Zeitungsbericht - Bibliothek / Ludothek Ebnat

Lewinskys Zukunftsvisionen - Toggenburger Tagblatt Online
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7. März 2016, 07:36 Uhr
Lewinskys Zukunftsvisionen
Charles Lewinsky (Mitte) unterhält das Publikum mit Judith Stadtlin und Michael van Orsouw. (Bild: Mirjam
Bächtold)
Charles Lewinsky weiss, was die Zukunft bringt. Am Freitag las
er in Ebnat-Kappel aus «Schweizen» düstere
Zukunftsszenarien. Beunruhigend, wenn Blocher ein
Mausoleum bekommt und das Tagblatt von China aus
gesteuert wird.
MIRJAM BÄCHTOLD
Wir schreiben das Jahr 2096, Charles Lewinsky ist längst tot, zum Gedenken an seinen 150.
Geburtstag werden seine Texte vorgelesen, damit man «den grossen Autor nicht vergisst». So
eröffnete Charles Lewinsky am Freitag gemeinsam mit dem Duo Salz & Pfeffer die Lesung in EbnatKappel. Anlass war weniger der 150. Geburtstag des Autors, sondern das 10-Jahr-Jubiläum der
Bibliothek. Doch mit seinem Buch «Schweizen – 24 Zukünfte» entführten der Autor sowie die
Spoken-Word-Autoren Judith Stadlin und Michael van Orsouw das Publikum kurz vor die Schwelle
des 22. Jahrhunderts. Wenn man die Zukunftsaussichten hört, wünscht man sich, vorher zu sterben.
Ausgestorbene Kühe
Schweizen, damit meint Charles Lewinsky die Steigerungsform skurriler eidgenössischer Eigenheiten
in die Zukunft. In 24 «Zukünften» beschreibt der Autor, was uns in 100 Jahren erwartet. Da gibt es
das Freilichtmuseum Ballenberg 2, das die Besucher zurück in die Zeit versetzt, als es noch Bauern
und Kühe gab. Das Alpenpanorama wird an die Sichtschutzwände vor die Wolkenkratzer projiziert.
Lebensechte Androiden in Bauernform geben einen realistischen Einblick in die historische
Landwirtschaft: Man sieht sie beim Ausfüllen von Subventionsanträgen, beim Melken mit
Melkmaschine, beim Abschicken von Subventionsanträgen und beim Traktorfahren. Auch
ausgestorbene Tiere sind zu bewundern, etwa Kühe, die sogar Milch geben, besonders mutige
Besucher dürfen sie probieren. Auch Berufe, die es so nicht mehr gibt, präsentiert das Museum den
Besuchern. Etwa die Briefträgerin oder der Handwerker, der defekte Geräte repariert. Im Restaurant
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des Museums gibt es Hamburger, die dank der chemischen Zubereitung auch für Vegetarier geeignet
sind.
China steuert die Schweiz
Die Lesung mit verteilten Rollen gewinnt dank des Duos Salz & Pfeffer an Schärfe und Witz. Die
satirischen Texte aus Lewinskys Feder sind vielseitig: vom Märchen über die Fabel zum
Museumsprospekt und einer Betriebsanleitung für das Schweizer Taschenmesser. Da dieses kurz vor
dem Wechsel ins 22. Jahrhundert aus China importiert wird, ist das Deutsch gebrochen:
«Gratulierung! Sie haben gekaufen eine Original Schweizer Taschenmesser, Modell <Morgarten> oder
<Morgarten spezial>. Dieses ist eine hundert Prozent Schweiz Produkt, merkbar an Schweiz-Kreuz an
Griff und bestes Qualitatierung. Ihre Taschenmesser ist gemacht mit Hand von original Schweiz
Fachmannen mit Liebe und Sorgfaltigkeit in Produzierfabrik von Knife for Life Enterprises (früher
Victorinox AG) in Ibach-Schwyz, Switzerland, welches ist eine Department von Ippai Tong Si GmbH,
Shanghai, China.»
Doch Victorinox ist nicht die einzige Firma, die von China übernommen wurde. Fast alle Schweizer
Firmen sind in der Hand dieser GmbH in Shanghai. Auch die Swiss News, ehemals NZZ, zu der ja
bekanntlich auch die Tagblatt medien gehören, sind Teil der Ippai Tong Si GmbH und werden von
Shanghai aus gesteuert.
Blocher in der Steinkiste
Besonders lustig findet das Publikum den Aufsatz, in dem ein Schüler die Klassenfahrt zum Schloss
Rhäzüns und zum dortigen Mausoleum beschreibt. Er ist enttäuscht darüber, dass sein
Klassenkamerad nicht mitkommen durfte, «weil seine Eltern Dissidenten sind». Vor dem Mausoleum
bildet sich eine lange Kolonne, von Schulklassen und anderen Besuchern. Der Schüler ist etwas
enttäuscht, nach dem Rummel hätte er mehr erwartet als die Steinkiste, in der Blocher liegt.
Obwohl die Zukunftsaussichten düster sind: Dem Publikum gefällt die Lesung, es klatscht die Künstler
mehrmals auf die Bühne zurück. Die Zugabe bleibt dennoch dürftig: ein gemeinsames «Ippai Tong Si
GmbH, Shanghai, China» geben die drei zum Besten und damit hat sich's.
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