Bodenfruchtbarkeit – eine sehr komplexe Materie

28
Pflanze
BAUERNBLATT l 23. Mai 2015 ■
Bundesarbeitskreis Düngung
Bodenfruchtbarkeit – eine sehr komplexe Materie
Der Boden ist das wichtigste Betriebskapital und die Grundlage
für die Ernährungssicherung der
(Welt-)Bevölkerung. Die vielfältigen Aufgaben und Funktionen des
Bodens sind jedoch etwas ins Hintertreffen geraten. Grund genug
für den Bundesarbeitskreis Düngung, seine Tagung kürzlich in
Würzburg dem Thema „Bodenfruchtbarkeit“ zu widmen. Mitveranstalter der Tagung war der Verband der Landwirtschaftskammern.
2015 ist das Internationale Jahr des
Bodens, in Deutschland wurde der
Stauwasserboden zum Boden des
Jahres gekürt. 60 % der deutschen
Flächen sind der Landbewirtschaftung vorbehalten. Der Boden ist die
Grundlage der Nahrungsmittelerzeugung, erfüllt aber auch weitere vielfältige Funktionen, die häufig in Konkurrenz zueinander stehen. „Der Boden ist die Grundlage des Wohlstands
in der Welt“, fasste es Karl Severin
vom Bundeslandwirtschaftsministerium zusammen. Er müsse deshalb gegen Erosion, Versiegelung, Versalzung oder Wüstenbildung geschützt
werden. Die Bodenfruchtbarkeit über
Düngung und Kalkung zu erhalten
oder zu verbessern, sei eine elementare Aufgabe der Landwirtschaft. „Es
gibt keine verbindliche Definition,
was Bodenfruchtbarkeit ist“, so Severin. Als wesentlichen und gut bestimmbaren Indikator bezeichnete er
die Ertragsfähigkeit.
Flächenverbrauch
stoppen
Im Flächenverbrauch sieht Steffen
Pingen vom Deutschen Bauernverband die größte Gefahr für die Böden. „Noch gehen in Deutschland
täglich 73 ha landwirtschaftlicher Fläche unwiederbringlich verloren.“
Umso wichtiger sei es, die heimischen
Gunststandorte zu schützen, anstatt
bei Ausgleichsmaßnahmen vorrangig
Agrarflächen zu opfern. Dies könnte
in der erwarteten Kompensationsverordnung auch mit innovativen Konzepten wie Flächenzertifikaten oder
dem Handel mit Versiegelungsrechten erprobt werden.
„Nachhaltig erzeugte Erträge sind
der Indikator für Bodenfruchtbarkeit“, sagte Prof. Dr. Gerhard Breitschuh, Mitinitiator des Internetportals
www.agrarfakten.de
durch die Zunahme der
Bodenfruchtbarkeit
Temperaturen die Vegeberuhe auf dem kompletationsperiode und bexen Zusammenwirken mischleunige sich das Pflanneralogischer, physikalizenwachstum. Während
scher, chemischer und biofür
die
Westhälfte
logischer Faktoren. Viele
Deutschlands eher zuBöden seien aufgrund
nehmende Niederschlämoderner Bewirtschafge zu erwarten seien,
tungsverfahren in den
müsse der Osten sich auf
vergangenen Jahrzehnabnehmende
Regenten bereits aufgewertet
mengen
vorbereiten.
worden. Zudem seien die
Gleichzeitig ändere sich
Humussalden der Betriedie Jahresverteilung des
be überwiegend positiv.
Regens, was bereits zu eiDie Auswertung einer
nem messbaren Einfluss
Vielzahl von Betrieben
auf Wasserbilanz und
nach den in Thüringen
Bodenfeuchte geführt
entwickelten „Kriterien
umweltverträglicher
Die vielfältigen Aufgaben und Funktionen des Bodens dürfen habe.
Landbewirtschaftung“
Mit den vorhergesagnicht ins Hintertreffen gelangen, denn er ist das wichtigste Be(KUL) verdeutliche, dass triebskapital und die Grundlage für die Ernährungssicherung. ten Klimaveränderungen
ein kleiner Teil der Betrie- In Deutschland wurde der Stauwasserboden zum Boden des beschäftigte sich auch
Fotos: Landpixel Prof. Dr. Annette Deubel
be nicht nachhaltig im Jahres gekürt.
Sinne von KUL wirtschafvon der Hochschule Ante. Kritisch beurteilte er dabei vor al- führe dies bereits zu deutlichen Er- halt in Bernburg. „Wir registrieren in
lem die Situation der Betriebe mit in- tragseinbußen. Anbauversuche zeig- der Summe keine extreme Klimavertensiver Tierhaltung. „Hätten wir in ten die positiven Effekte der P-Dün- änderung“, so Deubel. „Die moderaden vergangenen 40 Jahren die orga- gung in Gehaltsklasse A. Je nach Bun- ten Durchschnittswerte spiegeln jenische Düngung über alle Flächen desland seien bis zu 64 % des Acker- doch nicht die veränderte jährliche
gleichmäßig verteilt, hätten wir heute landes sehr niedrig mit Kalium ver- Verteilung und die zunehmenden exkeine Diskussion über Massentierhal- sorgt. Dies führe zu Ertrags- und Qua- tremen Wetterereignisse wider.“ Vertung und Grundwasserbelastung“, so litätsproblemen, insbesondere bei suche am Standort Bernburg hätten
seine Aussage. „Und wir hätten auch empfindlichen Kulturen wie der Kar- ergeben, dass die in ostdeutschen Betoffel.
keine Düngeverordnung.“
trieben bereits weitverbreitete strukturschonende Bodenbearbeitung dazu beigetragen habe, das WasserspeiSchlechter,
Bodenleben und
chervermögen der Böden und das verals man denkt
Klimafaktoren
fügbare Bodenvolumen zu sichern.
Für den erkrankten Dr. Wilfried
Mit der mikrobiologischen For- Die konservierende BodenbearbeiZorn, Thüringer Landesanstalt für schung beschäftigte sich der Vortrag tung beeinflusse die biologische AktiLandwirtschaft, Jena, referierte Dr. von Prof. Dr. Ellen Kandeler, Universi- vität und sichere die ausgewogene
Gerhard Baumgärtel von der Land- tät Hohenheim. „Mikrobielle Reak- Grundnährstoffversorgung und damit
wirtschaftskammer Niedersachsen tionen im Boden entscheiden mit dar- die Ertragsstabilität. Bei neuen Verzur Nährstoffversorgung der Böden. über, ob sich Böden zu Kohlenstoff- fahren wie Strip-Till sieht sie jedoch
Langjährig negative P- und K-Bilan- quellen oder -senken entwickeln“, so noch Forschungsbedarf.
zen hätten in vielen Ackerbaugebie- Kandeler. Mikroben seien zudem in
ten zu einer schlechteren Nährstoff- der Lage, phosphorlimitierende FakWie bearbeiten,
versorgung der Böden und zu einem toren auszugleichen. Für die bessere
wie rechnen?
erhöhten Düngebedarf geführt. Die Ausnutzung von Phosphatdüngern
Kritik an der Landwirtschaft bezüg- könne das Wissen über das Zusam„Die Bodenstruktur hat einen erlich „Überdüngung der Böden“ ist menspiel von Bakterien, Pilzen und heblichen Einfluss auf die Bodenaus Zorns Sicht in diesen Regionen Wurzelzellen neue Erkenntnisse lie- fruchtbarkeit, von besonderer Bedeunicht haltbar. Häufig vernachlässigt fern.
tung ist die Leitfähigkeit für Wasser
werde die Kalkversorgung der Böden.
Die Bodenfruchtbarkeit steht in en- und Gase“, führte Dr. Heinz-Josef
„Je nach Bundesland sind bis zu 42 % ger Korrelation zum Klima. Falk Bött- Koch vom Institut für Zuckerrübenfordes Ackerlandes kalkbedürftig“, so cher vom Deutschen Wetterdienst schung in Göttingen aus. BodenverZorn. Kalkmangel reduziere massiv Leipzig erläuterte die Aufgaben der dichtung habe einen negativen Eindie Bodenfruchtbarkeit, da die Auf- Agrarmeteorologie. Es gehe zum ei- fluss auf das Wurzelwachstum und
nahme der anderen Nährstoffe er- nen um die Entwicklung zuverlässi- damit die Nährstoffversorgung der
schwert werde. Phosphormangel ger, kleinräumiger Vorhersagemodel- Böden. Während Winterweizen hierkönne auf bis zu 50 % der Ackerbö- le und zum anderen darum, die Fol- für relativ unempfindlich sei, hätten
den nachgewiesen werden. Insbeson- gen des vorhergesagten Klimawan- andere Kulturen große Probleme mit
dere bei empfindlichen Kulturen und dels für die Landwirtschaft abzuschät- der verschlechterten Durchwurzeltrockenen Witterungsbedingungen zen. Bereits heute verlängere sich barkeit. Gleichzeitig könne verdichte-
Pflanze
■ BAUERNBLATT l 23. Mai 2015
ter Boden wesentlich weniger Regenwasser aufnehmen, was Erosion begünstige und die Feldkapazität verringere. Technische Entwicklungen
bei den Maschinen hätten das Problem zuletzt entschärft.
Andreas Lieke von der Ländlichen
Betriebsgründungs- und Beratungsgesellschaft, Göttingen, erläuterte ein
Kalkulationsmodell zur betriebswirtschaftlichen Bewertung der Bodenfruchtbarkeit. Anhand realer Zahlen
stellte er die Auswirkungen eines (bewussten) Verzichtes auf die Grunddüngung dar. „Hier hat man am falschen Ende gespart“, so das Resümee.
Für Lieke ist die Erhaltungsdüngung
in den Bodenklassen A, B und C die
Grundlage des wirtschaftlichen Erfolges. Auf Flächen, die langfristig an
den Betrieb gebunden sind, versteht
er die Aufdüngung als sinnvolle Investition. „Wir haben errechnet, dass die
langfristigen Gewinne aus den Mehrerträgen das derzeit niedrige Zinsniveau am Kapitalmarkt bei Weitem
übersteigen. Und je höher der Ertrag
ist, desto wirtschaftlicher ist die
Grunddüngung.“
erhöhten Erosionsrisiko.
Gerade in engen Fruchtfolgen komme der Zwischenfrucht eine tragende Rolle
Bodenfruchtbarkeit ist
beim Erhalt der Bodendas große Thema in der
fruchtbarkeit zu. Die positiÖkolandwirtschaft. Dr. Hartven betriebs- und volksmut Kolbe vom sächsischen
wirtschaftlichen
Effekte
Landesamt für Umwelt,
ausgewogener FruchtfolLandwirtschaft und Geologen herauszuarbeiten, begie hielt diesbezüglich einen
zeichnete er als lohnende
Wermutstropfen für den BiForschungsaufgabe. Im Zuolandbau bereit. Eine Aussammenhang mit dem
wertung von Studien habe
Greening dürfe die Zwiergeben, dass die Nährstoffschenfrucht nicht nur als
und Bodengehalte auf den
Notlösung verstanden werÖkobetrieben einen negativen Trend aufweisen. Der Die Bodenfruchtbarkeit über Düngung und Kalkung zu er- den, sie könne eindeutig
Unterschied zu konventio- halten oder zu verbessern, ist eine elementare Aufgabe der mehr. Allerdings verhindenell geführten Betrieben sei Landwirtschaft. Langjährig negative P- und K-Bilanzen kön- re die in der Düngeverordzudem nur marginal. „In Zu- nen nachweislich zu einer schlechteren Nährstoffversorgung nung vorgesehene Begrenzung der N-Düngung auf
kunft muss auf den Betrie- der Böden und zu einem erhöhten Düngebedarf führen.
30 bis 60 kg/ha es, „eine
ben noch deutlicher auf ein
umfassendes Nährstoffmanagement Bayern laufe der Trend gerade in eine ordentliche Zwischenfrucht hinzugeachtet werden“, so sein Fazit. Ja- andere Richtung. 51 % der Fläche sei- stellen“, so Opperer.
kob Opperer, Präsident der Baye- en allein dem Getreide, 26 % dem
Friederike Krick, agrar-press
rischen Landesanstalt für Landwirt- Mais vorbehalten. Dies führe zu den
freie Autorin
schaft, brach eine Lanze für abwechs- bekannten phytosanitären ProbleTel.: 02 61-3 94 19 93-0
lungsreiche Fruchtfolgen und für den men, zu geringerer Nä[email protected]
Zwischenfruchtanbau. Zumindest in zung, zu Humusschwund und einem
Öko versus
konventionell?
29