Mittwoch, 1. Juli 2015 / Nr. 149 Kultur Neue Zuger Zeitung 10 Katastrophenkunst am See ZUG Auf der kleinen Grünanlage Rigiplatz kaum sichtbar, scheinbar eingewachsen im Gras, liegt eine Schieferskulptur von schlichter Schönheit. Sie erinnert an Tod und Verwüstung. U nauffällig, schlank und mit einem schimmernden Teint liegt sie im Gras auf dem Rigiplatz: Die Skulptur «Mémoire d’une strate 1887– 1996» von Carmen Perrin. Sie erinnert, so der Name, an eine Gesteinsschicht. Was hat es damit auf sich? Um vom aufkommenden Tourismus profitieren zu können, begann die Stadt Zug ab 1873 mit dem Bau einer repräsentativen HINGESCHAUT ! Seepromenade von der Vorstadt bis zum Landsgemeindeplatz. Die Bauarbeiten an der neuen Quaianlage waren bereits weit fortgeschritten, als im Frühjahr 1884 Risse in den Mauern und Terrain senkungen festgestellt wurden. Spezia listen rieten dringend zur Aufschüttung eines Vordammes und warnten bei wei terer Belastung des Untergrundes vor Senkungen oder gar Abrutschen des Ufers. Auf den äusserst kritischen Bericht wurde nicht reagiert. Und so kam es zu einem verheerenden Unglück: Am 5. Juli 1887 brach das gesamte Ufer im Bereich der Vorstadt ein. Augenzeugen berichten, dass die Mauern wie bei einem Erdbeben wankten, den Menschen der Boden unter den Füssen wich und alles in wilder Panik flüchtete. Auf der Seeseite stürzte ein Haus nach dem anderen ein, versank im See oder wurde massiv beschädigt. 11 Menschen verloren ihr Leben und 326 Personen ihr Heim. Ein indirekter Zeitzeuge ist der im Bereich der Abbruchzone liegende Rigi platz. Denn zum eigentlichen Platz am See wurde er erst nach besagtem Un glück, bei dem die zum See hin stehen den Häuserzeilen ins Wasser abge rutscht oder abgetragen waren. Weil hier aus statischen Gründen keine Häuser mehr gebaut werden durften, liess die Stadt nach dem Seeufereinbruch einen kleinen Park errichten – die Rigianlage. Heute zeigt sich hier ein vielbelebter, zentral gelegener Platz mit Grünflächen, Sitzgelegenheiten, Spielgeräten und Kunstobjekten. Zu diesem schönen Ort wurde der Rigiplatz durch die Neuge staltung im Rahmen des Projekts Mit enand (1991–1995), das aus Anlass der CH91Feierlichkeiten von der Stadt Zug Startschuss fürs Musikfestival HÜNENBERG red. Das jährliche Mu sikfestival Sommerklänge geht mit dem ersten von insgesamt fünf Kon zerten an unkonventionellen Orten in eine neue Runde. Am kommenden Sonntag, 17 Uhr, wird der neue Kultursilo Böschhof in Hünenberg zum eigenwilligen Klangkörper für das Ensemble Chamäleon. In einer LeserAktion 041 725 44 09 erweiterten Formation spielen die sieben Musiker Werke von Ernst von Dohnány und Max Bruch. Für dieses Konzert verlosen wir unter unseren Abonnenten 2-mal 1 Ticket. Rufen Sie heute zwischen 10.30 und 10.35 Uhr die oben ste hende Nummer an. Falls Sie zu den ersten beiden Anrufern gehören, ha ben Sie bereits gewonnen. Tausende kleiner Schieferplättchen hat Carmen Perrin zu einem fein strukturierten Ganzen zusammengefügt. Bild Stefan Kaiser initiiert wurde. Harald Klein, Stadtplaner von Zug und damaliger Projektleiter, erinnert sich: «Neben einem Land schaftsarchitekten wurden vier Kunst schaffende bei der Platzgestaltung mit einbezogen und damit beauftragt, Skulp turen für diesen Ort zu schaffen, die auf die bestehende Gestaltungsstruktur des Platzes reagieren. Es gelang, eine schlichte und Weite generierende Grün anlage zu erstellen, welche zusammen mit den Kunstwerken eine Einheit bildet. Am Planungsprozess konnte – erstmals für Zug – die Öffentlichkeit teilhaben und sich einbringen.» Die Sanierung und Neugestaltung des Platzes war im Frühling 1995 abgeschlossen. Carmen Perrin ist – neben Anton Egloff, Andrea Wolfensberger und Flavio Paolucci – eine der Kunstschaffenden, die am Projekt beteiligt waren und sich mit der Vorstadtkatastrophe ausei nandersetzten. Perrins grosse, quadra tische, anthrazitfarbene Schieferplatte schmiegt sich flach in den Rasen. Sie besteht aus mehreren tausend Schiefer plättchen, die eine fein strukturierte Oberfläche bilden. Für die Skulptur liess sich die Künstlerin von der be kannten Fotografie inspirieren, die un mittelbar nach der Vorstadtkatastrophe im Jahr 1887 aufgenommen wurde und die deren erschütterndes Ausmass zeigt. Dabei öffnet sich der Blick auf zerstörte Häuser, eine Anhäufung von Trümmerteilen im Wasser und das schräg abgesunkene Hotel Zürcherhof. Dessen weitgehend intakte Dachhaut mit den rhythmisch gegliederten Zie gelreihen regte die Künstlerin zur for malen Gestaltung ihres Werks an. In Anlehnung an die Naturkatastrophe symbolisiert die Skulptur die geologi schen Voraussetzungen, die Naturge walt und die Vergänglichkeit: Die vie len, gestaffelten Schieferplättchen ste hen so für die Gesteinsschichten des instabilen Terrains. Die fein struktu rierte, je nach Lichteinfall bewegt oder glatt erscheinende Oberfläche erinnert an die Oberfläche des Sees, der das Ufer verschlang. Und schliesslich wird das flach gestaltete Objekt von Gras überwachsen und so langsam von der Natur zurückerobert. Die stille Arbeit von Carmen Perrin ist ein zeitgenössisches Denkmal. Es er innert an die verheerende Naturkatast rophe im Jahr 1887 und mahnt an die Vergänglichkeit von allem Irdischen. Ge denke der Zeit. Denkmal. BRIGITTE MOSER, KUNSTHISTORIKERIN [email protected] HINWEIS Mit «Hingeschaut!» gehen wir wöchentlich mehr oder weniger auffälligen Details mit kulturellem Hintergrund im Kanton Zug nach. Frühere Beiträge finden Sie unter www.zugerzeitung.ch/serien Mit Orgelklängen in den Sommer ZUG Bis Mitte August gibt Hans-Jürgen Studer wöchentlich ein Konzert in der City-Kirche. Mit einem Schwerpunkt. fae. Beginnt man die SommerSonn tage mit Musik – ob bei Regen oder Sonne –, erhalten sie vielleicht eine ganz neue Qualität. Ab diesem Sonntag, 5. Juli, lädt die Gesellschaft der Freunde von Kirchenmusik Zug (GFK) wöchentlich zu einer Konzertmatinee in die reformierte CityKirche. Bis 16. August spielt Organist HansJürgen Studer jeweils sonntags um 11 Uhr die GollOrgel. Die insgesamt sieben Matineen setzen mit Johann Se bastian Bach einen Schwerpunkt, indem pro Konzert mindestens ein BachWerk vorkommt. Die fünfte und die siebte Matinee bestehen indes aus einem reinen BachProgramm. HansJürgen Studer interpretiert an den Konzerten neben BachKomposi tionen von Dietrich Buxtehude, Eugene Gigout, Théodore Dubois, Louis Nicolas Clérambault, Jean Langlais, Felix Men delssohn und CharlesMarie Widor. Für Konzerte bestens geeignet: die qualitätvolle Goll-Orgel der City-Kirche Zug. Bild Christof Borner-Keller Ein «ausserordentliches Konzert», sprich eines ausserhalb der Sonntags matineen, findet am Dienstag, 28. Juli, um 20 Uhr statt – selbstverständlich ebenfalls in der CityKirche. Es ist der 265. Todestag Johann Sebastian Bachs. Seiner soll an diesem Tag mit einem Orgelkonzert gedacht werden. Das de taillierte Programm wird am Konzert abend in der Kirche aufliegen. Die Details zum Matineeprogramm sind dem Flyer der Gesellschaft der Freunde von Kirchenmusik zu entnehmen (am Schriftenstand in der CityKirche). Der Eintritt zu sämtlichen Orgelkon zerten ist frei. Die Kollekten werden dem Konzertfonds der GKF vollumfänglich überwiesen. Heinz Greter und der Buddhismus LITERATUR red. Seit Alexander dem Grossen sind Ost und West kulturell und wirtschaftlich miteinander ver bunden. Vor über zweitausend Jah ren erwähnt ein westlicher Diplomat in seinem Bericht über Indien erst mals einen gewissen Budjas, der dort als grosser Weiser gilt. Wie war die Welt der frühen Buddhisten, und wie verehrten sie ihren verstorbenen Meister? Ihre rituellen Wege, die spirituelle und kosmische Bedeutung der Kultbauten im Osten weisen Ähnlichkeiten mit jenen der Christen im Westen auf. Die Erfindung der Buddhafigur basiert auf der griechi schen Plastik, und die inneren Wege der östlichen und der westlichen Mystik künden von übereinstimmen den Erfahrungen. Der Autor und Kunsthistoriker Heinz Greter geht in seinem neuen Buch «Budjas Buddhisten» den We gen und Welten des frühen Buddhis mus auf den Grund. HINWEIS «Budjas Buddhisten» von Heinz Greter, 144 Seiten, Fr. 29.80, ISBN 978-3-906065-33-5.
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