern verfolgen
Einstieg in weitere Bereiche der Baumaschinen­
erfolgreich innovationsorientierte Wettbewerbsstra­
industrie nach und nach aus. Erst nachdem
tegien. Bloß setzen sie nicht auf technologische
das Unternehmen zu einem Großunternehmen
Vorsprünge, sondern hohes Fachwissen ihrer Mit­
herangewachsen war, begann die Internationa­
arbeiter kombiniert mit Flexibilität, Kundenorientie­
lisierung. Heute ist die Größe die Wettbewerbs­
rung und effizienten internen Prozessen.
stärke, die das Unternehmen auf dem Weltmarkt
ausspielt, und nicht die Spezialisierung auf tech­
Betrachtet man die Gesamtheit aller KMU in
nische Kernkompetenzen.
Deutschland, so sind sie nicht innovativer als KMU
in anderen Ländern. Ihre FuE-Ausgaben in Rela­
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
56
tion zum BIP sind sogar weit unterdurchschnittlich.
Für die Innovationspolitik heißt das, gerade
Auch die Anzahl der Patentanmeldungen von KMU
wegen der Innovationsstärke der deutschen
ist – gemessen an der Landesgröße – in Deutsch­
Wirtschaft spezielle Maßnahmen für KMU anzu­
land nicht besonders hoch. Da dieser Befund auch
bieten, die deren größenbedingte Nachteile im
für die beiden anderen großen Länder mit innovati­
Innovationswettbewerb ausgleichen. Denn auch,
onsstarken Global Champions, die USA und Japan,
wenn KMU nur einen relativ kleinen Teil der
gilt, liegt eine Vermutung nahe, dass KMU in star­
gesamten FuE- und Innovationsaktivitäten der
kem Wettbewerb mit Großunternehmen im eigenen
Wirtschaft stemmen: Sie bilden das Reservoir für
Land größere Schwierigkeiten bei der Finanzierung
künftige international erfolgreiche Großunterneh­
und Umsetzung von Innovationsprojekten haben.
men. Sie sind oftmals Innovationsführer, wenn
es um Lösungen in Nischenmärkten oder für
Eine mögliche Ursache könnte im Zugang zu hoch
spezielle Kundenwünsche geht. Damit ergänzen
qualifiziertem Fachpersonal liegen. Großunterneh­
sie das Technologieportfolio Deutschlands an
men können talentierten Mitarbeitern attraktivere
entscheidenden Stellen und tragen zur starken
Angebote im Hinblick auf Einkommen und Karri­
Exportperformance bei. Allerdings gelingt es nur
ereperspektiven machen als KMU. Auch ist der
sehr wenigen KMU, zu einem Weltkonzern auf­
(Innovations-)Wettbewerb im Heimatmarkt intensi­
zusteigen. Andere wiederum wollen dieses Ziel
ver. Schließlich kann es für KMU auch schwieriger
strategisch gar nicht erst verfolgen.
Der InnovationsWettbewerb im
Heimatmarkt ist intensiv.
sein, geeignete Kooperationspartner für eigene
Projekte zu finden, beispielsweise wenn die Wis­
Die Handlungsempfehlungen zu Beginn dieses
senschaft primär an einer Zusammenarbeit mit
Berichts enthalten Vorschläge, wie die Innova­
Großunternehmen interessiert ist.
tionskraft von KMU gestärkt werden kann.
Hidden Champions wie
zum Beispiel das Familien­
unternehmen Kärcher sind
eine wesentliche Stütze der
deutschen Volkswirtschaft.
57
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
Innovation messbar machen
So funktioniert der Innovationsindikator
Die Innovationsfähigkeit von Volkswirtschaften ist ein komplexer und mehrdimensionaler
Untersuchungsgegenstand. Sie lässt sich niemals direkt erheben oder messen, sondern nur
durch eine Vielzahl von unterschiedlichen Werten und Indikatoren ermitteln. Der Innovationsindikator verwendet dafür ausschließlich Kennzahlen, die sich in einer empirischen Analyse auf
Basis eines theoretisch fundierten Modells als relevant erwiesen haben. Zusammen ergeben
diese Einzelwerte den Innovationsindikator. Damit lässt sich das vielschichtige Zusammenspiel
aller Innovationsfaktoren in den einzelnen Ländern abbilden.
Ausgewählt sind
die Indikatoren
mit der höchsten
Erklärungskraft.
Die Methode des Innovationsindikators nennt sich
möglichst gering ist, dass also jeder Indikator
Kompositindikator. Sie fasst, kurz gesagt, komplexe
einen zusätzlichen Beitrag leistet oder eine zusätz­
Informationen einfach und verständlich zusam­
liche Dimension beleuchtet. Ursprünglich standen
men. In der empirischen Forschung findet diese
mehr als 100 Indikatoren zur Auswahl. Bedeutend
Methode mittlerweile breite Anwendung. Auch
waren jedoch diejenigen, die einen statistisch sig­
wenn sie nicht ohne Kritik geblieben ist: Sie hat
nifikanten Einfluss auf inhaltlich nachgelagerte Er­
sich bei systematischer und solider Anwendung
folgskennzahlen von Innovationssystemen („Out­
als eine verlässliche Darstellungsform etabliert.
putindikatoren“) haben. Ein Beispiel dafür: Die
Darüber hinaus bildet sie lediglich die Basis für
Zahl der Forschenden in der Wissenschaft steht in
eine weitergehende Diskussion der Ergebnisse im
Relation zur Zahl wissenschaftlicher Publikationen
jeweiligen Kontext sowie in Verbindung mit qualita­
in folgenden Jahren. Die Outputindikatoren muss­
tiven Informationen. Kompositindikatoren sind der
ten sich wiederum anhand eines direkten oder
Ausgangspunkt von weiter reichenden Erörterun­
indirekten Beitrags zum gesamtwirtschaftlichen
gen und nicht deren Endpunkt.
Wohlstand (BIP pro Kopf) qualifizieren.
Trotz der transparenten Methodik ist es ein weiter
USA, Japan, Deutschland, Großbritannien, Frank­
Weg bis zum endgültigen Innovationsindikator.
reich, Italien, Schweiz: Auf Basis eines fixen Sets
Dazu sind drei Einzelschritte erforderlich: die
an Referenzländern normiert ein Intervall mit
Indikatorenauswahl und Datensammlung, die Nor­
Werten von 0 bis 100 die Einzelindikatoren, um
malisierung der Einzelindikatoren und die Zusam­
sie vergleichbar zu machen. Der Gesamtindikator
menfassung über Aggregationsgewichte.
lässt sich anschließend als Mittelwert aus den
gleichgewichteten Einzelwerten berechnen. Die
38 Einzelindikatoren bilden Basis
Gleichgewichtung erfolgt, weil nur jene Indikato­
ren Berücksichtigung finden, die auch tatsächlich
einen eigenständigen Erklärungsbeitrag leisten.
Um die unterschiedlichen Innovationsstrukturen
Daneben findet eine Sensitivitätsanalyse statt, die
in den Ländern berücksichtigen zu können, trägt
die Effekte der Wahl unterschiedlicher Gewichte
der Innovationsindikator 38 einzelne Indikatoren
auf das Gesamtergebnis analysiert.
für Teilbereiche von Innovationssystemen zusam­
men. Diese Teilbereiche sind Wirtschaft, Wissen­
Zusätzlich zum Gesamtindikator sind die Ergeb­
schaft, Bildung, Staat und Gesellschaft. Die darin
nisse getrennt nach den Subsystemen Wirtschaft,
enthaltenen Informationen verdichtet der Indikator
Bildung, Wissenschaft, Staat und Gesellschaft
schließlich zu einer einzelnen Maßzahl.
ausgewiesen. Damit lassen sich innovationspoli­
tische Handlungsfelder besser identifizieren. Die
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
Bei der Entwicklung des Innovationsindikators
Methodik zur Berechnung der Subsysteme ist
sind die 38 Einzelindikatoren anhand eines empi­
identisch mit der für den Gesamtindikator. Die
rischen Modells ausgewählt worden. Das Modell
Einzelindikatoren sind innerhalb der Subsysteme
hat jene Indikatoren identifiziert, die die höchste
gleichgewichtet aggregiert. Zu beachten ist, dass
Erklärungskraft für die Innovationsfähigkeit von
sich die Subsystemindikatoren nicht zum Gesamt­
Volkswirtschaften haben. Dabei war wichtig, dass
indikator verrechnen lassen, da einige Indikatoren
die Überschneidung zwischen den Indikatoren
mehreren Subsystemen zugerechnet sind.
60
Eine Stärke des Innovationsindikators ist, dass
Es ergeben sich drei Hauptgruppen von Ländern:
er Daten aus unterschiedlichsten Quellen in
Spitze, Mittelfeld und Nachzügler. Innerhalb einer
einer Untersuchung zur Innovationsfähigkeit von
Hauptgruppe ist der Rangplatz eines Landes in
Volkswirtschaften verbindet. Wegen der Unter­
der Regel wenig robust gegenüber Veränderungen
schiedlichkeit der Datenquellen haben die darin
der Gewichte. Die Zugehörigkeit zu einer Haupt­
enthaltenen Indikatoren aber auch unterschied­
gruppe wiederum ist sehr wohl robust gegenüber
liche Periodizitäten bezüglich der Erscheinungs­
Veränderungen der Gewichtung. Das bedeutet,
zeitpunkte. Während einige Indikatoren jährlich
dass die konkrete Position eines Landes in der
und bis an den aktuellen Rand verfügbar sind,
Rangfolge durch eine etwas andere Gewichtung
sind es andere nur alle zwei oder auch nur alle
verändert werden kann, nicht aber die Zuordnung
vier Jahre. Durch diese zum Teil langen Perioden
zu einer der drei Gruppen.
zwischen den Datenaktualisierungen würde der
Innovationsindikator an Aktualität verlieren.
Beispielsweise kann für Deutschland nicht mit
Sicherheit gesagt werden, dass es als Fünfter
Alle Daten, auf denen der Innovationsindikator
besser als Norwegen auf Platz 14 oder Südkorea
beruht, beziehen sich auf das Referenzjahr 2014.
auf Platz 13 ist. Man kann aber sehr wohl festhal­
Damit ist die Aktualität sichergestellt und die
ten, dass Deutschland hinter der Schweiz liegt.
Vergleichbarkeit der Werte für einzelne Länder
Auch im Idealfall einer für Deutschland beson­
garantiert. Für Indikatoren und Länder, deren
ders günstigen Gewichtung der Einzelindikatoren
Datenstand nicht bis 2014 reicht, werden Pro­
würde es keinen besseren als den dritten Rang
gnoseverfahren aus der Zeitreihenökonometrie
erreichen, allerdings auch keinen schlechteren als
angewendet, um die Werte bis zum aktuellen
den achten Rang.
Rand fortzuschreiben.
Sensitivitätsanalysen
Robustheit ist bei Kompositindikatoren von großer
Bedeutung, da die Ergebnisse und Rankings
nicht nur von den verwendeten Kennzahlen und
Indikatoren, sondern auch von den gewählten
Aggregationsgewichten abhängen. Indikatoren­
systeme wie der Innovationsindikator müssen also
transparent machen, inwieweit die Ergebnisse
von den konkreten Gewichten abhängen. Hierfür
wird eine Sensitivitätsanalyse durchgeführt, bei
der Zufallsgeneratoren die Gewichte bestimmen
und keine Gleichgewichtung stattfindet. Hierdurch
ergeben sich zufällige Gewichtskonstellationen,
die zu einem jeweils spezifischen Ranking der
Länder führen.
Für das Gesamtergebnis ist dieser Vorgang viele
Male zu wiederholen. Die verschiedenen Ran­
kings, die sich durch die bestimmten zufälligen
Gewichtungen ergeben, bilden schließlich simu­
Einen detaillierten Bericht, eine Übersicht der
lierte Schwankungsintervalle für die Rankings der
verwendeten Einzelindikatoren sowie Grafiken
einzelnen Länder. Sie ermöglichen es, die Robust­
zur Methodik des Innovationsindikators
heit der Ergebnisse zu untersuchen.
finden Sie online:
www.innovationsindikator.de
61
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
Projektpartner
Der Innovationsindikator ist eine Kooperation von acatech – Deutsche Akademie der
Technikwissenschaften und dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Mitinitiator
der Studie war die Deutsche Telekom Stiftung. Ein Konsortium aus zwei Instituten erarbeitet
den Innovationsindikator: Die Federführung des Projekts liegt beim Fraunhofer-Institut für
System- und Innovationsforschung (Fraunhofer ISI). Unterstützt wird es vom Zentrum für
Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW).
acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften
acatech vertritt die deutschen Technikwissenschaften im In- und Ausland in selbstbestimmter, unabhän­
giger und gemeinwohlorientierter Weise. Als Arbeitsakademie berät acatech Politik und Gesellschaft in
technikwissenschaftlichen und technologiepolitischen Zukunftsfragen. Darüber hinaus hat es sich acatech
zum Ziel gesetzt, den Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu unterstützen und den
technikwissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern. Zu den Mitgliedern der Akademie zählen herausragen­
de Wissenschaftler aus Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen.
www.acatech.de
Bundesverband der Deutschen Industrie
Der BDI ist die Spitzenorganisation im Bereich der Industrieunternehmen und industrienahen Dienstleister.
Als Interessenvertretung der Industrie trägt der BDI bei seinen Mitgliedern zur Meinungsbildung und Ent­
scheidungsfindung bei. Er bietet Informationen für alle Bereiche der Wirtschaftspolitik an. Der BDI unter­
stützt so die Unternehmen im intensiven Wettbewerb, den die Globalisierung mit sich bringt.
www.bdi.eu
Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung
Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung analysiert Entstehung und Auswirkungen
von Innovationen. Es erforscht die kurz- und langfristigen Entwicklungen von Innovationsprozessen und
die gesellschaftlichen Auswirkungen neuer Technologien und Dienstleistungen. Auf dieser Grundlage
stellt das Institut seinen Auftraggebern aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft Handlungsempfehlun­
gen und Perspektiven für wichtige Entscheidungen zur Verfügung.
www.isi.fraunhofer.de
Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung
Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) ist ein gemeinnütziges wirtschaftswissen­
schaftliches Forschungsinstitut. Es wurde 1990 auf Initiative der baden-württembergischen Landesre­
gierung, der Wirtschaft des Landes und der Universität Mannheim gegründet und nahm im April 1991
die Arbeit auf. Seitdem hat sich das ZEW als eines der führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute mit hoher europäischer Reputation etabliert.
www.zew.de
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
62
Impressum
Herausgeber
Gestaltung und Produktion
acatech – Deutsche Akademie der
SeitenPlan GmbH
Technikwissenschaften e. V.
Corporate Publishing,
Pariser Platz 4a
Dortmund
10117 Berlin
www.acatech.de
Druck
Druckerei Schmidt, Lünen
Bundesverband der
Deutschen Industrie e. V. (BDI)
Fotos
Breite Straße 29
Andritz, Deutsche Messe AG/Rainer Jensen,
10178 Berlin
Hero Images/Getty Images, Monty Rakusen/
www.bdi.eu
Cultura/Getty Images, JGI/Tom Grill/Getty
Images, epa/Everett Kennedy Brown, Wolfram
Verfasser
Kastl/dpa, Lely Holding, picture alliance/dpa,
Dr. Rainer Frietsch, Dr. Christian Rammer,
picture alliance/David Ebener, picture alliance/
Prof. Dr. Torben Schubert, Dr. Oliver Som,
Keystone, picture alliance/Sodapix AG, Qiagen/
Dr. Marian Beise-Zee, Prof. Dr. Alfred Spielkamp
Jürgen Naber, www.herrenknecht.com
Projektteam
Stand
Prof. Dr. Marion Weissenberger-Eibl, Dr. Rainer
November 2015
Frietsch, Prof. Dr. Torben Schubert, Dr. Oliver
Som (alle Fraunhofer ISI), Dr. Christian Rammer
Copyright
(ZEW), Prof. Dr. Alfred Spielkamp (Westfälische
acatech – Deutsche Akademie der
Hochschule), Dr. Marian Beise-Zee (Ritsumeikan
Technikwissenschaften e. V./Bundesverband der
Asia Pacific University, Japan)
Deutschen Industrie e. V.
Verantwortlich
ISBN: 978-3-942044-86-8
Prof. Dr. habil. Michael Klein (acatech),
Dieter Schweer (BDI)
acatech dankt dem Förderverein für die
Unterstützung des Projekts.
Redaktion
Prof. Dr.-Ing. Jürgen Gausemeier (acatech,
HNI Paderborn), Prof. Dr. Christoph M. Schmidt
(acatech, RWI Essen), Dr. Thomas Lange (acatech),
Dr. Carsten Wehmeyer (BDI), Dr. Rainer Frietsch,
Prof. Dr. Toben Schubert (ISI), Dr. Christian
Rammer (ZEW)
63
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
Notizen
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
64
Notizen
65
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
Notizen
acatech_BDI_Innovationsindikator 2015
66
www.innovationsindikator.de