Persönliche PDF-Datei für A. Prokop, S. Koll, M. Chmielnicki www.thieme.de Mit den besten Grüßen vom Georg Thieme Verlag Sekundäre Milzruptur bei primär unauffälliger Computertomografie DOI 10.1055/s-0041-108265 Z Orthop Unfall Dieser elektronische Sonderdruck ist nur für die Nutzung zu nicht‑kommerziellen, persönlichen Zwecken bestimmt (z. B. im Rahmen des fachlichen Austauschs mit einzelnen Kollegen und zur Verwendung auf der privaten Homepage des Autors). Diese PDF‑Datei ist nicht für die Einstellung in Repositorien vorgesehen, dies gilt auch für soziale und wissenschaftliche Netzwerke und Plattformen. Verlag und Copyright: © 2015 by Georg Thieme Verlag KG Rüdigerstraße 14 70469 Stuttgart ISSN 1864‑6697 Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlags Fallbericht Sekundäre Milzruptur bei primär unauffälliger Computertomografie Secondary Splenic Rupture after Initially Inconspicuous CAT Scan Autoren A. Prokop 1, S. Koll 2, M. Chmielnicki 1 Institute 1 Schlüsselwörter " Milzruptur l " verzögert l " Kasuistik l " Erstbeschreibung l Key words " splenic rupture l " delayed l " case report l " first case l Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0041-108265 Online-publiziert Z Orthop Unfall © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York · ISSN 1864‑6697 Korrespondenzadresse Prof. Dr. med. Axel Prokop Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie Kliniken Sindelfingen, Klinikverbund Südwest Arthur-Gruber-Straße 70 71065 Sindelfingen Tel.: 0 70 31/9 81-24 22 Fax: 0 70 31/4 27-11 10 [email protected] Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Kliniken Sindelfingen, Klinikverbund Südwest Radiologie, Kliniken Sindelfingen, Klinikverbund Südwest Zusammenfassung Abstract ! ! Einleitung: Milzverletzungen treten nach stumpfen Bauchtraumen in 1–5 % der Fälle auf. Nach anfänglicher Kompression der Blutung kann es auch sekundär zur verzögerten Milzruptur kommen mit einer zeitlichen Latenz von 1 Tag bis hin zu 1 Monat und länger. Die Letalität beträgt dann bis zu 15 %. Nahezu immer erkennt man in der Computertomografie oder der Sonografie Hinweise auf die Milzverletzung. Kasuistik: In einem Fall aus unserer Klinik kam es bei unauffälligem CT und Ultraschall ohne abdominelle Klinik zu einer sekundären Milzruptur nach der Entlassung aus der stationären Erstbehandlung. Nach notfallmäßiger Splenektomie 8 Tage nach dem Unfall überlebte der Patient. Bei einer gutachterlichen Überprüfung des Falles wurde keine fehlerhafte Behandlung festgestellt. Schlussfolgerung: Ein Fall mit unauffälliger Erstdiagnostik und unauffälligem klinischem Verlauf, der eine sekundäre Milzruptur erlitt, ist bislang in der Literatur nicht beschrieben. Sekundäre Milzrupturen haben eine hohe Letalität. Die Patienten sollten auf Komplikationen im Verlauf nach Entlassung hingewiesen werden und sich bei Beschwerden sofort wieder im Krankenhaus vorstellen. Background: Splenic injuries occur in 1–5% of blunt abdominal trauma cases. After initial haemorrhagic compression, secondary delayed spleen rupture can occur with a latency of one day to a month or longer. Mortality is then up to 15 %. The spleen injury is almost always recognisable on CT or ultrasound. Case History: In one case from our clinic, secondary splenic rupture occurred in a patient after discharge from hospitalisation, even though the initial CT and ultrasound were unremarkable. The patient survived, and underwent emergent splenectomy 8 days after the trauma. An expert review of the case identified no errors in treatment. Conclusion: No case of secondary splenic rupture after initially unremarkable diagnostic studies and clinical course has previously been published. Secondary splenic rupture has a high mortality rate. Patients should be advised of potential complications after hospital discharge, and should return to the hospital immediately in case of symptoms. Einleitung mie die Therapie der ersten Wahl. Nahezu immer erkennt man in der Computertomografie oder der Sonografie Hinweise auf die Milzverletzung. In einem Fall aus unserer Klinik kam es bei unauffälligem CT und Ultraschall ohne abdominelle Klinik zu einer sekundären Milzruptur nach der Entlassung aus der stationären Erstbehandlung. ! Milzrupturen treten nach stumpfen Bauchtraumen in 1–5 % der Fälle auf [1]. Je nach Schweregrad erfolgt bei stabilen Kreislaufverhältnissen eine konservative und milzerhaltende Therapie. Nach anfänglicher Kompression der Blutung kann es auch sekundär zur verzögerten Milzruptur kommen mit einer zeitlichen Latenz von 1 Tag bis hin zu 1 Monat und länger [2]. Die Letalität steigt dann von 1% bis auf 15 % drastisch an [3]. Bei verzögerten Milzrupturen ist die Splenekto- Prokop A et al. Sekundäre Milzruptur bei … Z Orthop Unfall Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung 2 Fallbericht Abb. 1 Unauffälliges CT mit Kontrastmittel in der portalvenösen Phase am Unfalltag. Kasuistik Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung ! Ein 28-jähriger Mann verunfallte mit seinem Pkw bei einem Frontalzusammenstoß als angeschnallter Fahrer. Er war immer wach und ansprechbar und wurde mit einem GCS von 15 mit stabilem Kreislauf in die Klinik eingeliefert. Bei Erstaufnahme bestand eine retrograde Amnesie. Abdominelle Beschwerden bestanden nicht. Die FAST-Track-Sonografie war unauffällig. Es erfolgte sofort eine CT-Untersuchung von Schädel, Thorax und Abdomen. Hier konnte eine kleine subdurale Blutung (SAB) und eine nicht dislozierte Fraktur der rechten 9. Rippe festgestellt werden. Die Milz stellte sich unauffällig dar. Rippenfrakturen auf der linken Seite wurden nicht gesehen. Streifige Artefakte von den seitlich angelegten Armen waren angedeutet, aber unabhängig von den Organgrenzen " Abb. 1.). Das CT wurde durch den unfallchirurgischen sichtbar (l und radiologischen Facharzt als unauffällig bewertet. Die SAB und die Rippenfraktur wurden konservativ behandelt und der Patient für 24 Stunden auf der Intensivstation aufgenommen. Das Abdomen war weich und der Patient hatte keine abdominellen Beschwerden. Es erfolgte die Verlegung auf die Normalstation mit engmaschiger Überwachung. Kreislauf und Hb-Wert waren immer stabil und es wurden keine abdominellen Beschwerden beklagt. Ein Schädel-Verlaufs-CT nach 72 Stunden zeigte einen nahezu vollständig rückläufigen Befund. Der Patient wurde mobilisiert, Ernährung mit Vollkost wurde toleriert und die Verdauung war regelhaft. Am 7. Tag wurde der Patient bei gutem Zustand und mit unauffälligem abdominellem Befund in die ambulante Behandlung entlassen. Ein ambulanter Kontrolltermin 1 Woche später wurde vereinbart. Am Folgetag der Entlassung, 8 Tage nach dem Unfall, bemerkte er, als er sich zu Hause vom Sofa aufrichtete, ein „Knacken“ am linken Brustkorb mit heftig sich steigernden Bauchschmerzen. Er stellte sich daraufhin erneut in einer Klinik vor. Hier wurde nach einer Sonografie und einer erneuten Computertomografie eine Milzruptur am unteren Pol mit freier Blutung in die Bauchhöhle " Abb. 2). festgestellt (l Es erfolgte daraufhin notfallmäßig die Laparotomie. Die Milz konnte nicht erhalten werden und wurde entfernt. Der postoperative Verlauf gestaltete sich unauffällig, sodass der Patient zeitgerecht entlassen werden konnte. Ein befreundeter Arzt des Patienten bewertete im Nachhinein die initiale Computertomografie und äußerte sich dazu, dass „man so etwas nicht übersehen dürfe“. Prokop A et al. Sekundäre Milzruptur bei … Z Orthop Unfall Abb. 2 CT mit Milzruptur und freier Flüssigkeit im Abdomen. Drei Jahre später wurde der Fall auf Betreiben des Patienten von der Gutachterkommission geprüft und ein Fehlverhalten oder Behandlungsfehler der erstbehandelnden Klinik ausgeschlossen. Diskussion ! Die Erstdiagnostik beim Hochrasanztrauma schließt eine sichere Beurteilung des Abdomens mit ein. Neben der FAST-Track-Sonografie des Abdomens gehört die Spiral-CT-Untersuchung mit Kontrastmittel zur Standarddiagnostik bei der Erstversorgung dazu [4]. Eine sichere Beurteilung einer Organverletzung ist dann nach Gabe von Kontrastmittel in der arteriellen Phase bei Gefäßverletzungen und in der späteren venösen Phase bei Parenchymverletzungen mit hoher Sensitivität möglich. Die angelagerten Arme können, wie im vorliegenden Fall, zu streifigen Artefakten bei der Darstellung von Leber und Milz führen, die dann aber durchgehend, unabhängig von Organgrenzen, sichtbar werden. Daher ist die Überkopflagerung der Arme, wenn immer möglich, sinnvoll. Ein unauffälliges Erst-CT und im weiteren Verlauf klinisch unauffälliges Abdomen und eine trotzdem auftretende Milzruptur mit sogar möglichem letalem Ausgang nach der Entlassung des Patienten hat uns verwundert. Unklar bleibt dabei die Ursache. Eine dislozierte Rippenfraktur, die dann im Verlauf zur Penetration in die Milz führte, scheidet aus. Auch nach mehrfacher Durchsicht des CT bestand keine Rippenfraktur links, lediglich eine nicht dislozierte Rippenfraktur rechts, die auch auf dem 2. CT nicht weiter disloziert war und somit als Ursache ausscheidet. Es verbleibt eine eventuelle Gurtverletzung, wobei bei der klinischen Erst- und Folgeuntersuchung des Abdomens keine Gurtmarken oder Auffälligkeiten bestanden. Als Ursache vermuten einige Autoren ein langsam zunehmendes Hämatom in der Milz bei intakter Organkapsel. Übersteigt der Druck die Festigkeit der Kapsel oder es besteht ein Minimalriss, kommt es zur Perforation und Blutung in die freie Bauchhöhle. Diese kündigt sich aber regelhaft durch Schmerzen im Vorfeld an [2, 4–6]. Eine zweizeitige Milzruptur bei unauffälliger Erst-CT und unauffälligem weiteren klinischen Verlauf ist bislang in der Literatur nicht beschrieben. Scheyerer und Mitarbeiter berichteten über einen einzigen Fall mit unauffälligem Erst-CT und dann aber, bei ständigen abdominellen Beschwerden, im Kontroll-CT nach 8 Tagen gesehener Milzruptur. Der Patient wurde dann bei progredienter Blutung splenektomiert [3]. In unserem Fall bestand aber Fallbericht Falschbehandlung festgestellt, aber der Patient ist nach wie vor sehr unzufrieden und fühlt sich falsch behandelt und beurteilt, sodass die Freude über einen überlebten schweren Verkehrsunfall dabei vergessen wird. Interessenkonflikt: Nein Literatur: 1 Hasan R, Abd Aziz A, Md Ralib AR et al. Computed tomography of blunt spleen injury: a pictorial review. Malays J Med Sci 2011; 18: 60–67 2 Riezzo I, Di Battista B, De Salvia A et al. Delayed splenic rupture: dating the sub-capsular hemorrhage as a useful task to evaluate causal relationships with trauma. Forensic Sci Int 2014; 234: 64–71 3 Scheyerer MJ, Schoenbohm V, Andreisek G et al. Zweizeitige Milzruptur am 13. postoperativen Tag nach initial unauffällig befundener CT-Untersuchung. Unfallchirurg 2013; 116: 559–562 4 Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie. S3-Leitlinie Polytrauma/ Schwerverletzten-Behandlung. AWMF 2011. Im Internet: http:// www.awmf.org/leitlinien/detail/II/012–019.html; Stand: 24.6.15 5 Eren B, Türkmen N, Gündoğmuş ÜN. Delayed spleen rupture after blunt abdominal trauma. Georgian Med News 2012; 206: 22–24 6 Kodikara S, Sivasubramanium M. Mechanisms of delayed splenic rupture: a new hypothesis. Leg Med (Tokyo) 2009; 11 (Suppl. 1): S515– S517 Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung keinerlei Klinik. Ist daher eine portalvenöse CT-Folgeuntersuchung berechtigt? Bei einer Strahlenbelastung von bis zu 10 mS besteht auch aus Gründen des Strahlenschutzes keine rechtfertigende Indikation. Auch eine Ultraschalluntersuchung oder eine Kernspintomografie haben wir in diesem Fall ohne klinische Symptomatik nicht durchgeführt. Wäre es daher gerechtfertigt, die Patienten bei einem Hochrasanztrauma länger, also mindestens 8–10 Tage, stationär zu behandeln? Ohne Nachweis einer klinischen Symptomatik werden solche Tage regelhaft vom MDK gestrichen und gehen somit komplett zu Lasten des Krankenhauses. Wie lange müsste die Überwachung dann mindestens andauern, da sekundäre Rupturen bis zu 1 Monat und später nach dem Unfall auftreten können [2]? Wir klären unsere Patienten daher bei Entlassung immer darüber auf, sich sofort bei Beschwerden wieder vorzustellen und haben jetzt auch in allen unseren Arztbriefen einen entsprechenden Standardsatz am Ende als gesetzten Textbaustein integriert. Dies hilft nicht nur im juristischen Streitfall, sondern hilft allen, auch an seltene mögliche Verläufe zu denken. Die juristische Auseinandersetzung in diesem Fall begann, wie so oft, mit einer unbedachten Aussage eines ärztlichen Kollegen. Vor der Gutachterkommission wurde letztlich kein Fehler oder Prokop A et al. Sekundäre Milzruptur bei … Z Orthop Unfall
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